| Hamburgisches Oberverwaltungsgericht | |
| Beschluss vom 12.08.2022 | |
| 6 Bs 57/22 | |
| Anforderung an die einfache Signatur im Sinne von § 55a Abs. 3 S. 1 VwGO | |
| JurPC Web-Dok. 177/2022, Abs. 1 - 19 | |
|
| |
| Leitsatz: |
| Die für eine einfache Signatur i.S.v. § 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO erforderliche Wiedergabe des Namens am Ende des Textes kann nicht durch die Angabe des Wortes „Rechtsanwalt“ am Ende des Schriftsatzes ersetzt werden, auch wenn im Briefkopf der Kanzlei nur eine einzelne Person als Rechtsanwalt ausgewiesen ist. |
| Gründe: | |
| I. | Abs. 1 |
| Die Antragsteller begehren die vorläufige Sicherung ihres Aufenthalts. | Abs. 2 |
| Die 1992 geborene Antragstellerin zu 1. ist ghanaische Staatsangehörige. Sie reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2013 in das Bundesgebiet ein. Der von der Antragstellerin zu 1. im Bundesgebiet gestellte Asylantrag blieb ohne Erfolg. Bei den Antragstellern zu 2. bis 4. handelt es sich um die in den Jahren 2017, 2019 und 2020 im Bundesgebiet geborenen Kinder der Antragstellerin zu 1., die ebenfalls ghanaische Staatsangehörige sind. | Abs. 3 |
| Ein zuvor im Jahr 2013 geborener Sohn der Antragstellerin zu 1. besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Aufgrund der Ausübung der Personensorge für ihren deutschen Sohn erhielt die Antragstellerin zu 1. im Oktober 2014 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, die Antragstellerin zu 2. in der Folgezeit eine Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage von § 25 Abs. 5 AufenthG. Im Jahr 2019 wurde der Antragstellerin zu 1. durch familiengerichtlichen Beschluss die elterliche Sorge für ihren deutschen Sohn entzogen. Der Sohn lebte daraufhin zunächst bei seinem Vater, ab dem Jahr 2020 in einer Einrichtung. | Abs. 4 |
| Mit Verfügung vom 21. Oktober 2021 lehnte die Antragsgegnerin die (weitere) Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an die Antragsteller ab. Hiergegen erhoben die Antragsteller Widerspruch. Ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht Hamburg mit Beschluss vom 25. März 2022, dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller zugestellt am 28. März 2022, abgelehnt. Der am 11. April 2022 über das besondere Anwaltspostfach übermittelte Beschwerdeschriftsatz weist keine abschließende Namenswiedergabe, sondern lediglich den Begriff „Rechtsanwalt“ auf. Am 25. April 2022 hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller die Beschwerde begründet. | Abs. 5 |
| II. | Abs. 6 |
| Die Beschwerden der Antragsteller bleiben ohne Erfolg. | Abs. 7 |
| 1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes ist gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig zu verwerfen. | Abs. 8 |
| Nach § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe zu begründen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht (§ 147 Abs. 2 VwGO). Eine Beschwerde ist seit dem 1. Januar 2022 gemäß § 55d Satz 1 VwGO als elektronisches Dokument zu übermitteln. Eine Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften bleibt gemäß § 55d Satz 3 VwGO zulässig, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (§ 55d Satz 4 Hs. 1 VwGO). Andernfalls ist eine Übermittlung ohne Einhaltung der elektronischen Form prozessual unwirksam (OVG Schleswig, Beschl. v. 25.1.2022, 4 MB 78/21, NordÖR 2022,198, juris Rn. 3; OVG Münster, Beschl. v. 10.3.2022, 19 E 147/22, juris Rn. 1). Nach § 55a Abs. 3 VwGO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. | Abs. 9 |
| Gemessen daran haben die Antragsteller innerhalb der Beschwerdefrist nicht wirksam Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. März 2022 erhoben. Laut Empfangsbekenntnis des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts am 28. März 2022 dort zugestellt worden. Die Beschwerdefrist lief daher am 11. April 2022 ab. Das Beschwerdeschreiben vom 11. April 2022 ist zwar innerhalb dieser Frist eingegangen, wahrt aber nicht die erforderliche Form. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller hat den Schriftsatz zwar ausweislich des Prüfvermerks über einen sicheren Übermittlungsweg, nämlich aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach i.S.d. § 55a Abs. 4 Nr. 2 VwGO, eingereicht, es mangelt der Beschwerdeschrift allerdings an der erforderlichen einfachen Signatur i.S.v. § 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO. | Abs. 10 |
