VG Neustadt (Weinstraße) | ||
Urteil vom 11.02.2021 | ||
4 K 758/20.NW | ||
Übermittlung eines Widerspruchsschreibens als PDF-Datei | ||
JurPC Web-Dok. 36/2021, Abs. 1 - 59 | ||
Leitsätze: | ||
1.Die Übermittlung eines Widerspruchsschreibens als PDF Datei, die einer einfachen E-Mail angehängt wurde, wahrt nicht die durch § 70 Abs 1 VwGO vorgeschriebene Form. 2. Ein Widerspruch entspricht nur dann der elektronischen Form i.S.d. § 70 Abs 1 VwGO, wenn es mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist oder über einen in § 3 Abs 2 S 4 VwVfG genannten Übermittlungsweg übermittelt wird. 3. Der Formfehler wird auch nicht dadurch geheilt, dass das elektronisch per einfacher E-Mail als Datei übermittelte Widerspruchsschreiben von der Behörde ausgedruckt wird. 4. Scheitert die Übermittlung eines Widerspruchsschreibens per Fax drei Tage vor Ablauf der Widerspruchsfrist, so ist es dem Widerspruchsführer zumutbar, weitere und ggf. alternative Übermittlungsversuche zu unternehmen. 5. Grundsätzlich kann aufgrund der vom Postdienstleister genannten üblichen Laufzeiten davon ausgegangen werden, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag im Bundesgebiet ausgeliefert werden. | ||
Tatbestand: | ||
Die Kläger begehren die Aufhebung eines Widerspruchsbescheids, mit dem auf den Widerspruch der Beigeladenen hin eine ihnen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit sechs Wohneinheiten in R. aufgehoben wurde. | Abs. 1 | |
Sie sind Eigentümer des Grundstücks Flurstücknummer …… in R. (D… 20). Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich der Ortsgemeinde R.. Es gibt für das Gebiet zwar einen Bebauungsplan. Der Bebauungsplan wurde aber nicht ordnungsgemäß ausgefertigt und entfaltet daher keine Rechtswirkungen. | Abs. 2 | |
Die Kläger stellten am 10. September 2019 einen Bauantrag zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit sechs Wohneinheiten und zehn Kfz-Stellplätzen. Ausweislich der Planunterlagen soll das Vorhaben 10,13 m hoch werden und 2 ½ Vollgeschosse haben. | Abs. 3 | |
Die Beigeladene versagte mit Beschluss vom 02. Oktober 2019 das gemeindliche Einvernehmen aufgrund der Massivität des geplanten Baukörpers. Auf entsprechende Anhörungen hin versagte sie das gemeindliche Einvernehmen erneut mit Beschlüssen vom 04. November 2019 und vom 20. Dezember 2019. | Abs. 4 | |
Der Beklagte erteilte den Klägern die begehrte Baugenehmigung am 02. März 2020 im vereinfachten Verfahren unter Ersetzung des Einvernehmens. Nach Ansicht der Bauaufsichtsbehörde des Beklagten hatte die Beigeladene ihr Einvernehmen zu Unrecht versagt, da sich das Vorhaben in die nähere Umgebung nach § 34 Abs. 1 Baugesetzbuch einfüge. Mehrere Wohnbaugrundstücke, die über die Wohnstraße „D…“ erschlossen würden, wiesen zweigeschossige Gebäude auf. In unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Vorhaben befänden sich auf fünf Grundstücken zweigeschossige Wohngebäude, die eine ähnliche Wandhöhe aufwiesen. Auch eine Grundflächenzahl von 1,2 sei in ähnlicher Form im D… bereits vorhanden. | Abs. 5 | |
Die Beigeladene sandte am 06. April 2020 per E-Mail ein Widerspruchsschreiben an den Beklagten. In der E-Mail teilte die Beigeladene mit, dass es aufgrund einer potentiellen technischen Störung der Anlage des Beklagten nicht möglich gewesen sei, den Widerspruch per Fax zu übermitteln. Die E-Mail werde zur Fristwahrung übermittelt und das Original werde „in den nächsten Tagen auf dem Postweg zugestellt werden“. Im Anhang übersandte die Beigeladene das Widerspruchsschreiben als PDF-Datei mit eingescannter Unterschrift des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde. Das Widerspruchsschreiben selbstging beim Beklagten am 11. April 2020 per Post ein. | Abs. 6 | |
Der Vorsitzende des Kreisrechtsausschusses bat die Beigeladene in einer E-Mail vom 11. Mai 2020 „im Rahmen der Sachverhaltsermittlung (…) um Übermittlung des maßgeblichen Sendeprotokolls des Telefaxes“. Die Beigeladene übersandte daraufhin die Sendeprotokolle. Die Beteiligten im Widerspruchsverfahren verzichteten auf mündliche Verhandlung vor dem Kreisrechtsausschuss, der dementsprechend im schriftlichen Verfahren entschied und mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2020 die Baugenehmigung aufhob. | Abs. 7 | |
