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| Stephan Ory * | | | | | | Die Debatte um das Urhebervertragsrecht - Version
2.1 | | | JurPC Web-Dok. 42/2016, Abs. 1 - 32 | | | | |
| | | Das Urhebervertragsrecht ist seit einigen Monaten in der
Diskussion. Ein halbes Jahr lang wurde über einen
Referentenentwurf[1] kontrovers diskutiert, nun liegt der Regierungsentwurf vor.[2] | Abs. 1 | | 1 Regelungsbereich | Abs. 2 | | In der Diskussion werden zwei Begriffe verwendet.
„Kreativer" bezeichnet Urheber und ausübende
Künstler gleichermaßen, der Begriff will verdeutlichen,
dass Inhaber des entsprechenden Leistungsschutzrechtes in die
Pläne einbezogen sind. „Verwerter" bezeichnet
Verlage, Sendeunternehmen, Theater, Produzenten,
Tonträgerhersteller, Veranstalter – also all jene, die in
irgendeiner Weise die Rechte der Kreativen nutzen. | Abs. 3 | | Die geschäftlichen Beziehungen sind aber deutlich
komplexer, zumal in der digitalen Welt. Der Verwerter erreicht den
Endkunden in aller Regel nicht mehr selbst, dazwischen haben sich
Player geschoben, die in anderem Diskussionszusammenhang[3] als „Intermediäre"
bezeichnet werden. Immer noch sehr vereinfacht, beobachten wir eine
Rechtsbeziehung zwischen den Kreativen und den Verwertern sowie den
Verwertern und den Intermediären. Das Urhebervertragsrecht
regelt nur die erste Stufe, während Rudimente des Problems auf
der zweiten Stufe andernorts unter dem Stichwort der
„Verantwortlichkeit der Intermediäre" diskutiert wird,
dann allerdings im deliktischen und nicht vertragsrechtlichen
Zusammenhang. | Abs. 4 | | Gegenstand der Diskussion ist also die Einräumung
von Nutzungsrechten und die dafür zu entrichtende angemessene
Vergütung (§§ 31 ff UrhG). Das derzeit geltende Recht
stammt aus dem Jahr 2002, vorangegangen war eine strittige Debatte,
sozusagen die Version 1.0 des Themas.[4] Seit damals hat der Kreative einen Anspruch
auf nicht nur die übliche, sondern auch redliche und damit
insgesamt angemessene Vergütung auf vertraglicher Basis
für die von ihm eingeräumten Nutzungsrechte. Ist die
Verwertungshandlung im weiteren Verlauf erfolgreicher, als im
Vertrag angenommen, gebührt dem Kreativen eine weitere
angemessene Vergütung entsprechend dem
„Bestsellerparagraph" § 32b UrhG. Weil die Angemessenheit
ein nur schwierig auszuführender Rechtsbegriff ist, sollte vor
allem für die Verwerter eine Rechtssicherheit dadurch
ermöglicht werden, dass sie mit den Verbänden der
Kreativen „gemeinsame Vergütungsregeln" (GVR -
§§ 36 ff UrhG) vereinbaren und den individuellen
Verträgen zugrunde legen. Für auf dieser Basis
abgeschlossene Verträge gilt unwiderleglich die Vermutung der
Angemessenheit, was Rechts- und Kalkulationssicherheit bedeutet.
