JurPC Web-Dok. 123/2020 - DOI 10.7328/jurpcb2020358123

OLG Köln

Urteil vom 17.07.2020

6 U 212/19

Fulfillment-Unternehmer

JurPC Web-Dok. 123/2020, Abs. 1 - 86


Leitsätze:

1. Der Fulfillment-Unternehmer, der für einen Shopbetreiber mit Sitz im Ausland den Versand von Waren und die Annahme von Retouren im Inland übernimmt und dem Shopinhaber seine Daten als Versand-und Retourenadresse überlässt, kann als Störer für Urheberrechtsverletzungen des Shopbetreibers haften, wenn dieser den Fulfillment-Unternehmer auf seiner Webseite als Betreiber des Webshops dargestellt hat.

2. Wer seine Daten freigibt und damit die Gefahr eröffnet, dass ein Dritter unter diesen Daten geschäftlich tätig wird, ohne Verbrauchern seiner eigenen Kontaktdaten angeben zu müssen, muss entweder vertraglich Vorkehrungen treffen, indem er konkrete Vorgaben macht und diese vertraglich absichert, oder er muss die Nutzung seiner Daten und damit den Webauftritt des Dritten, dem er die Nutzung seiner Daten gestattet hat, kontrollieren.

Gründe:

I.Abs. 1
Der Kläger macht urheberrechtliche Ansprüche gegen den Beklagten geltend.Abs. 2
Der Kläger behauptet, u.a. zwei Lichtbilder von Warnblinkleuchten erstellt zu haben. Diese Bilder sind in einem Onlineshop bei eBay zur Bewerbung verwendet worden. Im eBay-Auftritt ist x-storenrw als Verkäufer angegeben. Bei den „Rechtlichen Informationen des Verkäufers“ war (Stand: 17.2.2016) aufgeführt:Abs. 3
„Handelsunternehmung T.Abs. 4
N. K. (Anm.: = Beklagter)Abs. 5
I. Str. 157Abs. 6
<PLZ> V.Abs. 7
Germany“Abs. 8
Unter dem 23.2.2016 schrieb der Kläger den Beklagten an. Der Brief blieb unbeantwortet. Auf der Internetseite wurde aber die Information zum Verkäufer abgeändert und statt der I. Str. eine andere Straße angegeben. Als E-Mail Adresse wurde angegeben: hut.@gmail.com.Abs. 9
Auf ein per Einwurf-Einschreiben verschicktes Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 2.3.2017, adressiert an die „Handelsunternehmung T., N. K.“ (…), meldete sich per Fax ein Herr Ger S. und behauptete, dass ihn der Brief des Klägers auf Umwegen erreicht habe und kündigte eine Antwort an. Unter dem 26.3.2017 erreichte den Kläger ein weiteres Fax mit einer neuen postalischen Anschrift. Der an die neue Adresse an die U-straat 2 in M. gerichtete Brief wurde - so das Ergebnis einer Nachforschung – nicht abgeholt.Abs. 10
Unter dem 16.5.2017 wandte sich der Kläger nochmals per E-Mail an die Adresse hut.@gmail.com nochmals gerügt. Daraufhin wurden die Fotos entfernt.Abs. 11
Am 29.6.2017 erhielt der Kläger eine VeRi-Mitteilung von eBay, in der ihm die zu dem Shop hinterlegten Daten mitgeteilt wurden:Abs. 12
„Handelsunternehmung-T.-nrw/hut.@gmail.comAbs. 13
N. K.Abs. 14
U-straat 2 M., V., default <PLZ>Abs. 15
DE“Abs. 16
Der Kläger hat gegen den Beklagten Unterlassungs-, Schadensersatzansprüche sowie Freistellung von Abmahnkosten geltend gemacht.Abs. 17
Nachdem der Kläger einen Teil seines Schadensersatzanspruchs zurückgenommen hat, hat das Landgericht im schriftlichen Vorverfahren ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten erlassen, mit dem der Beklagte verurteilt worden ist,Abs. 18
1) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, die nachfolgenden FotosAbs. 19
ohne Zustimmung des Klägers im Internet öffentlich zugänglich zu machen und/oder machen zu lassen, wenn dies wie nachfolgend dargestellt geschieht:Abs. 20
2) an den Kläger 1.116,00 € nebst Zinsen iHv 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.5.2017 zu zahlen,Abs. 21
3) den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten iHv 1.029,00 € freizustellen.Abs. 22
