JurPC Web-Dok. 20/2019 - DOI 10.7328/jurpcb201934220

AG Frankenthal

Urteil vom 07.11.2018

3c C 196/18

Inanspruchnahme als Mittäter einer Urheberrechtsverletzung; Auslegung des EuGH-Urteils

JurPC Web-Dok. 20/2019, Abs. 1 -


Leitsätze:

1. Zur im Rahmen der Inanspruchnahme eines als Mittäter für eine Urheberrechtsverletzung haftenden Tauschbörsenteilnehmers erforderlichen Darlegung, dass in zeitlichem Zusammenhang mit dem über den Internetanschluss des in Anspruch Genommenen in der konkret genutzten Tauschbörse eine vollständige Version eines Werkes (oder eines urheberrechtsschutzfähigen Teils davon) angeboten worden ist, genügt es nicht, wenn in einem nicht näher eingegrenzten Zeitraum vor der Ermittlung gegen einzelne Tauschbörsennutzer eine Datei im Internet aufgespürt wurde, die das vollständige Werk enthielt, weil dies weder die Feststellung ermöglicht, ob die entsprechende Datei auch in der konkret genutzten Tauschbörse angeboten wurde, noch, ob dies in dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang mit dem beanstandeten, über den Anschluss des in Anspruch Genommenen Angebot der Fall war.

2. Die notwendige Zuordnung der über den Anschluss des in Anspruch Genommenen angebotenen Datenpakete zu einem bestimmten Werk, an dem der Anspruchsteller Urheberrechte geltend macht, setzt eine Darlegung und im Fall des Bestreitens den Nachweis (z.B. durch Vorlage des über den Anschluss heruntergeladenen Dateiteils) voraus, dass auch tatsächlich solche Daten zum Herunterladen angeboten wurden, die Bestandteile des konkreten Werkes sind.

3. Im Rahmen der ihn nach der nunmehr auch vom Europäischen Gerichtshof (Urteil vom 18. Oktober 2018, C-149/17 - Bastei-Lübbe) bestätigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs treffenden sekundären Darlegungslast hat der in Anspruch genommene Inhaber eines Internetanschlusses möglichst konkrete Angaben zu Zeitpunkt und Art einer etwaigen selbständigen Nutzung des Internets durch Dritte zu machen, wohingegen eine darüber hinaus gehende Pflicht zur Erforschung des konkreten Geschehensablaufs einer durch Dritte begangenen Urheberrechtsverletzung regelmäßig nicht besteht.

4. Ein Ersatz von Kosten für eine Abmahnung, mit der ein später nicht mehr verfolgter Unterlassungsanspruch geltend gemacht wurde, kann dann ausscheiden, wenn Umstände dafür ersichtlich oder dargelegt sind, dass der spätere Kläger schon zum Zeitpunkt der Abmahnung lediglich beabsichtigt hat, Geldforderungen, nicht dagegen den Unterlassungsanspruch selbst einzuklagen; für das Vorliegen solcher Umstände kann etwa das entsprechende Vorgehen des Anspruchsinhabers in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle sprechen.

Tatbestand:

