| Das Bundeskartellamt beschäftigte sich im
Berichtszeitraum (Zeitraum 23.10.2013 – 22.08.2014) mit
einigen Themen des E-Commerce oder ermittelte in Fällen, in
denen wegen Einlenkens des beteiligten Unternehmens die Verfahren
letztendlich eingestellt werden konnten. Der Artikel nimmt eine
Zusammenstellung über das Vorgehen des BKartA vor. | Abs. 1 |
| Die acht Fälle lassen sich in vier Fallgruppen
unterteilen: | Abs. 2 |
| Bestpreisklauseln bei Hotelbuchungsportal HRS und
Online-Marketplace Amazon | Abs. 3 |
| Doppelpreissysteme bei Bosch Siemens Hausgeräte und
GARDENA | Abs. 4 |
| Selektive Vertriebssysteme bei Sennheiser, adidas und
ASICS | Abs. 5 |
| Vertikale Preisbindung bei Recticel Schlafkomfort
GmbH | Abs. 6 |
| 1. Bestpreisklauseln bei Hotelbuchungsportal HRS und
Online-Marketplace Amazon | Abs. 7 |
| a) Die Hotel Reservation Service Robert Ragge GmbH (HRS)
betreibt im Internet einen Vermittlungsdienst für Hotelzimmer,
bei dem der Kunde einen Vermittlungsvertrag mit der HRS
schließt und sofort eine Buchungsbestätigung des Hotels
erhält. Für den Hotelkunden fallen dabei keine
Vermittlungsgebühren an; die Vermittlungskommissionen, die die
Hotels an HRS zahlen, sind jedoch regelmäßig in dem zu
zahlenden Zimmerpreis einkalkuliert. | Abs. 8 |
| In den Verträgen zwischen HRS und den
Hotelunternehmen sind seit 2006 sogenannte Bestpreisklauseln
vereinbart, in denen die Hotels verpflichtet werden, jedenfalls auch
über HRS den jeweils günstigsten Hotelpreis, die
größtmögliche Zimmererverfügbarkeit und die
jeweils niedrigsten Buchungs- und Stornierungskonditionen im
Internet anzubieten. Die Einhaltung der Klausel wurde von HRS auch
zumindest bis Oktober 2013 kontrolliert und Verstöße
durch Sanktionen geahndet. | Abs. 9 |
| Diese Bestpreisklauseln sind geeignet, sich auf den
zwischenstaatlichen Handel auszuwirken und fallen somit in den
Anwendungsbereich des deutschen und europäischen
Kartellverbots. So wird nämlich der Wettbewerb sowohl zwischen
den Hotelportalen als auch zwischen den Hotelunternehmen
eingeschränkt: Erstens fehlt dann der Anreiz der Hotelportale,
den Hotels günstigere Vermittlungskonditionen anzubieten, was
zusätzlich neue Bewerber am Markteintritt hindert. Zweitens
wird es den Hotels deutlich erschwert, auf unterschiedlichen
Hotelportalen oder über andere Vertriebswege unterschiedliche
und möglicherweise günstigere Preise anzubieten. | Abs. 10 |
| Der sachlich und räumlich relevante Markt ist der
deutschlandweite Markt für den Online-Vertrieb von
Hotelzimmern. Da der Marktanteil der HRS mindestens in den letzten
vier Jahren bei über 30% lag, fallen diese vertikalen
Beschränkungen nicht unter die Privilegierung der Vertikal-GVO
nach Art. 2 I Vertikal-GVO. Auch die eventuellen Effizienzwirkungen
sind allenfalls gering. Da sie weder gegenüber den
wettbewerbswidrigen nachteiligen Konsequenzen überwiegen, noch
angemessen an den Verbraucher weitergegeben werden, kommt eine
Einzelfreistellung nach § 2 I GWB/Art. 101 III AEUV nicht in
Betracht. | Abs. 11 |
| Des Weiteren behindern die Bestpreisklauseln die von HRS
abhängigen Hotels nach § 20 I iVm § 19 I, II Nr. 1
GWB in unbilliger Weise.[1] | Abs. 12 |