Das Landgericht hat auf den Einspruch des Beklagten hin mit Urteil vom 18.7.2019 – 14 O 118/18 -, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 S 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, das Versäumnisurteil aufrecht erhalten und ausgeführt, der Beklagte sei passivlegitimiert, weil er als Verkäufer auf der Angebotsseite angegeben werde, die VeRi-Mitteilung der Plattform dies bestätige und ansonsten nicht erklärlich sei, weshalb und wie ohne sein Zutun, er als Verkäufer habe angegeben werden können. Dass der Beklagte für die Angebotsseite bei eBay verantwortlich sei, ergebe sich:Abs. 23
-aus der Mitteilung des VeRi-Programms (Bl. 40 d.A.),Abs. 24
-aus den rechtlichen Informationen des Verkäufers (Bl. 17d.A.),Abs. 25
-aus dem Umstand, dass der Beklagte auf der I. Str. einen Versandhandel als Gewerbebetrieb angemeldet hatte,Abs. 26
-die Anmeldung eines Kontos einen Identitätsnachweis voraussetze, aber der Beklagte nicht nachvollziehbar dargelegt habe, wie unter diesen Bedingungen ohne sein Wissen und Wollen er als Inhaber habe angemeldet werden können.Abs. 27
Das Landgericht hat weiter angenommen, die Behauptung, der Beklagte sei nur Fulfillment-Unternehmen, d.h. er habe allein die Abwicklung des Versands und der Retouren für andere Unternehmen übernommen u.a. auch für die Handelsunternehmung T., könne unterstellt werden. Da es sich im konkreten Fall um ein Angebot handele, bei dem das angebotene Produkt mehrfach verkauft worden sei, habe der Beklagte auch als bloßer Abwickler spätestens mit der Abwicklung der ersten Bestellung Kenntnis vom Inhalt des Angebots und damit auch von den Fotos gehabt. Aus Sicht der Kunden sei auch nur der Beklagte als Ansprechpartner aufgeführt, sodass alle Korrespondenz nur mit ihm habe geführt werden können. Auch wenn der Beklagte nur Strohmann gewesen sei, gelte § 164 Abs. 2 BGB, weil er nicht im Außenverhältnis deutlich gemacht habe, dass es sich nicht um sein Angebot handelt.Abs. 28
Mit seiner Berufung behauptet der Beklagte, dass er der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sei, sodass ihm weder Klageschrift noch das Versäumnisurteil ordnungsgemäß – nämlich übersetzt - zugestellt worden seien. Das Landgericht habe aus der Abwicklung des eBay-Geschäfts auf entsprechende Sprachkenntnisse geschlossen, was jedoch nur Spekulation sei, da eine Fulfillment-Dienstleistung als technische Abwicklung auch ohne Kenntnisse der deutschen Sprache, die über schlichte Formen der Alltagskommunikation hinausgehen, erbracht werden könne.Abs. 29
Die Feststellungen zu seiner angeblichen Verantwortlichkeit für die Nutzung der streitgegenständlichen Produktfotos seien unvollständig. Das Landgericht habe seinen Vortrag unberücksichtigt gelassen, dass die Authentifizierung bei eBay im Rahmen der Eröffnung eines Mitgliedskontos gerade nicht besonders ausgeklügelt sei, sondern auch ein Dritter die Anmeldung so habe vornehmen können, weil ihm die Kontaktdaten für das Fulfillment bekannt waren. Eine Überprüfung der Identität finde bei eBay nur statt, wenn man eine E-Mail-Adresse von einem Anbieter kostenloser, webbasierter E-Mail Konten wie Yahoo oder hotmail nutze oder wenn E-Mails wiederholt als unzustellbar zurückgesendet würden. Deshalb werde nochmals bestritten, dass die Identität des Kontoinhabers vorliegend überhaupt überprüft worden sei. So habe auch er, der Beklagte, ein Testkonto eröffnen können unter Angabe der willkürlich gewählten Adresse des Landgerichts Köln.Abs. 30
Das Landgericht habe zudem nicht berücksichtigt, dass er die Postannahme und Weiterleitung für Dritte übernommen habe und deshalb Post, die an die Handelsunternehmung gerichtet war, ohne sie selbst zur Kenntnis zu nehmen, an diese weitergeleitet habe.Abs. 31