Er führt aus, der Widerspruch sei zwar verfristet, der Beigeladenen sei jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Es sei nicht zweifelsfrei zu ermitteln, wann die Baugenehmigung der Beigeladenen bekanntgegeben wurde, denn es gebe keinen Postaufgabevermerk. Der am 11. April 2020 auf dem Postweg eingegangene Widerspruch sei jedoch sicher verfristet, da die Beigeladene selbst den Eingang der Baugenehmigung auf den 09. März 2020 datiert habe, sodass die einmonatige Widerspruchsfrist bereits abgelaufen gewesen sei. Die am 6. April 2020 erfolgte Einlegung des Widerspruchs per E-Mail mit angehängter PDF-Datei entspreche nicht der in § 70 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung verlangten Schriftform und sei daher formunwirksam. Die Voraussetzungen für eine Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen lägen hier vor. Die Beigeladene sei ohne Verschulden gehindert gewesen, die einmonatige Widerspruchsfrist einzuhalten. Der Beklagte habe die Übermittlung von Faxen als Zugangsmöglichkeit eröffnet. Die Beigeladene habe sich daher dieses Mediums bedienen dürfen. Sie habe durch Übersendung der entsprechenden Faxprotokolle glaubhaft gemacht, dass sie am 06. April 2020 in der Zeit von 12:23 Uhr bis 13:10 Uhr, in der sie versuchte, das Widerspruchsschreiben per Fax an den Beklagten zu übermitteln, Faxe von anderer Stelle empfangen und an andere Empfänger versendet habe. Lediglich bei der Übermittlung an den Beklagten habe sie eine Fehlermeldung erhalten. Die Störung sei daher nicht der Sphäre der Beigeladenen zuzuordnen. Es schade auch nicht, dass die Beigeladene es unterlassen habe, das Widerspruchsschreiben noch auf andere Weise rechtzeitig und formgerecht zu übermitteln, da es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht erforderlich sei, dass derjenige, der ein Fax übermitteln will, dies aber aufgrund von Umständen, die nicht in seinem Machtbereich liegen, nicht kann, unter erheblichem Zeit- und Kostenaufwand alle nur denkbaren Anstrengungen unternehme, um einen fristgerechten Eingang doch noch sicherzustellen. Es sei lediglich ein naheliegender, kaum zusätzliche Mühe erfordernder Übermittlungsversuch notwendig. | Abs. 8 | |
Der Widerspruch sei auch begründet. Die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens sei rechtswidrig erfolgt, da das Vorhaben der Kläger bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Es füge sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Es wahre nicht den durch die Umgebung vorgegebenen Rahmen. Zwar gebe es in der näheren Umgebung Gebäude, die bezüglich der Geschosszahl und Höhe mit dem Vorhaben der Kläger vergleichbar seien. Allerdings überschreite die Grundfläche des Gebäudes die der anderen Gebäude in der näheren Umgebung erheblich. Es sei von einer Grundfläche des Vorhabens von 252 m² auszugehen. Der Grundrisszeichnung des Obergeschosses sei zu entnehmen, dass die Grundfläche jedenfalls ca. 220 m² groß sei. Zusätzlich seien die beiden im Obergeschoss vorgesehenen Balkone mit ihrer Grundfläche von ca. 32 m² aufgrund ihrer baulichen Ausgestaltung mittels der auf die Geländeoberfläche reichenden Stützen zu berücksichtigen. Die in der näheren Umgebung größten Grundflächen betrügen 195 m², 216 m² und 238 m². Zudem sei in kumulierender Betrachtung auch auf das Verhältnis der Bebauung zur Freifläche abzustellen, das beispiellos sei. Das Gebäude löse auch bodenrechtliche Spannungen aus, da von ihm eine negative Vorbildwirkung ausgehe. | Abs. 9 | |
Nach Zustellung des Widerspruchsbescheids am 05. August 2020 haben die Kläger am Montag, den 07. September 2020, Klage erhoben. | Abs. 10 | |
Sie tragen vor: Der Beigeladenen hätte keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden dürfen. Sie hätte einen Antrag auf Wiedereinsetzung stellen und innerhalb von zwei Wochen begründen und glaubhaft machen müssen. Die zweiwöchige Begründungsfrist gelte auch im Falle der Wiedereinsetzung von Amts wegen. Eine Glaubhaftmachung des Übermittlungsproblems sei aber innerhalb der Frist nicht erfolgt. Eine rudimentäre Begründung sei erst auf entsprechende Nachfrage des Vorsitzenden des Kreisrechtsausschusses erfolgt. Zudem hätten der Beigeladenen zahlreiche weitere Übermittlungswege zur Verfügung gestanden, die sie schuldhaft nicht genutzt habe. Auch