Abs. 1
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung.Abs. 2
Im Mai 2014 mahnte die Klägerin die Beklagte aufgrund einer mutmaßlichen Rechtsverletzung wegen der Zurverfügungstellung des PC-Spiels „Metro Last Light“ in einem Filesharingnetzwerk am 17. März 2014 ab.Abs. 3
Die Klägerin trägt vor,Abs. 4
dass über den Anschluss des Beklagten am 17. März 2014 „Dateien oder Teile davon“ in einer Tauschbörse zum Herunterladen angeboten worden seien, die zu einer über ihren Hashwert identifizierten Datei gehörten, welche eine lauffähige Version des eingangs genannten PC-Spiels enthalte, an dem ihr ausschließliche Nutzungs- und Verwertungsrechte zustünden. Außer dem Beklagten habe niemand an dem fraglichen Tag Zugriff auf seinen Internetanschluss gehabt, auch nicht seine mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen (Ehefrau, zwei erwachsene Söhne). Ihr stehe ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 750.- € auf Basis einer fiktiven Lizenzgebühr zu. Daneben sei der Beklagte zur Erstattung der Kosten für die ausgesprochene Abmahnung aus einem Gegenstandswert von 10.000.- € (745,40 €) verpflichtet.Abs. 5
Die Klägerin beantragt,Abs. 6
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag von 745,40 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Mai 2014 zu zahlen;Abs. 7
2. den Beklagten zu verurteilen, an sie einen weiteren Betrag über 750,00 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 27. Mai 2014 zu zahlen.Abs. 8
Der Beklagte beantragt,Abs. 9
die Klage abzuweisen.Abs. 10
Der Beklagte trägt vor,Abs. 11
die Klägerin sei nicht im Besitz ausschließlicher Rechte an dem streitgegenständlichen Spiel, so dass es bereits an der notwendigen Aktivlegitimation fehle. Zudem sei es über seinen Anschluss gar nicht zu einer Rechtsverletzung gekommen, weshalb die Ermittlungen der Klägerin fehlerhaft seien. In zeitlichem Zusammenhang mit der behaupteten Verletzungshandlung sei in der angeblich genutzten Tauschbörse auch gar keine vollständige Version des Werkes oder eines urheberrechtschutzfähigen Teils davon zum Download angeboten worden. Zum fraglichen Zeitpunkt hätten ferner außer ihm auch seine Ehefrau sowie seine beiden bereits damals volljährigen Söhne mit den im Haushalt vorhandenen internetfähigen Endgeräten (1 Laptop und 2 PCs) selbständig Zugriff auf den auf ihn und seine Ehefrau angemeldeten Internetanschluss gehabt und diesen auch genutzt. Nach Erhalt der Abmahnung habe er seine Familienangehörigen ohne Ergebnis zu dem von der Klägerin erhobenen Vorwurf befragt und im Übrigen auch sämtliche Endgeräte erfolglos auf Tauschbörsensoftware, das Spiel „Metro Last Light“ sowie peer-to-peer-Vorgänge untersucht. Allerdings sei kurz vor dem fraglichen Zeitpunkt gehäuft eine Störung an seinem Router aufgetreten, die sich dergestalt geäußert habe, dass sich das - abgeschaltete - WLAN selbständig aktiviert habe. Diese Störung habe er am 11. März und 17. März 204 seinem Provider (Deutsche Telekom) gemeldet, bevor sie im Wege der Fernwartung behoben worden sei. Außerdem habe er am 1. April 2014 Strafanzeige gegen unbekannt gestellt, nachdem er zuvor am 27. März 2014 eine Abmahnung wegen eines anderweitigen Vorwurfs erhalten habe. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin bestehe ohnehin nicht (mehr), da davon auszugehen sei, dass durch Zahlungen anderer Verletzer bereits eine ausreichende Kompensation eingetreten sei. Die - entgegen der Regelung in § 97 Abs. 3 Satz 2 UrhG - überhöht abgerechneten Abmahnkosten könne die Klägerin ohnehin nicht verlangen, weil sie den dort geltend gemachten Unterlassungsanspruch später nicht mehr weiter verfolgt hat.Abs. 12
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.Abs. 13

Entscheidungsgründe:

Abs. 14
I.Abs. 15
Die zulässige Klage führt in der Sache nicht zu dem mit ihr erstrebten Erfolg.Abs. 16
1. In seiner Entscheidung vom 6. Dezember 2017 (I ZR 186/16 - Konferenz der Tiere = NJW 2018, 784) hat der Bundesgerichtshof klargestellt, unter welchen Voraussetzungen eine Haftung von Teilnehmern einer Internet-Tauschbörse in Betracht kommt und diese Haftung konsequent aus deren regelmäßig anzunehmender Mittäterschaft hergeleitet.Abs. 17
Bis dahin war - soweit das Problem überhaupt erörtert wurde - in Rechtsprechung und Lehre jedenfalls unklar und wohl auch umstritten, wie sich auf Ansprüche von Rechteinhabern beispielsweise der Umstand auswirkt, dass von einem Tauschbörsenteilnehmer keine bzw. allenfalls kleine, für sich genommen unbedeutende bzw. sogar unbrauchbare, einem urheberrechtlich geschützten Werk zuzuordnende Dateiteile zum Herunterladen zur Verfügung gestellt wurden. Die Unklarheit bestand insbesondere vor dem Hintergrund, dass von Rechteinhabern in sog. Filesharing-Fällen regelmäßig Schadensersatz auf Grundlage einer Lizenzanalogie begehrt wird und insofern grundsätzlich vor allem Intensität und Umfang der behaupteten Verletzungshandlung entscheidende Faktoren für die dem Tatrichter nach § 287 ZPO obliegende Schätzung der Höhe eines solchen Anspruchs darstellen (vgl. zum Ganzen etwa LG Frankenthal, ZUM-RD 2016, 648 - Konferenz der Tiere; AG Frankenthal, ZUM-RD 2018, 123; Hilgert, MMR 2016, 773, 775; Heckmann/Nordmeyer, CR 2014, 41).Abs. 18
Nach der jetzt vorliegenden, oben zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung erfordert die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Tauschbörsennutzer als Mittäter u.a., dass in zeitlichem Zusammenhang mit dem vom Internetanschluss des in Anspruch Genommenen zur Verfügung gestellten Angebot auch eine vollständige Version des Werkes (oder eines urheberrechtsschutzfähigen Teils davon) in der konkret genutzten Tauschbörse zum Herunterladen angeboten worden ist (BGH aaO Rn. 26 aE = NJW 2018, 784, 785/786), weil es ansonsten schon an einer Verletzungshandlung fehlt, zu der der einzelne Teilnehmer als Mittäter einen konkreten Beitrag geleistet haben könnte. Zudem ist zu fordern, dass der in Anspruch Genommene dem betroffenen Werk zuzuordnende Datenpakete zum Herunterladen angeboten (BGH aaO Rn. 12 = NJW 2018, 784), also überhaupt einen objektiven Tatbeitrag geleistet hat.Abs. 19
Da vom weiter erforderlichen, bewussten und gewollten Zusammenwirken der anonym handelnden und nicht miteinander bekannten Tauschbörsenteilnehmer u.a. aufgrund der langjährigen medialen Berichterstattung über die Funktionsweise von Internettauschbörsen regelmäßig, d.h. sofern der Einzelfall keine abweichende Annahme rechtfertigt, auszugehen ist (BGH aaO Rn. 27 = NJW 2018, 784, 786 mwN auch zu abw. Auffassungen in Literatur und Rspr.), haften die Teilnehmer bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen als Mittäter iSd § 830 BGB. Die sich daraus nach § 840 BGB ergebende gesamtschuldnerische Haftung führt wiederum dazu, dass jeder Mittäter den ganzen Schadensersatz zu zahlen verpflichtet, der Gläubiger diesen aber nur einmal zu fordern berechtigt ist (§ 421 BGB) und zudem die Erfüllung durch einen in Anspruch genommenen Gesamtschuldner auch für die übrigen Gesamtschuldner wirkt (§ 422 BGB). Dabei gehört zur schlüssigen Darlegung der geltend gemachten Schadensersatzforderung wenigstens ein Vortrag, aus dem sich ergibt, inwieweit auf diese Forderung bereits mit Erfüllungswirkung geleistet worden ist. In diesem Zusammenhang hat der Gläubiger sich jedenfalls in Filesharing-Fällen, in denen ihm aufgrund seiner umfassenden Recherchen im Gegensatz zum beklagten Gesamtschuldner weitere Mittäter bekannt sind und separat von ihm in Anspruch genommen werden bzw. wurden, auch infolge einer ihn insoweit treffenden sekundären Darlegungslast darüber hinaus dazu zu erklären, in welchem Umfang die geforderte Leistung bereits durch anderweitig in Anspruch genommene Mittäter bewirkt worden ist, um eine Überkompensation und letztlich zurückzugewährende Überzahlungen zu vermeiden.Abs. 20