Er habe zunächst nur die Post angenommen und später Fulfillment-Dienstleistungen angeboten und durchgeführt und Waren von Dritten, also seinen Fulfillment-Kunden, bei sich gelagert. Diese habe er aber nicht selbst angeboten und verkauft, sodass er zu keinem Zeitpunkt Kenntnis von Inhalt oder Gestaltung der einzelnen Angebote gehabt habe. Mit Kunden sei folgendes Muster für die Angabe der Versand- und Retourenadresse im Rahmen der Angebote seiner Kunden vereinbart worden:Abs. 32
(Kundenname)Abs. 33
N. K.Abs. 34
I. Straße 157Abs. 35
<PLZ> V.Abs. 36
Dass die Handelsunternehmung-T.-nrw die Kontaktdaten nicht nur als Versand- und Retourenadresse, sondern auch als Shopinhaber eingetragen habe, kann sich der Beklagte nur so erklären, dass dieser Kunde um einen einheitlichen Auftritt bemüht war und deshalb – entgegen der Absprache – seine Daten in die „rechtlichen Informationen“ bei eBay eingetragen habe.Abs. 37
Davon habe er, der Beklagte, aber nichts gewusst. Er habe sich die Angebote auch nicht zu eigen gemacht.Abs. 38
Schließlich spiele der § 164 Abs. 2 BGB im Rahmen der deliktischen Haftung keine Rolle.Abs. 39
Im letzten Schriftsatz vom 15.6.2020 rügt der Beklagte zudem nochmals die Aktivlegitimation des Klägers und die Verfahrensfehlerhaftigkeit des Zustandekommens des Versäumnisurteils. Abs. 40
Er beantragt,Abs. 41
das angefochtene Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 18.7.2019 – 14 O 118/18 – abzuändern und unter Aufhebung des Versäumnisurteils der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 12.9.2018 – 14 O 118/18 – die Klage abzuweisen.Abs. 42
Der Kläger beantragt,Abs. 43
die Berufung zurückzuweisen.Abs. 44
Abs. 45
Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.Abs. 46
II.Abs. 47
Die Berufung des Beklagten ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise begründet und teilweise unbegründet. Abs. 48
1. Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 97 Abs. 1, 19a, 72 UrhG gegen den Beklagten als Störer zu. Nach § 97 Abs. 1 UrhG kann, wer das Urheberrecht widerrechtlich verletzt, von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.Abs. 49
a. Der Kläger ist Verletzter iSd Norm, weil davon auszugehen ist, dass er Urheber der beiden im Tenor des Versäumnisurteils des Landgerichts wiedergegebenen Lichtbilder ist. Er hat die Historien der Lichtbild-Dateien, aus denen sich deren Eigenschaften ergeben, vorgelegt, sodass eine Vermutung dafür spricht, dass er die Lichtbilder auch selbst mit seiner Kamera angefertigt hat. Das bloß pauschale Bestreiten mit Nichtwissen des Beklagten reicht vor diesem Hintergrund nicht aus. Dass jemand anderes Urheber sei oder die Historien gefälscht seien oder ähnliches wird nicht behauptet.Abs. 50
b. Das Verwertungsrecht des Klägers aus §§ 72, 19a UrhG ist dadurch verletzt, dass die Lichtbilder ohne seine Zustimmung auf der dem Streit zugrunde liegenden eBay-Angebotsseite eingestellt wurden und von jedermann abgerufen werden konnten.Abs. 51
c. Der Beklagte ist zwar nicht als Täter, wohl aber als Störer passivlegitimiert, weil er einen adäquat-kausalen Beitrag zur öffentlichen Zugänglichmachung der Lichtbilder unter Verletzung von Prüfpflichten geleistet hat.Abs. 52
