JurPC Web-Dok. 6/2020 - DOI 10.7328/jurpcb20203516

BGH

Beschluss vom 11.06.2019

AnwZ (Brfg) 74/18

Zur Zulässigkeit eines elektronisch signierten Antrags beim Anwaltsgerichtshof

JurPC Web-Dok. 6/2020, Abs. 1 - 26


Leitsatz (der Redaktion):

Die Tatsache, dass ein Bundesland (hier: Niedersachsen) seine Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr, die auf § 55a VwGO in der alten Fassung beruhte und durch die der elektronische Rechtsverkehr nur mit enumerativ aufgezählten Gerichten zugelassen wurde, nicht aufgehoben hat, steht dem Erlass einer solchen Rechtsverordnung nach Art. 24 Abs. 1 ERVGerFöG nicht gleich und wurde seitens des Landes auch nicht in diesem Sinne verstanden. Vielmehr geht das Land selbst davon aus, dass im Bereich der Verwaltungsgerichtsordnung - und damit über § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO auch in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen - der elektronische Rechtsverkehr seit Jahresbeginn 2018 eröffnet ist und die landesrechtliche Verordnung nur noch auf bundesrechtlich nicht geregelte Verfahren Anwendung findet.

Gründe:

I.Abs. 1
Der Kläger ist seit 1983 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Er beantragte mit Schreiben vom 29. Juli 2016 bei der beklagten Rechtsanwaltskammer die Gestattung der Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht". Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20. April 2017 ab, da es dem Kläger nicht gelungen sei, das nach § 5 Abs. 1 Buchst. j) FAO erforderliche Mindestquorum an gerichtlichen Verfahren nachzuweisen. Die hiergegen gerichtete Klage des Klägers hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil.Abs. 2
II.Abs. 3
Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig (dazu unter 1). Er bleibt jedoch ohne Erfolg (dazu unter 2).Abs. 4
1. Der Zulassungsantrag des Klägers vom 17. Oktober 2018, den dieser beim Anwaltsgerichtshof am 18. Oktober 2018 in signierter Form über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereicht hat, ist entgegen der Ansicht der Beklagten formwirksam gestellt. Die Einreichung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) war gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 55a Abs. 1, 3 und 4 Nr. 2 VwGO in der Fassung durch Art. 5 Nr. 1 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (im Folgenden: ERVGerFöG) vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786), in Kraft getreten am 1. Januar 2018 (Art. 26 Abs. 1 ERVGerFöG), aufgrund vorrangigen Bundesrechts (Art. 31 GG) zulässig. Zwar waren die Länder durch Art. 24 Abs. 1 ERVGerFöG ermächtigt, durch Rechtsverordnung für ihren Bereich eine Fortgeltung des § 55a VwGO in der vorherigen Fassung bis Ende 2018 oder 2019 anzuordnen. Von dieser Möglichkeit hat das Land Niedersachsen jedoch keinen Gebrauch gemacht. Die Tatsache, dass das Land Niedersachsen seine Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz vom 21. Oktober 2011 (Nds. ERVVO-Justiz, Nds. GVBl. S. 367), zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. November 2015 (Nds. GVBl. S. 335), die auf § 55a VwGO in der alten Fassung beruhte und durch die der elektronische Rechtsverkehr nur mit enumerativ aufgezählten Gerichten zugelassen wurde, nicht aufgehoben hat, steht dem Erlass einer solchen Rechtsverordnung nach Art. 24 Abs. 1 ERVGerFöG nicht gleich und wurde seitens des Landes auch nicht in diesem Sinne verstanden. Vielmehr geht das Land selbst davon aus (https://www.mj.niedersachsen.de/themen/elektronische_justiz_niedersachen_ejuni/mjelektronischer_rechtsverkehr/elektronischer-rechtsverkehr-160547.html), dass im Bereich der Verwaltungsgerichtsordnung - und damit über § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO auch in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen - der elektronische Rechtsverkehr seit Jahresbeginn 2018 eröffnet ist und die landesrechtliche Verordnung nur noch auf bundesrechtlich nicht geregelte Verfahren Anwendung findet.Abs. 5
