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| | | Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg | | | Urteil vom 07.07.2015 | | | 7 U 29/12 | | | Unterlassung der Verbreitung von Altbeiträgen in einem Internetarchiv | | | JurPC Web-Dok. 173/2015, Abs. 1 - 25 | | |
| | | Leitsätze: | | | - Wenn
das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen in der Weise
beeinträchtigt wird, dass ältere, ursprünglich einmal rechtmäßig in das
Internet eingestellte Beiträge in einem Internetarchiv nach Erlöschen
eines allgemeinen öffentlichen Interesses an den berichteten Vorgängen
weiterhin zum Abruf bereitgehalten werden, kann dem Betroffenen gegen
den Betreiber des Internetarchivs ein Anspruch darauf zustehen, es zu
unterlassen, diese Beiträge in der Weise zum Abruf bereitzuhalten, dass
sie durch Eingabe des Namens des Betroffenen in Internet-Suchmaschinen
von diesen aufgefunden werden.
- Für das Entstehen der
Verantwortlichkeit des Betreibers des Internetforums für derartige
Beiträge gelten die für die Verantwortlichkeit der Betreiber von
Internetforen entwickelten Grundsätze.
| | | | | | Gründe: | Abs. 1 | | | I.Der
Kläger verfolgt mit seiner Klage einen Anspruch auf Unterlassung der
Verbreitung von ihn betreffenden Äußerungen über das Internet weiter. | Abs. 2 | | Der
Kläger ist als Kommunikationsberater tätig. Die Beklagte ist Verleger
der überregionalen Tageszeitung ..." und betreibt den zu der Zeitung
gehörenden Internetauftritt www.(...).de. Hier hält die Beklagte neben
aktuellen Tagesmeldungen auch Berichterstattung aus weiter
zurückliegenden Zeiträumen in einem sogenannten Archiv zum Abruf bereit.
Über dieses Archiv sind mehrere Artikel aus den Jahren 2010 und 2011
kostenfrei abrufbar, welche die Einleitung, den Verlauf, sowie die
Einstellung eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft ... gegen
den Kläger unter dem Az. ..., sowie auch Reaktionen Dritter auf die
Verfahrenseinstellung zum Gegenstand haben, so die Artikel ..." vom 1.
Februar 2010 (Anlage K 13), ..." vom 8. März 2010 (Anlage K 10), ..."
vom 25. März.2011 (Anlage K 12) und ..." vom 19. Oktober 2011 (Anlage K
11). | Abs. 3 | | Dem
Kläger war aufgrund einer Strafanzeige des Politikers C. vorgeworfen
worden, an diesen anonyme Telefaxschreiben beleidigenden und
verleumderischen Inhalts gesendet zu haben. Das Ermittlungsverfahren der
Staatsanwaltschaft, um das es in der Berichterstattung geht, wurde im
Einvernehmen mit dem Kläger gegen Zahlung von 40.000,00 nach § 153 a
StPO am 23. März 2011 endgültig eingestellt. Dabei wurden die konkreten
Umstände der Einstellung des Verfahrens in der Tagespresse kritisiert
und kommentiert. Der Kläger hatte zunächst einzelne Äußerungen, die in
den Beiträgen enthalten waren, beanstandet. Daraufhin hat die Beklagte
die beanstandeten Passagen auf ihrem Internetauftritt geändert. Nachdem
das gegen ihn gerichtete Strafverfahren eingestellt worden ist,
beanstandet der Kläger nunmehr, dass die Beklagte überhaupt noch eine
jederzeit über das Internet abrufbare Berichterstattung über die
betreffenden Vorgänge zugänglich hält. Die Beiträge sind über
Suchmaschinen zu finden, indem der Name des Klägers in das Suchfenster
eingegeben wird. Auch nach 2012 wiesen bei Eingabe des Namens des
Klägers in die Suchmaschine Google" die ersten drei Suchergebnisse
(Anlage K 8) auf eine Seite aus dem Internetauftritt der Beklagten hin,
von dem aus die Beiträge aufgerufen werden können (Anlage K 9; Anlage BK
2): Auf dieser Einstiegsseite erscheinen die Überschriften der
genannten vier Beiträge und Fragmente aus diesen, ohne dass die Einträge
auf dieser Einstiegsseite datiert wären. Mit Schreiben vom 20.