aa. Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe in Form der Zugänglichmachung gem. Art. 3 Abs. 1 der RL 2001/29/EG hat zwei Tatbestandsmerkmale, nämlich eine Handlung der Wiedergabe und die Öffentlichkeit dieser Wiedergabe. Die Wiedergabe setzt dabei voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten. Dabei reicht es aus, wenn Dritte einen Zugang zum geschützten Werk haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diesen nutzen (s. nur BGH, EuGH-Vorlage vom 23.2.2017, - I ZR 267/15 -, juris Rn. 23 mwN – Cordoba I). Eine solche absichtliche und gezielte Wiedergabehandlung kann in der Person des Beklagten nur angenommen werden, wenn er den eBay-Shop verantwortet und/oder die streitgegenständlichen Lichtbilder selbst online gestellt hätte oder hätte stellen lassen.Abs. 53
bb. Auch wenn der erste Anschein für die Betreibereigenschaft des Beklagten bzgl. der dem Streit zugrunde liegenden Angebotsseite bei eBay spricht, lässt sich dies letztlich nicht zur Überzeugung des Senats feststellen. Denn trotz der vielen im angefochtenen Urteil aufgeführten Indizien, die für die Betreibereigenschaft des Beklagten sprechen, bestehen dennoch Zweifel:Abs. 54
Der Beklagte wird ausdrücklich als Verkäufer aufgeführt. Er hat unter der angegebenen Adresse tatsächlich ein Gewerbe angemeldet. Er sitzt in T. und die Unternehmung heißt nach dem Stadtteil, sodass einiges dafür spricht, dass er unter dieser Bezeichnung handelt.Abs. 55
Sein als Gewerbe angemeldeter Versandhandel ist aber nicht unter „Handelsunternehmung T.“ gemeldet. Auch ist nicht belegt oder anderweitig feststellbar, dass dem Beklagten die hier im Zusammenhang mit dem Angebot aufgeführten E-Mail-Adressen info@u.re und hut.@gmail.com zuzuordnen wären. Da bei Geschäften bei eBay die Kommunikation in der Regel über E-Mail laufen wird, trifft es – wenn diese E-Mail-Adressen nicht dem Beklagten zugeordnet werden können – nicht zu, dass dem Verkehr nur der Beklagte als Kontakt zur Verfügung steht. Der Verkehr kann und wird vielmehr per Mail mit demjenigen Kontakt aufnehmen, dem die E-Mail-Adressen zugeordnet sind.Abs. 56
Weiter hat der Beklagte substantiiert vorgetragen, weshalb er mit dem Angebot nichts zu tun habe, außer mit der Abwicklung der Bestellungen und Retouren. Dieses Vorbringen erklärt, weshalb seine Adresse angegeben ist.Abs. 57
Auch lässt sich nicht erklären, weshalb ein Herr S. auf die Abmahnung des Klägers geantwortet hat. Der Kläger kann zwar nicht wissen, ob ein Herr S. existiert etc., aber er hätte eine Testbestellung aufgeben können, um zu klären, an wen der Kaufpreis überwiesen wird. Er hat sich aber darauf beschränkt, denjenigen zu verklagen, der im Angebot genannt ist, obwohl sich aus den AGB von eBay ergibt, dass Identitätsprüfungen nicht stets durchgeführt werden, sondern etwa nur dann, wenn es Probleme mit der E-Mail-Adresse oder Post gibt.Abs. 58
Als am 16.5.2017 schließlich eine E-Mail an die Adresse hut.@gmail.com versandt worden ist, sind die Fotos entfernt worden. Wenn dem Beklagten die Adresse nicht zugeordnet werden kann, spricht dies ebenfalls gegen seine Verantwortlichkeit für den Shop.Abs. 59
Der Beklagte hat weiter eine E-Mail-Korrespondenz mit einem D. O. vorgelegt, aus der sich auch ergibt, dass der Beklagte nur abgewickelt hat, aber weder den Shop verantwortet hat noch mit dem Angebot etwas zu tun hatte.Abs. 60
Der Beklagte hat unter Vorlage von Kopien von Verträgen behauptet, nur Fulfillment-Unternehmer zu sein und nichts mit dem Shop und dessen Gestaltung zu tun zu haben. Das ist eine Sachverhaltsdarstellung, die substantiiert ist und zum Teil erklärt, wieso er im Angebot erscheint, ohne für den Shop verantwortlich zu sein.Abs. 61
Vor dem Hintergrund, dass der Beklagte eine Kopie eines Fulfillment-Vertrags vorgelegt hat zwischen einem G. S., handelnd für eine Handelsunternehmung T., und ihm, und dass die Handelsunternehmung nicht in der Gewerbeanmeldung genannt ist, dh das vom Beklagten gemeldete Gewerbe jedenfalls nicht so lautete, und dass Korrespondenz mit Dritten vorliegt, die den Beklagten entlasten, und die im Ebay-Shop aufgeführten E-Mail-Adressen ihm nicht zugeordnet werden können, lässt sich die Shop-Inhaberschaft des Beklagten nicht zur Überzeugung des Senats feststellen (§ 286 Abs. 1 ZPO).Abs. 62