2. In der Sache bleibt der Antrag ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 VwGO) liegen nicht vor.Abs. 6
a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschlüsse vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN und vom 2. April 2019 - AnwZ (Brfg) 83/18, juris Rn. 4). Dabei beschränkt sich die Prüfung auf die Zulassungsvoraussetzungen, welche die Rechtsmittelbegründung schlüssig und substantiiert dargelegt hat (Senat, Beschluss vom 18. April 2018 - AnwZ (Brfg) 20/17, juris Rn. 2 mwN).Abs. 7
aa) Der Anwaltsgerichtshof hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der Kläger „jedenfalls“ nicht mehr als 23 (gemeint wohl: 23,5) anerkennungsfähige Fälle in gerichtlichen Verfahren bearbeitet habe und deshalb das in § 5 Abs. 1 Buchst. j) FAO festgelegte notwendige Quorum von 60 gerichtlichen Verfahren verfehlt habe. Der Kläger hat demgegenüber erstinstanzlich die Auffassung vertreten, bei zutreffender Gewichtung habe er insgesamt 89 gerichtliche Fälle bearbeitet.Abs. 8
bb) Der Kläger greift die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs mit dem Argument an, es hätten weitere 39 Fälle als gerichtliche Verfahren Berücksichtigung finden müssen, in denen er als Anwaltsnotar Beurkundungen im Zusammenhang mit Grundschulden bzw. sonstigen Grundpfandrechten und Grundstücksübertragungen vorgenommen und diese zur Eintragung beim Grundbuchamt, einem Gericht, eingereicht habe. Diese Tätigkeit sei unter „Grundzüge des Immobilienrechts“ im Sinne von § 14c Nr. 4 FAO zu subsumieren, daher berücksichtigungsfähig; der Erläuterung eines näheren Zusammenhangs mit dem Miet- und Wohnungseigentumsrecht habe es daher - entgegen den Vorgaben von beklagter Kammer und Anwaltsgerichtshof - nicht bedurft. Ein solcher Zusammenhang ist jedoch nicht ersichtlich, zumal der Kläger in seiner Fallaufstellung Übertragungen von Wohnungs- bzw. Teileigentum gerichtlichen Verfahren nach § 14c Nr. 3 FAO - und gerade nicht nach § 14c Nr. 4 FAO - zugeordnet hat. Mit seiner Rechtsauffassung vermag der Kläger daher nicht durchzudringen.Abs. 9
(1) Im Ausgangspunkt zutreffend ist die Annahme, dass die gerichtlichen Verfahren nicht nur anerkennungsfähig sind, wenn sie dem Wohn- bzw. Gewerberaummietrecht oder dem Recht des Wohnungseigentums (§ 14c Nr. 1-3 FAO) zuzuordnen sind; sie können grundsätzlich auch den übrigen in § 14c FAO genannten Rechtsgebieten, etwa dem Makler- oder dem Nachbarrecht (§ 14c Nr. 4 Alt. 1 und 2 FAO), entstammen, da § 5 Abs. 1 Buchst. j) FAO für die Verteilung der gerichtlichen Verfahren auf die einzelnen Teilrechtsgebiete des § 14c FAO - anders als für die Verteilung der Fälle insgesamt - keine zwingenden Vorgaben vorsieht (Quaas in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 5 FAO Rn. 58; Scharmer in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 5 FAO Rn. 203; Offermann-Burckart in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 5 FAO Rn. 139; kritisch Herrlein/Wolicki, NZM 2006, 201, 203).Abs. 10
(2) Etwas anderes gilt jedoch für die "Grundzüge des Immobilienrechts" (§ 14c Nr. 4 Alt. 3 FAO). Mit Fallbearbeitungen aus diesem Bereich kann der Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung für das "Miet- und Wohnungseigentumsrecht" nur nachgewiesen werden, wenn die Fälle einen inhaltlichen, konkret darzulegenden Bezug zum Miet- und Wohnungseigentumsrecht haben.Abs. 11