das am 11. April 2020 beim Beklagten auf dem Postweg eingegangene Widerspruchsschreiben, das die Beigeladene rechtzeitig zur Post gegeben haben wolle, rechtfertige keine Wiedereinsetzung. Das Widerspruchsschreiben mit „Ab-Vermerk“ vom 6.4.2020, dass die Beigeladene auf Aufforderung des Gerichts vorgelegt habe, befinde sich nicht in der Verwaltungsakte. Dies sei nicht nachvollziehbar. Das per E-Mail übersandte Widerspruchsschreiben trage den „Ab-Vermerk“ auch nicht, was die Annahme rechtfertige, dass es zum Zeitpunkt des E-Mailversands noch nicht zur Post aufgegeben worden sei. Es könne erst nach dem Versand der E-Mail um 13:43 Uhr in den Postausgang gegeben worden sein. Es habe dann zunächst einmal in die Postausgangsstelle gelangen, kuvertiert und frankiert werden müssen. Der Briefkasten vor dem Dienstgebäude der Verbandsgemeindeverwaltung werde um 15:15 Uhr geleert. Demnach könne das Widerspruchsschreiben frühestens am 07. April 2020 in den Briefkasten gelangt sein. Der Posteingang beim Beklagten am 11. April 2020 lege einen noch späteren Einwurf nahe. Nach der Rechtsprechung sei davon auszugehen, dass der behördliche oder gerichtliche Versender eines fristwahrenden Schreibens darauf vertrauen könne, dass die Post innerhalb von drei Tagen ein Schreiben zustelle. Aber schon bei einer postalischen Versendung am 07. April 2020 habe die Beigeladene diese Frist nicht mehr einhalten können. Ebenfalls auffällig sei, dass sich der Widerspruchsbescheid mit keiner Silbe mit dem Versanddatum des Widerspruchsschreibens auseinandersetze. Auch der Kreisrechtsausschussvorsitzende habe das Schreiben mit „Ab-Vermerk“ offensichtlich nicht gekannt. Darüber hinaus sei die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens zurecht erfolgt, denn das Vorhaben der Kläger sei bauplanungsrechtlich zulässig. Das Vorhaben füge sich nach dem Maß der Nutzung in diese nähere Umgebung ein. Die Grundfläche des Vorhabens betrage ausweislich der Planunterlagen inklusive Terrasse, Garage, Stellplätzen und Gehwegen 244 m², ohne 188 m². Schon ein Blick in den Lageplan verdeutliche, dass es in der näheren Umgebung zahlreiche Gebäude mit vergleichbarer Grundfläche gebe. Zudem sei es nicht überzeugend, wenn der Beklagte die Balkone des klägerischen Vorhabens in die Grundfläche mit einbeziehe, andere Balkone aber nicht, nur weil sie nicht über Stützen oder Pfeiler verfügten. Der Beklagte führe selbst aus, dass die Gebäude D. 13 – 15 eine Grundfläche von knapp 240 m² und das Gebäude D. 28 eine Grundfläche von 238 m² habe. Selbst bei Zugrundelegung der Grundfläche von 252 m² handele es sich nur um eine geringfügige Überschreitung, die einem Einfügen nicht entgegenstehe. | Abs. 11 | |
Sie beantragen, | Abs. 12 | |
den Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 30. Juli 2020 zum Aktenzeichen KRA … aufzuheben. | Abs. 13 | |
Der Beklagte beantragt, | Abs. 14 | |
die Klage abzuweisen. | Abs. 15 | |
Er vertieft die Begründung des Widerspruchsbescheids. | Abs. 16 | |
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. | Abs. 17 | |
Sie trägt vor, im Nachgang zur E-Mailübersendung am 06. April 2020 habe sie sich bei Frau E. vom Beklagten telefonisch versichert, dass der Widerspruch am 06. April 2020 bei der Kreisverwaltung eingegangen sei und die Sachbearbeiterin den Widerspruch rechtzeitig zur Verfahrensakte genommen habe. | Abs. 18 | |
Sie hat zudem auf Anforderung des Gerichts eine Ausfertigung des Widerspruchsschreibens vom 06. April 2020 vorgelegt, auf dem sich der handschriftliche Vermerk „zum Postversand 6.4.20“ neben der Unterschrift des Mitarbeiters der Beigeladenen, Herr S., befindet. | Abs. 19 | |
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Schrift-sätze der Beteiligten und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. | Abs. 20 | |
Entscheidungsgründe: | ||
Die Klage hat Erfolg. | Abs. 21 | |
Sie ist als sogenannte isolierte Anfechtungsklage im Sinne von § 79 Abs. 1 Nr. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft, denn der Widerspruchsbescheid enthält für die Kläger erstmalig eine Beschwer. Die Kläger sind insoweit gemäß § 42 Abs. 2 VwGO auch klagebefugt, denn sie können geltend machen, durch den Regelungsgehalt des angefochtenen Widerspruchsbescheids – die Aufhebung ihrer Baugenehmigung vom 02. März 2020 – in eigenen Rechten verletzt zu sein. | Abs. 22 | |