cc. Der Senat geht auch nicht davon aus, dass der Beklagte deshalb als Täter haftet, weil er als Fulfillment-Unternehmer tätig geworden ist und deshalb – worauf das Landgericht abgestellt hat – bei der Abwicklung des konkreten Angebots auch Kenntnis von dessen Inhalt gehabt haben müsse.Abs. 63
Für Täterschaft oder Teilnahme wegen der Eigenschaft als Fulfillment-Unternehmen reichen die Indizien nach Überzeugung des Senats nicht aus. Für die Haftung als Täter oder Teilnehmer einer deliktischen Handlung wie einer Urheberrechtsverletzung gelten die strafrechtlichen Grundsätze zur Täterschaft und Teilnahme (st. Rspr.; vgl. nur BGH, EuGH-Vorlage v. 20.9.2018 – I ZR 53/17 -, juris Rn. 50 mwN – uploaded). Täter ist danach, wer die Zuwiderhandlung selbst oder in mittelbarer Täterschaft begeht (§ 25 Abs. 1 StGB). Mittäterschaft (vgl. § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfordert eine gemeinschaftliche Begehung, also ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken (BGH aaO-uploaded, mwN). Maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ist die Tatherrschaft (vgl. BGH, Urt. v. 5.11.2015 - I ZR 88/13 -, juris Rn. 20 mwN - Al Di Meola). Danach ist Täter, wer den zum Erfolg führenden Kausalverlauf beherrscht, während als Teilnehmer verantwortlich ist, wer einem mit Tatherrschaft handelnden Dritten Hilfe leistet oder dessen Tatentschluss hervorruft. Fehlen die objektiven oder subjektiven Voraussetzungen einer Haftung als Täter oder Teilnehmer, kommt lediglich eine allein zur Unterlassung und Beseitigung verpflichtende Verantwortlichkeit als Störer in Betracht (BGH, Urt. v. 30.7.2015 – I ZR 104/14 -, juris Rn. 43 mwN - Posterlounge). Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Prüfung der Umstände des Einzelfalls ergibt, dass der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Unterlassen liegt. Auch dann kommt bei einer durch mehrere Personen verursachten Rechtsverletzung sowohl eine Täter- oder Teilnehmerhaftung als auch eine Störerhaftung in Betracht (BGH, aaO, - Posterlounge, mwN). In einem solchen Fall schließt die Tatherrschaft des unmittelbar Handelnden die Annahme aus, er werde als Tatmittler von einem bloß mittelbar oder tatferner Handelnden beherrscht. In Betracht kommt in einem solchen Fall allenfalls Mittäterschaft, die eine gemeinschaftliche Tatbegehung und damit ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken voraussetzt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 10.1.2019 – I ZR 267/15 –, juris Rn. 107 mwN – Cordoba II).Abs. 64
Der Beklagte wickelt als Fulfillment-Unternehmen Bestellungen und Retouren ab. Er hat in der Berufungsinstanz vorgetragen, dass mit den Fulfillment-Kunden vereinbart sei, dass sein Name und seine Anschrift als Versand- und Retourenadresse nach dem Namen des Kunden aufgeführt werden darf. Damit hat er gebilligt, dass sein Name und seine Anschrift auf dem Angebot Dritter verwendet werden. Er war aber – so behauptet er - nicht damit einverstanden unter „rechtliche Informationen“ als Anbieter angegeben zu werden.Abs. 65