September 2011 hat der Kläger die Beklagte aufgefordert, die
streitgegenständliche Berichterstattung zu unterlassen oder zumindest
mit einem Hinweis auf die zwischenzeitig erfolgte Einstellung des
Ermittlungsverfahrens zu versehen. Diesem Begehren ist die Beklagte
entgegengetreten. | Abs. 4 | | Der
Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu
unterlassen, 1. unter Namensnennung des Klägers und/oder in
identifizierender Weise über ein Ermittlungsverfahren der
Staatsanwaltschaft ... gegen den Kläger zum Az. ... zu berichten
und/oder berichten zu lassen, wie in den Artikeln ..." vom 25.03.2011
und/oder ..." vom 19.10.2011 auf (...).de geschehen; 2. unter
Namensnennung des Klägers und/oder in identifizierender Weise über eine
Anzeige des Herrn C. zu berichten, die dieser auf der Grundlage der
Behauptung erstattet hat, der Kläger sei Absender eines anonymen
Telefaxschreibens gewesen, in dem C. der Pädophilie bezichtigt wurde,
wie geschehen in dem Artikel ..." vom 01.02.2010 und dem Artikel ..."
vom 08.03.2010 auf (...).de. | Abs. 5 | | Das
Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf
Unterlassung der Verbreitung der beanstandeten Artikel - noch - nicht
zu. Der Beklagten eine Löschung oder Änderung der zunächst rechtmäßig
verbreiteten Beiträge aufzugeben, stelle einen erheblichen Eingriff in
die Berichterstattungsfreiheit dar. Diesen rechtfertige die
Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers
nicht, da die Berichterstattung einen Gegenstand von im Zeitpunkt der
Veröffentlichung hohem öffentlichem Interesse betreffe, einen bloßen
Verdacht zum Inhalt habe und der Kläger darin nicht als überführter
Täter hingestellt werde. | Abs. 6 | | Gegen
das Urteil des Landgerichts hat der Kläger Berufung eingelegt. In der
Berufung wiederholen und vertiefen die Parteien ihren Vortrag. Nachdem
der Kläger zunächst angekündigt hat, seine in erster Instanz gestellten
Anträge weiterzuverfolgen, hat er diese im Termin zur mündlichen
Verhandlung über die Berufung modifiziert und beantragt nunmehr, | Abs. 7 | | das
Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30.03.2012 abzuändern und die
Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall
der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall,
dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder
einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem
Geschäftsführer der Beklagten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens
250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu
unterlassen, | Abs. 8 | | 1.
unter Namensnennung des Klägers und/oder in identifizierender Weise
über ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ... gegen den
Kläger zum Az. ... und/oder die zugrunde liegende Strafanzeige des Herrn
C. zu berichten, wenn dies geschieht, wie aus Anlage BK 2 ersichtlich;
und/oder | Abs. 9 | | 2.
den Verdacht zu verbreiten, der Kläger habe von einer
Autobahnraststätte bei ... ein anonymes Fax verschickt, in dem Herr C.
der Pädophilie bezichtigt wurde, und/oder in einem zweiten anonymen Fax
den Wirtschaftsanwalt D. fälschlicherweise als Steuersünder beschuldigt,
wie in dem Beitrag ..." vom 19.10.2011 auf (...).de" geschehen;
und/oder | Abs. 10 | | 3.
Artikel, in denen unter Namensnennung des Klägers und/oder in
identifizierender Weise über ein Ermittlungsverfahren der
Staatsanwaltschaft ... gegen den Kläger zum Az. ... und/oder die
zugrunde liegende Strafanzeige des C. berichtet wurde, über das Internet
zugänglich zu machen, wenn Suchmaschinen wie Google darauf zugreifen
können. | Abs. 11 | | Die Beklagte beantragt, | Abs. 12 | | die Berufung zurückzuweisen. | Abs. 13 | | Wegen
der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Gründe der angefochtenen
Entscheidung, die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die
Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen Bezug genommen. | Abs. 14 | | II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht
eingelegt. Sie ist aber nur zu einem Teil begründet (unten 2.), im
Übrigen unbegründet und insoweit zurückzuweisen (unten 1.). | Abs. 15 | | 1.
