| VG Hamburg | |
| Beschluss vom 10.06.2022 | |
| 5 E 2299/22 | |
| Einstweiliger Rechtsschutz zur Erteilung von theoretischem Fahrunterricht in digitaler Form | |
| JurPC Web-Dok. 118/2022, Abs. 1 - 49 | |
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| Leitsatz: |
| Bei der Regelung über die Durchführung des theoretischen Fahrunterrichts in präsenter Form in § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO handelt es sich nicht um eine Vorschrift in einer auf § 68 Abs. 1 Nr. 13 FahrlG beruhenden Rechtsverordnung. Eine Ausnahme davon kann deshalb nicht auf § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 3 FahrlG gestützt werden. |
| Gründe: | |
| I. | Abs. 1 |
| Die Antragstellerin macht im Wege vorläufigen Rechtsschutzes ein Recht geltend, (auch) nach dem 31. Mai 2022 theoretischen Fahrunterricht in digitaler Form zu erteilen. | Abs. 2 |
| Die Antragstellerin erhielt am 12. Juli 2021 von der Antragsgegnerin die Erlaubnis zum Betrieb einer Fahrschule für die Klasse BE unter rubrizierter Anschrift. In der Fahrschulerlaubnis heißt es, dass die Anzahl der Schüler, die im Unterrichtsraum gleichzeitig unterrichtet werden dürften, auf 15 festgesetzt werde. Die Antragstellerin verfügt verteilt über das Hamburger Stadtgebiet über acht sogenannte „Abholpunkte“ sowie an einem Standort über Räumlichkeiten für die Erteilung des theoretischen Unterrichts. | Abs. 3 |
| Aufgrund der vorherrschenden Pandemiesituation erhielt die Antragstellerin auf ihren jeweiligen Antrag von der Antragsgegnerin Ausnahmegenehmigungen für die Erteilung des theoretischen Fahrunterrichts in digitaler Form. In der bis zum 31. März 2022 befristeten Ausnahmegenehmigung vom 7. Dezember 2021 hieß es auszugsweise, dass damit die Ausnahme vom Präsenzunterricht erteilt werde. Die Entscheidung ergehe vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie. Das von der Antragstellerin vorgelegte Konzept unterstütze den Zweck der Hamburgischen Corona-Eindämmungsverordnung und erscheine zur befristeten Erprobung von Online-Unterricht geeignet. Die Ausnahmegenehmigung war mit verschiedenen Auflagen verbunden. | Abs. 4 |
| Im März 2022 erließ das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern und für Heimat im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung die Fünfzehnte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften. Darin wurde unter anderem zum 1. Juni 2022 eine Regelung in der Fahrschüler-Ausbildungsordnung (FahrschAusbO) getroffen, wonach der theoretische Unterricht die physische Präsenz der Fahrschüler voraussetze und, wenn der Präsenzunterricht in begründeten Ausnahmefällen nicht oder nur eingeschränkt möglich sei, mit Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Behörde auch in digitaler Form stattfinden könne (§ 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO). | Abs. 5 |
| Mit Schreiben vom 17. Mai 2022 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin ihr „auf Grundlage von § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 13, S. 3 FahrlG“ eine Ausnahme von den Vorgaben des § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO dahingehend zu erteilen, den theoretischen Fahrunterricht in Hamburg auch nach dem 31. Mai 2022 in digitaler Form durchzuführen. | Abs. 6 |
| Mit Bescheid vom 24. Mai 2022 lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ab. Zur Begründung bezog sie sich im Wesentlichen darauf, dass der neu gefasste Wortlaut von § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO keinen Raum für die weitere Erteilung von Ausnahmen nach § 54 Abs. 1 Nr. 13, Satz 3 Fahrlehrergesetz (FahrlG) lasse. Ausnahmemöglichkeiten würden in der Verordnung insoweit abschließend geregelt. Zu einer Verletzung der Berufsfreiheit der Antragstellerin komme es nicht, da sie ihren Beruf weiter ausüben könne. Der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG sei nicht eröffnet. Dies gelte gerade vor dem Hintergrund, dass davon auszugehen sei, dass die Antragstellerin als Inhaberin einer Fahrschulerlaubnis über den erforderlichen Raum zur Durchführung von Präsenzunterricht verfüge. Da der Antragstellerin bewusst gewesen sei, dass es sich bei der Möglichkeit der Erteilung von Online-Unterricht um eine Ausnahme vor dem Hintergrund der Pandemie gehandelt habe, könne kein schutzwürdiges Vertrauen auf eine Fortdauer entstanden sein. | Abs. 7 |
