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| OLG Hamm | |
| Urteil vom 04.08.2015 | |
| 4 U 66/15 | |
| Irreführende Werbung auf "amazon" | |
| JurPC Web-Dok. 168/2015, Abs. 1 - 28 | |
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| Leitsatz: | |
| Irreführende
Werbung auf der Internetplattform "amazon" für Sonnenschirme durch
blickfangmäßige Abbildung eines Sonnenschirmes inklusive der zur
Beschwerung des Schirmständers erforderlichen Betonplatten, obwohl diese
Platten tatsächlich nicht zum Lieferumfang gehören. |
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| Gründe: | Abs. 1 |
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| A. | Abs. 2 |
| Von einer Sachverhaltsdarstellung wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen. | Abs. 3 |
| B. | Abs. 4 |
| Die
zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten ist unbegründet. Das
Landgericht hat die von der Verfügungsklägerin beantragte einstweilige
Verfügung im Ergebnis zu Recht erlassen. | Abs. 5 |
| I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. | Abs. 6 |
| 1. Die Verfügungsklägerin ist als Mitbewerberin der Verfügungsbeklagten nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG antragsbefugt. | Abs. 7 |
| 2.
Das Vorgehen der Verfügungsklägerin erweist sich nicht als
rechtsmissbräuchlich (§ 8 Abs. 4 Satz 1 UWG). Die darlegungsbelastete
Verfügungsbeklagte hat ihren Vorwurf, die Verfügungsklägerin gehe
massenhaft" gegen Internet-Versandhändler vor, nicht substantiiert.
Dass die Verfügungsklägerin nicht gegen den Betreiber der
Internetplattform amazon" vorgeht, sondern einzelne Unternehmer, die
ihre Waren über diese Plattform vertreiben, in Anspruch nimmt, ist nicht
geeignet, den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu begründen. Denn bei
Wettbewerbsverstößen der hier in Rede stehenden Art sind regelmäßig
diese einzelnen Unternehmer als Täter anzusehen, während der
Plattformbetreiber in der Regel allenfalls als Teilnehmer eingestuft
werden kann. | Abs. 8 |
| II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet. | Abs. 9 |
| 1. Es besteht ein Verfügungsgrund. Die Dringlichkeitsvermutung nach § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt. | Abs. 10 |
| 2.
Es besteht auch ein Verfügungsanspruch. Der geltend gemachte
Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3, §
5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 UWG. | Abs. 11 |
| a)
Die von der Verfügungsklägerin beanstandete Werbung der
Verfügungsbeklagten für einen Sonnenschirm auf der Internetplattform
amazon" ist irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG. Nach
dieser Vorschrift ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie
unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die
wesentlichen Merkmale der Ware enthält, wobei die Vorschrift zu den
wesentlichen Merkmalen der Ware ausdrücklich auch deren Ausstattung mit
Zubehör zählt. | Abs. 12 |
| aa)
Die streitgegenständliche Werbung enthält unwahre oder zumindest zur
Täuschung geeignete Angaben über das zusammen mit dem beworbenen
Sonnenschirm gelieferte Zubehör. Sie erweckt den Eindruck, zum
Lieferumfang gehörten auch die auf der Abbildung des mittels eines
Plattenständers aufgestellten Sonnenschirms zu sehenden Betonplatten,
obwohl diese Betonplatten tatsächlich nach den Vorstellungen der
Verfügungsbeklagten nicht von dem streitgegenständlichen Warenangebot
umfasst sind. | Abs. 13 |
| (1)
Wie eine Werbung zu verstehen ist, hängt maßgeblich von der Auffassung
der von ihr angesprochenen Verkehrskreise ab. Adressat der
streitgegenständlichen Werbung ist das allgemeine Publikum, dessen
Verkehrsauffassung die Mitglieder des erkennenden Senats aufgrund
eigener Sachkunde beurteilen können. Abzustellen ist hierbei auf den
durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der der
Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt
(Köhler/Bornkamm/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. (2015), § 5 Rdnr. 2.87 m.w.N.). | Abs. 14 |
| (2)
Ein solcher Verbraucher wird irrigerweise annehmen, dass das
streitgegenständliche Angebot der Verfügungsbeklagten auf der
Internetplattform amazon" auch die abgebildeten, zur Beschwerung des
(auch nach den Vorstellungen der Verfügungsbeklagten zum Lieferumfang
gehörenden) Plattenständers erforderlichen Betonplatten umfasst. | Abs. 15 |
| (a)
Einer Abbildung des Produktes in einer Werbung oder einem Warenangebot