Soweit der Kläger - auch in der modifizierten Form der Anträge zu 1.
und 2. in der Fassung vom 4. November 2011 - weiterhin begehrt, der
Beklagten zu untersagen, die von der Beklagten zum Abruf über das
Internet bereit gehaltenen Beiträge in dieser Form weiterhin zu
verbreiten, sind seine Klage und seine Berufung unbegründet, denn ein
solcher Anspruch steht ihm aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in
Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Artt. 1 Abs. 1, 2
Abs. 1 GG) nicht zu, weil insoweit die Interessen des Klägers die aus
der Informationsfreiheit der Beklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG fließenden
Interessen der Beklagten nicht überwiegen. Der Senat folgt insoweit den
zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts und
nimmt auf diese Bezug. | Abs. 16 | | Die
Beiträge enthalten in ihrem jetzigen, von dem Kläger nur noch im
Hinblick auf die Fortdauer ihrer Verbreitung angegriffenen Bestand eine
wahre Berichterstattung über Vorgänge, an denen der Kläger beteiligt
war. Dass der Kläger in dem Verdacht stand, Telefax-Nachrichten
versendet zu haben, in denen Dritte der Begehung von Straftaten
bezichtigt wurden, und dass es deshalb zu staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungen gekommen ist, trifft zu. Die Beiträge in ihrer jetzigen
Form beschränken sich auch auf die Mitteilung, dass der Kläger bloß
verdächtigt werde; eine Vorverurteilung des Klägers enthalten sie nicht.
Dadurch, dass über diese Vorgänge berichtet wird, wird zwar das
allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers tangiert; denn für das
Ansehen einer Person in der Öffentlichkeit kann schon der Umstand
abträglich sein, überhaupt in den Verdacht zu geraten, sich in
strafbarer Weise verhalten zu haben. Das gilt insbesondere hier, wo es
um einen Vorwurf hinterhältigen und intriganten Verhaltens gegen Dritte
geht. Auf der anderen Seite bestand ein zunächst erhebliches Interesse
der Öffentlichkeit daran, über diese Vorgänge informiert zu werden, denn
insbesondere der in den anonymen Telefaxschreiben beschuldigte
Politiker trat und tritt in der Öffentlichkeit wiederholt auf und
engagiert sich in mehreren Projekten von öffentlichem Belang. Das
begründet ein öffentliches Interesse daran zu erfahren, in welcher Weise
versucht wird, Personen zu schaden, die im Licht der Öffentlichkeit
stehen, und welche Schritte unternommen werden, um solche Angriffe
aufzuklären und ihre Urheber zu ermitteln. Da sich solche Vorgänge
wiederholen können, besteht auch ein länger dauerndes Interesse der
Öffentlichkeit daran, über ein solches Geschehen informiert zu werden
(vgl. BGH, Urt. v. 15. 12. 2009, NJW 2010, S. 757 ff.). Dieser
Gedankengang liegt auch der - das Datenschutzrecht betreffenden -
Entscheidung des Europäischen Gerichtshof vom 13. Mai 2014 zugrunde, die
von dem Grundsatz ausgeht, dass ein von einem Presseorgan einmal
rechtmäßig über das Internet verbreiteter Beitrag von diesem
grundsätzlich dauerhaft in einem sogenannten Internetarchiv vorgehalten
werden darf; der sich daraus ergebende Konflikt zwischen dem in dem