| Gegen den Bescheid legte die Antragstellerin unter dem 30. Mai 2022 Widerspruch ein, über den bislang nicht entschieden wurde. | Abs. 8 |
| Ebenfalls am 30. Mai 2022 hat sich die Antragstellerin mit ihrem Begehren auf einstweiligen Rechtsschutz an das Verwaltungsgericht gewandt. Sie macht insbesondere geltend, dass es ihr durch die Kombination aus rein digitalem Theorieunterricht und Praxisunterricht an verteilten Abholpunkten gelungen sei, viele neue Schülerinnen und Schüler zu gewinnen und zwar weit über das Einzugsgebiet ihres Standorts unter rubrizierter Anschrift hinaus. Sie sei mit anderen innovativen Fahrschulen dabei, die Branche zu reformieren, wobei digitaler Unterricht zeitgemäß, inklusiv, fair, effektiv und effizient sei. Sie habe darauf vertraut, dass auch nach Ablauf der Genehmigung eine Regelung zur Fortführung des digitalen Theorieunterrichts gefunden würde, weil darin eine erfolgreiche, zeitgemäße und politisch gewünschte Entwicklung liege. Durch die Neuregelung von § 4 Abs. 1b FahrschAusbO werde eine Wachstumsbranche faktisch verboten. Für sie gehe es dabei um das wirtschaftliche Überleben. | Abs. 9 |
| Ihr zulässiger Antrag sei begründet, da sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund gegeben seien. Ihr stehe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 3 FahrlG ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung, mindestens aber auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung zu. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 3 FahrlG stelle eine taugliche rechtliche Grundlage für die begehrte Ausnahmegenehmigung dar, da der Verordnungsgeber § 4 Abs. 1b FahrschAusbO auf § 68 Abs. 1 Nr. 13 FahrlG gestützt habe. Der Antragsgegnerin sei ein Rückgriff auf diese parlamentsgesetzliche Regelung nicht durch § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO versperrt, vielmehr habe die Verordnungsbestimmung keine Auswirkungen auf die Gültigkeit der gesetzlichen Regelung. Der Verordnungsgeber sei nicht autorisiert, Ausnahmen zu § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 3 FahrlG zu regeln. Die Verordnungsermächtigung in § 68 Abs. 1 Nr. 13 FahrlG enthalte keine „gesetzesändernde oder gesetzesergänzende“ Ermächtigung und eine solche könne auch nicht hineingelesen werden. Gründe der Verkehrssicherheit stünden der begehrten Ausnahmegenehmigung nicht entgegen. Digitaler Fahrunterricht unterliege hohen Qualitätsanforderungen und habe – wie die Erfahrungen während der Corona-Pandemie gezeigt hätten – keinen erkennbaren Effekt auf die Anzahl der Verkehrsunfälle. Eine Ausnahme von § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO sei geboten, da die Norm wegen Verstoßes gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verfassungswidrig sei. Die Verordnungsermächtigung in § 68 Abs. 1 Nr. 13 FahrlG genüge den grundgesetzlichen Vorgaben nicht, da sie nicht erkennen lasse, zu welchem Zweck die Delegation der Rechtsetzungsbefugnis an den Verordnungsgeber erfolgt sei. Jedenfalls werde sie, die Antragstellerin, in ihrer Berufsfreiheit verletzt. Durch die Regelung in § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO werde die Freiheit der Tätigkeit von Fahrschulen mit digitalen Lehrangeboten staatlicherseits beschränkt, wobei dieser Eingriff nicht gerechtfertigt sei. Das faktische Verbot von Digitalunterricht komme einem Berufsverbot und damit einer Berufswahlschranke jedenfalls für solche Fahrschulen gleich, deren Geschäftsmodell, wie in ihrem Fall, im Wesentlichen auf digitalem Theorieunterricht fuße. Ihr Geschäftsmodell sei gegenüber dem von der Fahrschüler-Ausbildungsordnung vorgesehenen Fahrschulausbildungsmodell ein anderes. Es erreiche einen vielfach größeren Schülerkreis. Wenn sie auf den für die Fahrschulerlaubnis erforderlichen Unterrichtsraum zurückgeworfen würde, würde ihr dieses Berufsfeld versperrt. Selbst wenn in § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO nur eine Berufsausübungsregelung zu sehen wäre, wären die Regelungen jedenfalls zur Erreichung des verfolgten Zwecks weder geeignet noch erforderlich und angemessen. Ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit an der Beachtung der Pflicht zum Präsenzunterricht stehe ihrem Interesse an einer Ausnahmegenehmigung nicht entgegen, insbesondere soweit und solange die technischen Vorgaben Beachtung fänden, unter deren Voraussetzungen der Verordnungsgeber selbst digitalen Unterricht akzeptiere. Indem die Antragsgegnerin von einer Sperrwirkung des § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO gegenüber § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 3 FahrlG ausgegangen sei, liege ein Ermessensfehler in Form eines Ermessensausfalls vor. Darüber hinaus sei das Ermessen der Antragsgegnerin im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG auf Null reduziert. Ein Anordnungsgrund liege vor, weil ohne die begehrte einstweilige Anordnung schon ab dem 1. Juni 2022 eine ernsthafte Existenzgefährdung eintreten könne, die auch bei einem Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr ausgeglichen werden könne. | Abs. 10 |
| Die Antragstellerin beantragt, | Abs. 11 |
| 1. die Antragsgegnerin unter Aufhebung ihres Bescheids vom 24. Mai 2022 im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, der Antragstellerin bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu genehmigen, auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg auch nach dem 31. Mai 2022 theoretischen Fahrunterricht in digitaler Form zu erteilen, | Abs. 12 |
| 2. hilfsweise, die Antragsgegnerin unter Aufhebung ihres Bescheids vom 24. Mai 2022 im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin bis zum Ablauf einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Frist zu genehmigen, auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg auch nach dem 31. Mai 2022 theoretischen Fahrunterricht in digitaler Form zu erteilen, | Abs. 13 |
| 3. weiter hilfsweise, die Antragsgegnerin unter Aufhebung ihres Bescheids vom 24. Mai 2022 im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antrag der Antragstellerin vom 17. Mai 2022 binnen einer Woche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. | Abs. 14 |
| Die Antragsgegnerin beantragt, | Abs. 15 |
| den Antrag abzulehnen. | Abs. 16 |
| Zur Begründung verweist sie auf den Ablehnungsbescheid und den Inhalt der Sachakte und trägt ergänzend und vertiefend insbesondere vor: Der Standort der Antragstellerin sei nicht erst in Pandemiezeiten eröffnet worden, vielmehr habe die Antragstellerin eine dort vormals bereits betriebene Fahrschule übernommen. Sie sei eine erfahrene Fahrschulbetreiberin. Eine Betriebsgründung könne nicht auf dem Vertrauen auf das Fortbestehen einer Ausnahmegenehmigung basieren. Der Antragstellerin sei durch die Ausnahmegenehmigung und die darin vorgesehene zeitliche Begrenzung bekannt gewesen, dass ein digitaler Unterricht nur vorübergehend möglich gewesen sei. Auch aus der ihr erteilten Fahrschulerlaubnis ergebe sich, dass der Unterricht in Präsenz zu erfolgen habe. Dass die Antragstellerin nun nicht länger von der pandemiebedingten Ausnahmegenehmigung wirtschaftlich profitieren könne und die Wiederherstellung des Normalzustands für sie einen Nachteil darstelle, könne die Erteilung einer rechtswidrigen Ausnahmegenehmigung nicht rechtfertigen. Die Antragstellerin verfolge vorrangig wirtschaftliche Interessen, denen eine Ausnahmegenehmigung nicht dienen solle. Es sei im Übrigen bereits zweifelhaft, inwieweit § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 3 i.V.m. § 68 Abs. 1 Nr. 13 FahrlG überhaupt eine rechtliche Grundlage für die von der Antragstellerin begehrte Ausnahmegenehmigung darstellen könne. § 68 Abs. 1 Nr. 13 FahrlG sei die Ermächtigungsgrundlage zur Regelung von Einzelheiten der Voraussetzungen der Fahrschulerlaubnis und des Betriebs einer Fahrschule, insbesondere die Anforderungen an Unterrichtsräume, Lehrmittel und Lehrfahrzeuge. Zu Lehrmethoden oder Unterrichtsgestaltung sei hier nichts ausgeführt. Eine Genehmigung könne daher allenfalls direkt auf § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO gestützt werden, dessen Inhalt jedoch entnommen werden könne, dass der Normgeber offensichtlich (noch) nicht den Digitalunterricht dauerhaft habe etablieren wollen. | Abs. 17 |
| Die Sachakte der Antragsgegnerin hat der Kammer bei der Entscheidung vorgelegen. | Abs. 18 |
| II. | Abs. 19 |
| Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung – dessen Inhalt nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts stünde –, hat in der Sache keinen Erfolg, da die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Anordnung nicht vorliegen. | Abs. 20 |
| Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Darüber hinaus kann nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO, dass der Antragsteller Umstände glaubhaft macht, aufgrund derer er dringend auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung angewiesen ist (Anordnungsgrund) und aus denen er in der Hauptsache einen Anspruch herleitet (Anordnungsanspruch). Hierzu hat dieser die behaupteten, den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund begründenden, Tatsachen so darzulegen, dass das Gericht von ihrer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgehen kann (BVerfG, Beschl. v. 29.7.2003, 2 BvR 311/03, juris Rn. 16). Das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO dient dabei grundsätzlich nur der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses; einem Antragsteller soll regelmäßig nicht bereits das gewährt werden, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen kann.Wird die Hauptsache vorweggenommen, kann dem Eilantrag nach § 123 VwGO nur stattgegeben werden, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG schlechterdings unabweisbar ist. Dies setzt hohe Erfolgsaussichten, also eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs in der Hauptsache, sowie schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile im Falle des Abwartens in der Hauptsache voraus (OVG Hamburg, Beschl. v. 6.7.2018, 3 Bs 97/18, juris Rn. 35 m.w.N.). | Abs. 21 |
| Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist es der Antragstellerin nach der im vorliegenden Verfahren erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht gelungen, das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs mit dem für den Erlass einer die Hauptsache jedenfalls teilweise vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung erforderlichen hohen Maß an Wahrscheinlichkeit glaubhaft zu machen. Auf das Vorliegen eines Anordnungsgrundes kommt es somit nicht an. | Abs. 22 |
| Die Antragstellerin macht im Wege vorläufigen Rechtsschutzes ein Recht geltend, (auch) nach dem 31. Mai 2022 theoretischen Fahrunterricht in digitaler Form zu erteilen. Ein solches Recht dürfte in der Hauptsache nach § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO nicht bestehen (dazu 1.), ohne dass hiervon die von der Antragstellerin begehrte Ausnahme möglich wäre (dazu 2.). | Abs. 23 |
| 1. Ein Recht der Antragstellerin, den theoretischen Fahrunterricht weiterhin in digitaler Form durchzuführen, dürfte in der Hauptsache gemäß § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO nicht bestehen. | Abs. 24 |
| Nach § 4 Abs. 1b Satz 1 FahrschAusbO setzt der theoretische Unterricht die physische Präsenz der Fahrschüler voraus (Satz 1). Ist Präsenzunterricht in begründeten Ausnahmefällen nicht oder nur eingeschränkt möglich, kann der Unterricht mit Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Behörden auch in digitaler Form stattfinden (Satz 2). | Abs. 25 |
| Diese Regelung ist nicht mit dem im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren erforderlichen hohen Maß an Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Denn sie dürfte auf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruhen (dazu a)) und die betroffenen Fahrschulbetreiber, insbesondere die Antragstellerin, voraussichtlich nicht in ihrem Recht aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verletzen (dazu b)). Dafür, dass § 4 Abs. 1b Satz 2 FahrschAusbO gegenwärtig eine Ausnahme zugunsten der Antragstellerin rechtfertigen würde, bestehen nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens keine Anhaltspunkte (dazu c)). | Abs. 26 |
| a) § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO dürfte in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden sein, insbesondere auf einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruhen. | Abs. 27 |
| Als gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den dort normierten Grundsatz des Präsenzunterrichts und die entsprechende Ausnahmemöglichkeit dürfte § 68 Abs. 1 Nr. 6 FahrlG anzusehen sein. Danach wird das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die notwendigen Anforderungen an die Unterrichtsgestaltung, insbesondere an die Lehrpläne und die Unterrichtsmethoden zu regeln. In § 68 Abs. 1 Nr. 13 FahrlG, wonach das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ebenfalls ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Einzelheiten der Voraussetzungen der Fahrschulerlaubnis und des Betriebs einer Fahrschule, insbesondere die Anforderungen an Unterrichtsräume, Lehrmittel und Lehrfahrzeuge zu regeln, dürfte die einschlägige Verordnungsermächtigung demgegenüber nicht liegen. Dies ergibt sich aus Folgendem: | Abs. 28 |