Dahinter liegt die gesetzgeberische Vermutung, dass GVR von
Verbänden der Kreativen und der Verwerter „auf
Augenhöhe" verhandelt werden, während die
Verhandlungsmacht eines einzelnen Kreativen gegenüber seinem
Verwerter als durchweg ungleichgewichtig angesehen wird. | Abs. 5 | | 2 Inhalt des Referentenentwurfs | Abs. 6 | | Ausgangspunkt des neuerlichen Gesetzgebungsvorhabens ist
die Beobachtung, dass es keine flächendeckende GVR für
alle Branchen gibt. Die ökonomische und soziale Situation der
Kreativen sei prekär – gemeint sind die freiberuflich
tätigen Kreativen, nicht die Arbeitnehmer. Abhilfe sucht der
RefE in einer „halbzwingenden" Regulierung. Die
Möglichkeit individueller Vertragsabsprachen wird durch
zwingende Vorgaben erschwert. So sollen Pauschalverträge am
Ende unmöglich gemacht werden, indem für jede einzelne
Nutzung eine Vergütung zu zahlen ist. Jeder Kreative soll von
jedem Nutzer (nicht nur seinem Vertragspartner) jährlich
Auskunft und Rechnungslegung verlangen können. Fünf Jahre
nach Vertragsschluss sollen die Rechte an den Kreativen
zurückfallen, die Sublizenzen, die der Verwerter seinerseits
möglicherweise vergeben hat, sollen erlöschen, wenn ein
anderer Verwerter mit dem Kreativen einen Vertrag über die
Nutzung der fraglichen Rechte abgeschlossen hat; der Verwerter soll
dies durch eine Art Verkaufsrecht abwenden können. | Abs. 7 | | Diese Erschwernisse im Individualrecht sollen
kollektivrechtlich durch GVR abbedungen werden können. Diese
werden nicht mehr nur als Angebot für Rechtssicherheit
verstanden, sondern Verwerter, die selbst GVR abgeschlossen haben,
oder einem Verband angehören, der dies für eine Branche
tat, sollen zum Nachteil des Kreativen von den GVR nicht mehr durch
individuellen Vertrag abweichen können. Wo dies doch erfolgt,
sollen Verbände und Konkurrenten der Verwerter im Rahmen einer
dem Wettbewerbsrecht nachgebildeten Klage auf Unterlassung in
Anspruch genommen werden können. | Abs. 8 | | 3 Kritik am Referentenentwurf | Abs. 9 | | Der RefE wurde erwartungsgemäß kontrovers
diskutiert. Die Organisationen von Urhebern und Künstlern sowie
Gewerkschaften begrüßten die Zielsetzung, die Regelungen
gingen ihnen nicht weit genug. Die Verwerter übten Kritik.
Große Beachtung fand ein offener Brief von Autoren, die dem
RefE vorwarfen, durch den unterstellten Gegensatz zwischen Kreativen
und Verwertern der eigentlichen Intention des Urhebervertragsrechts
zuwider zu laufen.[5] | Abs. 10 | | Sehr knapp dargestellt: Pauschalen auch jenseits von
Total-Buy-Outs seien gerade für untergeordnete Werke und
Alltagsproduktionen auch im Sinne der Kreativen. Das Auskunftsrecht
bestehe dort, wo es für Abrechnungen benötigt werde
bereits jetzt, sei darüber hinaus bürokratisch, denn die
für einen weitgehenden Auskunfts-und Rechnungslegungsanspruch
benötigten Daten seien vielfach nicht vorhanden.[6] Der Rechterückfall
behindere jede langfristige Kalkulation und schade am Ende den
Kreativen, wo sie auf Investitionen des Verwerters etwa durch
Werbung angewiesen sind. | Abs. 11 | | Dem Ansatz der „halbzwingenden" Regulierung wurde