Persönlichkeitsrecht der von der Berichterstattung betroffenen Personen
wurzelnden Interesse daran, nicht dauerhaft mit in der Vergangenheit
liegenden Geschehnissen konfrontiert zu werden, und dem Interesse der
Organe der elektronischen Presse daran, rechtmäßig verbreitete Beiträge
nicht nachträglich ändern oder löschen zu müssen, soll danach in der
Weise zum Ausgleich zu bringen sein, dass die Möglichkeit beschnitten
wird, durch bloße Eingabe des Namens der von der Berichterstattung
betroffenen Personen in Internet-Suchmaschinen diese Beiträge ohne jeden
Aufwand an Zeit und Mühe zu finden (EuGH, Urt. v. 13. 5. 2014, GRUR
2014, S. 895 ff., 896, 902). | Abs. 17 | | Dem
Kläger steht der modifizierte Unterlassungsanspruch auch nicht aus dem
Gesichtspunkt zu, dass die Fragmente der Beiträge aus dem
Internetauftritt der Beklagten auf deren Einstiegsseite nicht datiert
und insbesondere nicht ausdrücklich als Altmeldungen gekennzeichnet
sind. Dem Kläger ist zwar darin zu folgen, dass das Bestehen eines
Abwehranspruchs naheliegt, wenn über die inzwischen abgeschlossenen
Ermittlungen in der Weise berichtet wird, dass dem Leser vermittelt
wird, dass es sich um einen Bericht über aktuelle Geschehnisse handle;
denn in diesem Fall hätte die Berichterstattung zum Inhalt, dass der
Kläger derzeit im Verdacht stehe, das Telefax mit verleumderischem
Inhalt versandt zu haben, und dass derzeit gegen ihn ermittelt werde,
was aktuell nicht zutrifft. Es erscheint indessen schon zweifelhaft, ob
eine bloße Einstiegsseite" dieser Art bei dem Leser den Eindruck
hervorruft, die dort erkennbar lediglich aufgelisteten Titel und
Textfragmente würden sich auf aktuelle Vorgänge beziehen, oder ob nicht
der Internetnutzer vielmehr erkennt, dass hier lediglich stichwortartig
Hinweise auf Beiträge zu Themen aus verschiedenen Zeiten aufgeführt
werden, von denen er nicht annehmen kann, dass es sich um aktuelle
Meldungen handle. Das bedarf hier indessen keiner allgemeinen
Erörterung; denn die Einträge auf der als Anlage BK 2 wiedergegebenen
Einstiegsseite der Beklagten lassen den Nutzer ohne Weiteres erkennen,
dass die in Bezug genommenen Beiträge verschiedene Entwicklungsstufen
eines zeitlich gestreckten Geschehens zum Inhalt haben, nämlich ...",
dass ein (hier nicht namentlich genannter) PR-Berater" von C.
beschuldigt werde, Gerüchte in Umlauf gebracht zu haben; ...", dass der
Kläger und C. sich gegenseitig angezeigt hätten; ...", dass die Affäre
mit einer Geldauflage ende; in dem auf der Einstiegsseite
wiedergegebenen Fragment des Beitrags ..." wird die Affäre in der
Ankündigung schließlich gar nicht mehr angesprochen, es befasst sich mit
anderen Vorgängen, an denen der Kläger beteiligt ist. Dieses
Nebeneinanderstellen von Berichterstattungen, die erkennbar
unterschiedliche zeitliche Ebenen betreffen, macht dem Nutzer deutlich,
dass er sich auf einer Seite befindet, die zu bereits archivierten
Artikeln führt, und dass die Ausschnitte aus diesen Artikeln und ihre
Überschriften damit nicht den Anspruch erheben, ein aktuelles Geschehen
zum Inhalt zu haben. | Abs. 18 | | 2.