im Internet kommt grundsätzlich eine maßgebliche Bedeutung für die
Bestimmung des im Falle eines späteren Vertragsschlusses geschuldeten
Leistungsinhaltes zu (BGH, MMR 2011, 238). Gerade bei der Betrachtung
von Internetseiten sind visuelle Eindrücke für die Erfassung des
jeweiligen Inhaltes von entscheidender Bedeutung. Das allgemeine
Publikum fasst eine Produktabbildung in einer Internetwerbung daher als
maßgeblichen Teil der Produktbeschreibung auf. Keinesfalls lässt sich
der Auffassung der Verfügungsbeklagten zustimmen, der Produktabbildung
komme generell nur eine untergeordnete Rolle" zu. | Abs. 16 |
| Für
Produktabbildungen auf der Internetplattform amazon" gilt nichts
anderes. Die Behauptung der Verfügungsbeklagten, jeder durchschnittlich
informierte Verbraucher, der ein Produkt über die genannte
Internetplattform kaufe, wisse, dass die Produktabbildungen nicht
zwangsweise vom konkreten Verkäufer eingestellt worden seien, und
verlasse sich daher nicht auf diese Abbildungen, trifft nicht zu. Der
durchschnittliche Verbraucher dessen Erfahrungs- und Kenntnishorizont
die Mitglieder des Senats aus eigener Sachkunde beurteilen können geht
vielmehr davon aus, dass auch auf der genannten Internetplattform die
Produktabbildungen vom jeweiligen Verkäufer stammen oder der Verkäufer
sich den Inhalt dieser Abbildungen jedenfalls zu eigen machen will, wenn
er ein Warenangebot auf der genannten Internetplattform einstellt. Die
Vorstellung, dass die Produktabbildungen auf der Internetplattform
amazon" nicht zur Bestimmung des angebotenen Leistungsumfanges
herangezogen werden dürfen, ist dem angesprochenen, durchschnittlich
informierten Verbraucher mehr als fremd. | Abs. 17 |
| (b)
Der Verbraucher fasst die abgebildeten Betonplatten auch nicht
lediglich als (mehr oder weniger schmückendes) Beiwerk zu dem
abgebildeten Sonnenschirm auf. Der durchschnittliche Verbraucher ist
grundsätzlich daran interessiert, nur funktionsfähige Produkte zu
erwerben. Ein Produkt, das für sich genommen nicht funktionsfähig ist,
sondern erst durch den Hinzuerwerb weiteren Zubehörs funktionsfähig
gemacht werden muss, ist vor diesem Hintergrund für den Verbraucher
(deutlich) weniger interessant als ein Produkt, das sogleich zusammen
mit allem für die Herstellung der Funktionsfähigkeit erforderlichen
Zubehör geliefert wird. Ohne die abgebildeten Betonplatten ist der
angebotene Sonnenschirm nicht mit der erforderlichen Standfestigkeit
aufstellbar, mithin nicht funktionsfähig. Der Verbraucher wird die
Abbildung der Betonplatten vor diesem Hintergrund dahin verstehen, dass
diese Betonplatten zum Lieferumfang gehören. Dass es neben der
Aufstellung mittels eines Plattenständers auch andere Möglichkeiten
gibt, Sonnenschirme standsicher aufzustellen (z.B. mit einer
Bodenhülse), ist für den vorliegenden Fall, in dem es unstreitig um
einen mit einem (ebenfalls in der Produktabbildung zu sehenden)
Plattenständer zu liefernden Sonnenschirm geht, ohne Bedeutung. | Abs. 18 |
| (c)
Der Verbraucher wird auch keineswegs davon ausgehen, dass die
abgebildeten Betonplatten angesichts des von der Verfügungsbeklagten
verlangten Kaufpreises nicht vom Angebot umfasst sein können. Derartige
Betonplatten können im Einzelverkauf für geringfügige Beträge erworben
werden, gebrauchte (Wasch-)Betonplatten werden häufig sogar kostenlos
abgegeben. Der Verbraucher hat mithin keinen Anhaltspunkt zu glauben,
die vier abgebildeten Platten könnten preislich gar nicht in dem Angebot
der Verfügungsbeklagten enthalten sein. | Abs. 19 |
| (3)
Der in der Produktbeschreibung" zu findende Hinweis der
Verfügungsbeklagten, der Sonnenschirm werde ohne Platten" geliefert,
vermag die Verfügungsbeklagte im Hinblick auf den Irreführungsvorwurf
nicht zu entlasten. | Abs. 20 |
| (a)
Die den Lieferumfang unzutreffend wiedergebende Produktabbildung ist
durch ihre Platzierung an prominenter Stelle des Angebotes, nämlich am
Beginn der Angebotsseite und unmittelbar neben der fett und in großer
Schrift gedruckten Angebotsüberschrift, blickfangmäßig herausgestellt. | Abs. 21 |
| (b)
In Fällen, in denen der Blickfang für sich genommen eine fehlerhafte
Vorstellung vermittelt, kann der dadurch veranlasste Irrtum regelmäßig
nur durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen
werden, der selbst am Blickfang teilhat (BGH, GRUR 2015, 698 (Schlafzimmer komplett)).