Die Klage ist auch begründet, denn der Widerspruchsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Baugenehmigung vom 02. März 2020 wurde zu Unrecht aufgehoben, da der Widerspruch der Beigeladenen unzulässig war. | Abs. 23 | |
Der Widerspruch der Beigeladenen war verfristet (dazu 1.) und der Kreisrechtsausschuss hat der Beigeladenen zu Unrecht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt (dazu 2.). | Abs. 24 | |
1. Gemäß § 70 Abs. 1 VwGO ist der Widerspruch innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat oder bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat. | Abs. 25 | |
Die Baugenehmigung vom 02. März 2020 wurde der Beigeladenen am 09. März 2020 bekannt gegeben. Gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO –, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – lief die Widerspruchsfrist mithin am 09. April 2020 ab. | Abs. 26 | |
Innerhalb der Widerspruchsfrist ging beim Beklagten kein formgerechter Widerspruch ein. | Abs. 27 | |
1.1. Das Widerspruchsschreiben im Original, das die Unterschrift des Verbandsgemeindebürgermeisters der Beigeladenen trug und daher die Schriftform des § 70 Abs. 1 VwGO einhält, ging auf dem Postweg erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist am 11. April 2020 beim Beklagten ein und konnte daher die Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht wahren. | Abs. 28 | |
1.2. Die Übermittlung des Widerspruchsschreibens als PDF-Datei, die einer einfachen E-Mail angehängt wurde, erfolgte zwar am 06. April 2020 und damit innerhalb der Widerspruchsfrist, wahrt jedoch nicht die durch § 70 Abs. 1 VwGO vorgeschriebene Form, über die die Beigeladene zutreffend belehrt wurde, sodass sie auch auf diesem Wege nicht form- und fristgemäß Widerspruch gegen die Baugenehmigung eingelegt hat. | Abs. 29 | |
In § 70 Abs. 1 VwGO ist abschließend geregelt, in welcher Form der Widerspruch eingelegt werden kann. Eine elektronische Übermittlung ist demnach zwar zulässig, allerdings nur dann, wenn die Anforderungen des § 1 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 3a Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – erfüllt sind. Daher genügt ein elektronisches Dokument nur dann der elektronischen Form, wenn es mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist oder über einen in § 3a Abs. 2 Satz 4 VwVfG genannten Übermittlungsweg übermittelt wird. Diese Voraussetzungen erfüllt die an die einfache E-Mail angehängte PDF-Datei nicht. | Abs. 30 | |
Zwar hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 08. Mai 2019 zum Aktenzeichen XII ZB 8/19 (Rn. 12 ff., juris), auf das der Beklagte hingewiesen hat, entschieden, dass eine im Original unterzeichnete Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift, die eingescannt und im Anhang einer elektronischen Nachricht als PDF-Datei übermittelt wird, dann in schriftlicher Form bei Gericht eingereicht ist, sobald bei dem Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, ein Ausdruck der den vollständigen Schriftsatz enthaltenden PDF-Datei vorliegt. | Abs. 31 | |
Die hier streitgegenständliche PDF-Datei wurde auch tatsächlich beim Beklagten am 06. April 2020 ausgedruckt. Nach der Rechtsauffassung der Kammer wahrt dieser Ausdruck aber dennoch nicht die in § 70 Abs. 1 VwGO vorgeschriebene Schriftform. Die Kammer hält nämlich die Rechtsprechung des BGH im vorliegenden Fall für nicht anwendbar. Zum einen steht hier nicht die Übermittlung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift im Streit, sondern die Übermittlung eines Widerspruchsschreibens. Zum anderen überzeugt die Rechtansicht des BGH vorliegend aus den folgenden Gründen nicht: | Abs. 32 | |
Es handelt sich bei der elektronischen Form i.S.d. § 3a VwVfG um eine eigenständige Kommunikationsform, die der Gesetzgeber als zusätzliche – gleichberechtigte – Option neben der herkömmlichen papiergebundenen Schriftform eingeführt hat. Dass die elektronische Form nicht lediglich einen Unterfall der Schriftform darstellt, unterstreicht nunmehr auch der § 70 Abs. 1 VwGO selbst, in dem der durch das Gesetz geschaffene Dreiklang gleichrangiger prozessualer Formen – schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift – nochmals ausdrücklich aufgezählt wird. | Abs. 33 | |