Die Berufung des Klägers ist aber begründet, soweit er nunmehr von der
Beklagten verlangt, ihren Internetauftritt, der die in Rede stehenden
Beiträge enthält, dahingehend zu modifizieren, dass der in den Beiträgen
enthaltene Name des Klägers von Internet-Suchmaschinen nicht erfasst
wird. Die Erstreckung der ursprünglichen Klage auf dieses Begehren ist
zwar eine Klageänderung; sie ist nach § 533 Nr. 1 Fall 2 ZPO aber als
sachdienlich zuzulassen, weil die Beklagte ihr nicht widersprochen hat
und ihre Zulassung jedenfalls sachdienlich ist, weil sie auf Grundlage
des bisherigen Prozessstoffes entschieden werden kann. | Abs. 19 | | Der
Anspruch des Klägers folgt aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog in
Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Der Umstand, dass
über das Internet die ein gegen den Kläger gerichtetes
Ermittlungsverfahren thematisierenden Presseveröffentlichungen für jeden
Internetnutzer ohne einen Aufwand, der über die bloße Eingabe des
Namens des Klägers in eine Internet-Suchmaschine hinausginge, dauerhaft
auffindbar und abrufbar sind, beeinträchtigt das Persönlichkeitsrecht
des Klägers in nicht unwesentlichem Maße. Denn auf diese Weise wird die
Verbreitung von Mitteilungen perpetuiert, die geeignet sind, das Ansehen
des Klägers in der Öffentlichkeit nachhaltig zu beeinträchtigen. Diese
Beeinträchtigung mag der Betroffene hinzunehmen haben, wenn an den
Vorgängen ein starkes öffentliches Interesse besteht. Wenn aber - wie
häufig bei einer Berichterstattung über Vorwürfe strafrechtlicher oder
ähnlicher Art - das berechtigte öffentliche Interesse daran, über diese
Vorgänge jederzeit informiert zu sein, mit der Zeit abnimmt, gewinnt das
Interesse des Betroffenen daran, dass ihm die gegen ihn erhobenen
Vorwürfe nicht ständig vorgehalten werden, an Gewicht (das ist der
Grundgedanke der mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. 6.
1973, NJW 1973, S. 1226 ff. - Lebach" - begründeten, inzwischen
vielfach modifizierten Rechtsprechung). Das muss insbesondere dann
gelten, wenn die Vorwürfe wie hier über ein eingestelltes
Ermittlungsverfahren nicht hinausgekommen sind, die Einstellung des
Verfahrens zu einem Abschluss der Angelegenheit geführt hat und sie
inzwischen mehrere Jahre zurückliegt. Auch in einem solchen Fall darf
das Interesse der Presse daran, die einmal rechtmäßig erstellte
Berichterstattung über diese Vorgänge nicht nachträglich ändern oder dem
Zugriff der Öffentlichkeit völlig entziehen zu müssen, allerdings nicht
ausgeblendet werden. Zum einen wäre eine latente Verpflichtung, einmal
rechtmäßig erstellte Beiträge ändern zu müssen, mit der Gefahr
verbunden, dass die Presse von vornherein anders - und insbesondere
weniger kritisch - berichtet, um zu verhindern, sich später Ansprüchen
auf eine Änderung der einmal erstellten Beiträge ausgesetzt zu sehen;
zum anderen darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Presse nicht
nur die Funktion zukommt, die Öffentlichkeit über aktuelle Vorgänge zu
informieren, sondern dass ihre Berichterstattung auch einen Fundus
bildet, der es interessierten Kreisen späterer Zeit ermöglichen soll,
vergangenes Geschehen, soweit daran ein erneut aufkommendes allgemeines
Interesse, aber auch ein Interesse sonstiger (etwa insbesondere
historischer oder sonst wissenschaftlicher) Art entsteht, recherchierbar
zu machen (BGH, Urt. v. 15. 12. 2009, NJW 2010, S. 757 ff., 758 f.).
Die sich hieraus ergebenden Interessen sind durch Art. 5 Abs. 1 GG
geschützt. Ihnen steht das ebenfalls verfassungsrechtlich in Artt. 1
Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG fundierte Interesse der von einer
Berichterstattung in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffenen
Person gegenüber, nicht beständig mit den vergangenen Geschehnissen
konfrontiert zu werden. Zu einer solchen Konfrontation wird es
insbesondere dadurch kommen, dass die in älteren Beiträgen berichteten
Vorgänge zufällig dadurch reaktualisiert werden, dass zahlreiche
Internetnutzer aus ganz anderen Gründen als einem zeitgeschichtlichen
oder sonstigen Interesse den Namen der betroffenen Person in das
Suchfenster einer Internetsuchmaschine eingeben, etwa weil sie gerade
mit dieser Person als Geschäftspartner oder privat zu tun haben oder
weil der Name in inzwischen ganz anderen Zusammenhängen von der Presse
erwähnt wird, die mit dem vergangenen Geschehen in keinem Zusammenhang
stehen. Dieser Konflikt zwischen den Interessen von Presse und
Betroffenem lässt sich dadurch in angemessener Weise zum Ausgleich
bringen, dass dem Internetanbieter, der seine Berichterstattung
dauerhaft über ein Archiv zu öffentlichem Zugriff abrufbar hält,
aufgegeben wird, dass die älteren Beiträge nicht mehr durch bloße
Eingabe des Namens des Betroffenen in eine Suchmaschine auffindbar sind.