| b) Auf ähnliche Weise hatte Amazon bei seinem
Online-Marketplace den anbietenden Verkäufer durch seine
Vertragsbedingungen verpflichtet, auf keinem anderen Verkaufsportal
günstigere Preise anzubieten. Auch dadurch wird der Wettbewerb
zwischen den Verkaufsportalen und zwischen den auf Amazon
anbietenden Händlern, wozu der größte
Online-Händler Amazon selbst zählt, wettbewerbswidrig
eingeschränkt. Nachdem Amazon jedoch die Vorgaben des BKartA
erfüllt hat, also die Preisparität aus den
Vertragsbedingungen gestrichen und die Händler darüber
informiert hat, stellte das BKartA das Verfahren ein.[2] | Abs. 13 |
| 2. Doppelpreissysteme bei Bosch Siemens
Hausgeräte und GARDENA | Abs. 14 |
| a) Die Bosch Siemens Hausgeräte GmbH (BSH) stellt
elektrische Hausgeräte her, die sie im Geschäftsjahr 2012
mit einem Gesamtumsatz von ca. 10 Mrd. Euro weltweit vertrieb. Davon
fallen 2 Mrd. Euro auf Deutschland und 6 Mrd. Euro auf die EU. Im
Jahr 2013 führte die BSH mit den Hybrid-Fachhändlern, also
solchen die sowohl über ein Ladenlokal als auch über das
Internet ihre Ware vertreiben, folgendes Rabattsystem ein: | Abs. 15 |
| Für den erzielten Umsatz wurden nachträglich
Leistungsrabatte gewährt, deren Höhe von der Art des
Vertriebs abhing. Verkäufe über stationäre
Ladengeschäfte wurden dabei mit einem mehr als 5x so hohen
Rabattsatz honoriert wie Vertriebsleistungen im Online-Bereich.
Händler, die einen relativ großen Anteil im E-Commerce
umsetzten, erzielten also einen weitaus geringeren Rabatt als
Händler, die überwiegend stationär tätig
sind. | Abs. 16 |
| Das dargestellte Rabattsystem bewirkte nach Ansicht des
BKartA eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Art. 101 I 1
AEUV, § 1 GWB. | Abs. 17 |
| Durch die unterschiedlichen Rabatte wird ein Vertrieb
über den Online-Handel sanktioniert und werden Anreize
geschaffen, die Produkte verstärkt stationär zu
vertreiben. Dadurch steigt für den Verbraucher der Preis der
BSH-Produkte im Online-Handel, da die niedrigeren Rabatte an die
Verbraucher weitergegeben werden. Zudem wird der Händler dazu
veranlasst, seinen Vertrieb aktiv vom E-Commerce hin zum
stationären Ladengeschäft umzulenken. Durch das in der
Folge geringere Angebot im Internet könnte der Preis der
BSH-Produkte nicht nur im Online-Handel ansteigen, da der Preisdruck
des Internet-Handels auf die Ladengeschäfte verringert wird und
der Wettbewerb zwischen den beiden Vertriebsformen Online/Offline
verfälscht wird. | Abs. 18 |
| Eine Freistellung der vorliegenden
Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 101 III AEUV, § 2 GWB
lag nach Ansicht der Wettbewerbshüter nicht vor. Dafür
wäre eine Gruppenfreistellung oder eine Einzelfreistellung in
Betracht gekommen: | Abs. 19 |
| Da es sich bei der Vereinbarung um eine solche handelt,
durch die der Absatz an eine bestimmte Kundengruppe durch das
Doppelpreissystem beschränkt wird, handelt es sich um eine
Kernbeschränkung im Sinne des Art. 4b) der
Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 330/2010 über die
Anwendung von Art. 101 III AEUV. Folglich scheidet eine
Gruppenfreistellung aus. | Abs. 20 |
| Für eine Einzelfreistellung müssten nach Art.