Allein der Ausdruck eines elektronisch per einfacher E-Mail als Datei übermittelten Widerspruchsschreibens entspricht nicht den Anforderungen des § 70 Abs. 1 VwGO an die Schriftform eines Widerspruchs. Dies gilt unabhängig davon, ob die übermittelte Datei eine Unterschrift enthält oder auf welche Weise diese Unterschrift generiert wurde. Denn wenn ein Absender zur Übermittlung eines bestimmenden Schriftsatzes als prozessualen Weg die elektronische Übermittlung eines Dokuments wählt, sind für die Beurteilung der Formrichtigkeit allein die hierfür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen maßgebend. Ein Rückgriff auf Rechtsprechungsgrundsätze, die entwickelt wurden, um bei Nutzung technischen Übermittlungsformen wie Telefax oder Computerfax die Einhaltung der Schriftform begründen zu können, kommt zur "Heilung" von Mängeln der elektronischen Übermittlung i.S.d. § 3a Abs. 2 VwVfG nicht in Betracht. | Abs. 34 | |
Nach seinem Sinn und Zweck ist § 3a VwVfG als abschließende Regelung aller Fallgestaltungen elektronischer Kommunikation anzusehen. § 3 a Abs. 2 VwVfG sieht ausdrücklich vor, dass elektronisch übermittelte Dokumente nur bei Einhaltung besonderer Sicherheitsanforderungen einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück "gleichstehen", nämlich wenn eine qualifizierte elektronische Signatur verwendet wird. Die Signatur ist als Funktionsäquivalent zur Unterschrift anzusehen. Hintergrund der Regelung ist, dass gewährleistet sein muss, dass das elektronische Dokument dem angegebenen Absender zuzurechnen ist (Authentizität) und inhaltlich (Integrität) durch die Übermittlung nicht verändert werden konnte (BT-Drucksache 17/11473, S. 49). | Abs. 35 | |
Authentizität und Integrität eines elektronischen Dokuments werden bei Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur dadurch sichergestellt, dass diese einen öffentlichen und einen persönlichen Signaturschlüssel erfordert, welche von einer Zertifizierungsstelle ausgegeben werden. Der Inhaber dieser Schlüssel erhält eine Smartcard, welche beide Schlüssel enthält und mit einer PIN nur durch den Inhaber berechtigt verwendet werden kann. Die Anbringung der Signatur erfordert daher den Besitz der Karte und die Kenntnis der PIN, was einen Missbrauch bei sorgfältiger Behandlung durch den Inhaber fast unmöglich macht (Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 1. Auflage, § 3a VwVfG (Stand: 01.02.2021), Rn. 44). Nur dadurch ist bei Verwendung der Signatur die Integrität und die Authentizität des Dokuments in einer Weise gewährleistet, die es rechtfertigt, die handschriftliche Unterzeichnung zu ersetzen. Der mit diesem Verfahren verbundene Aufwand ist durch den damit verfolgten Zweck gerechtfertigt und erschwert den Zugang zu Rechtsschutz nicht in unzumutbarer Weise (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 18. April 2007 – 1 BvR 110/07 –, Rn. 22, juris). | Abs. 36 | |
Bei dem Ausdruck eines nicht nach diesem Verfahren übermittelten Dokuments ist dessen Authentizität und Integrität keinesfalls in gleicher Weise gewährleistet, selbst wenn das Dokument eine eingescannte Unterschrift enthält. Den besonderen Risiken der digitalen Form im Hinblick auf die Veränderbarkeit und die Urheberschaft von Dokumenten, denen der Gesetzgeber begegnen will, kann ein Ausdruck nicht in gleicher Weise Rechnung tragen, wie eine Signatur (Müller, Fragwürdige Formerleichterung durch Übertragung der Telefax-Rechtsprechung auf den ERV, AnwBl 2016, 27, 29). Dies gilt im Hinblick auf die vorhandenen Manipulationsmöglichkeiten auch dann, wenn der Ausdruck eine – wie auch immer generierte – Unterschrift abbildet. Der Zweck der besonderen (Sicherheits-)Anforderungen würde letztlich verfehlt, wenn allein die eingescannte Unterschrift bei elektronischer Übermittlung eine Verletzung dieser spezifisch in § 3a VwVfG geregelten Anforderungen "heilen" und die Form wahren könnte (so auch Sächsisches OVG Beschluss vom 19. Oktober 2015 – 5 D 55/14 –, Rn. 8 f., juris zu § 55a VwGO; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 16. August 2012 – L 3 R 801/11 –, Rn. 35, juris; Hessisches LSG Beschluss vom 31. März 2016 – L 6 AS 247/15 –, Rn. 30, juris; Müller, Der elektronische Rechtsverkehr in der Rechtsanwendung - heute und morgen, NZS 2015, 896, 898). | Abs. 37 | |