Danach reicht es nicht aus, wenn der beworbene Artikel zusammen mit
weiteren Artikeln abgebildet wird, ohne die er nicht benutzt werden
kann, und der aufklärende Hinweis nur innerhalb der Produktbeschreibung
steht, ohne am Blickfang teilzuhaben und die Zuordnung zu den
herausgestellten Angaben zu wahren (BGH, a.a.O.). Der hier in Rede
stehende Hinweis nimmt nicht am Blickfang teil. Insbesondere ist er
nicht als sogenannter Sternchenhinweis" durch ein am Blickfang
teilhabendes Hinweissymbol mit diesem Blickfang verknüpft. Er findet
sich vielmehr ohne eine solche Verknüpfung auf der Angebotsseite in
deutlichem Abstand unterhalb der den Blickfang des Angebotes
darstellenden Produktabbildung. | Abs. 22 |
| (c)
Ausnahmsweise kann zwar dann auf einen Sternchenhinweis oder einen
anderen klarstellenden Hinweis an den irreführenden blickfangmäßigen
Angaben in einer Werbung verzichtet werden, wenn es sich um eine Werbung
namentlich für langlebige und kostspielige Güter handelt, mit der
sich der Verbraucher erwartungsgemäß eingehend befasst und die er auf
Grund einer kurzen und übersichtlichen Gestaltung insgesamt zur Kenntnis
nehmen wird (BGH, a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch
nicht vor. Weder handelt es sich bei einem Sonnenschirm mit einem Preis
von 134,07 um ein langlebiges oder kostspieliges Wirtschaftsgut, noch
zeichnet sich das hier streitgegenständliche Produktangebot im typischen
amazon"-Format durch eine kurze und übersichtliche Gestaltung aus. | Abs. 23 |
| bb)
Die Irreführung ist auch geschäftlich (wettbewerblich) relevant. Die
Frage, ob die abgebildeten Betonplatten zum Lieferumfang gehören oder
nicht, hat für das Marktverhalten der angesprochenen Verkehrskreise
keine lediglich unwesentliche Bedeutung. Die Lieferung eines ohne
Weiteres aufstellbaren Sonnenschirmes mit Plattenständer und mit
Betonplatten ist für den Verbraucher, wie bereits ausgeführt, deutlich
attraktiver als die Lieferung eines Schirmes mit Ständer, aber ohne
Platten. | Abs. 24 |
| Dass
der Verbraucher im Internet nach der Behauptung der
Verfügungsbeklagten vor der Abgabe der endgültigen Bestellerklärung
aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung in Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 EGBGB noch einmal in Textform den Hinweis erhält, dass die
Betonplatten nicht zum Lieferumfang gehören, vermag die geschäftliche
Relevanz der Irreführung nicht auszuschließen. Zwar fehlt es vor dem
Hintergrund der europarechtlichen Hintergründe des Tatbestandsmerkmals
der geschäftlichen Relevanz an einer geschäftlich relevanten
Irreführung, wenn die Irreführung lediglich dazu geeignet ist, den
Verbraucher zu veranlassen, sich überhaupt mit der Werbung näher zu
befassen (BGH, a.a.O.). Eine geschäftlich relevante Entscheidung ist
(erst) jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter
welchen Bedingungen er einen Geschäftsabschluss tätigen will (BGH,
a.a.O.). Dieser Begriff erfasst allerdings außer der Entscheidung über
den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts auch damit unmittelbar
zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten eines
Geschäfts (BGH, a.a.O. m.w.N.). Den von der Verfügungsbeklagten
behaupteten Hinweis nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB erhält
der Verbraucher erst, nachdem er die grundsätzliche Entscheidung
getroffen hat, überhaupt einen Bestellprozess einzuleiten. Diese
Entscheidung geht über die bloße nähere Befassung mit der Werbung hinaus
und stellt eine geschäftlich relevante Entscheidung im vorstehend
geschilderten Sinne dar. Es handelt sich zwar noch nicht um die
endgültige Kaufentscheidung bei Abgabe der endgültigen Bestellerklärung.
Die Einleitung eines Bestellprozesses im Internet geht verglichen mit
dem stationären Handel indes noch über das Betreten eines Geschäfts
hinaus und ist damit zumindest als unmittelbar mit der
Erwerbsentscheidung zusammenhängende Entscheidung zu qualifizieren. | Abs. 25 |
| b)
Umstände, die geeignet sind, die aufgrund des begangenen
Wettbewerbsverstoßes zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind
nicht ersichtlich. | Abs. 26 |
| C. | Abs. 27 |
| Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. | Abs. 28 |
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| (online seit: 27.10.2015) |
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| Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs. |