101 III Var. 3 AEUV, § 2 I GWB Effizienzvorteile durch das
Doppelpreissystem erwirkt und an den Verbraucher weitergegeben
werden. Da die Folge des Doppelpreissystems bereits eine
Beschränkung des Preiswettbewerbs darstellt, kommt nur eine
Verbesserung des Qualitätswettbewerbs in Betracht, die jedoch
nicht ersichtlich ist. Die Beschränkung müsste
darüber hinaus unerlässlich sein, was für das BKartA
ebenfalls nicht gegeben ist. Dagegen schlägt das BKartA fixe
Zuschüsse für Händler mit Stationärvertrieb vor,
die nicht nach dem Umsatz sondern beispielsweise nach
Verkaufsfläche oder Mitarbeiteranzahl berechnet werden, da so
keine Behinderung des Online-Vertriebs erfolgt. Da jedoch nach den
Ermittlungen des BKartA weder ein Trittbrettfahrerproblem besteht,
noch der Stationärvertrieb höhere Gesamtkosten als der
Online-Vertrieb verursacht, müsste ein derartiges
Zuschusssystem ebenfalls überprüft werden. | Abs. 21 |
| Das daraufhin geänderte Rabattsystem für das
Jahr 2014 enthält für Online- wie Offline-Handel für
Präsentations- und Beratungsleistungen inhaltlich
korrespondierende und somit zulässige Rabatte auf qualitativer
Ebene.[3] | Abs. 22 |
| b) Der Gartenprodukte-Hersteller GARDENA setzte
gegenüber seinen Vereinbarungen mit Einzelhändlern auf ein
ähnliches gespreiztes Rabattsystem, bei dem zwischen den
Vertriebsformen Online-Handel und stationärem Handel
differenziert wird. Durch die Gewährung unterschiedlicher
Rabatte wird der Absatz über das Internet schlechter gestellt
oder die Händler gar gänzlich davon abgehalten, einen
Internetvertrieb aufzubauen. Dieses Doppelpreissystem ist ebenfalls
wie im obigen Fall nicht freistellungsfähig und somit nach
deutschem und europäischem Kartellrecht wettbewerbswidrig (Art.
101 I 1 AEUV, § 1 GWB). | Abs. 23 |
| GARDENA hat das Rabattsystem abgestellt und eine
Neuregelung umgesetzt, die den Händlern unabhängig vom
Vertriebsweg gleiche Konditionen gewährt, sodass das BKartA das
Verfahren einstellen konnte.[4] | Abs. 24 |
| c) Ein weiterer interessanter Fall aus dem Jahr 2011
stellt das Vorgehen des BKartA gegen die Aloys F. Dornbracht GmbH &
Co. KG (Aloys F. Dornbracht) dar. Der Luxusarmaturenhersteller
gewährte Händlern hohe Rabatte auf den Listenpreis
für die Einhaltung von Qualitätskriterien
(Gewährleistung einer fachgerechten Montage, Inbetriebnahme der
Produkte und adäquaten Service nach dem Verkauf), die für
Discounter, Baumärkte und Internethändler quasi
unerfüllbar waren. Auch dieses das selektive Vertriebssystem
bezweckende Doppelpreissystem durch diesmal qualitative, nicht
quantitative Anforderungen, ist ein Wettbewerbsverstoß nach
Art. 101 I AEUV, § 1 GWB. Das Verfahren konnte jedoch
eingestellt werden, weil die Aloys F. Dornbracht die umstrittenen
Klauseln aus ihren Vertragsbedingungen entfernte. [5] | Abs. 25 |
| 3. Selektive Vertriebssysteme bei Sennheiser, Adidas
und ASICS | Abs. 26 |
| a) Die Sennheiser Vertriebs- und Service GmbH
(Sennheiser) vertreibt Audio-Produkte über autorisierte
Händler, mit denen vereinbart wurde, dass die
Sennheiser-Produkte nicht über Plattformen Dritter im Internet
vertrieben werden dürfen. Als Beispiel explizit dafür
genannt wird der Amazon Marketplace. Das Plattformverkaufsverbot
hatte zur Folge, dass der Online-Vertrieb wesentlich
eingeschränkt war. Ebenfalls autorisierter Händler war
jedoch Amazon selbst, was bedeutet, dass dieser alle
Qualitätskriterien für den Online-Vertrieb erfüllte.