Auf die Unterschrift kommt es nicht an, wenn Dokumente auf elektronischem Weg übermittelt werden, weil an ihre Stelle die qualifizierte elektronische Signatur tritt. Für eine Rechtsfortbildung, wie sie mit dem Ziel, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, durch die – den Begriff der Schriftform erweiternden – Rechtsprechung zu Telefax und Computerfax erfolgt ist (zusammenfassend Skrobotz, jurisPR-ITR 24/2015 Anm 2), besteht wegen der mittlerweile geschaffenen gesetzlichen Regelungen zum elektronischen Rechtsverkehr kein Bedürfnis und daher auch kein Raum mehr. | Abs. 38 | |
Die Rechtssicherheit erfordert es zudem, dass die Formwirksamkeit nicht von Faktoren abhängt, auf die der Urheber des Dokuments keinen Einfluss hat. Eine "Heilung" von Mängeln der elektronischen Form durch den Ausdruck hätte aber gerade dies zur Folge, denn der Absender hat es – anders als etwa in der Regel bei der Übermittlung per Fax – nicht in der Hand, ob und wann ein elektronisch übermitteltes Dokument vom Empfänger ausgedruckt wird. Solche Unsicherheiten sind ebenso wenig hinzunehmen, wie die oben beschriebenen Abstriche an die Sicherheitsanforderungen (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 12. Oktober 2016 – B 4 AS 1/16 R –, Rn. 16 – 23, juris). | Abs. 39 | |
2. Der Kreisrechtsausschuss hat der Beigeladenen zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 70 Abs. 2, 60 Abs. 1, 2 VwGO gewährt. | Abs. 40 | |
Das Verwaltungsgericht hat von Amts wegen die Zulässigkeitsvoraussetzungen und damit auch die Rechtzeitigkeit des Widerspruchs zu prüfen. Aus Gründen der Prozessökonomie geht mit der Klageerhebung die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Wiedereinsetzung nach dem § 60 Abs. 4 VwGO zugrunde liegenden Grundsatz der Konnexität von der Widerspruchsbehörde auf das Prozessgericht über (BVerwG, Urteil vom 08. März 1983 – 1 C 34/80 –, Rn. 17, juris; Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 60 Rn. 11 – 13, beck-online). | Abs. 41 | |
In der vorliegenden Fallgestaltung eines dreipoligen Rechtsverhältnisses darf die Widerspruchsbehörde grundsätzlich nicht über den verspäteten Widerspruch eines Dritten zu Lasten des Begünstigten sachlich entscheiden, denn wenn eine Baugenehmigung nicht innerhalb der Frist des § 70 VwGO angefochten wird, erlangt sie Unanfechtbarkeit und erwächst in Bestandskraft. Diese vermittelt dem durch die Genehmigung Begünstigten eine gesicherte Rechtsposition, die nur dann entzogen werden darf, wenn hierfür eine besondere Ermächtigungsgrundlage besteht (VG Koblenz, Urteil vom 12. April 2011 – 7 K 1059/10.KO –, Rn. 18 - 21, juris mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 04.08.1982 – 4 C 42/79 –, NVwZ 1983, 285). | Abs. 42 | |
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gemäß §§ 70 Abs. 2, 60 Abs. 1, 2 VwGO zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Begünstigte muss gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO die Tatsachen glaubhaft machen, aus denen sich ergibt, dass das Fristversäumnis unverschuldet war. Dies ist der Beigeladenen nicht gelungen. | Abs. 43 | |
2.1. Die Erwägungen im Widerspruchsbescheid betreffend die fehlgeschlagene Faxübersendung rechtfertigen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht. | Abs. 44 | |
Zwar dürfte die Annahme, dass der Fehler bei der Faxübersendung nicht in der Sphäre der Beigeladenen lag und sie daher an der gescheiterten Übermittlung kein Verschulden trifft, richtig sein. | Abs. 45 | |
Allerdings verkennt der Kreisrechtsausschuss, dass die von ihm zitierte Rechtsprechung nur das unverschuldete Scheitern einer Faxübermittlung am letzten Tag der Frist betrifft. | Abs. 46 | |
