JurPC Web-Dok. 113/2018 - DOI 10.7328/jurpcb2018338113

VGH Hessen

Beschluss vom 18.07.2018

1 B 2029/17

Kein Widerspruch durch einfache E-Mail

JurPC Web-Dok. 113/2018, Abs. 1 - 45


Leitsätze:

1. In Konkurrenzsituationen, in denen Bewerber um ein begrenztes Kontingent von Vergünstigungen streiten, ergeht regelmäßig gegenüber dem nicht ausgewählten Bewerber ein Versagungsbescheid, dem ausgewählten Bewerber hingegen wird die begehrte Begünstigung durch Einzelakt zugewiesen.

2. Im beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit bedarf es einer Modifikation dieser Grundstruktur und des an sie anknüpfenden Rechtsschutzes nach Grund und Umfang allein im Hinblick auf den Grundsatz der Ämterstabilität als Ausdruck des verfassungsrechtlichen Schutzguts der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung.

3. Die an einen Bewerber gerichtete Mitteilung, wonach er im Auswahlverfahren nicht berücksichtigt wird (sog. Negativmitteilung) ist regelmäßig eine behördliche Ablehnung seiner Bewerbung und damit ein Verwaltungsakt.

4. Ein lediglich durch (einfache) E-Mail eingelegter Widerspruch ist unwirksam.

Gründe:

Abs. 1
I.Abs. 2
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Eilantrag gegen die Besetzung einer Professur mit dem Beigeladenen.Abs. 3
Im Oktober 2015 schrieb die Antragsgegnerin eine zum Wintersemester 2016 zu besetzende Professur (W3) für ökologischen Landbau mit dem Schwerpunkt nachhaltige Bodennutzung öffentlich aus. Für die Stelle gingen insgesamt 18 Bewerbungen ein, darunter die des Antragstellers und des Beigeladenen.Abs. 4
Nach einer Vorauswahl lud die Berufungskommission vier Bewerber - darunter der Beigeladene, nicht aber der Antragsteller - zu Probevorträgen ein. Im Anschluss wurden drei nicht der Antragsgegnerin angehörende Wissenschaftler beauftragt, die Eignung des Beigeladenen zu begutachten. Im Folgenden schlug die Berufungskommission dem Fachbereichsrat einstimmig vor, ausschließlich den Beigeladenen im Berufungsvorschlag zu berücksichtigen. Der Fachbereichsrat nahm diesen Vorschlag in seiner Sitzung vom 22. Juni 2016 durch Beschluss an. Nachdem der Senat der Antragsgegnerin seine Zustimmung erteilt hatte, erging der Ruf an den Beigeladen, den dieser annahm.Abs. 5
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2016 (Bl. 9 der Gerichtsakte) wurde dem Antragsteller durch die Antragsgegnerin mitgeteilt, dass ein Mitbewerber ausgewählt worden sei und dieser den Ruf angenommen habe. Das Einstellungsverfahren werde in den kommenden Tagen eingeleitet. Das Schreiben war u.a. mit "Information über die Ruferteilung und -annahme sowie die Einleitung des Einstellungsverfahrens" überschrieben und enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung. In dem Schreiben wurde auf ein vorangegangenes Schreiben der Antragsgegnerin vom 8. September 2016 Bezug genommen. Darin wurde im Rahmen einer "Zwischeninformation" mitgeteilt, dass der Antragsteller im erarbeiteten Berufungsvorschlag für die Besetzung der Professur nicht platziert worden sei. Eine weitere Information folge, wenn der Ruf erteilt und angenommen worden sei. Erst dann könne das Einstellungsverfahren eingeleitet werden.Abs. 6
Am 30. Dezember 2016 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Gießen um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.Abs. 7
Am 3. Januar 2017 hat der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten ausschließlich per nicht qualifiziert signierter E-Mail Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. Dezember 2016 erhoben. Der Widerspruch war dabei Gegenstand des Textes der E-Mail. Als Anlage war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 30. Dezember 2016 als PDF-Dokument beigefügt. Dabei enthielt diese PDF-Datei nicht das eingescannte Abbild des vom Beschwerdeführer oder seines Bevollmächtigten handschriftlich unterzeichneten Schriftsatzes.Abs. 8
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 22. September 2017 abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe zwar einen Anordnungsanspruch, nicht aber einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin verletze ihn nicht in seinem verfassungsrechtlich abgesicherten Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG.Abs. 9
Gegen diesen ihm am 26. September 2017 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 5. Oktober 2017 Beschwerde eingelegt, die er am 23. Oktober 2017 begründet hat.Abs. 10
Der Antragsteller ist der Auffassung, dass die Einlegung des Widerspruchs ausschließlich per E-Mail der Zulässigkeit eines Hauptsacherechtsbehelfs nicht entgegenstehe. Soweit die Formgerechtigkeit des Widerspruchs in Zweifel gezogen werde, so sei die Erhebung im Zusammenhang mit dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung zu sehen, die der Antragsgegnerin auch zugestellt worden sei. Schließlich habe sich die Antragsgegnerin in der Sache eingelassen.Abs. 11
Der Antragsteller beantragt,Abs. 12
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 22. September 2017 - 5 L 5081/16.GI - abzuändern und dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zu einer neu zu treffenden Auswahlentscheidung zu untersagen, die an der Justus-Liebig-Universität Gießen ausgeschriebene W3-Proffessur für ökologischen Landbau mit Schwerpunkt nachhaltige Bodennutzung mit dem Beigeladenen zu besetzen.Abs. 13
Die Antragsgegnerin beantragt,Abs. 14
die Beschwerde zurückzuweisen.Abs. 15
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. Sie vertritt die Auffassung, der Bescheid vom 19. Dezember 2016 sei bestandskräftig, weshalb eine einstweilige Anordnung zur Verhinderung der Ernennung des Beigeladenen nicht in Betracht komme.Abs. 16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens sowie des Akteninhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.Abs. 17