Das würde einerseits die Verletzung der Interessen des Betroffenen
durch die stete Gefahr einer ständigen Reaktualisierung vergangener
Vorgänge erheblich mildern und andererseits die berechtigten Interessen
von Presse und historisch interessierten Kreisen nur geringfügig
beeinträchtigen. Die Presse ist danach nicht dazu verpflichtet,
nachträglich Änderungen an den einmal rechtmäßig veröffentlichten
Beiträgen vorzunehmen. Soweit berechtigte Interessen der Allgemeinheit
oder einzelner Angehöriger der Allgemeinheit daran bestehen, über ältere
Presseartikel vergangene Geschehen zu recherchieren, erfordert dieses
Interesse es nicht, dass die betreffenden Beiträge, sofern sie zum
steten Abruf über das Internet bereitstehen, ohne jeden Aufwand dadurch
zugänglich sind, dass sie durch bloße Eingabe des Namens der von der
Berichterstattung betroffenen Person aufgerufen werden können; denn die
interessierten Kreise, die sich mit einem vergangenen Geschehen
beschäftigen wollen, kommen auch in der Weise an die gesuchten
Fundstelle, dass sie vorgangsbezogene Suchwörter in eine
Internet-Suchmaschine eingeben oder, wenn ihnen die zeitliche Einordnung
des zu recherchierenden Geschehens bekannt ist, die betreffenden
Jahrgänge im Internet archivierter Zeitschriften durchgehen. Auch wenn
dies im Grundsatz der Vorgehensweise entspricht, wie sie bei
historischer Recherche seit jeher praktiziert wird, ist die Recherche
gegenüber der früher erforderlichen Benutzung von Findbüchern und
Archiven von Unterlagen in Papierform dadurch erheblich vereinfacht,
dass sie von einer Stelle aus am Computer vorgenommen werden kann. | Abs. 20 | | Die
Abwägung ergibt daher, dass der Beeinträchtigung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts des Betroffenen durch ein Vorhalten älterer
Beiträge im Internet in der Weise aufgefangen werden kann, dass ein
unmittelbarer Zugriff auf diese Beiträge durch ihre Auffindbarkeit über
eine bloße Eingabe des Namens des Betroffenen in eine
Internet-Suchmaschine verhindert wird. Ist ein solcher Zugriff möglich,
liegt darin eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, gegen
die der Betroffene aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog vorgehen kann.
Störer hinsichtlich der Beeinträchtigung und damit Anspruchsgegner ist
jedenfalls auch diejenige Stelle, die die betreffenden Beiträge in einer
solchen Weise in das Internet eingestellt hat, dass sie ohne jeden
Aufwand an Zeit und sonstigen Mitteln durch die bloße Eingabe des Namens
des Betroffenen auffindbar sind. Denn wenn - wenn auch auf
datenschutzrechtlicher Basis - schon der Betreiber einer Suchmaschine
dazu angehalten werden kann, die Erreichbarkeit von Internetbeiträgen
durch bloße Eingabe des Namens der von diesen Beiträgen in erheblicher
Weise betroffenen Personen zu unterbinden (EuGH, Urt. v. 13. 5. 2014,
GRUR 2014, S. 895 ff.), dann kann es erst recht auch dem Urheber des
betreffenden Beitrages - mag er auch das Presseprivileg für sich in
Anspruch nehmen können - angesonnen werden, Vorkehrungen dagegen zu
treffen, dass dieser Beitrag zu einer stetig fließenden Quelle von
Beeinträchtigungen persönlichkeitsrechtlicher Belange des Betroffenen
wird. Dass die Begründung eines Zustandes nicht rechtswidrig gewesen
ist, steht seiner Beurteilung als Störung bei seiner Fortdauer nach den
allgemeinen Grundsätzen nicht entgegen (s. z.B. BGH, Urt. v. 18. 11.