In diesen Fällen ist – wie vom Kreisrechtsausschuss richtig ausgeführt – nach der Rechtsprechung anerkannt, dass der Nutzer mit der Wahl des Telefaxes als eines anerkannten und für die Zusendung fristwahrender Schriftsätze an das Gericht eröffneten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan hat, wenn er mit der Übermittlung am letzten Tag der Frist so rechtzeitig beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis 24:00 Uhr zu rechnen ist (BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2016 – 2 B 18/15 –, Rn. 13, juris mit Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 01. August 1996 – 1 BvR 121/95 –, NJW 1996, 2857, 2858). Scheitert in einem solchen Fall die Übermittlung aus Gründen, die nicht der Sphäre des Absenders, sondern in der Sphäre des Empfängers liegen, kann vom Absender nicht verlangt werden, dass er – unter Aufbietung aller nur denkbaren Anstrengungen – innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte Zugangsart sicherstellt (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2017 – II ZB 22/16 –, Rn. 12, juris). Dass in einem solchen Fall an den Absender des Faxes keine allzu hohen Ansprüche gestellt werden, ist darin begründet, dass aus den in Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz niedergelegten Anforderungen an Rechtsstaatlichkeit und effektiven Rechtsschutz folgt, dass eine Rechtsbehelfsfrist bis auf die letzte Minute ausgeschöpft werden darf. Hinzu kommt, dass derjenige, der ein Fax an eine staatliche Stelle übermittelt, die diesen Zugang eröffnet hat, sich grundsätzlich auch darauf verlassen darf, dass der Empfang zu jeder Zeit technisch möglich ist. | Abs. 47 | |
Im vorliegenden Fall war die Situation aber eine andere. Die Beigeladene hat bereits am 06. April 2020, d.h. drei Tage vor Fristablauf versucht, den Widerspruch per Fax zu übermitteln. Durch die gescheiterte Übermittlung entstand für die Beigeladene noch kein Zeitdruck, der den o.g. Fällen vergleichbar ist. Sie hätte vielmehr noch ausreichend Zeit gehabt, um weitere Übermittlungsversuche per Fax am 07., 08. und 09. April 2020 vornehmen oder sie hätte eine andere Art der Übermittlung wählen können. Jedenfalls aber hatte sie mit den gescheiterten Fax-Übermittlungsversuchen am 06. April 2020 noch nicht alles Zumutbare getan, um den Widerspruch rechtzeitig einzulegen. | Abs. 48 | |
2.2. Der Beigeladenen ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund eines ungewöhnlich langen Postlaufs des am 11. April 2020 beim Beklagten eingegangenen Widerspruchsschreibens zu gewähren. | Abs. 49 | |
Grundsätzlich gilt, dass Verzögerungen der Briefbeförderung durch die Post dem Rechtsmittelführer nicht als Verschulden angerechnet werden dürfen. Vielmehr kann der Absender darauf vertrauen, dass die für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten eingehalten werden. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allerdings, das zu befördernde Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Post zu geben, dass es nach deren organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen bei normalem Verlauf der Dinge den Empfänger fristgerecht erreichen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07. März 2017 – 2 BvR 162.16 –, Rn. 26, juris m.w.N.; BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2010 – IX ZB 73.10 –, Rn. 15, juris). Grundsätzlich kann aufgrund der vom Postdienstleister genannten üblichen Laufzeiten davon ausgegangen werden, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag im Bundesgebiet ausgeliefert werden. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss ein Rechtsmittelführer deshalb bei korrekter Adressierung und Frankierung nicht mit Postlaufzeiten rechnen, die die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (Bayerischer VGH, Beschluss vom 07. Oktober 2019 – 1 CS 19.1499 –, Rn. 6, juris mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 4 C 2.12 – BVerwGE 147, 37; BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 – XII ZB 32.07 – NJW 2007, 2778; Schmidt in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 60 Rn. 22). | Abs. 50 | |
Die Beigeladene hat aber nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass das Widerspruchsschreiben rechtzeitig, d.h. spätestens am 08. April 2020 zur Post aufgegeben wurde. | Abs. 51 | |