Legt man den Vortrag des Beklagten zugrunde, dass der Beklagte nur das Fulfillment übernommen hat, macht ein Dritter durch eigene willentliche Handlung die Bilder des Klägers öffentlich zugänglich. Dass der Beklagte dann daneben Täter oder Mittäter ist, weil er billigt, dass sein Name und seine Anschrift als Versandadresse genannt werden, er aber dann ohne sein Zutun als Anbieter angegeben wird, kann nach den oben dargestellten Grundsätzen zur Täterschaft nicht angenommen werden, weil nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagte von der Nutzung der Lichtbilder vor diesem Rechtsstreit überhaupt Kenntnis hatte.Abs. 66
dd. Deshalb kommt lediglich eine Haftung als Störer in Betracht. Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der Inanspruchgenommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die weder als Täter noch als Teilnehmer für die begangene Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden können, setzt die Haftung als Störer die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten, voraus. Ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen eine Verhinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (st. Rspr.; vgl. BGH, aaO, Rn. 82 mwN – Corodba II).Abs. 67
Der Beitrag des Beklagten zum öffentlichen Zugänglichmachen beschränkt sich darauf, dass sein Name und seine Adresse als Anbieterinformationen benutzt wurden. Ohne die Angabe von Kontaktdaten wäre eine Eröffnung des Kontos nicht möglich gewesen. Zwar wäre sie unter einem anderen Namen möglich gewesen, aber darauf kommt es nicht an. Konkret betrachtet stellt nämlich, jedenfalls die Zuverfügungstellung seiner Kontaktdaten an einen möglichen Dritten einen adäquat kausalen Beitrag dar. Auch bei einem Access Provider ist dessen Leistung bei Rechtsverletzungen auf Internetseiten Dritter objektiv nicht zwingend, weil es nicht nur einen Access Provider gibt und damit auch ein anderer Provider den Zugang vermitteln könnte. Dennoch geht der BGH davon aus, dass der Access Provider an jeder Übertragung (seiner Vertragspartner) zwingend beteiligt ist (vgl. BGH, Urt. v. 26.11.2015 – I ZR 174/14 -, juris Rn. 25 - Störerhaftung des Access-Providers).Abs. 68
Da der Beklagte aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung die Zustimmung gegeben hat, dass ein Dritter seine Daten auf dem eBay-Angebot verwendet, stellt sich die Frage, ob ihn – ohne konkreten Anlass - deshalb auch eine Pflicht trifft, zu überprüfen, dass sein Vertragspartner sich im Rahmen der Vereinbarung an die Vorgaben hält. Der Fulfillment-Vertrag enthält keine Vorgaben, wie und an welcher Stelle die Daten des Beklagten zu verwenden sind. Damit wusste der Beklagte nicht, wie der Auftritt des Kunden Handelsunternehmung T. aussehen würde. Er hat sich angeblich mit seinen Kunden darauf geeinigt, dass unter „Handelsunternehmung T.“ sein Name und seine Anschrift ohne ausdrücklichen Hinweis darauf, dass er nur Postannahmestelle oder Fulfiller ist, verwendet werden dürfen. Wenn sich der Beklagte aber die Angaben auf der Seite nicht zurechnen lassen und dafür keine Verantwortung übernehmen wollte, hätte er entweder ausdrückliche Vorgaben machen müssen oder kontrollieren, dass für den Verkehr deutlich wird, dass er nicht Shopbetreiber, sondern nur Fulfillment-Unternehmer ist. Wer seine Daten freigibt und damit die Gefahr eröffnet, dass ein Dritter unter diesen Daten geschäftlich tätig wird, ohne Verbrauchern seine eigenen Kontaktdaten angeben zu müssen, muss entweder vertraglich Vorkehrungen treffen, indem er konkrete Vorgaben macht und diese ggfls. vertraglich absichert, oder er muss die Nutzung seiner Daten und damit den Auftritt des Dritten, dem er die Nutzung seiner Daten gestattet hat, kontrollieren.Abs. 69