| Während § 68 Abs. 1 Nr. 6 FahrlG dazu ermächtigt, die Art und Weise und den Inhalt des Unterrichts in der Fahrschule näher auszugestalten, betrifft die Ermächtigung in § 68 Abs. 1 Nr. 13 FahrlG die „äußeren“ Umstände des Fahrschulbetriebs. Ausweislich des Wortlauts der Verordnungsermächtigungen bezieht sich § 68 Abs. 1 Nr. 6 FahrlG auf die Unterrichtsgestaltung. Beispielhaft werden Lehrpläne und Unterrichtsmethoden genannt. Hier geht es somit um das „Wie“ des Unterrichts, wozu auch die Frage zu zählen sein dürfte, ob der Unterricht (nur) in Präsenz oder (auch) in digitaler Form durchgeführt werden kann. Die Verordnungsermächtigung in § 68 Abs. 1 Nr. 13 FahrlG hat dagegen nicht den (Fahrschul-)Unterricht, sondern vielmehr die Voraussetzungen sowie den Betrieb der Fahrschule zum Gegenstand, wobei die nicht abschließende Aufzählung von Unterrichtsräumen, Lehrmitteln und Lehrfahrzeugen zeigt, dass es insoweit insbesondere um die von den Fahrschulen vorzuhaltenden Betriebsmittel geht. | Abs. 29 |
| Der Auffassung, dass § 68 Abs. 1 Nr. 6 FahrlG die einschlägige Verordnungsermächtigung hinsichtlich der näheren Ausgestaltung des Fahrschulunterrichts, also der Unterrichtung der Fahrschülerinnen und Fahrschüler, darstellt, steht auch nicht entgegen, dass sich diese Norm systematisch zwischen § 68 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 FahrlG befindet, die jeweils Verordnungsermächtigungen betreffend die Fahrlehrerausbildung enthalten. Vielmehr ergibt sich aus den Gesetzgebungsmaterialien, dass sich § 68 Abs. 1 Nr. 6 FahrlG nach dem Willen des Gesetzgebers auf den Unterricht der Fahrschüler (und nicht den der Fahrlehreranwärter) bezieht. | Abs. 30 |
| Ausweislich der Begründung zu § 68 FahrlG (BT-Drs. 18/10937, S. 144) sollten die bislang in den einzelnen Vorschriften enthaltenen Ermächtigungsgrundlagen in einer Norm zusammengefasst werden. Dabei heißt es in der Gesetzesbegründung, § 68 Abs. 1 Nr. 6 FahrlG entspreche § 5 Abs. 3 FahrlG a.F. und § 68 Abs. 1 Nr. 7 FahrlG entspreche „mit Ausnahme der Rechtsgrundlage für die Überwachung“ § 6 Abs. 3 FahrlG a.F. Dieser Gegenüberstellung liegt allerdings offensichtlich ein redaktionelles Versehen zu Grunde. Denn § 5 Abs. 3 FahrlG (i.d.F.v. 31.8.2015) betraf das Muster des Fahrlehrerscheins und entspricht damit gerade nicht Nr. 6, sondern Nr. 5 des § 68 Abs. 1 FahrlG. Demgegenüber befand sich eine Ermächtigungsgrundlage hinsichtlich der Einzelheiten der Gestaltung des Fahrschulunterrichts ehemals in § 6 Abs. 3 FahrlG (i.d.F.v. 31.8.2015). § 6 FahrlG a.F. betraf nach der amtlichen Überschrift der Norm die „Pflichten des Fahrlehrers“ und die „tägliche Höchstdauer des praktischen Fahrunterrichts“. In § 6 Abs. 3 FahrlG a.F. hieß es: „Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur bestimmt mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die notwendigen Anforderungen an die Unterrichtsgestaltung, insbesondere an die Lehrpläne und die Unterrichtsmethoden sowie an die Überwachung des Unterrichts.“ Dieser Wortlaut deckt sich mit § 68 Abs. 1 Nr. 6 FahrlG, wobei dort – wie in der Begründung ausgeführt – keine Rechtsgrundlage für die Überwachung mehr enthalten ist. Es wurde somit nach dem Willen des Gesetzgebers ersichtlich die ehemalige Regelung aus § 6 Abs. 3 FahrlG a.F. in § 68 Abs. 1 Nr. 6 FahrlG überführt. | Abs. 31 |
| Schließlich begegnet auch die Verordnungsermächtigung in § 68 Abs. 1 Nr. 6 FahrlG selbst keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ihre Verfassungswidrigkeit vermag die Kammer nicht zu erkennen. Soweit nach § 80 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen, ist diesem Erfordernis bereits dann genüge getan, wenn sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Vorgeschichte des (gesamten) Gesetzes ermitteln lassen (BVerfG, Urt. v. 19.9.2018, 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15, BVerfGE 150, 1, juris Rn. 203). Anders als die Antragstellerin zu meinen scheint, muss sich der Zweck der Ermächtigung also nicht ausdrücklich dem Gesetzestext der ermächtigenden Vorschrift entnehmen lassen, sondern es genügt, wenn sich dieser durch Auslegung des gesamten Fahrlehrergesetzes ergibt. Insoweit bestehen keine Bedenken. | Abs. 32 |
