JurPC Web-Dok. 11/2017 - DOI 10.7328/jurpcb201732111

OLG München
Urteil vom 29.09.2016

29 U 745/16

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JurPC Web-Dok. 11/2017


Leitsätze:

  1. Die Annahme einer Verletzungshandlung i. S. d. Art. 97 Abs. 5 UMV setzt ein aktives Verhalten des Verletzers voraus.
  2. Substanzloser Vortrag, dass ein nicht im Gerichtsstaat ansässiger Beklagter Auftraggeber eines anderen, im Gerichtsstaat ansässigen Beklagten sei, reicht nicht aus, um die internationale Zuständigkeit des Sachzusammenhangs gemäß Art. 8 Nr. 1 Brüssel-Ia-VO für eine Klage gegen den angeblichen Auftraggeber zu begründen.
  3. a) Ein einheitlicher Unterlassungsantrag kann sowohl einen Anspruch aus täterschaftlicher Haftung als auch einen solchen aus Störerhaftung erfassen. b) Antragsvarianten des Besitzen-, Versenden- oder Lagernlassens weisen darauf hin, dass auch Beiträge des Beklagten zu entsprechenden Handlungen Dritter von den beantragten Verboten erfasst sein sollen, und können den Fallgestaltungen der Störerhaftung ausreichend Rechnung tragen.
  4. Das bloße Verwahren oder Versenden von markenverletzenden Waren für einen Dritten, der diese Waren vertreibt, stellt regelmäßig kein Besitzen zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens i. S. d. Art. 9 Abs. 3 lit. b) UMV dar, weil es für die Beurteilung der Benutzungshandlung des unmittelbaren Besitzers nicht auf die Verwendungsabsicht des mittelbaren Besitzers ankommt.
  5. a) Der Begriff des Inverkehrbringens i. S. d. Art. 9 Abs. 3 lit. b) UMV ist bei den Erschöpfungs- und den Verletzungstatbeständen einheitlich zu verstehen. b) Übergibt ein Verwahrer markenverletzende Ware lediglich für den Einlagernden an einen externen Transporteur, der anschließend - ebenfalls für den Einlagernden - die Auslieferung an den Kunden übernimmt, so stellt eine derartige interne Maßnahme, bei der die rechtliche Verfügungsbefugnis des Einlagernden unangetastet bleibt, kein Inverkehrbringen dar.
  6. Es ist einem Unternehmen, das eine Vielzahl von Waren für eine Vielzahl von Kunden für den Vertrieb durch diese einlagert, grundsätzlich nicht zuzumuten, anlasslos jede von ihm in Besitz genommene Ware auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen; wird das Unternehmen aller-dings auf eine klare Verletzung von Markenrechten hingewiesen, muss es nicht nur den Vertrieb der konkreten Ware verhindern, sondern auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren der-artigen Markenrechtsverletzungen kommt.
  7. a) Verwahrt ein Unternehmen für einen Dritten nicht erschöpfte und deshalb markenverletzende Waren, so gehört es nicht zu seinen Prüfpflichten als Störer, die Waren darauf zu untersuchen, ob sie erstmals außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht wurden, wenn dieser Umstand nur vom Hersteller anhand der bei ihm vorliegenden Aufzeichnungen darüber festgestellt werden kann, welche Herstellungsnummern die Waren aufweisen, die in Länder außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums geliefert wurden. b) Es kann nicht zu den einen als Störer in Anspruch Genommenen treffenden Prüfpflichten gehören, dass er dem Rechteinhaber aus seinem Geschäftsbereich Daten über Geschäftsvorfälle oder Waren - etwa die auf den Waren angebrachten Herstellungsnummern - unabhängig davon übermittelt, ob diese eine Rechtsverletzung betreffen, damit der Rechteinhaber die Möglichkeit zu einer ent-sprechenden Prüfung erhält; die damit verbundene Offenlegung auch von solchen Informationen aus dem eigenen Geschäftsbereich, die nicht im Zusammenhang mit der angezeigten Rechtsverlet-zung stehen, ist ihm regelmäßig nicht zumutbar.
  8. Eine Rechtsverletzung durch den Vertrieb nicht erschöpfter Waren ist nicht offensichtlich i. S. d. § 19 Abs. 2 MarkenG, wenn zwischen den Parteien streitig ist, ob die Waren, über die Auskunft verlangt wird, außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums erstmals in den Verkehr gebracht worden waren, und sich das auch nicht aus den konkreten Umständen ohne weiteres zweifelsfrei ergibt. Allein die - immer bestehende - Möglichkeit der Aufklärbarkeit dieser Frage durch eine Beweiserhebung vermag die Offensichtlichkeit nicht zu begründen, weil sonst diesem materiell-rechtlichen Tatbestandsmerkmal jegliche eingrenzende Funktion genommen würde.

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[online seit: 24.01.2017]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok.

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