Selbst wenn man eine Prüfpflicht bzw. Verkehrspflichtverletzung aus Ingerenz verneinen würde, würde eine solche Prüfpflicht jedenfalls nach Kenntniserlangung oder grob fahrlässiger Unkenntnis eingreifen, wenn man sich also der Kenntnis bewusst oder grob fahrlässig verschließt. Nach seinem Vortrag hat der Beklagte zwar vorgerichtlich keine Kenntnis vom konkreten Verstoß erlangt. Die Abmahnung und sonstige vorgerichtliche Korrespondenz will er ungelesen weitergeleitet haben. Da er nach seinen Angaben aber nur für Versand und Retouren zuständig sein sollte, hätte es ihm auffallen müssen, wenn ein Anwaltsschreiben per Einwurf/Einschreiben wie folgt adressiert:Abs. 70
Handelsunternehmung T.Abs. 71
N. K. Abs. 72
zu ihm gelangt.Abs. 73
Jedenfalls kann der Beklagte sich nicht darauf berufen, den Anwaltsbrief nur weitergeleitet zu haben, da dieser an ihn adressiert war, obwohl der Beklagte nach seinem eigenen Verständnis nur für Retouren und den Versand von Waren zuständig war. Selbst wenn er den Brief nur weitergeleitet hätte, hätte es der üblichen Sorgfalt im geschäftlichen Verkehr entsprochen, dass er sich nach Weiterleitung des – wie beschrieben - an ihn adressierten Briefs jedenfalls umgehend bei seinem Vertragspartner über Inhalt und Anlass des Briefes und über den Grund seiner Beteiligung informiert.Abs. 74
2. Soweit der Kläger einen Schadensersatzanspruch geltend macht, scheidet dieser aus, wenn der Inanspruchgenommene weder als Täter noch als Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung haftet (BGH, Urt. v. 12.5.2010 - I ZR 121/08 -, juris Rn. 17 - Sommer unseres Lebens). Eine Störerhaftung begründet keine Haftung auf Schadensersatz. Gegenüber dem Störer kommen lediglich Abwehransprüche in Betracht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, aaO, Rn. 43 - Posterlounge).Abs. 75
3. Dem Kläger steht aber ein Anspruch auf Freistellung von einem Teil der vorgerichtlichen Abmahnkosten zu, nämlich soweit die Unterlassung betroffen ist, § 97a Abs. 2 S. 1 UrhG, weil nur insoweit die Abmahnung berechtigt war. Die Höhe des Ersatzanspruchs ist dann nach dem Verhältnis der auf die einzelnen Verstöße entfallenden Gegenstandswerte zu bestimmen, wobei sich die Höhe der Anteile nach dem Verhältnis der auf die einzelnen Verstöße entfallenden Gegenstandswerte bemisst (vgl. nur BGH, Urt. v. 31.10.2018, - I ZR 73/17 -, juris Rn. 38 mwN – Jogginghosen). Statt von Abmahnkosten iHv 1.029,35 € nach einem Gegenstandswert von 13.116 € ist der Kläger – weil die Abmahnung nur hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs begründet war – anteilig iHv 941,86 € freizustellen.Abs. 76
4. Das Versäumnisurteil konnte - teilweise – aufrecht erhalten werden, weil es ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Dies ist der Fall, wenn der Beklagte die Annahme nicht verweigern durfte, Art. 8 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1393/2207. Der Senat geht unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls davon aus, dass der Beklagte – obwohl er den Shop nicht selbst betrieben hat – in ausreichendem Maße über die erforderlichen Deutschkenntnisse verfügt.Abs. 77
a. Der EuGH hat zu dieser Problematik in einem Beschluss vom 28.4.2016 – C-384/14 - entschieden, dass das Gericht alle relevanten Aktenbestandteile zu berücksichtigen habe. Der Betroffene müsse in der Lage sein, rechtzeitig zumindest Gegenstand und Grund des Antrags sowie die Aufforderung, sich vor Gericht einzulassen oder ggfls. die Möglichkeit zur Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs zu entnehmen. Auf der anderen Seite dürften den Antragsteller nicht die negativen Folgen einer bloß hinhaltenden und offensichtlich missbräuchlichen Verweigerung der Annahme eines nicht übersetzten Schriftstücks treffen, wenn feststeht, dass dessen Empfänger die Sprache, in der dieses Schriftstück abgefasst ist, versteht (EuGH, aaO, juris Rn 78 mwN).Abs. 78