| Auch dem Zitiergebot gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 GG wurde genüge getan, da die Fünfzehnte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. März 2022 unter anderem § 68 Abs. 1 Nr. 6 FahrlG als gesetzliche Grundlage nennt. | Abs. 33 |
| b) § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO dürfte auch in materieller Hinsicht rechtmäßig sein und insbesondere die Antragstellerin nicht in ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG verletzen. | Abs. 34 |
| Die Erwerbstätigkeit insbesondere der Antragstellerin als Betreiberin einer Fahrschule ist dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG zuzuordnen. | Abs. 35 |
| Betroffen sein dürfte hier allerdings lediglich die Berufsausübungsfreiheit. Soweit die Antragstellerin demgegenüber geltend macht, das Konzept der Erteilung theoretischen Fahrunterrichts in digitaler Form begründe ein völlig neues Berufsbild, so dass durch die entgegenstehende Regelung in ihre Berufswahlfreiheit eingegriffen werde, dürfte dem nicht zu folgen sein. | Abs. 36 |
| Angesichts abgestufter Anforderungen an Eingriffe in Berufswahl und Berufsausübung erfordert die verfassungsrechtliche Beurteilung von Veränderungen des Tätigkeitsspektrums eine Zuordnung zu diesen Ausprägungen der Berufsfreiheit. So erweist sich für berufliche Spezialisierungen als vorentscheidend, ob ein neuer, spezieller Beruf ergriffen werden soll oder ob das nunmehr wahrgenommene Tätigkeitsfeld trotz Verengung des Tätigkeitsspektrums weiterhin als Teil des allgemein gefassten Berufes zu verstehen ist. In der ersten Fallgruppe tangieren gesetzliche Eingriffe den Berufswahl-, in der zweiten Gruppe den Berufsausübungsaspekt (Mann, in: Sachs, Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 12 Rn. 82). Entwickeln sich Spezialberufe, die auf kleine und einfach zu beherrschende Ausschnitte anderer Tätigkeiten mit festgelegtem Berufsbild beschränkt sind, so ist deren Verbot nur erforderlich, wenn dieses der Abwehr schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dient (BVerfG, Beschl. v. 29.10.1997, 1 BvR 780/87, BVerfGE 97, 12, juris Rn. 101). Entscheidungsmaßstab dürfen insoweit nicht quantitative Aspekte, sondern nur inhaltliche Kriterien (funktionales Schwergewicht, Verkehrsauffassung) sein (Mann, a.a.O. Rn. 84). Während einer spezialisierten Berufsausbildung, die über die Vermittlung üblicher Branchenkenntnisse hinausgeht, indizielle Bedeutung zukommt, ist der ganze Zuschnitt der Berufstätigkeit von größerer Bedeutung (BVerfG, Urt. v. 4.3.1964, 1 BvR 371/61, 1 BvR 373/61, BVerfGE 17, 269, juris Rn. 13). | Abs. 37 |
| Bei der Antragstellerin dürfte es sich nicht um einen „Spezialisten“ in diesem Sinne handeln. Weder liegt der Tätigkeit der bei der Antragstellerin beschäftigten Fahrlehrer eine besondere Berufsausbildung zugrunde, noch richtet sich das Angebot der Antragstellerin an eine bestimmte – von dem Kundenkreis anderer Fahrschulen abweichenden – Personengruppe oder bietet die Antragstellerin der Sache nach eine andere Dienstleistung als andere Fahrschulen an. Vielmehr deckt sich die Tätigkeit der Antragstellerin nach Inhalt und Umfang vollumfänglichen mit der Tätigkeit anderer Fahrschulen. Der Unterschied besteht lediglich in der (digitalen) Darbietungsform eines Teils der Inhalte. Zum selben Ergebnis kommt im Übrigen auch das von der Antragstellerin vorgelegte Rechtsgutachten von Prof. Dr. A., wenn es dort heißt (S. 16): | Abs. 38 |
| „Das Verbot digitalen Theorieunterrichts betrifft zwar nur eine Modalität einer bestimmten Facette der beruflichen Tätigkeit der Fahrschulbetreiber. Der Betrieb von Fahrschulen als solcher und die übrigen damit verbundenen Tätigkeiten werden unmittelbar nicht tangiert, auch bleibt die Erteilung von Theorieunterricht in Präsenz immer erlaubt. Die Präsenzpflicht geht allerdings mit Beschränkungen einher, die Fahrschüler wie Fahrlehrer nicht unerheblich treffen…“ | Abs. 39 |
| Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin durch Rechtsverordnung (vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz GG, wonach die Berufsausübung durch oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden darf) dürfte auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Für die grundsätzliche physische Präsenz der Fahrschülerinnen und Fahrschüler bei Erteilung des theoretischen Fahrunterrichts spricht mit der Gewährleistung einer gleichbleibend hohen Qualität der Fahrschulausbildung und damit letztlich der Verkehrssicherheit ein vernünftiger Grund des Gemeinwohls. Soweit die Antragstellerin der Auffassung ist, der Aspekt der Verkehrssicherheit werde durch die von ihr begehrte (generelle) Zulassung von digitalem Theorieunterricht nicht beeinträchtigt, ist zunächst festzuhalten, dass dem Normgebereine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Abwägung der in Rede stehenden Rechtsgüter bzw. Risiken zukommt. Dass der Normgeber seinen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum vorliegend überschritten und in unvertretbarer Weise die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Regelung angenommen haben könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, wenn der Normgeber davon ausgeht, dass die in § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO grundsätzlich vorgesehene Erteilung von Präsenzunterricht in der Fahrschule der Verkehrssicherheit dienlich ist und die physische Präsenz der Fahrschülerinnen und -schüler den Zweck einer hohen Ausbildungsqualität jedenfalls fördern kann. Ein gleich wirksames, die Berufsausübungsfreiheit weniger belastendes Mittel ist nicht ersichtlich. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass der Verordnungsgeber Bedenken bezüglich der Qualität des Online-Unterrichts durch entsprechende Auflagen hätte begegnen können, dürfte dies nicht durchgreifen. So kann etwa auch durch Auflagen jedenfalls nicht in gleich effektiver Weise wie im Falle der physischen Präsenz der Schülerinnen und Schüler im Unterrichtsraum deren durchgehende Anwesenheit im Verlauf einer gesamten Unterrichtsstunde sichergestellt werden. Auch, in welcher Umgebung sich die Teilnehmenden befinden und ob diese ein konzentriertes Arbeiten ermöglicht (so etwa eine Auflage in der seitens der Antragsgegnerin erteilten Ausnahmegenehmigung v. 7.12.2021), dürfte seitens des Fahrlehrers im Falle der Erteilung von Online-Unterricht nur schwer überprüfbar sein. Schließlich bestehen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne keine durchgreifenden Bedenken. Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist lediglich gering, da die von der Regelung betroffenen Fahrschulen den theoretischen Unterricht – wie vor Beginn der Corona-Pandemie – in Präsenz erteilen können. Darüber hinaus spricht für die Angemessenheit der Regelung, dass in § 4 Abs. 1b Satz 2 FahrschAusbO eine Ausnahmemöglichkeit für Fälle eröffnet wird, in denen die Erteilung von theoretischem Fahrunterricht in Präsenz nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Dass gerade die Antragstellerin in den letzten zwei Jahren von den Auswirkungen der Corona-Pandemie und den vor diesem Hintergrund erteilten Ausnahmegenehmigungen gegenüber ihren Mitbewerbern profitierte, weil sie ihren theoretischen Unterricht – anders als bereits bestehende (Einzel-)Fahrschulen – von Beginn an „Online“ anbieten und somit schnell neue Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Hamburger Stadtteilen gewinnen konnte, ohne in diesen Stadtteilen jeweils auch Geschäftsräume für die Durchführung des Theorieunterrichts vorhalten zu müssen, vermag insoweit kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Denn Art. 12 Abs. 1 GG umfasst keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb und auf Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.6.2002, 1 BvR 558/91, juris Rn. 43). | Abs. 40 |
| c) Nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens drängt sich im Übrigen nicht auf, dass der Antragstellerin vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Pandemiegeschehens in Hamburg und der geltenden Hamburgischen Corona-Eindämmungsverordnung eine Ausnahme auf Grundlage von § 4 Abs. 1b Satz 2 FahrschAusbO zu genehmigen wäre. | Abs. 41 |
| 2. Soweit die Antragstellerin die (vorläufige) Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Genehmigung einer Ausnahme von § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO oder jedenfalls zur erneuten ermessensfehlerfreien Entscheidung hierüber begehrt, kann ihrem Begehren kein Erfolg zukommen. Denn insoweit dürfte es bereits an einer Anspruchsgrundlage fehlen. | Abs. 42 |
| § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 3 FahrlG, wonach die nach Landesrecht zuständigen Behörden Ausnahmen von den Vorschriften der auf § 68 Abs. 1 Nr. 13 FahrlG beruhenden Rechtsverordnung genehmigen können, wenn Gründe der Verkehrssicherheit nicht entgegenstehen, dürfte als Anspruchsgrundlage für die von der Antragstellerin begehrte Ausnahmegenehmigung nicht in Betracht kommen. Denn, wie ausgeführt, handelt es sich bei § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO gerade nicht um eine Vorschrift in einer auf § 68 Abs. 1 Nr. 13 FahrlG beruhenden Rechtsverordnung. Auf das Verhältnis der parlamentsgesetzlichen Ausnahmevorschrift nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 3 FahrlG und der Ausnahmemöglichkeit nach § 4 Abs. 1b Satz 2 FahrschAusbO kommt es mithin nicht an. Auch erübrigen sich insoweit Ausführungen zu einer etwaigen Ermessensausübung durch die Antragsgegnerin. | Abs. 43 |
| Einen Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung der ihr bislang erteilten Ausnahmegenehmigung dürfte die Antragstellerin darüber hinaus auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes herleiten können. Dies folgt zum einen daraus, dass mangels Rechtsgrundlage eine Ausnahme zumindest ab dem 31. Mai 2022 rechtwidrig wäre und zum anderen selbständig tragend aus den folgenden Erwägungen: | Abs. 44 |
| Zwar können im Falle der Änderung der bisherigen Verwaltungspraxis der Behörde Vertrauensschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen sein. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann eine Ermessensbindung in Gestalt einer rein tatsächlichen Verwaltungspraxis jedoch – ohne Verstoß gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte – aus sachgerechten Erwägungen für die Zukunft geändert werden, auch wenn die Betroffenen gegenüber der bisherigen Praxis benachteiligt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.6.2007, 1 WB 12/07, juris Rn. 29 m.w.N.). Weiterhin ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass es für die Annahme eines Vertrauens in den Fortbestand einer bisherigen Praxis einer adäquaten Vertrauensbetätigung des Betroffenen sowie der Schutzwürdigkeit derselben bedarf. An letzterer fehlt es, wenn dem Betroffenen Umstände bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt waren, die eine Änderung der Verwaltungspraxis rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.4.1997, 3 C 6/95, juris Rn. 30 f. m.w.N.). | Abs. 45 |
| Dies zugrunde gelegt, konnte bei der Antragstellerin bereits kein schutzwürdiges Vertrauen auf die weitere Erteilung entsprechender Ausnahmegenehmigungen für den Theorieunterricht in digitaler Form entstehen. Wie der Antragstellerin von Beginn ihrer Geschäftstätigkeit an bewusst war und von der Antragsgegnerin zudem ausdrücklich in ihren Bescheiden zur Erteilung der Ausnahmegenehmigungen zum Ausdruck gebracht wurde, erfolgten die – zudem befristeten – Genehmigungen des Online-Unterrichts ausschließlich vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und berücksichtigten dabei die geltenden Vorgaben der Hamburgischen Corona-Eindämmungsverordnung. Dafür, dass entsprechende Ausnahmegenehmigung auch dann weiter erteilt werden würden, wenn die Pandemielage einen Präsenzunterricht wieder zuließe, ergaben sich aus dem Verhalten der Antragsgegnerin somit keinerlei Anhaltspunkte. Auch etwaige (bloße) Absichtserklärungen im Rahmen des politischen Willensbildungsprozesses im Zusammenhang mit der erfolgten Änderung von § 4 FahrschAusbO vermögen einen Vertrauensschutz der Antragstellerin nicht zu begründen. | Abs. 46 |
| Vor dem Hintergrund, dass die Hamburgische Corona-Eindämmungsverordnung der Erteilung von Präsenzunterricht in Fahrschulen aktuell nicht entgegensteht sowie der Neufassung von § 4 Abs. 1b Satz 1 und 2 FahrschAusbO liegen der Änderung der Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin im Übrigen auch sachgerechte Erwägungen zugrunde. | Abs. 47 |
| III. | Abs. 48 |
| Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache ist der Auffangstreitwert in voller Höhe in Ansatz zu bringen. | Abs. 49 |
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| (online seit: 23.08.2022) | |
| Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs. | |