2014, Az. VI ZR 76/14; std. Rspr seit BGH, Urt. v. 12. 1. 1960, GRUR
1960, S. 500 ff., 502 ff.). Ein Verschulden des Störers setzt der
Beseitigungsanspruch nicht voraus. | Abs. 21 | | Dass
eine solche Inanspruchnahme unzumutbar wäre, weil es für die Beklagte
einen unverhältnismäßig großen Aufwand bedeuten würde, entsprechende
Vorkehrungen zu treffen, ist nicht vorgetragen und auch nicht
ersichtlich. | Abs. 22 | | Allerdings
bedarf der Betreiber eines Internetarchivs eines Schutzes davor, dass
das Vorrätighalten von Beiträgen, deren Abrufbarkeit auch durch Eingabe
des Namens des Betroffenen in eine Suchmaschine solange rechtmäßig war,
wie ihr Inhalt von einem noch aktuellen Interesse war, nunmehr durch
bloßen Zeitablauf rechtswidrig wird und er sich allein durch den Betrieb
des Internetarchivs dadurch der steten Gefahr einer Inanspruchnahme
Betroffener ausgesetzt sieht. Dieser Konflikt ähnelt dem des Betreibers
eines Internetforums, der dessen Inhalte nicht anlassfrei ständig auf
ihre Rechtmäßigkeit überwachen kann. Es erscheint daher angemessen,
diesen Konflikt auf Grundlage der für die Haftung der Betreiber von
Internetforen entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 25. 10. 2011, NJW
2012, S. 148 ff.) zu lösen: Auch der Betreiber des Internetarchivs ist
danach nicht verpflichtet, die in dem Archiv gesammelten Beiträge vorab
darauf zu überprüfen, ob Vorkehrungen zu treffen sind, um in ihnen
vorkommende Namen von einer Auffindbarkeit durch Suchmaschinen
auszunehmen. Eine solche Verpflichtung entsteht erst, wenn der Betreiber
des Internetforums durch einen qualifizierten Hinweis des Betroffenen
darauf aufmerksam gemacht wird, dass die fortdauernde Auffindbarkeit des
Beitrags durch Namenssuche nunmehr sein allgemeines
Persönlichkeitsrecht verletzt und Vorkehrungen gegen diese Verletzung zu
treffen sind. Handelt es sich bei dem Archiv um ein solches, in das
Beiträge dritter Anbieter eingestellt sind, hat der Betreiber des
Archivs ggf. bei diesen anzufragen. Erst dann, wenn sich danach ergibt,
dass die Auffindbarkeit des Beitrags einzuschränken ist, setzt die
Verantwortlichkeit des Archivbetreibers ein. Diese Voraussetzungen
liegen hier indessen vor, weil die Beklagte nach der Antragsänderung
durch den Kläger Gelegenheit erhalten hat, zu dessen geändertem Begehren
Stellung zu nehmen, und die beanstandeten Beiträge von ihr selbst
stammen. | Abs. 23 | | III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3
ZPO. Von § 97 Abs. 2 ZPO hat der Senat keinen Gebrauch gemacht, da die
Frage, ob die einander widerstreitenden Interessen der Betroffenen durch
eine Beschränkung der Auffindbarkeit der beanstandeten Beiträge zu
einem Ausgleich gebracht werden können, erst durch das nach der
angegriffenen Entscheidung ergangene Urteil des Europäischen
Gerichtshofs vom 13. Mai 2014 in die fachliche Diskussion eingeführt
worden ist. Bei der Wertfestsetzung waren die weiter gestellten
Klaganträge zu berücksichtigen (§ 3 ZPO). Der Ausspruch über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. | Abs. 24 | | Die
Revision war zuzulassen, da die Frage, ob der Interessenausgleich in
der diesem Urteil zugrunde gelegten Weise vorgenommen werden kann,
höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, sie sich in einer Vielzahl
von Fällen stellen kann und daher von grundsätzlicher Bedeutung im
Sinne von § 511 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist. | Abs. 25 | | | | |
| |
| (online seit: 03.11.2015) | | | |
| | | Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs. | |