2. Der Vortrag der Klägerin reicht zur Darlegung der oben aufgelisteten Voraussetzungen einer mittäterschaftlichen Haftung des Beklagten bei weitem nicht aus.Abs. 21
a) Die Klägerin hat schon nicht mitgeteilt, in welcher konkreten Tauschbörse es zu der beanstandeten Verletzung gekommen sein soll. Selbst wenn man aufgrund des in der Klagebegründung in tabellarischer Form mitgeteilten Ermittlungsergebnisses zu Gunsten der Klägerin annimmt, dass es sich um eine Tauschbörse namens „µTorrent“ handeln soll, fehlt es jedoch weiter an einem Vorbringen dazu, dass in zeitlichem Zusammenhang mit dem vom Internetanschluss des in Anspruch Genommenen zur Verfügung gestellten Angebot in diesem Netzwerk auch eine vollständige Version des Werkes (oder eines urheberrechtsschutzfähigen Teils davon) zum Herunterladen angeboten worden ist. Aus dem entsprechenden Vortrag der Klägerin folgt lediglich, dass im Vorfeld der eigentlichen Ermittlungen gegen Tauschbörsennutzer zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt im Internet eine Datei mit einem bestimmten Hashwert gesucht und gesichert wurde, die das geschützte Werk in funktionstauglicher Version enthielt, bevor sodann gezielt nach Angeboten dieser über ihren Hashwert identifizierbaren Datei in Tauschbörsen gesucht worden ist. Damit wird aber weder eine Aussage darüber getroffen, dass ein derartiges Angebot in der im konkreten Fall genutzten Tauschbörse vorhanden war, noch, dass dieses Angebot in dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang mit dem behaupteten, über den Anschluss des Beklagten zur Verfügung gestellten Angebot existierte.Abs. 22
b) Zudem ergibt sich aus dem weiteren Vorbringen, dass über den Anschluss des Beklagten und seiner Ehefrau offenbar Teilstücke der über ihren Hashwert identifizierten Dateien zur Verfügung gestellt und heruntergeladen worden sein sollen, auch wenn die Angaben der Klägerin insoweit nicht frei von Widersprüchen sind. Bereits in der Klagebegründung wird dazu auf Seite 2/3 einigermaßen unpräzise behauptet, dass über den Internetanschluss des Beklagten „unerlaubt Dateien mit dem Computerspiel (...) oder Teile davon“ zum Herunterladen angeboten worden seien (Bl. 25 Rs. f. d.A.). Im der Replik vom 26. Oktober 2018 wiederum werden an verschiedenen Stellen Formulierungen gebraucht, die darauf hindeuten könnten, dass über den Anschluss des Beklagten die gesamte, das Werk enthaltenden Datei zur Verfügung gestellt worden sein soll, während an anderen Stellen ausdrücklich hervorgehoben wird, dass es sich lediglich um einen „Bestandteil“ der Datei handle. Ungeachtet dieser Widersprüchlichkeiten genügt auch dieser Vortrag den oben dargestellten Anforderungen nicht. Aus ihm erschließt sich nämlich bereits nicht in einer der Beweiserhebung zugänglichen Weise, welche Datenpakete nach den Recherchen der Klägerin über den Anschluss der Beklagten angeboten worden sind bzw. welchen konkreten Inhalt diese aufgewiesen haben. Vor allem aber ist die notwendige Zuordnung der zur Verfügung gestellten Dateninhalte zu dem geschützten Werk so nicht herstellbar. Eine solche Zuordnung ist indes gerade deshalb geboten, weil in Filesharingnetzwerken angebotene Dateien bzw. Dateicontainer schon aus technischen Gründen regelmäßig nicht nur solche Daten enthalten, die auch Bestandteil des geschützten Werkes sind (vgl. AG Frankenthal, ZUM-RD 2018, 123 mwN). Dabei erstaunt der unscharfe und wenig substantiierte Vortrag vor allem vor dem Hintergrund, dass gemäß den weiteren Angaben der Klägerin die Ermittlungsdaten (und damit auch der vom Anschluss des Beklagten übertragene Dateiteil) „revisionssicher gespeichert“ worden sein sollen und damit deren Vorlage (auf Datenträger) sowie ein entsprechender Beweisantritt die Klägerin eigentlich vor keine erkennbaren Schwierigkeiten stellen sollte.Abs. 23