Der Senat hat bereits für andere Fachanwaltsbezeichnungen entschieden, bei denen die Fachanwaltsordnung den Nachweis besonderer Kenntnisse bestimmter Rechtsgebiete "in Grundzügen" verlangt, dass eine Berücksichtigung von Fällen aus diesen Rechtsgebieten im Rahmen des praktischen Fallquorums gemäß § 5 FAO voraussetzt, dass ein spezifischer Bezug zur eigentlichen Spezialmaterie des jeweiligen Fachanwaltsgebiets gegeben ist (für die Grundzüge des Arbeitsförderungs- und Sozialversicherungsrechts beim Fachanwalt für Arbeitsrecht, § 10 Nr. 1 Buchst. e) FAO: Senat, Beschluss vom 25. Februar 2008 - AnwZ (B) 17/07, NJW-RR 2008, 925 Rn. 10 ff.; Urteil vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 58/12, NJW-RR 2014, 752 Rn. 12; für die Grundzüge des Telekommunikationsrechts beim Fachanwalt für Urheber und Medienrecht, § 14j Nr. 6 FAO: Senat, Urteil vom 9. Februar 2015 - AnwZ (Brfg) 54/13, NJW-RR 2015, 745 Rn. 10 ff.; ähnlich für den Begriff des Versicherungsrechts in § 14d Nr. 2 FAO beim Fachanwalt für Verkehrsrecht: Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 85/13, NJW-RR 2015, 253 Rn. 10 ff.). Für den Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht gilt nichts anderes:Abs. 12
(a) Der Träger dieses Fachanwaltstitels gibt sich der Mandantschaft gegenüber als Spezialist für die genannten Rechtsgebiete aus. Das rechtsuchende Publikum erwartet entsprechende Spezialkenntnisse. Eine Tätigkeit auf dem Gebiet des allgemeinen Immobilienrechts vermittelt spezifische Kenntnisse im Miet- und Wohnungseigentumsrecht aber gerade nicht hinreichend.Abs. 13
(b) Auch der Satzungsgeber misst dem Immobilienrecht nur eine dienende Funktion zu, indem er in § 14c Nr. 4 FAO nicht vertiefte Kenntnisse des Immobilienrechts als solchem verlangt, sondern sich mit Grundzügen des Immobilienrechts begnügt. Diese Wertung erscheint durchaus sachgerecht, weil ein vertieftes Verständnis des Rechts gerade des Wohnungseigentums nur möglich ist, wenn hinreichende Kenntnisse des allgemeinen Immobilienrechts vorliegen. Umgekehrt gilt gerade nicht, dass Kenntnisse des allgemeinen Immobilienrechts hinreichende Kenntnisse des Miet- oder Wohnungseigentums vermitteln. Diese nur dienende Funktion würde verkannt, wenn die Bearbeitung von Fällen aus dem allgemeinen Immobilienrecht - ohne spezifischen Bezug zum Miet- und Wohnungseigentumsrecht - als praktische Erfahrung anerkannt würde.Abs. 14
(c) Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, dass gerichtliche Verfahren aus dem Makler- und Nachbarrecht berücksichtigungsfähig sind. Der Satzungsgeber sieht diese Rechtsgebiete - anders als das Immobilienrecht - als fachanwaltsspezifisch an, hat diesen jedenfalls keinen bloß dienenden Charakter zuerkannt. Dies lässt sich mit ihrer Nähe zu spezifisch mietrechtlichen bzw. wohnungseigentumsrechtlichen Fragestellungen (Wohnungsvermittlung; nachbarrechtliche Auseinandersetzung zwischen Mietern/Wohnungseigentümern) schlüssig begründen.Abs. 15
(d) Für diese Sichtweise spricht auch die Entstehung des Fachanwaltstitels. So war im Rahmen der zweiten Satzungsversammlung zunächst beabsichtigt, einen Fachanwalt für „Immobilien- und Mietrecht“ zu schaffen. Dieser Plan wurde nicht realisiert (Protokoll über die erste Sitzung der zweiten Satzungsversammlung am 20. Juni 2000, S. 2, 8 f.; vgl. auch Scharmer in Hartung/Scharmer, 6. Aufl., § 14c FAO Rn. 1). Bei der dritten Satzungsversammlung, bei der der hier streitgegenständliche Fachanwaltstitel unter der noch heute gültigen Bezeichnung "Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht" tatsächlich eingeführt wurde, war zunächst vorgesehen, Kenntnisse im „Recht des Immobilienleasing in Grundzügen" zu verlangen. Erörtert wurde ein Änderungsantrag, das Immobilienrecht aufzunehmen und die Bezeichnung in "Fachanwalt für Miet- und Immobilienrecht" zu ändern. Dies wurde