entgegengehalten, anders als im Tarifvertragsrecht hätten die
GVR keine normative Geltung. Ein individueller Kreativer könne
sich bei seinem gesetzlichen Anspruch gegenüber seinem
Vertragspartner auf eine Vertragsanpassung auf das Niveau der
angemessenen Vergütung auf GVR berufen, die für einen
Richter je nach Vergleichbarkeit mit dem Einzelfall mehr oder minder
starke Indizwirkung entfalten können. Umgekehrt kann man einem
individuellen Kreativen, der sich beispielsweise auf seinen
gesetzlichen Auskunftsanspruch beruft, kaum eine
„Indizwirkung" anspruchsvernichtend entgegenhalten – die
Diskussion kann eine Anleihe beim Problemkreis des tarifdispositiven
Arbeitsrechts machen. | Abs. 12 | | Das Verbot individueller vertraglicher Regelungen
abweichend von GVR zum Nachteil eines Kreativen wurde kritisiert;
insbesondere hieran machte sich der Vorwurf des Verstoßes
gegen europäisches Kartellrecht nach Art. 101 AEUV fest.[7] | Abs. 13 | | 4 Inhalt des Regierungsentwurfs | Abs. 14 | | Die Erschwernisse des individuellen
Urhebervertragsrechts fallen deutlich geringer aus. Die als
Pauschalierungsverbot wahrgenommenen Änderungen des § 32
UrhG erscheinen nicht mehr, stattdessen wird die
„Häufigkeit" einer Nutzung im Rahmen des Vertrages zur
Rechteeinräumung als ein neues Kriterium hinzugefügt, dass
bei der individuellen Angemessenheit der Vergütung zu
berücksichtigen ist. Der Auskunftsanspruch setzt die
entgeltliche Nutzung voraus und richtet sich gegen den
Vertragspartner, also nicht gegen jeden Nutzer etwa innerhalb der
Lizenzkette; Regelungen gegen eine
unverhältnismäßige Ausübung des Anspruchs sind
aufgenommen. Statt eines Rückrufrechts erhält der Kreative
ein „Recht zur anderweitigen Verwertung nach zehn Jahren bei
pauschaler Vergütung", sofern es sich nicht um ein
untergeordnetes Werk handelt; dem Verwerter verbleibt auf jeden Fall
ein einfaches Nutzungsrecht für die vertraglich vereinbarte
Dauer. | Abs. 15 | | Im Übrigen bleibt es bei dem „halbzwingenden"
Ansatz. Auch das Verbot des Abweichens von GVR durch eine
Vereinbarung und das entsprechende Verbandsklagerecht bleiben wie im
RefE formuliert. | Abs. 16 | | 5 Eher unstreitige Punkte | Abs. 17 | | Das Urhebervertragsrecht ist auf ganz unterschiedliche
Sachverhalte in dem Bereich anwendbar, der als
„Kreativwirtschaft" bezeichnet wird. Die Branchenübungen
bei Buchverlagen, TV-Produzenten oder Spieleherstellern[8] sind höchst
unterschiedlich, weshalb an dieser Stelle und in der gebotenen
Kürze nicht auf die besonderen Konstellationen eingegangen
werden kann, sondern nur die grundlegenden Fragen beleuchtet
werden. | Abs. 18 | | Die Häufigkeit einer Nutzung als
Anknüpfungspunkt der angemessenen Vergütung ist nicht zu
beanstanden. Im Einzelfall wird es darum gehen, ob beispielsweise
eine lineare Sendung (§ 20 UrhG) und das Einstellen in eine
Mediathek (§ 19a UrhG) als Nutzungshäufigkeit zu addieren
sind – Hintergrund ist, dass sich die Rezeption durch die
Nutzer verschiebt, der in aller Regel einen Beitrag nicht doppelt
konsumiert, sondern in der Mediathek abruft, wenn er ihn im zeitlich