II.Abs. 18
Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts, den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, ist jedenfalls im Ergebnis nicht fehlerhaft.Abs. 19
Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung als unzulässig. Dies folgt daraus, dass eine auf Ernennung bzw. auf Neubescheidung gerichtete Verpflichtungsklage des Antragstellers als zugehöriges Hauptsacheverfahren ihrerseits unbehebbar unzulässig wäre, so dass kein Grund dafür besteht, ein solches Hauptsacheverfahren durch Erlass einer einstweiligen Anordnung entscheidungsfähig zu halten (vgl. zur Unzulässigkeit der einstweiligen Anordnung bei Unzulässigkeit des Hauptsacheverfahrens: Dombert, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 98 m.w.N.). Ob der rechtliche Gesichtspunkt der Unzulässigkeit des Hauptsacheverfahrens zur Unstatthaftigkeit des Antrags nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO oder zum Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses für einen solchen Antrag führt, lässt das Beschwerdegericht dahinstehen.Abs. 20
Die Unzulässigkeit einer Verpflichtungsklage des Antragstellers resultiert daraus, dass es an einem von seiner Seite aus ordnungsgemäß durchgeführten Widerspruchsverfahren fehlt, § 54 Abs. 2 BeamtStG, § 68 VwGO. Mangels wirksamen Widerspruchs des Antragstellers ist die Ablehnung seiner Bewerbung im Schreiben der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2016, das aufgrund dieser Regelung einen Verwaltungsakt darstellt, bestandskräftig geworden.Abs. 21
Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2016 ist als sog. Negativmitteilung ein Verwaltungsakt (dazu 1.). Der Antragsteller hat gegen diesen Verwaltungsakt nicht wirksam (Verpflichtungs-) Widerspruch erhoben (dazu 2.). Die fehlende Wirksamkeit der Widerspruchserhebung steht der Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage des Antragstellers auch für den Fall entgegen, dass der Antragsteller nach dem mittlerweile eingetretenen Ablauf der Widerspruchsfrist formwirksam Widerspruch erhebt und die Antragsgegnerin diesen nicht als unzulässig zurückweist, sondern in der Sache bescheidet (dazu 3.). Schließlich kann auch eine Einlassung der Antragsgegnerin zur Sache im verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren die ordnungsgemäße Durchführung eines Widerspruchsverfahrens durch den Antragsteller nicht entbehrlich machen und so die Unzulässigkeit der Verpflichtungsklage beheben (dazu 4.).Abs. 22
1. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2016 stellt einen Verwaltungsakt (sog. Negativmitteilung) dar.Abs. 23
a) Der Qualifizierung als Verwaltungsakt steht zunächst nicht entgegen, dass das Schreiben mit Information überschrieben war und keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt. § 35 VwVfG liegt ein materieller Verwaltungsaktsbegriff zu Grunde. Eine Verwaltungsmaßnahme ist hiernach unabhängig von ihrer Bezeichnung als Verwaltungsakt zu qualifizieren, wenn sie die gesetzlichen Merkmale erfüllt (Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 35 Rn. 3; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 Rn. 15 f.). Vom objektiven Empfängerhorizont war das Schreiben der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2016 dahingehend zu verstehen, dass gegenüber dem Antragsteller entschieden worden ist, dass er für die ausgeschriebene Stelle nicht berücksichtigt wird. Hierin liegt eine behördliche Ablehnung der Bewerbung des Antragstellers und damit eine Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit Außenwirkung.Abs. 24
b) Für dieses Verständnis des Schreibens der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2016 spricht auch, dass in Konkurrenzsituationen, in denen Bewerber um ein begrenztes Kontingent von Vergünstigungen streiten, zur Umsetzung einer getroffenen Auswahlentscheidung regelmäßig gegenüber dem nicht ausgewählten Bewerber ein Versagungsbescheid ergeht, dem ausgewählten Bewerber hingegen die begehrte Begünstigung durch Einzelakt zugewiesen wird (instruktiv hierzu: Rennert, DVBl. 2009, S. 1333 ff.). Diese Grundstruktur steuert zugleich grundsätzlich den (Hauptsache-) Rechtsschutz des unterlegenen Mitbewerbers in der sog. Konkurrentenverdrängungssituation: Abwehr der Begünstigung des ausgewählten Mitbewerbers durch Anfechtungsklage, Verpflichtungsklage auf eigene Begünstigung.Abs. 25
Im beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit bedarf es einer Modifikation dieser Grundstruktur und des an sie anknüpfenden Rechtsschutzes nach Grund und Umfang allein im Hinblick auf den Grundsatz der Ämterstabilität als Ausdruck des verfassungsrechtlichen Schutzguts der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Nach diesem Grundsatz scheidet (auch) eine gerichtliche Aufhebung einer erfolgten Ernennung eines Beamten prinzipiell aus. Die hier in Rede stehende Ablehnung der Bewerbung des nicht ausgewählten Bewerbers durch Versagungsbescheid berührt den Grundsatz der Ämterstabilität nicht.Abs. 26