Somit konnte Sennheiser nicht den anderen Händlern untersagen,
über die Plattform eines anderen autorisierten Händlers
seine Produkte zu vertreiben. Da Sennheiser seinen
Vertragshändlern mitgeteilt hat, sich im Rahmen des
Plattformverbots nicht auf das Beispiel Amazon Marketplace zu
berufen, hat das BKartA kein Verfahren nach Art. 101 I AEUV, §
1 GWB eingeleitet.[6] | Abs. 27 |
| b) Adidas ist einer der weltweit führenden
Sportartikelhersteller und betreibt ein selektives Vertriebssystem
in dem nur autorisierte Händler die adidas-Produkte an
Endkunden verkaufen dürfen. Seit 1. Januar 2013 wendet adidas
dabei seine E-Commerce Bedingungen an, in denen ein Verkaufsverbot
über offene Marktplätze im Internet enthalten ist. Offene
Marktplätze im Sinne der E-Commerce Bedingungen sind solche
Marktplätze auf denen der Handel zwischen privaten Konsumenten,
der Handel und Verkauf von gebrauchter und/oder beschädigter
Ware sowie das Angebot des gleichen Produkts durch mehrere
Verkäufer möglich ist. Verboten war zudem eine Verlinkung
zur eigenen Verkaufsseite von anderen Homepages aus, wenn auf der
anderen Seite das Logo des Dritten sichtbar war. Zulässig war
also allein der Verkauf über geschlossene Marktplätze
(z.B. Zalando, Otto). Adidas hat dabei auf einigen relevanten
Märkten einen Marktanteil von über 30%, weshalb dort die
EU-Verordnung Nr. 330/2010 (Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung)
nicht greift. | Abs. 28 |
| Dieses Vorgehen stellt eine unzulässige
Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 101 I AEUV, § 1 GWB dar.
Einerseits wird der Wettbewerb innerhalb der von adidas
autorisierten Einzelhändler verzerrt, andererseits können
derartige Vereinbarungen auch negative Konsequenzen für den
Wettbewerb zwischen zwei verschiedenen Marken nach sich ziehen. Ein
derartiges selektives Vertriebssystem stellt jedoch dann keine
unzulässige Wettbewerbsbeschränkung dar, wenn objektive
Qualitätskriterien für alle Einzelhändler
diskriminierungsfrei angewendet werden, die zur
Qualitätssicherung erforderlich sind.[7] Nach Ansicht des BKartA stellt das hier
vorliegende Verbot jedoch bereits keine Einschränkung rein
aufgrund qualitativer Anforderungen dar, sondern schließt
einige Vertriebskanäle gänzlich aus, ohne für die
Sicherung der Qualität beispielsweise der Präsentation der
Ware erforderlich zu sein. Es wären zumindest spezifische
Regeln als milderes Mittel möglich. | Abs. 29 |
| Einige große Einzelhändler greifen zwar auf
die offenen Marktplätze nicht zurück, weil sie bereits
eigene konkurrenzfähige Online-Shops haben. Besonders die
kleinen und mittelgroßen Fachhändler können sich
dies jedoch nicht leisten und sind somit auf die Bekanntheit der
Marktplätze angewiesen, da viele potentielle Kunden ihre Suche
bereits auf diesen Seiten beginnen. Falls dennoch kleine Shops