geordneten linearen Programmablauf verpasst hat. Auch wird
interessant sein, wie die Vertragspraxis mit dem neuen Kriterium
umgeht, ob also eine Anzahl von Nutzungshandlungen in die
Vertragsformulare aufgenommen wird. | Abs. 19 | | Das Auskunftsrecht wird möglicherweise in der
parlamentarischen Beratung noch etwas präziser zu formulieren
sein. Hier ist bereits im Vergleich des RefE mit einem geleakten
Entwurf mit einem Stand von Mitte Februar und dem RegE erkennbar,
dass nun die Auskunft darauf beschränkt wird, was im Rahmen
ordnungsgemäßer Betriebsführung wirklich vorhanden
ist. | Abs. 20 | | Das Recht zur anderweitigen Verwertung nach zehn Jahren
erscheint ebenfalls ein sinnvoller Ausgleich der Positionen von
Kreativen und Verwertern, weil es auf die Situation der pauschalen
Rechtsübertragung zugeschnitten ist. Die Regelung gibt dem
Kreativen die Möglichkeit der Neubewertung in diesem speziellen
Fall. In den übrigen Fällen, in denen der Kreative eine
nutzungsabhängige Vergütung erhält, steht ihm nach
wie vor der „Bestsellerparagraph" zur Seite, wenn die konkrete
Ausgestaltung der nutzungsabhängigen Vergütung den ganz
besonderen Erfolg einer Verwertung nicht abbildet. So gesehen ist
das Recht zur anderweitigen Verwertung eine besondere Absicherung
des Kreativen für den Fall, dass die weitere Verwertung nach
zehn Jahren noch möglich ist, aber die besonderen
Voraussetzungen des „Bestsellerparagraphen" noch nicht
erreicht sind. | Abs. 21 | | 6 Verbleibende Streitpunkte | Abs. 22 | | Gegenüber dem RefE unverändert ist § 36c
UrhR-RegE zu den individualvertraglichen Folgen des Verstoßes
gegen GVR. Danach kann sich der Verwerter, der an der Aufstellung
von GVR beteiligt war, nicht auf eine Bestimmung berufen, die zum
Nachteil des Urhebers von den GVR abweicht. Der Urheber kann von
seinem Vertragspartner die Einwilligung in die Änderung des
Vertrages verlangen, mit der die Abweichung beseitigt wird. Damit
sollen GVR jedenfalls indirekt und auch ohne normative Wirkung
verbindlich sein. | Abs. 23 | | Damit stellt sich die Grundfrage, wann eine individuelle
Vertragsbestimmung zum Nachteil des Kreativen von einer GVR
abweicht. Das erinnert erneut an das Arbeitsrecht und das dort
geltende Günstigkeitsprinzip, das seine Grundlage allerdings im
§ 4 Abs. 3 TVG, also der Regelung zur normativen Wirkung hat.
Etwas verkürzt soll das am Fall eines Tarifvertrags mit 35
Stunden wöchentlicher Arbeitszeit für 3.500 €
Monatsgehalt diskutiert werden: Wenn ein Arbeitgeber mit einem
Arbeitnehmer im persönlichen, sachlichen, räumlichen und
zeitlichen Geltungsbereich einen Arbeitsvertrag mit 40 Stunden zu
4.000 € abschließt, ist die Wertung, welche Regelung
für wen günstiger ist, eine Frage des
Vergleichsgegenstandes und Maßstabes. Ist das Beispiel
ungünstiger, weil die Wochenarbeitszeit überschritten
wird? Oder ist es neutral, weil die Vergütung je Stunde die
gleiche ist? Die Diskussion im Arbeitsrecht, ob
günstigkeitsneutrale Regelungen in Abweichung zum Tarif
hingenommen werden können oder angesichts der normativen
Regelung des Tarifs ausgeschlossen bleiben,[9] scheinen auf die hiesige urheberrechtliche