Zwar legte sie auf Aufforderung des Gerichts eine Ausfertigung des Widerspruchsschreibens vor, auf dem sich der handschriftliche Vermerk „zum Postversand 6.4.20“ neben dem Kürzel des Mitarbeiters der Beigeladenen, Herrn S., befindet. Allerdings ergab die mündliche Verhandlung, dass Herr S. das Widerspruchsschreiben nicht direkt in den Postversand gegeben hat. Herr S. hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, er habe das Widerspruchsschreiben ausgedruckt, seinen handschriftlichen Vermerk angebracht und in den Postausgangskorb des Leiters der Bauabteilung, Herr B., zur Gegenzeichnung gelegt. Herr B.. bestätigte den Vorgang gegenüber dem Gericht und erklärte, er habe die Gegenzeichnung vorgenommen und das Widerspruchsschreiben seinerseits in den Postausgangskorb gegeben. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Bürgermeister der Verbandsgemeinde das Widerspruchsschreiben aber noch nicht unterschrieben. Daher sollte es ihm noch zugeleitet werden, bevor er es dann wiederum in den Postausgang geben sollte. Herr B. erklärte, dass sich der Bürgermeister im April 2020 pandemiebedingt teilweise in der Behörde und teilweise im Homeoffice befunden habe. Schriftstücke, die seiner Unterschrift bedurften, seien daher zwei Mal täglich von einem Behördenmitarbeiter an seine Wohnadresse gebracht und abgeholt worden. Dies sei auch für das Widerspruchsschreiben so vorgesehen gewesen, wenn der Bürgermeister im Homeoffice gewesen sein sollte, weshalb er es für unwahrscheinlich halte, dass das Widerspruchsschreiben nicht bis spätestens am 8. April 2020 zur Post gegeben worden sei. | Abs. 52 | |
Allerdings könne nicht mehr nachvollzogen werden, ob der Bürgermeister das Schreiben zu Hause oder in der Behörde unterzeichnete und wann die Unterschrift erfolgt sei. Auch könne nicht mit Sicherheit nachvollzogen werden, wann das Widerspruchsschreiben tatsächlich in den Postversand gegeben wurde. Das Gericht hat demnach zwar keinen Zweifel daran, dass Herr S. und Herr B. am 06. April 2020 ihrerseits alles Nötige veranlasst haben, um einen rechtzeitigen Postversand zu gewährleisten. Dieser Vortrag reicht aber zur Darlegung, dass das Widerspruchsschreiben tatsächlich spätestens am 08. April 2020 in den Postausgang gegeben wurde, nicht aus. Denn erst mit der Leistung der Unterschrift des Bürgermeisters und anschließender behördeninterner Zuleitung des Widerspruchsschreibens zum Versand, die von der Beigeladenen zeitlich aber nicht eingeordnet werden konnten, waren alle gebotenen Verfahrensschritte unternommen, um eine wirksame Widerspruchseinlegung auf postalischem Weg zu veranlassen. Wenn die Beigeladene dann aber weder darlegen noch glaubhaft machen kann, wann diese Schritte erfolgt sind, kann die erkennende Kammer nicht die ohne nähere Darlegung von dafür maßgeblichen konkreten Tatsachen die von ihrem Mitarbeiter in den Raum gestellten Wahrscheinlichkeiten einer rechtzeitigen Aufgabe zur Post zugrunde legen. | Abs. 53 | |
2.3. Letztlich ist der Beigeladenen auch nicht aufgrund der von ihr behaupteten telefonischen Bestätigung des Eingangs des Widerspruchs per E-Mail durch die Mitarbeiterin des Beklagten, Frau E., zu gewähren. | Abs. 54 | |
Zunächst bleibt der genaue Inhalt des Telefongesprächs unklar. Aber selbst, wenn man annimmt, dass Frau Ewert nicht lediglich den Eingang der E-Mail bestätigt hat, sondern den form- und fristgerechten Eingang des Widerspruchs am 06. April 2020, führt das nicht dazu, dass das Versäumnis der Widerspruchsfrist durch die Beigeladene unverschuldet war. Eine einfache Auskunft eines Behördenmitarbeiters entbindet nicht von der Einhaltung der Rechtsvorschrift des § 70 Abs. 1 VwGO. Dies gilt für die Beigeladene ganz besonders, da sie als Teil der Verwaltung nicht nur gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz an Recht und Gesetz gebunden ist, sondern es dementsprechend natürlich auch kennen muss. | Abs. 55 | |
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und 3, 159, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene keinen Sachantrag gestellt und so auch kein eigenes Prozesskostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO übernommen hat, ist es nach § 162 Abs. 3 VwGO sachgerecht, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt. | Abs. 56 | |
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO. | Abs. 57 | |
Beschluss | Abs. 58 | |
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 60.000,00 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.1.1.3. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen). | Abs. 59 | |
(online seit: 09.03.2021) | ||
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs. |
Zitiervorschlag: Neustadt (Weinstraße), VG, Übermittlung eines Widerspruchsschreibens als PDF-Datei - JurPC-Web-Dok. 0036/2021 |