für das Internet erstellt werden würden, hätten
kleinere Shops keine Chance im oberen Bereich der
Suchmaschinenergebnissen gelistet zu werden und wären folglich
nicht konkurrenzfähig. Ferner wären, selbst wenn der
Internetauftritt eines kleinen Shops realistisch auffindbar
wäre, die Kunden weniger bereit dort mangels Erfahrung und
aufgebautem Vertrauen bezüglich der einfachen und sicheren
Zahlungsabwicklung zu kaufen. Den kleinen und mittelgroßen
Einzelhändlern ist es durch das Marktplatzverbot also enorm
erschwert, mehr und andere Kundschaft als im stationären
Ladengeschäft über das Internet zu erreichen. | Abs. 30 |
| Für die Wettbewerbsbeschränkungen kommen
verschiedene Gründe der Freistellung nach Art. 101 III AEUV,
§ 2 GWB in Betracht. Dafür müsste die Maßnahme
unerlässlich sein zur Verbesserung der Warenerzeugung oder
Warenverteilung oder zur Förderung des technischen oder
wirtschaftlichen Fortschritts beitragen und zugleich die Verbraucher
an dem daraus entstehenden Gewinn angemessen beteiligen. | Abs. 31 |
| In Betracht kamen hier Effizienzsteigerungen, von denen
der Verbraucher dann angemessen profitieren müsste und für
deren Erreichung die Einführung des Marktplatzverbots
unerlässlich wäre. | Abs. 32 |
| Der Schutz der Einzelhändler vor einem intensiven
Preisdruck stellt dabei noch keinen Effizienzgewinn dar, da von den
daraus resultierenden höheren Preisen nur die
Einzelhändler, die Endkunden jedoch nicht, profitieren. | Abs. 33 |
| Darüber hinaus könnte die Bekämpfung
eines Trittbrettfahrerproblems eine Effizienzsteigerung darstellen.
Dieses Problem ergibt sich bei jeder Art von Verkauf im Online und
Offline Bereich, wenn Händler in Beratung und
Markenpräsentation investieren; es ist also kein spezifisches
Online-Marktplatzproblem. Dennoch ist das Ausmaß hier
womöglich am höchsten, da der Suchaufwand für
Alternativangebote sehr gering ist. Das Trittbrettfahren findet
jedoch nicht nur von Offline zu Online statt, sondern auch von
Online zu Offline, wenn die Kunden bereits mit im Internet
gebildeten konkreten Vorstellungen in ein Ladengeschäft gehen.
Für die Kunden ist es jedenfalls von Vorteil, wenn die
Darstellung auf Online-Marktplätzen den Anforderungen des
Herstellers entspricht, diese somit qualitativ hochwertig ist und
der Händler deswegen als autorisiert erkennbar ist. Dies kann
jedoch nur erreicht werden, wenn die autorisierten Händler mit
einer entsprechenden Genehmigung auch auf derartigen
Marktplätzen anbieten dürfen. Da
Qualitätsanforderungen ausreichend wären, ist ein
pauschales Verbot dafür jedenfalls nicht
unerlässlich. | Abs. 34 |
| Darüber hinaus kommt der Schutz des Markenimages in
Betracht. Jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass jeglicher
Verkauf über offene Plattformen das adidas-Image schädigt.