Es ist Sache des Gerichts, die Interessen beider Parteien bestmöglich zu wahren (EuGH, aaO, juris Rn. 79) und zu prüfen, ob der Inhalt des verfahrenseinleitenden Schriftstücks den Beklagten in die Lage versetzt, seine Rechte im Übermittlungsstaat geltend zu machen, und ihm insbesondere erlaubt, Gegenstand und Grund des gegen ihn gerichteten Antrags sowie das Bestehen des gerichtlichen Verfahrens zu erkennen (EuGH, Urt. v. 8.5.2008 – C – 14/07 -, juris, Rn. 75). Gemäß dem Äquivalenzgebot muss die Art und Weise, wie ein im Übermittlungsstaat ansässiger Rechtsbürger ein in der Sprache dieses Staates abgefasstes gerichtliches Schriftstück verstehen kann, der Bezugspunkt für das Gericht sein (EuGH, aaO, juris Rn. 87).Abs. 79
b. Im vorliegenden Fall sprechen folgende Umstände dafür, dass der Beklagte in der Lage war, in ausreichendem Maße auf Deutsch geschäftlich/behördlich zu agieren:Abs. 80
Der Beklagte hat in Deutschland einen Mietvertrag über Gewerberaum abgeschlossen. Er hat in Deutschland eine Gewerbeanmeldung bei der zuständigen Behörde eingereicht. Er hat einen Versandhandel in Deutschland betrieben. Auch wenn er nur gegenüber niederländischen Kunden spezielle Waren angeboten und geliefert hat, musste er dafür geschäftlich auf der Nachfrage-Ebene mit deutschen Unternehmen kommunizieren. Er wohnt im Grenzgebiet, in dem bekanntermaßen viele Bewohner die Sprache des Nachbarstaates in ausreichendem Maße beherrschen. Weiter hat er nach seinem eigenen Vortrag als Fulfillment-Unternehmen für niederländische Unternehmen den Versand und die Retouren übernommen und abgewickelt. Danach mag der Beklagte zwar im Rahmen der Geschäftsanbahnung nicht in direkter geschäftlicher Kommunikation mit deutschsprachigen Kunden gestanden haben. Aber jedenfalls wenn er nach dem Fulfillment-Vertrag nicht nur Ware zu versenden, sondern vor allem selbständig Retouren zu prüfen und abzuwickeln hatte, lässt dies den Schluss zu, dass eine direkte Kommunikation mit deutschsprachigen Kunden erforderlich war und er über entsprechende Deutschkenntnisse verfügen musste, die ihn in die Lage versetzten, Beschwerden und Widerrufsbegründungen von deutschen Kunden zu verstehen. Andernfalls wäre nicht ersichtlich, wie er Retouren hätte prüfen und die Rückabwicklung hätte veranlassen und durchführen können.Abs. 81
5. Der Unterlassungstenor musste nicht angepasst werden (etwa in „ermöglichen, öffentlich zugänglich zu machen“), auch wenn der Senat – anders als das Landgericht – von einer bloßen Störerhaftung ausgeht. Denn die Besonderheit der Störerhaftung, namentlich der Umstand, dass sie eine Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungs- oder Überwachungspflichten voraussetzt, muss nicht im Unterlassungsantrag und einem darauf beruhenden Verbotsausspruch zum Ausdruck kommen. Es reicht aus, dass dies aus der Klagebegründung und, soweit das Gericht das Verbot auf die Störerhaftung stützt, aus den Entscheidungsgründen folgt, die zur Auslegung des Verbotstenors heranzuziehen sind (vgl. nur BGH, Urt. v. 10.1.2019 – I ZR 267/15 –, juris Rn. 27 –Cordoba II).Abs. 82
III.Abs. 83
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 708 Nr. 10, 713 ZPO.Abs. 84
Das Urteil betrifft die tatrichterliche Übertragung allgemein anerkannter Ausle­gungs- und Rechtsanwendungsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass kein Anlass besteht, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.Abs. 85
Streitwert: 13.116 €Abs. 86

(online seit: 25.08.2020)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Köln, OLG, Fulfillment-Unternehmer - JurPC-Web-Dok. 0123/2020