Das Beschwerdegericht geht sonach weiterhin davon aus, dass ebenso wie in Konkurrentenverdrängungssituationen im Allgemeinen auch in beamtenrechtlichen Konkurrentenverdrängungslagen strukturell die interne Auswahlentscheidung und deren Umsetzung durch zwei materiell-rechtlich verbundene, aber formal verschiedene Einzelakte, nämlich die Ablehnung der Ernennung des nicht ausgewählten und die Ernennung des ausgewählten Bewerbers, zu unterscheiden sind (vgl. Senatsbeschl. v. 23.08.2011 - 1 B 1284/11 - juris; Nds. OVG, Beschl. v. 08.06.2011 - 5 ME 91/11 - juris). Allein im Hinblick auf die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Ämterstabilität und den verfassungsrechtlichen Positionen des nicht ausgewählten Bewerbers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG hat die Ernennung des ausgewählten Bewerbers zunächst zu unterbleiben, um dem nicht ausgewählten Bewerber effektiven Rechtsschutz über die Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu ermöglichen.Abs. 27
Die mit der allgemeinen Konkurrentenverdrängungssituation strukturell identische beamtenrechtliche Konkurrentensituation tritt dabei im sog. "Störfall" deutlich hervor, in dem der Dienstherr durch sein Verhalten einen effektiven Rechtsschutz des nicht ausgewählten Bewerbers vereitelt hat. Hier tritt der Grundsatz der Ämterstabilität zurück und es bewendet beim (Hauptsache-) Rechtsschutz durch Anfechtungsklage gegen die erfolgte Ernennung und ggfls. Verpflichtungsklage des nicht ausgewählten Bewerbers auf eigene Begünstigung.Abs. 28
c) Dementsprechend ist auch der Antragsteller selbst von der Verwaltungsaktqualität des Schreibens der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2016 ausgegangen. Dies zeigt sein (wenngleich nicht formgerechter) Widerspruch vom 3. Januar 2017, den er gegen "den Bescheid vom 19.12.2016" gerichtet hat. Gerade im Zusammenhang mit der Zwischeninformation vom 8. September 2016 drängte sich dem Antragsteller auch auf, dass die Antragsgegnerin mit dem Schreiben vom 19. Dezember 2016 über seine Bewerbung abschließend (negativ) entscheiden wollte.Abs. 29
2. Gegen die Negativmitteilung vom 19. Dezember 2016 hat der Antragsteller nicht (wirksam) Widerspruch erhoben.Abs. 30
a) Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO in der hier maßgeblichen (bis zum 31. Dezember 2017 gültigen) Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3106), ist der Widerspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben gewesen. Diesen Anforderungen wird die E-Mail des Antragstellerbevollmächtigten vom 3. Januar 2017 nicht gerecht. Zwar bestand bereits vor deren ausdrücklicher Aufnahme unmittelbar in den Gesetzestext des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Möglichkeit einen Widerspruch in elektronischer Form wirksam einzulegen (§ 79 i.V.m. § 3a VwVfG). Die Voraussetzungen hierfür erfüllt die (einfache) E-Mail des Antragstellerbevollmächtigten vom 3. Januar 2017 aber nicht. Die wirksame Einlegung des Widerspruchs setzte und setzt auch heute noch voraus, dass der Widerspruch gemäß § 3a Abs. 2 Satz 2 VwVfG mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist, wenn nicht die Schriftform durch die in § 3a Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 - 4 VwVfG genannten - hier nicht einschlägigen - Übermittlungsarten ersetzt wurde. Die E-Mail des Antragstellerbevollmächtigten vom 3. Januar 2017 ist nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen.Abs. 31
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht - wie der Antragsteller meint - bei Berücksichtigung des als Anlage beigefügten Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Denn bei der elektronischen Kommunikation kann grundsätzlich nicht aus den Begleitumständen einer formunwirksamen Rechtsbehelfseinlegung eine gleichwohl wirksame Einlegung des Rechtsbehelfs hergeleitet werden. Die Einlegung eines Widerspruchs mittels (einfacher) E-Mail genügt nicht den für die Prüfung von Identität und Authentizität unabdingbaren Mindestanforderungen, weil keine hinreichende Sicherheit für die Ermittlung des Absenders besteht und der Inhalt der Erklärung gegenüber Eingriffen Dritter nicht geschützt ist. Im Rahmen der elektronischen Kommunikation per E-Mail ist den Formanforderungen des § 70 Abs. 1 VwGO nur dann genüge getan, wenn diese die gesetzlichen Anforderungen des § 3a Abs. 2 Satz 2 