unter Hinweis darauf, dass der Fachanwalt für Immobilienrecht etwas gänzlich anderes sei als der Fachanwalt für Mietrecht, abgelehnt. In diesem Zusammenhang wurde das Rechtsgebiet des Immobilienleasings (weil nicht zum Miet-, sondern zum Immobilienrecht gehörend) gestrichen, stattdessen das Erfordernis vertiefter Kenntnisse in "Grundzüge(n) des Immobilienrechts" eingeführt und zugleich klargestellt, dass demgegenüber das Makler- und Nachbarrecht nicht nur in Grundzügen bekannt sein müsse (Protokoll über die dritte Sitzung der dritten Satzungsversammlung am 22./23. November 2004, S. 9, 16 f.). Diese Genese spricht ebenfalls für den nur dienenden Charakter der "Grundzüge des Immobilienrechts" und damit dafür, praktische Erfahrungen auf dem Gebiet des allgemeinen Immobilienrechts ohne spezifische Bezüge zum Miet- und Wohnungseigentumsrecht nicht genügen zu lassen.Abs. 16
(2) Einen spezifischen Bezug zum Miet- und Wohnungseigentumsrecht macht der Kläger - auch im Zulassungsantrag - nicht geltend, sondern stellt die Notwendigkeit eines solchen Vortrags gerade in Abrede. Nicht entscheidungserheblich ist daher, ob für einen solchen Zusammenhang ausreichen würde, dass Gegenstand eines Kaufvertrags bzw. einer Auflassung Wohnungseigentum ist (vgl. etwa: Offermann-Burckart in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 5 FAO Rn. 140: bei vertiefter Erörterung des WEG-Rechts, wenn die Mandantschaft ihre Kaufentscheidung zumindest auch vom Ergebnis dieser Erörterung abhängig macht).Abs. 17
(3) Damit kommt es auch auf die Frage nicht mehr an, ob ein Eintragungsantrag an das Grundbuchamt für die Annahme eines gerichtlichen Verfahrens ausreichen kann und ob - im Falle einer prinzipiellen Anerkennung - ein solches Verfahren nicht zumindest mit einer niedrigeren Gewichtung (§ 5 Abs. 4 FAO) anzusetzen wäre.Abs. 18
cc) Der Kläger beansprucht die Anerkennung weiterer 14 Fälle als gerichtliche Verfahren, weil er als gerichtlich bestellter Zwangsverwalter tätig geworden sei und diese Tätigkeit nicht nur - wie von der Kammer vorgenommen - mit einem halben Fall, sondern mit einem Fall pro Jahr der Zwangsverwaltung zu gewichten sei, ohne dass er insoweit seine Tätigkeit konkret darlegen müsse. Diese Frage und die vorgelagerte Frage der prinzipiellen Anerkennungsfähigkeit einer Zwangsverwaltertätigkeit als gerichtliches Verfahren sind indes nicht mehr entscheidungserheblich, weil - selbst wenn man dem Antragsteller diesbezüglich folgen wollte - er das notwendige Quorum von 60 gerichtlichen Verfahren verfehlt, wenn man von den vom ihm selbst geltend gemachten 89 (gewichteten) Fällen 39 Verfahren in Abzug bringt. Der Senat hat daher keinen Anlass, diese Fragen einer abschließenden Klärung zuzuführen.Abs. 19
Es erscheint ihm jedoch angezeigt, Folgendes anzumerken: Die Verwertung einer Immobilie im Rahmen einer Zwangsverwaltung erfolgt regelmäßig durch Vermietung und Verpachtung (§ 5 Abs. 2 Satz 1 ZwVwV). Insofern liegt es nahe, dass ein Zwangsverwalter in dieser Funktion einschlägige Fälle im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. j), § 14c Nr. 1-3 und 6 FAO - etwa beim Abschluss von Mietverträgen oder im Zusammenhang mit Nebenkostenabrechnungen - bearbeitet. Dies ist jedoch konkret darzulegen, da nicht jede der oftmals wirtschaftlich, nicht rechtlich geprägten Tätigkeiten als Zwangsverwalter eine anwaltliche Fallbearbeitung im Sinne der Fachanwaltsordnung darstellt. Eine pauschale Bewertung mit einem Fall pro Jahr der Zwangsverwaltung kommt daher nicht in Betracht. Ebenso wenig ist eine Anerkennung als gerichtliches Verfahren angezeigt, nur weil der Zwangsverwalter gerichtlich bestellt ist. Gerichtliche Verfahren zeichnen sich durch Anträge an das Gericht