Frage schlecht anwendbar, soweit Argumente aus der normativen
Wirkung der Tarifverträge abgeleitet werden. | Abs. 24 | | Der arbeitsrechtliche Vergleich ist auf Nutzungsrechte
aber auch insoweit nicht anwendbar, als diese in ihrer konkreten
Ausgestaltung nach §§ 31 f UrhG sozusagen den Rohstoff
bilden für das Produkt und das Geschäftsmodell des
Verwerters. Eine GVR beschreibt nicht nur einen Preis, sondern auch
das Repertoire an Rechten, das damit abgegolten wird. Der einer GVR
zugrunde gelegte Umfang wiederum orientiert sich an einem
Geschäftsmodell beziehungsweise einem Produkt. Im Wettbewerb -
zumal angesichts der digitalen Herausforderung - werden sich
einzelne Unternehmen mit ihrem Geschäftsmodell und ihrem
Produkt von den anderen Unternehmen der Branche differenzieren
wollen, wofür sie leicht geänderte Rechterepertoires
benötigen. An dieser Stelle passt die tarifrechtliche
Diskussion, die die zeitliche Verfügbarkeit des Arbeitnehmers
für den Arbeitnehmer im Rahmen eines Dienstverhältnisses
zum Gegenstand hat, nicht mehr. | Abs. 25 | | Es stellt sich bei § 36c RegE also die Frage, unter
welchen Bedingungen und mit wie viel Flexibilität ein
Unternehmen für neue Geschäftsmodelle von einer GVR
abweichen darf. Da diese Regelung mit dem Verbandsklagerecht
korrespondiert, ist damit die Frage gestellt, ob ein Wettbewerber
oder eine Gewerkschaft ein innovativ am Markt tätiges
Unternehmen auf Unterlassung in Anspruch nehmen kann. Zugespitzt ist
das die Frage danach, ob leicht variierte Geschäftsmodelle nur
nach langwierigen Verhandlungen mit der Gewerkschaftsseite in
Angriff genommen werden können, wobei zuvor die Vereinigung der
Werknutzer und damit alle potentiellen Konkurrenten über die
Details der neuen Geschäftsidee informiert werden. | Abs. 26 | | Damit sind wir beim Thema des Kartells. Eine GVR legt
den Preis für Nutzungsrechte fest, beschreibt also sowohl den
Gegenstand der Leistung als auch die Höhe des Preises als
Gegenleistung. Diese kollektiven Preisabsprachen sollen von den
Verwertern als Unternehmern und den freien Kreativen, die ebenfalls
als Unternehmer[10] auf
dem Markt auftreten, verabredet werden. Das ist erkennbar ein
kartellrechtliches Problem, wobei der deutsche Gesetzgeber deutsches
Kartellrecht durch eine urheberrechtliche Regelung noch
ausschließen mag. Problematisch ist das europäische
Primärrecht des Art. 101 AEUV. Dessen Tatbestand ist durch das
Preiskartell einer GVR erfüllt, ohne dass
Freistellungsmöglichkeiten ersichtlich wären, auch wenn
man die Sicherstellung einer angemessenen Vergütung für
die Kreativen grundsätzlich als legitimes gesetzgeberisches
Ziel akzeptiert. Dem europäischen Kartellrecht ist eine
Interessenabwägung mit Zielsetzungen außerhalb des
Kartellrechts fremd.[11] | Abs. 27 | | In diesem Zusammenhang ist ein Detail von Interesse, das
in der Begründung des RegE auf S. 19 fehlt. In der geleakten
Vor-Version von Mitte Februar 2016 stand dort noch der Satz
„Vor diesem Hintergrund bestehen auch keine durchgreifenden
Bedenken kartellrechtlicher Natur im Hinblick auf Art. 101 AEUV".
