JurPC Web-Dok. 146/2013 - DOI 10.7328/jurpcb2013289149

VG Wiesbaden
Beschluss vom 09.08.2013

6 L 778/13.WI

Sperrung von Daten im Schengener Informationssystem (SIS II)

JurPC Web-Dok. 146/2013, Abs. 1 - 43


§ 123 VwGO; Art. 23 Abs. 1 EU-DAT-SchRL; Art. 95 Abs. 2, Art. 126 Abs. 3 SDÜ; Art. 59, Art. 64 Beschluss des 2007/533/JI-Rates vom 12. Juni 2007 über die Errichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II)

Leitsätze

  1. Das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) sieht eine Sperrung technisch nicht vor. Soweit der Antragsteller die Sperrung seiner Daten im Schengener Informationssystem begehrt, ist daher der Antrag auf etwas Unmögliches gerichtet.
  2. Ab dem 1. Dezember 2014 muss eine Sperrmöglichkeit systembedingt gegeben sein.
  3. Die fehlende weitere Setzung von "flags" verstößt gegen das Gebot der Datensparsamkeit, weshalb insoweit das SIS II-System mangels weiterer Kennzeichnungsmöglichkeit rechtlich bedenklich ist.
  4. Werden Daten unrechtmäßig im SIS II gespeichert, so steht dem Betroffenen ein immaterieller Schadensersatz zu. Die Sanktion "Schadenersatz" muss die verantwortliche Stelle so treffen, dass sie zukünftig die datenschutzrechtlichen Vorgaben einhält.

G r ü n d e :