VwVfG erfüllen. Die gesetzlichen Sicherheitsanforderungen dürfen nicht dadurch unterlaufen werden, dass Ausnahmen von den sich aus § 3a VwVfG ergebenden Formerfordernissen gemacht werden, die im Ergebnis einer niedrigeren Sicherheitsstufe entsprechen (BVerwG, Beschl. v. 17.06.2011 - 7 B 79/10 - juris Rn. 22; vgl. auch Ruff,ZKF 2014, S. 241 (243)). Auf die qualifizierte elektronische Form kann auch nicht ausnahmsweise verzichtet und ein unsigniertes elektronisches Dokument akzeptiert werden. Im Hinblick auf die klaren gesetzlichen Vorgaben zur qualifizierten elektronischen Signatur in § 3a VwVfG ist ein Widerspruch per einfacher E-Mail unabhängig von den Begleitumständen unwirksam (Senatsbeschl. v. 03.11.2005 - 1 TG 1668/05 - juris Rn. 4; Ruff,ZKF 2014, S. 241 (243) m.w.N.; Rennert, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 70 Rn. 2).Abs. 32
c) Der bei Gericht gestellte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes des anwaltlich vertretenen Antragstellers kann grundsätzlich auch nicht zugleich als Widerspruch gewertet werden, weil dieser gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat oder bei der Widerspruchsbehörde zu erheben ist. Ob etwas anderes zu erwägen wäre, wenn in dem Antrag mit hinlänglicher Deutlichkeit zugleich die Erhebung eines förmlichen Widerspruchs gegenüber der Erlass- oder Widerspruchsbehörde zum Ausdruck gebracht würde (vgl. zu dieser Frage Nds. OVG, Beschl. v. 08.11.2011 - 4 LB 156/11 - juris Rn. 27 m.w.N.), bedarf keiner Entscheidung, weil dem Eilantrag des Antragstellers eine entsprechende Zielsetzung nicht zu entnehmen ist.Abs. 33
d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Widerspruch durch die Antragsgegnerin ausgedruckt und zur Akte genommen wurde (vgl. zu einer entsprechenden Fragestellung: Senatsbeschl. v. 03.11.2005 - 1 TG 1668/05 - juris Rn. 4). Ob etwas anderes gelten kann, wenn ein mit einer Unterschrift versehenes Dokument eingescannt, per nicht qualifizierter E-Mail versandt und diese E-Mail vom Empfänger ausgedruckt wird und sich somit gleichsam vom elektronischen zum schriftlichen Dokument wandelt (so wohl BGH, Beschl. v. 18.03.2015 - XII ZB 424/14 - juris Rn. 11; kritisch dazu etwa Sächs. OVG, Beschl. v. 19.10.2015 - 5 D 55/14 - juris Rn. 10, Skrobotz, jurisPR-ITR 24/2015, Anm. 2), bedarf keiner Entscheidung, weil weder die E-Mail noch der beigefügte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit einer (eingescannten) handschriftlichen Unterschrift versehen ist.Abs. 34
e) Ferner kann auch die Frage unbeantwortet bleiben, ob eine ordnungsgemäße Widerspruchserhebung in der Form möglich ist, dass einer (einfachen) E-Mail ein qualifiziert signiertes Dokument beigefügt ist (für Formwahrung: BVerwG, Urt. v. 07.12.2016 - 6 V 12/15 - juris Rn. 22), denn ein qualifiziert signiertes Dokument war der E-Mail des Antragstellerbevollmächtigten nicht beigefügt.Abs. 35
f) Auch erfolgte keine Widerspruchserhebung durch Erklärung zur Niederschrift bei der Behörde. Soweit der Antragsteller in seinem Schreiben vom 20. Juni 2018 andeutet, er habe gegenüber dem Mitarbeiter der Antragsgegnerin Kratz im Rahmen der Akteneinsicht am 23. Dezember 2016 seinen Widerspruch zu Protokoll gegeben, begründet dies nicht die Annahme einer ordnungsgemäßen Widerspruchserhebung zur Niederschrift der Behörde. Ein zur Niederschrift erklärter Widerspruch ist den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen und wurde auch vom Antragsteller - insbesondere auch nachdem er Akteneinsicht genommen hat - nicht behauptet. Dass der Antragsteller gegenüber dem Mitarbeiter Kratz erklärt hat, er sei mit der Entscheidung nicht einverstanden und erhebe dagegen Widerspruch, führt nicht zu einer (ordnungsgemäßen) Widerspruchserhebung, weil ein (nur) mündlich eingelegter Widerspruch rechtsunwirksam ist (vgl. bereits Hess. VGH, Urt. v. 18.12.1963 - OS II 106/62 - DVBl. 1964, S. 599 f.; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 70 Rn. 8 m.w.N. (Bearbeitungsstand: Okt. 2016)).Abs. 36
g) Der Antragsteller kann schließlich eine ordnungsgemäße Widerspruchserhebung auch nicht mehr nachholen. Zwar enthielt die Negativmitteilung vom 19. Dezember 2016 keine Rechtsbehelfsbelehrung, so dass die Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht zu laufen begann. Indessen ist derweil auch die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO verstrichen, nachdem dem Antragsteller die Negativmitteilung nach eigenem Bekunden am 21. Dezember 2016 zugegangen ist.Abs. 37