aus, über die dieses dann entscheidet. Der Zwangsverwalter übt die Verwaltung demgegenüber grundsätzlich selbständig nach eigenem Ermessen aus (§ 1 Abs. 1 Satz 1 ZwVwV), handelt deshalb grundsätzlich gegenüber Mietern und Pächtern kraft seines Amtes selbständig ohne Einschaltung des Gerichts. Das bloße Bestehen von Aufsichts- und Weisungsrechten des Gerichts (§ 153 Abs. 1 ZVG, § 1 Abs. 1 Satz 2 ZwVwV) sowie von Berichts- (§ 3 Abs. 1 Satz 1 ZwVwV), Auskunfts- (§ 16 ZwVwV) und Rechnungslegungspflichten (§ 154 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ZVG) gegenüber dem Gericht machen die - Mietern und Pächtern gegenüber außergerichtlich vorzunehmende - Tätigkeit noch nicht zu gerichtlichen Verfahren. Ob etwas anderes gelten würde, wenn im Einzelfall geltend gemacht würde, das Vollstreckungsgericht sei konkret eingeschaltet worden - etwa im Rahmen von Zustimmungsvorbehalten (§ 10 ZwVwV) - muss vorliegend nicht entschieden werden.Abs. 20
Der Vergleich des Klägers mit dem Fachanwalt für Insolvenzrecht geht fehl. Zum einen ist den praktischen Anforderungen an den Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht die die Anforderungen an den Fachanwalt für Insolvenzrecht prägende Unterscheidung zwischen eröffneten Insolvenzverfahren, in denen eine Bestellung zum Insolvenzverwalter erfolgt ist, und sonstigen Fällen, bei denen gerade nicht zwischen gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren unterschieden wird (§ 5 Abs. 1 Buchst. g) Nr. 1 und 2 FAO), schon im Ausgangspunkt fremd. Zum anderen müssen die Anforderungen an den Fachanwalt für Insolvenzrecht in ihrer Ausgestaltung auf Besonderheiten Rücksicht nehmen, die nur diesem Rechtsgebiet immanent sind (etwa die Abhängigkeit eines Bewerbers von einer Bestellung zum Insolvenzverwalter durch das Insolvenzgericht, vgl. Vossebürger in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 5 FAO Rn. 48). Aus dem Erfordernis einer verhältnismäßig niedrigen Anzahl von Insolvenzverwalterbestellungen im Bereich des Fachanwalts für Insolvenzrecht können daher keine Rückschlüsse auf die Bewertung von Zwangsverwalterbestellungen im Rahmen des Fachanwalts für Miet- und Wohnungseigentumsrecht gezogen werden.Abs. 21
dd) Hinsichtlich der Abweisung des Hilfsantrags auf neue Verbescheidung, weil die Beklagte mit dem Kläger kein Fachgespräch gemäß § 7 FAO geführt habe, liegt kein Rechtsmittelangriff vor. Im Übrigen entspricht es der Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass die Verfehlung des zwingend ausgestalteten Fallquorums durch ein Fachgespräch nicht kompensiert werden kann (Senat, Urteile vom 16. Dezember 2013 - AnwZ (Brfg) 29/12, NJW-RR 2014, 502 Rn. 28 f.; und vom 10. März 2014 - AnwZ (Brfg) 60/12, AnwBl 2014, 652 Rn. 12).Abs. 22
b) Der Fall weist auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) setzt voraus, dass die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zu Grunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen deutlich abhebt (Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 60/17, juris Rn. 10). Dies ist vorliegend, wie aus obigen Ausführungen ersichtlich, nicht der Fall.Abs. 23
c) Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat der Kläger nicht aufzuzeigen vermocht. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 2. April 2019 - AnwZ (Brfg) 83/18, juris Rn. 22). Dies ist nicht der Fall, weil die entscheidungserheblichen Rechtsfragen, wie oben dargelegt wurde, geklärt sind.Abs. 24
III.Abs. 25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG.Abs. 26

(online seit: 14.01.2020)
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: BGH, Zur Zulässigkeit eines elektronisch signierten Antrags beim Anwaltsgerichtshof - JurPC-Web-Dok. 0006/2020