c) Hinsichtlich des auf Grundlage einer Lizenzanalogie geltend gemachten Schadensersatzanspruchs kommt hinzu, dass die Klägerin nichts dazu ausführt, in welchem Umfang sie bezüglich der monierten Urheberrechtsverletzung bereits Schadensersatzleistungen durch von ihr ermittelte und in Anspruch genommene Tauschbörsennutzer gefordert und erhalten hat, was nach den obigen Ausführungen unter 1. ebenfalls im Rahmen schlüssigen Vorbringens von ihr zu verlangen ist.Abs. 24
3. Darüber hinaus scheidet eine Haftung des Beklagten als Täter oder Störer ohnehin aus. Diesbezüglich ist es grundsätzlich Sache des Anspruchstellers, darzulegen und nachzuweisen, dass der Anspruchsgegner für die behauptete Rechtsverletzung als Täter oder Störer verantwortlich ist (BGH NJW 2013, 1441 - Morpheus). Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten (vgl. BGH NJW 2010, 2061 - Sommer unseres Lebens; NJW 2013, 1441). Dies führt bei einem gemeinsamen Anschluss - wie hier nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten und seiner Ehefrau - grundsätzlich dazu, dass eine Tätervermutung nicht greift und der Anspruchsteller nach allgemeinen Regeln darzulegen und nachzuweisen hat, dass einer der potentiellen Anspruchsgegner oder beide gemeinsam für die behauptete Rechtsverletzung als Täter verantwortlich ist bzw. sind. Im Übrigen trifft den Beklagten als (Mit-)Inhaber des (unterstellt) zutreffend ermittelten Internetanschlusses zwar eine sekundäre Darlegungslast (vgl. BGH NJW 2010, 2061), wonach er vortragen muss, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (vgl. BGH NJW 2014, 2360, Rn. 18 - BearShare). Dabei reicht die rein theoretische Möglichkeit eines Zugriffs nicht aus; vielmehr ist die konkrete Nutzungssituation im (vermeintlichen) Verletzungszeitraum maßgebend (vgl. BGH GRUR 2016, 191, 195 - Tauschbörse III). Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Klägerin zitierten, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lediglich bestätigenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH - C-149/17, Urt. v. 18.10.2018 - Bastei Lübbe), wonach es neben der Mitteilung einer theoretischen Zugriffsmöglichkeit weiterer Darlegungen zu Zeitpunkt und Art der Nutzung durch Familienmitglieder bedarf (ebenso etwa Forch, GRUR-Prax 2018, 509). Dieser sekundären Darlegungslast ist der Beklagte hier jedoch dadurch nachgekommen, dass er - entgegen der Ansicht der Klägerin - besonders substantiiert und nachvollziehbar dargelegt hat, dass zum fraglichen Zeitpunkt sowohl seine Ehefrau als weitere Anschlussinhaberin, als auch seine beiden erwachsenen Söhne den Internetanschluss ohne weiteres nutzen konnten und auch - mit näher beschriebenen, per LAN mit dem Internet verbundenen Endgeräten - genutzt haben. Eine weitere Pflicht zur Nachforschung besteht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht; insbesondere muss der in Anspruch Genommene keinen - ihm im Zweifel nicht bekannten und auch nicht ermittelbaren - konkreten Geschehensablauf zu einer Verletzung durch Dritte darlegen. Einer derartigen Forderung hat der Bundesgerichtshof in der oben zitierten Entscheidung („BearShare“) vielmehr eine klare Absage erteilt, indem er den Anschlussinhaber lediglich „in diesem Umfang“ (bezogen auf die selbständige Nutzungsmöglichkeit des Anschlusses durch etwaige, ggf. zu benennende Dritte) und „im Rahmen des Zumutbaren“ zu Nachforschungen verpflichtet hat. Hinzu kommt, dass der Beklagte vorliegend äußerst substantiiert und nachvollziehbar eine Störung seiner Internetverbindung am Tag der mutmaßlichen Urheberrechtsverletzung und damit die nicht eben fernliegende Möglichkeit eines Zugriffs durch Dritte dargelegt hat. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang insbesondere vorgebracht, am 11. und 17. März 2014, also vor Erhalt einer Abmahnung, der Deutschen Telekom eine Störung an seinem Router gemeldet zu haben, die auf einen Fremdzugriff hindeutete, und dies durch eine entsprechende Bestätigungsmitteilung des Providers belegt. Zudem hat er eine an die Staatsanwaltschaft Mainz gerichtete Anzeige seiner Ehefrau vom 1. April 2014 zu den Akten gereicht (Bl. 76 d.A.), in der diese sowohl die Störung als solche, als auch die Meldung gegenüber dem Provider ausführlich darlegt.Abs. 25
Unter diesen Umständen war es wieder Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Rechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGH NJW 2013, 1441), woran es hier fehlt.Abs. 26
Eine Haftung des Beklagten als Störer kommt vorliegend ebenfalls nicht in Betracht. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die weder als Täter noch als Teilnehmer für die begangene Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden können, setzt die Haftung als Störer nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten voraus. Ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen eine Verhinderung der Verletzungshandlung eines Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung von Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (vgl. BGH NJW 2014, 2360). Vorliegend war es dem Beklagten nicht zuzumuten, seine volljährigen Familienangehörigen ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihnen ggf. die Nutzung des Internetanschlusses bzw. urheberrechtsverletzender Aktivitäten zu untersagen oder weitere Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zu ergreifen.Abs. 27
4. Die Klage war daher abzuweisen, ohne dass es auf die zwischen den Parteien umstrittenen Frage der Aktivlegitimation ankommt. Ebenso dahin stehen kann die Frage, ob die Klägerin Ersatz für Abmahnkosten auch insoweit verlangen kann, als sie den mit der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsanspruch später nicht mehr weiter verfolgt hat. Ein entsprechender Anspruch kann nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings dann ausgeschlossen sein, wenn Umstände dafür ersichtlich oder dargelegt sind, dass die Klägerin schon zum Zeitpunkt der Abmahnung lediglich beabsichtigt hat, Geldforderungen, nicht dagegen den Unterlassungsanspruch einzuklagen (vgl. BGH, GRUR 2016, 191, 196 - Tauschbörse III), wofür wiederum der Umstand sprechen könnte, dass die Klägerin allein in einer Vielzahl der beim erkennenden Gericht in den letzten Jahren anhängigen Verfahren einen Unterlassungsanspruch lediglich im Wege der Abmahnung reklamiert, diesen dann aber nicht mehr (zeitnah) weiter verfolgt hat, obwohl es sich dabei auch um behauptete Verstöße in der jeweils aktuellen Verwertungsphase eines Werkes gehandelt hat.Abs. 28
II.Abs. 29
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO.Abs. 30
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.Abs. 31

(online seit: 19.02.2019)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Frankenthal, AG, Inanspruchnahme als Mittäter einer Urheberrechtsverletzung; Auslegung des EuGH-Urteils - JurPC-Web-Dok. 0020/2019