JurPC Web-Dok. 157/2014 - DOI 10.7328/jurpcb20142910156

Ralf Köbler *

Auf der grünen Wiese der Wissenschaft - Ansätze zu einer Verfahrensordnung für originär elektronisch geführte Gerichtsverfahren

Eine Arbeitsgruppe der EBS Law School in Wiesbaden wagt Neues zu denken

JurPC Web-Dok. 157/2014, Abs. 1 - 8


Nach dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs (vom 16.10.2013, BGBl. I, S. 3786) kommt der verbindliche elektronische Rechtsverkehr zwischen Gerichten und Anwälten sowie zwischen Gerichten und Vertretern öffentlich-rechtlicher Einrichtungen spätestens 2022 bundesweit. Dann wird Deutschland nachvollzogen haben, was in einigen europäischen Ländern (in Österreich gewiss seit 20 Jahren) bereits kommunikative Realität ist. Law made in Germany als normativer Spätzünder?Abs. 1
Die in Deutschland vorgesehene Ausgestaltung des elektronischen Rechtsverkehrs ist eine Digitalisierung der Postkutsche: Die Verfahrensordnungen für gerichtliche Verfahren sind auf eine Gleichsetzung der digitalen mit der papiernen Welt ausgestaltet worden - die neuen digitalen Verfahrensabläufe bilden die überkommenen papiernen Abläufe exakt ab. Dieser Ansatz dürfte das Potenzial originär elektronischer Geschäftsprozesse indessen nicht ausschöpfen. So wenig ändern wie möglich, war der normative Impetus.Abs. 2
Wenngleich dies der Rechtspraxis und der geringen Innovationsgeschwindigkeit im juristischen Denken gerecht werden mag, im Internetzeitalter sollte mehr gedacht und gemacht werden dürfen. Wissenschaft darf allemal quer denken.Abs. 3
Gemeinsam mit Prof. Dr. Matthias Weller, Mag.rer.publ. hat der Autor daher an der EBS Law School in Wiesbaden eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich auf die „grüne Wiese" der Wissenschaft begeben hat: Das Ziel ist, die Prinzipien einer gerichtlichen Verfahrensordnung für ausschließlich elektronisch geführte Verfahren zu erarbeiten. Mitglieder der Arbeitsgruppe sind „digital ambitionierte" Justizpraktiker und Anwälte, Vertreter der Anwaltssoftwarebranche, ein Weltunternehmen für Datenbanken, ein Unternehmen, das sich mit IT-Sicherheitslösungen befasst. Der Bericht der Arbeitsgruppe ist für Mitte 2015 zu erwarten.Abs. 4
Was ist neu am Ansatz der Arbeitsgruppe?Abs. 5
Während bisher – dem Zeitalter „digitalen Misstrauen" gemäß – davon ausgegangen wird, dass Gericht und Gegenseite selbständige elektronische Akten zu führen haben, geht die Arbeitsgruppe von einer gemeinsamen Arbeitsplattform aus. Aus den beiderseitigen elektronischen Akten wird „der eine" digitale „Prozessstoff-Container", auf den die Berechtigten, die Prozessbeteiligten, gemeinsam sicher zugreifen, darin arbeiten und neue Dokumente hinzufügen. Der von dem herrschenden Ansatz her erforderliche „Versand" von Dokumenten wird durch Upload-Verfahren und gegenseitige Benachrichtigung ersetzt. So wird ein gemeinsames Arbeiten an einer einheitlichen Verfahrensdokumentation möglich, die immer aktuell und vollständig im online-Zugriff sein soll.Abs. 6
Es liegt auf der Hand, dass ein solcher Ansatz, der über „E-Mail-Denken" hinausreicht, eine Reihe von Normen zur Regelung von Zugriffsrechten, zur Sicherheitsarchitektur, zur Ersatzeinreichung bei technischem Ausfall, zur Wiedereinsetzung und vielem mehr benötigt. Es ist die Aufgabe, die sich die Arbeitsgruppe gestellt hat, diese Normen zumindest ihren Grundüberlegungen nach zu erdenken und zu beschreiben.Abs. 7
2015 wird dieser Beitrag fortgesetzt werden können.Abs. 8

* Dr. Ralf Köbler ist Ministerialdirigent im Hessischen Justizministerium, Wiesbaden.
(online seit: 14.10.2014)
 
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok, Abs.
 
Zitiervorschlag: Köbler, Ralf, Auf der grünen Wiese der Wissenschaft - Ansätze zu einer Verfahrensordnung für originär elektronisch geführte Gerichtsverfahren - JurPC-Web-Dok. 0157/2014