Vielmehr gab es bereits qualitative Vorgaben für den
stationären Verkauf, die mit zusätzlichen Anpassungen auch
Online anwendbar wären. Das Markenschutzargument kann also
nicht pauschal Wettbewerbsbeschränkungen rechtfertigen. | Abs. 35 |
| Es ergeben sich also keine Effizienzgewinne aus der
Maßnahme, den Verkauf über offene Marktplätze zu
untersagen. | Abs. 36 |
| Selbst wenn man von effizienzsteigernden Effekten
ausgehen würde, müsste der Verbraucher daran auch
angemessen beteiligt werden. Dafür käme beispielsweise in
Betracht, dass nur durch ein derartiges Verbot jedem Kunden das
entsprechende Kauferlebnis mit der notwendigen Beratung
ermöglicht wird. Jedoch haben mittlerweile die
unterschiedlichen Kunde auch in Abhängigkeit des zu erwerbenden
Produkts unterschiedliche Vorstellungen und Bedürfnisse was die
Beratung und Präsentation der Ware angeht. Damit hängt
auch die Bereitschaft zusammen, einen höheren oder niedrigeren
Preis zu zahlen. Wenn also zumindest einem Teil der Kunden die
Möglichkeit genommen wird, über die von ihnen bevorzugten
Vertriebskanäle einzukaufen, kann schwerlich von einer
angemessenen Verbraucherbeteiligung ausgegangen werden. Diejenigen
Verbraucher, die die Verkaufsform des offenen Marktplatzes nicht
wählen, können die anderen Vertriebskanäle weiterhin
nutzen. | Abs. 37 |
| Eine angemessene Verbraucherbeteiligung an den Gewinnen
der wohl fehlenden Effizienzsteigerungen ist also ebenfalls nicht
gegeben. | Abs. 38 |
| Die Maßnahme müsste zusätzlich zur
Zielerreichung unerlässlich sein. Für die bezweckten Ziele
sind jedoch qualitative Anforderungen das weniger
wettbewerbsbeschränkende Mittel und auch realistisch
umsetzbar. | Abs. 39 |
| Das Vorgehen von adidas ist mithin eine unzulässige
Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 101 I AEUV, § 1
GWB. | Abs. 40 |
| Aufgrund des Einschaltens des BKartA veränderte
adidas seine Vertriebsrichtlinien dahingehend, dass qualitative
Kriterien für die Präsentation eingehalten werden
müssen. Unter anderem müssen bei einer Suche nach
adidas-Produkten auch vorrangig adidas-Produkte im Suchergebnis
erscheinen. Dies ist sowohl im Interesse des Herstellers als auch im
Interesse des Kunden.[8] | Abs. 41 |
| c) Der Sportschuh- und Sportbekleidungshersteller ASICS
Corporation (ASICS) untersagte seinen Händlern ebenfalls den
Vertrieb über Marktplätze wie eBay oder Amazon, die
Eintragung der Angebote in Preissuchmaschinen und die Nutzung der
Markenzeichen auf Dritthomepages, selbst um auf die
Händlerseite zu verlinken. Ferner gibt es weitere, den
Online-Handel nicht betreffende Einschränkungen. | Abs. 42 |
| Auch in diesen Vorgaben sieht das BKartA
unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen. Das Verfahren ist
jedoch noch nicht abgeschlossen.[9] | Abs. 43 |
| 3. Vertikale Preisbindung bei Recticel Schlafkomfort
GmbH | Abs. 44 |
| Die Recticel Schlafkomfort GmbH (Recticel GmbH)
versuchte, die Einzelhändler, die Matratzen der Recticel GmbH
vertreiben, zur Einhaltung eines Mindestverkaufspreises zu bewegen.
Insbesondere Internetvertrieben wurden „Strafen" (z.B.
Sperrung des Händlers bei Google-Adwords oder die Sperrung des
Händlers bei Ebay im Rahmen der Anwendung des
Ebay-Markenschutzprogramms wegen unerlaubter Nutzung der
Herstellerdaten) bei Unterschreitung des gewünschten
Verkaufspreises auferlegt. | Abs. 45 |
| Das Vorgehen verstößt gegen das sogenannte
„Verbot der Preisbindung der zweiten Hand" aus Art. 4 a) VO
330/2010 iVm Art. 101 I AEUV, § 1 GWB. Dafür muss ein
anbietendes Unternehmen mit einem anderen Unternehmen (Erstabnehmer)
eine Vereinbarung treffen, dass das zweite Unternehmen die vom
ersten Unternehmen bezogenen Produkte nur zu einem bestimmten Preis
an Dritte verkauft.[10] Hier lag keine Vereinbarung vor, sondern eine Behinderung des
zweiten Unternehmens durch das erste Unternehmen bei einem
Verstoß gegen die Vorgabe des anbietenden Unternehmens. | Abs. 46 |
| Der Recticel GmbH wurde vom BKartA eine Geldbuße
in Höhe von 8,2 Mio. Euro auferlegt. | Abs. 47 |
| |
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| Fußnoten | |
| * Florian
Grießer |
| Der Autor ist studentische Hilfskraft am Lehrstuhl
für Bürgerliches Recht, Vergleichende Rechtsgeschichte und
Rechtsphilosophie (Prof. Dr. Wolfgang Forster) der Eberhard Karls
Universität Tübingen. |
| Michael Stefan |
| Der Autor begleitet seit 1998 die Entwicklung des
Internetrechts als Autor zahlreicher Publikationen sowie im Rahmen
wissenschaftlicher Internetprojekte am Institut für
Rechtsinformatik, Saarbrücken und hält
regelmäßig Vorträge und Fortbildungen zu
Einzelthemen des IT-Rechts. Michael Stefan ist Dozent für
Medienrecht an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und
externer Datenschutzbeauftragter in diversen mittelständischen
Unternehmen. Er ist Mitglied des Deutschen EDV-Gerichtstages e.V.