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine von den Niederlanden vorgenommene Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS). Dort ist er von den niederländischen Behörden zum Zwecke der Festnahme zur Strafvollstreckung eingegeben. Bezüglich Deutschlands ist die Ausschreibung von der ausschreibenden Stelle nachträglich mit einer Kennzeichnung versehen, dies mit dem Hinweis "Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung" ("geflagt"). JurPC Web-Dok.
146/2013, Abs. 1
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 19.07.2013 (Az.: 6 K 993/12.WI) wurde festgestellt, dass die Daten des Klägers im SIS rechtswidrig gespeichert sind mit der Folge, dass die Daten von der für die Eingabe verantwortlichen Stellen zu löschen sind. Die Entscheidung wurde dem Bundeskriminalamt am 23.07.2013 zugestellt und ist noch nicht rechtskräftig. Abs. 2
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 05.08.2013, eingegangen beim Verwaltungsgericht Wiesbaden am selben Tage, begehrt der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass er seit Jahren daran gehindert sei, seine Freizügigkeit als Unionsbürger ( Art. 21 AEUV) in Anspruch zu nehmen. Er könne sich nicht einmal in Deutschland oder in Norwegen, Ländern, in denen die Ausschreibung mit einer "flag" versehen sei, frei bewegen, weil er ständig befürchten müsse, zumindest für eine vorübergehende Zeit sistiert zu werden. Noch gravierender sei die Ausschreibung in den übrigen Unionsstaaten für die das SIS anwendbar sei. Dort müsse er befürchten, dass er aufgrund der rechtswidrigen Ausschreibung im SIS längerfristig festgehalten werde. All dies verstoße gegen den Status des Antragstellers als Unionsbürger, welcher ein Unionsrecht sei. Die beschriebene Situation bestehe bereits seit der Ausschreibung durch die niederländischen Behörden im Jahre 2008. Das Bundeskriminalamt habe deutlich gemacht, dass das rechtswidrige Vorgehen der niederländischen Behörden gebilligt werde. Im Falle der Anfechtung des noch nicht rechtskräftigen Urteils wäre der Zustand zeitlich für eine nicht überschaubare Zeit perpetuiert. Man begehre lediglich eine vorläufige Maßnahme im Wege des Eilverfahrens. Zwar sei eine Sperrung im SIS nicht vorgesehen. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass der Antragsgegnerin hierzu eine Möglichkeit einfalle. Soweit eine Sperrung absolut undurchführbar sei, sei zumindest vorläufig eine Löschung zu vollziehen. Andernfalls müsse mindestens durch eine "flag" für alle Ausschreibungsstaaten sichergestellt werden, dass alle Ausschreibungsstaaten die mildeste Maßnahme zu ergreifen hätten. Abs. 3
Der Antragsteller beantragt, Abs. 4
die Antragsgegnerin zu verpflichten, bei den niederländischen Behörden dafür zu sorgen, dass die über den Antragsteller im SIS gespeicherten Daten bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren VG Wiesbaden, 6 K 993/12.WI, gesperrt werden; Abs. 5
hilfsweise Abs. 6
festzustellen, dass die niederländischen Behörden verpflichtet sind, die über den Antragsteller im SIS gespeicherten Daten bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren VG Wiesbaden, 6 K 933/12.WI, zu sperren; Abs. 7
hilfsweise Abs. 8
die Antragsgegnerin zu verpflichten, bei den niederländischen Behörden dafür zu sorgen, dass die über den Antragsteller im SIS gespeicherten Daten vorläufig gelöscht werden; Abs. 9
hilfsweise Abs. 10
festzustellen, dass die niederländischen Behörden verpflichtet sind, die über den Antragsteller im SIS gespeicherten Daten bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren VG Wiesbaden, 6 K 993/12.WI, vorläufig zu löschen; Abs. 11
hilfsweise Abs. 12
die Antragsgegnerin zu verpflichten, bei den niederländischen Behörden dafür zu sorgen, dass die Ausschreibung des Antragstellers im SIS hinsichtlich der Ausschreibungsstaaten bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren VG Wiesbaden, 6 K 993/12.WI, mit einer "flag" versehen sind; Abs. 13
hilfsweise Abs. 14
festzustellen, dass die niederländischen Behörden verpflichtet sind, die Ausschreibung des Antragstellers im SIS hinsichtlich aller Ausschreibungsstaaten mit einer "flag" zu versehen, bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren VG Wiesbaden, 6 K 993/12.WI. Abs. 15
Das Bundeskriminalamt beantragt, Abs. 16
den Antrag zurückzuweisen. Abs. 17
Es weist darauf hin, dass bezüglich des Haupt- und des ersten Hilfsantrages (Sperrung der über den Antragsteller im SIS gespeicherten Daten bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Verfahrens des Verwaltungsgerichts Wiesbaden, 6 K 993/12.WI) eine Sperrung nicht möglich sei, da eine Sperrung im SIS II nicht vorgesehen ist. Es bestehe keine technische Handhabe die Daten zu sperren, weder für zuständige niederländische Behörde noch für die Antragsgegenerin. Abs. 18
Bezüglich der beiden Hilfsanträge, bezogen auf die vorläufige Löschung, wirde angemerkt, dass es sich dabei um eine Vorwegnahme der Hauptsache handele. Selbstverständlich käme eine Löschung der über den Antragsteller im SIS gespeicherten Daten – und seien diese auch nur "vorläufig" – einer Vorwegnahme der Hauptsache gleich. Die Frage, ob die Daten zu löschen seien oder nicht, sei Gegenstand des Hauptsacheverfahrens, welches noch nicht rechtskräftig zum Abschluss gekommen sei. Es liege in der Natur der Sache, dass ein eventuelles Beschreiten des Instanzenweges eine zeitliche Verzögerung mit sich bringe, welche zu Lasten des Antragstellers gehe. Für diesen, aus Sicht des Antragstellers, misslichen Umstand sei jedoch nicht die Antragsgegnerin sondern der Antragsteller selbst verantwortlich. Auch sein ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung bzw. deren Rechtskraft nicht unzumutbar, wie es im Falle einer Regelungsanordnung erforderlich sei. Erst in einem Fall der Unzumutbarkeit, das bedeute, bei einem Eintritt wesentlicher Nachteile drohender Gewalt, wäre hiernach ein Anordnungsgrund gegeben. Diese Qualität der Beeinträchtigung sei vorliegend jedoch bei Weitem nicht erreicht. Abs. 19
Bezüglich der letzten Hilfsanträge ("flag"-Setzung durch die Niederlande für alle Staaten) müsse mitgeteilt werden, dass dies im SIS nicht vorgesehen sei. Wie bereits im Hauptsacheverfahren geklärt, verhalte es sich vielmehr so, dass die "flag"-Setzung durch jeden einzelnen Staat, der sich aus rechtlichen Gründen gehindert sehe, der Ausschreibung nachzukommen, bei dem ausschreibenden Staat beantragt werden müsse. Eine entsprechende Beantragung einer Kennzeichnung der Fahndung für alle Ausschreibungsstaaten könne daher durch die deutsche Behörde nicht beantragt werden. Selbst wenn ein solcher Antrag an die niederländischen Behörden herangetragen werde, könne von dort keine Umsetzung erfolgen, da es selbst dem ausschreibenden Staat nicht möglich sei, auf Antrag eines Einzelmitgliedsstaates die Kennzeichnung der Fahndung zusätzlich noch für dritte Staaten vorzunehmen. Ein solcher Antrag müsse durch die Niederlande als unzulässig und undurchführbar zurückgewiesen werden. Im Übrigen käme die beantragte Maßnahme faktisch einer Rücknahme der Schengen weiten Festnahmeausschreibung seitens der Niederlande gleich. Dies begehre der Antragsteller jedoch im Hauptsacheverfahren. Nach alledem bestehe weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund. Abs. 20
Sowohl der Bevollmächtigte des Antragstellers (Bl. 5 GA) als auch die Antragsgegnerin (Bl. 17 GA) haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt. Abs. 21
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Akte des Hauptsacheverfahrens 6 K 993/12.WI sowie die hinzugezogenen Behördenakten Bezug genommen, welche sämtlich zum Gegenstand der Entscheidung gemacht worden sind. Abs. 22