| Die einfache Signatur meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes (OVG Hamburg, Beschl. v. 4.6.2021, 3 Bs 130/21, NordÖR 2021, 527, juris Rn. 13). Dies kann zum Beispiel der maschinenschriftliche Namenszug unter dem Schriftsatz oder eine eingescannte Unterschrift sein (BAG, Beschl. v. 14.9.2020, 5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476, juris Rn. 15; Ulrich in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Febr. 2022, § 55a Rn. 86). Die Signatur soll sicherstellen, dass die von dem sicheren Übermittlungsweg ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das elektronische Dokument übernimmt. Fehlt es an dieser Identität bzw. ist die Identität nicht feststellbar, ist das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 17/12634, S. 25; BAG, Beschl. v. 14.9.2020, a.a.O., Rn. 16; BVerwG, Beschl. v. 12.10.2021, 8 C 4.21, NVwZ 2022, 649, juris Rn. 5; OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.3.2022, 14 MN 176/22, juris Rn. 11; Ulrich in: Schoch/Schneider, a.a.O., Rn. 86 m.w.N.). | Abs. 11 |
| Die Beschwerdeschrift der Antragsteller weist keine einfache Signatur in diesem Sinne auf. Sie ist allein mit der Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“, nicht aber dem Namen des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller versehen. | Abs. 12 |
| Es kann dahinstehen, ob das Fehlen einer einfachen Signatur - ebenso wie einer Unterschrift - ausnahmsweise dann unschädlich sein kann, wenn ohne Beweisaufnahme aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat (vgl. hierzu BAG, Beschl. v. 14.9.2020, 5 AZB 23/20, juris Rn. 19; OLG Hamm, Beschl. v. 28.4.2022, 30 U 32/22, juris Rn. 22; Ulrich, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Febr. 2022, § 55a Rn. 86; ablehnend BVerwG, Beschl. v. 12.10.2021, 8 C 4.21, NVwZ 2022, 649; juris Rn. 9; OVG Schleswig, Beschl. v. 18.12.2019, 1 LA 72/19, juris Rn. 4). Eine Ausnahme wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn die Begleitumstände eine der einfachen Signatur vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller und dessen Willen, die Beschwerdeschrift in den Rechtsverkehr zu bringen, böten. Das ist vorliegend aber nicht der Fall. | Abs. 13 |
| Allein der Umstand, dass der Prüfvermerk den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller als Absender der Beschwerdeschrift ausweist, bietet noch keine Gewähr für die Urheberschaft des Schriftsatzes. Die Übersendung des Schriftsatzes durch die den Schriftsatz verantwortende Person ist ein Erfordernis für die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs im Sinne des § 55a Abs. 4 Nr. 2 VwGO (BVerwG, Beschl. v. 12.10.2021, 8 C 4.21, NVwZ, 2022, 649, juris Rn. 4 f.; OVG Hamburg, Beschl. v. 4.6.2021, 3 Bs 130/21, NordÖR 2021, 527, juris Rn. 15; jeweils n.w.N.). Die Nutzung eines sicheren Übermittlungsweges steht nach § 55a Abs. 3 VwGO aber selbständig neben der Voraussetzung einer (mindestens einfachen) Signatur des Schriftsatzes. Davon abgesehen lässt die Übertragung eines Schriftsatzes auch in der Sache keine zweifelsfreien Rückschlüsse darauf zu, wer als Urheber Verantwortung für den Schriftsatz übernehmen will. | Abs. 14 |
| Eine der einfachen Signatur vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft einer den Schriftsatz verantwortenden Person und deren Willen, den Schriftsatz in den Rechtsverkehr zu bringen, bieten zudem weder die Verwendung des Briefbogens der Kanzlei noch die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens oben auf der ersten Seite des Schriftsatzes (vgl. BAG, Beschl. v. 14.9.2020, 5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476, juris Rn. 20; OLG Hamm, Beschl. v. 28.4.2022, 30 U 32/22, juris Rn. 23). Das gilt auch für den Fall, dass in dem Briefkopf - wie hier - lediglich eine einzelne Person als Rechtsanwalt ausgewiesen wird und der Schriftsatz mit dem Begriff „Rechtsanwalt“ abschließt. Zum einen folgt daraus für sich genommen noch nicht zweifelsfrei, dass diese Person als Einzelanwalt tätig ist und keine weiteren Rechtsanwälte in der Kanzlei angestellt sind oder freie Mitarbeiter beschäftigt werden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.9.2021, 17 W 13/21, NJW 2021, 3733, juris Rn. 24). Davon abgesehen kann sich ein Einzelanwalt in Fristsachen unter seinem eigenen Briefkopf vertreten lassen, um eine anwaltliche Vertretung in Fristsachen sicherzustellen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6.9.2021, a.a.O., Rn. 25 m.w.N.). | Abs. 15 |
| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. | Abs. 16 |
| 2. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bleibt ebenfalls ohne Erfolg. | Abs. 17 |
| Den Antragstellern kann Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren schon deshalb nicht bewilligt werden, weil sie entgegen den Anforderungen des § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO bis zum Abschluss der Instanz keine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht haben. | Abs. 18 |
| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO und § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO. | Abs. 19 |
|
| |
| (online seit: 13.12.2022) | |
| Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs. | |