Der wurde in der endgültigen Version gestrichen. Die
Bundesregierung selbst scheint das europarechtliche Problem nicht
ganz von der Hand zu weisen. | Abs. 28 | | 7 Überzogene Erwartungen | Abs. 29 | | „Wer hat uns verraten ..."[12] wurde nach dem Bekanntwerden
des RegE mit seinen Abweichungen vom RefE in Kommentarfunktionen
recht polemisch von denjenigen geäußert, die sich eine
persönliche Besserstellung von einer Neuregelung versprochen
hatten. Schon der Anlass der Reform 2.0 ist eine enttäuschte
Erwartung, nämlich jener nach flächendeckenden kollektiven
GVR. Dabei wurde die Frage, ob dieses Mittel in seiner konkreten
Ausgestaltung die Erwartungen überhaupt erfüllen konnte,
nicht gestellt. | Abs. 30 | | Auch die Diskussion um den RefE wurde von Kreativen zum
großen Teil so aufgenommen, als komme jetzt mehr Geld in die
Kasse. Annette Frier zum Beispiel äußerte in einem Podium
des Schauspielerverbandes an der Seite des Bundesjustizministers mit
Empörung, es gebe Schauspieler mit nur fünf Drehtagen im
Jahr. Im Publikum saßen durchaus Betroffene, die mit der
Gesetzesnovelle genau hier die Hoffnung der Verbesserung der
persönlichen Verhältnisse erhofften – hat doch der
RefE (und der RegE) die prekäre Situation der Kreativen zum
Anlass genommen. Dass genau das aber nicht Gegenstand des
Urhebervertragsrechts sein kann, blieb unerwähnt. | Abs. 31 | | Ein weiteres großes Missverständnis ist das
Verbandsklagerecht, das mit Hoffnungen wie etwa folgender verbunden
wird: „Damit müsste bei möglichen
Verstößen nicht mehr ein einzelner Autor oder Journalist
vor Gericht gehen, sondern ein Berufsverband könnte für
sein Recht streiten."[13] Die damit verbundene Hoffnung, die
Journalistengewerkschaft könne für den einzelnen Autor zu
wenig gezahltes Honorar einklagen, ist erkennbar unzutreffend. Das
Verbandsklagerecht zielt auf die Unterlassung bestimmter
Geschäftspraktiken entsprechend dem wettbewerbsrechtlichen
Vorbild, individuelle Ansprüche muss jeder Kreative nach wie
vor selbst gegebenenfalls mit einer Klage durchsetzen. In der
politischen Debatte kommt das nicht durch - es wird der Grundstein
gelegt für eine neue Enttäuschung und das
Urhebervertragsrecht 3.0. | Abs. 32 |
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| | | | | Fußnoten | | | * Professor Dr. Stephan Ory ist Rechtsanwalt in Püttlingen/Saarland und Vorsitzender des Deutschen EDV-Gerichtstages e.V. | | [1] Referentenentwurf (RefE),
http://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Urhebervertragsrecht.html. | | [2] Regierungsentwurf (RegE),
http://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RegE_Urhebervertragsrecht.pdf?__blob=publicationFile&v=2. | | [3] vgl.
Ohly/Ansgar, Die Verantwortlichkeit von Intermediären, ZUM
2015, 308. | | [4] Ory, Neue
Rechte für Urheber und Künstler (1), JurPC Web-Dok.
107/2002. | | [5] http://www.offenerbrief.org. | | [6] Es wäre
ein lohnendes Projekt, die Diskussion der zurückliegenden
Monate aus dem Gesichtspunkt der Rechtsinformatik zu analysieren.
Das Argument „mit einem Computer geht das doch schon" wurde
vielfach erstaunlich undifferenziert verwendet. | | [7] Thomas, in:
Ory/Cole, Reform des Urhebervertragsrechts, Baden-Baden 2016, S. 47
ff. | | [8] Längst
assoziiert in der Diskussion mit dem Begriff
„Spielehersteller" niemand mehr Brettspiele, sondern
Softwareprodukte. | | [9] Vgl.
ErfK/Franzen, § 4 TVG, Rz. 35 ff (40), 15. Aufl., München
2015. | | [10] Anders
sieht es für Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche (im
Sinne des § 12a UrhG) Urheber aus. Dies führt zur weiteren
Frage, welche der Neuregelungen für Arbeitnehmer im Lichte des
§ 43 UrhG anwendbar sein sollen. Dies ist insgesamt nicht
Gegenstand dieser Erörterung. | | [11] Thomas,
aaO. (Fn. 7), S. 47 ff. | | [12] http://www.heise.de/forum/heise-online/News-Kommentare/Reform-des-Urheber-Vertragsrechts-Maas-knickt-deutlich-ein/Wer-hat-uns-verraten/posting-24694702/show/. | | [13] http://www.aachener-zeitung.de/ratgeber/recht/streit-ums-urhebervertragsrecht-mehr-geld-mehr-rechte-1.1311264. | | | | | |
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| | | (online seit:
22.03.2016) | | | |
| | | Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok,
Abs. | | | |
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