und des Beirats Breitband Neckar-Alb. Der Autor ist Partner der
Kanzlei Alber & Stefan (www.alber-stefan.de) und berät seit
2006 als Rechtsanwalt mittelständische Unternehmen,
Behörden, Rechenzentren und Agenturen in allen Fragen des
IT-Rechts und des Rechts der Neuen Medien. |
| [1] Beschluss
des BKartA der 9. Beschlussabteilung im Verfahren B 9 - 66/10 vom
20.12.2013, http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Entscheidung/DE/Entscheidungen/Kartellverbot/2013/B9-66-10.pdf?__blob=publicationFile&v=2, zuletzt abgerufen am 08.10.2014. |
| [2] Pressemitteilung des BKartA vom 26.11.2013: „Amazon gibt
Preisparität endgültig auf",
http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2013/26_11_2013_Amazon-Verfahrenseinstellung.html,
zuletzt abgerufen am 08.10.2014. |
| [3] Fallbericht
des BKartA vom 23.12.2013, Aktenzeichen: B7-11/13,
http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Entscheidung/DE/Fallberichte/Kartellverbot/2013/B7-11-13.pdf?__blob=publicationFile&v=4,
zuletzt abgerufen am 08.10.2014. |
| [4] Fallbericht
des BKartA vom 05.12.2014, Entscheidung vom 27.11.2013, Aktenzeichen
B5-144/13,
http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Entscheidung/DE/Fallberichte/Kartellverbot/2013/B05-144-13.pdf?__blob=publicationFile&v=3,
zuletzt abgerufen am 08.10.2014. |
| [5] Fallbericht
des BKartA vom 13.12.2011, Aktenzeichen B5-100/10,
http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Entscheidung/DE/Fallberichte/Kartellverbot/2011/B5-100-10.pdf?__blob=publicationFile&v=4,
zuletzt abgerufen am 08.10.2014. |
| [6] Fallbericht
des BKartA vom 24.10.2013, Aktenzeichen B7-1/13-35,
http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Entscheidung/DE/Fallberichte/Kartellverbot/2013/B7-1-13-35.pdf?__blob=publicationFile&v=4,
zuletzt abgerufen am 08.10.2014. |
| [7] EuGH, Urteil
vom 13.10.2011, C-439/09, „Pierre Fabre", Rz. 41,
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62009CJ0439:DE:HTML,
zuletzt abgerufen am 08.10.2014. |
| [8] Fallbericht
des BKartA vom 19.08..2014, Entscheidung vom 27.06.2014,
Aktenzeichen B3-137/12,
http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Entscheidung/DE/Fallberichte/Kartellverbot/2014/B3-137-12.pdf?__blob=publicationFile&v=2,
zuletzt abgerufen am 08.10.2014. |
| [9] Pressemitteilung des BKartA vom 28.04.2014: „Bundeskartellamt
sieht Beschränkungen des Online-Vertriebs bei ASICS kritisch",
http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2014/28_04_2014_Asics.html?nn=3591568,
zuletzt abgerufen am 08.10.2014. |
| [10] Lettl,
Kartellrecht, 3. Auflage, § 2 Rn. 149. |
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| (online seit: 28.04.2015) |
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| Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok,
Abs. |
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