3. Die fehlende Wirksamkeit der Widerspruchserhebung steht der Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage des Antragstellers auch für den Fall entgegen, dass der Antragsteller nach dem mittlerweile eingetretenen Ablauf der Widerspruchsfrist formwirksam Widerspruch erhebt und die Antragsgegnerin diesen nicht als unzulässig zurückweist, sondern in der Sache bescheidet.Abs. 38
Auf der Grundlage der Rechtsauffassung, wonach die Regelung des § 70 VwGO nicht zur Disposition der Widerspruchsbehörde steht, da die Vorschrift auch der Entlastung des gerichtlichen Verfahrens diene, versteht sich dies von selbst. Aber auch auf der Grundlage der herrschenden Gegenauffassung, nach der das Widerspruchsverfahren Teil des Verwaltungsverfahrens ist, in dem die Behörde Herrin des Streitstoffs bleibt und daher die Voraussetzungen für den anschließenden Verwaltungsprozess schaffen kann, gilt nichts anderes. Denn auch nach dieser Auffassung begründet eine Verfristung des Widerspruchs ungeachtet dessen sachlicher Bescheidung durch die Widerspruchsbehörde die Unzulässigkeit einer sich anschließenden Klage, wenn ein Dritter durch die mit Fristablauf eingetretene Bestandskraft des Verwaltungsakts eine gesicherte Rechtsposition erlangt hat (vgl. zum Ganzen: W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 70 Rn. 9). So liegt hier der Fall. Die Ablehnung der Ernennung des nicht ausgewählten Bewerbers und die Ernennung des ausgewählten Bewerbers stellen die zwei Akte zur Umsetzung der einheitlichen (internen) Auswahlentscheidung dar, die spiegelbildlich zum Nachteil des unterlegenen und zu Gunsten des ausgewählten Bewerbers getroffen worden ist. Die Umsetzung der einheitlichen Auswahlentscheidung durch zwei Einzelakte bewirkt zwar deren formale Unabhängigkeit von der Auswahlentscheidung, ändert indes nichts daran, dass materiell-rechtlich die Ablehnung der Ernennung des einen und die Ernennung des anderen Mitbewerbers als nach Außen wirksame Regelungen deren jeweiliger Ansprüche aus Art. 33 Abs. 2 GG miteinander verbunden sind. Verfahrensrechtlich hat diese materiell-rechtliche Verbundenheit aufgrund der Einheitlichkeit der (Auswahl-)Entscheidung zur Folge, dass der ausgewählte Mitbewerber nicht nur in einem vom nicht ausgewählten Mitbewerber angestrengten Rechtsbehelfsverfahren gegen eine (beabsichtigte) Ernennung notwendig beizuladen ist, sondern auch in einem vom nicht ausgewählten Mitbewerber eingeleiteten Verfahren auf eigene Ernennung (vgl. Kintz, in: Posser/Wolff, VwGO, 2. Aufl. 2014, § 65 Rn. 16 f.; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 65 Rn. 141 ff.; jeweils m.w.N.).Abs. 39
Die bestandskräftige Ablehnung der auf Ernennung gerichteten Bewerbung des nicht ausgewählten Mitbewerbers bewirkt hiernach, dass die Ernennung des ausgewählten Mitbewerbers nicht wegen Verletzung des Rechts des nicht ausgewählten aus Art. 33 Abs. 2 GG fehlerhaft ist. Die insoweit erlangte gesicherte Rechtsposition des ausgewählten Bewerbers - hier der Beigeladene - ist vor dem Hintergrund der die Bewerbungsverfahrensansprüche der Konkurrenten berücksichtigenden einheitlichen Auswahlentscheidung eine rechtliche Folge des in Bestandskraft erwachsenen Ablehnungsbescheids, nicht ein bloßer Rechtsreflex, der lediglich tatsächlich einer Ernennung des nicht ausgewählten Bewerbers entgegensteht.Abs. 40
4. Aus derselben rechtlichen Erwägung - Erlangung einer gesicherten Rechtsposition des Beigeladenen als ausgewählter Bewerber durch die eingetretene Bestandskraft des Versagungsbescheides - kann schließlich auch eine bloße Einlassung der Antragsgegnerin zur Sache im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über eine Verpflichtungsklage des Antragstellers die ordnungsgemäße Durchführung eines Widerspruchsverfahrens durch den Antragsteller nicht entbehrlich machen und so die Unzulässigkeit der Verpflichtungsklage beheben. Erst recht gilt dies für die in diesem Eilverfahren erfolgte Einlassung der Antragsgegnerin in der Sache.Abs. 41
III.Abs. 42
Der Antragsteller hat gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da seine Beschwerde erfolglos geblieben ist. Es besteht keine Veranlassung, im Beschwerdeverfahren entstandene außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen der unterliegenden Partei oder der Staatskasse aus Billigkeit aufzuerlegen, da er sich nicht am Beschwerdeverfahren beteiligt - insbesondere keine eigenen Anträge gestellt - und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO.Abs. 43
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 - 4 GKG und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung.Abs. 44
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.Abs. 45

 
(online seit: 28.08.2018)
 
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: Hessen, VGH, Kein Widerspruch durch einfache E-Mail - JurPC-Web-Dok. 0113/2018