II.

Das Gericht der ersten Instanz ist, solange kein Rechtsmittel gegen das Urteil des VG Wiesbaden vom 19.07.2013, 6 K 993/12.WI, eingelegt worden ist, das Gericht der Hauptsache und damit zur Entscheidung befugt (§ 123 Abs. 2 VwGO). Abs. 23
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Abs. 24
Diese Voraussetzungen liegen vorliegend nicht vor. Soweit der Antragsteller mit seinem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag die Sperrung seiner Daten im Schengener Informationssystem begehrt, ist der Antrag auf etwas unmögliches gerichtet. Abs. 25
Wie bereits im Hauptsacheverfahren festgestellt, lässt das System SIS II technisch eine Sperrung der Daten weder im N-SIS noch im CS-SIS zu. Abs. 26
Dies ergibt sich auch aus dem Beschluss des 2007/533/JI-Rates vom 12. Juni 2007 über die Errichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) – ABl. EU L 205, S. 63 – (zukünftig Beschluss des 2007/533/JI-Rates). So sieht  Art. 59 Beschluss des 2007/533/JI-Rates lediglich einen Anspruch auf Berichtigung, Löschung, Auskunftserteilung oder Schadenersatz zu. Zwar handelt es sich bei einer Sperrung um ein Minus gegenüber einer Löschung. Soweit die technischen Möglichkeiten jedoch für eine Sperrung nicht gegeben sind, ist der Antrag auf eine unmögliche Handlung gerichtet. Spätestens ab dem 1. Dezember 2014 müsste jedoch eine Sperrmöglichkeit gegeben sein (siehe  Art. 10 Titel VII – Übergangsbestimmungen über die vor dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon auf der Grundlage der Titel V und VI des Vertrages über die Europäischen Union angenommenen Rechtsakte – des Protokolls Nr. 36 über die Übergangsbestimmungen des Vertrages von Lissabon). Abs. 27
Weder der Beschluss des 2007/533/JI-Rates vom 12. Juni 2007 noch das Sirene-Handbuch und andere Durchführungsbestimmungen über das Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II) – siehe Durchführungsbeschluss der Kommission vom 26. Februar 2013 über das Sirene-Handbuch und andere Durchführungsbestimmungen für das Schengener Informationssystem der zweiten Generation – ABl. L 71, S. 1 – sehen praktisch eine Sperrmöglichkeit vor. Dies mit der Folge, dass auch technisch eine Sperrung nicht gegeben ist. Abs. 28
Dies mag zwar unter allgemein datenschutzrechtlichen Grundsätzen höchst bedenklich sein, bewegt sich jedoch noch im Rahmen des Überkommens zum Schutz der Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten vom 28.01.1991, welcher lediglich das Speichern, das Durchführen logischer oder rechnerischer Operationen, das Verändern, das Löschen, Wiedergewinn oder die Bekanntgabe von Daten kennt. Abs. 29
Soweit der Antragsteller mit den beiden weiteren Hilfsanträgen die vorläufige Löschung seiner Daten im SIS begehrt, liegt darin eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache. Soweit der Antragsteller geltend macht, dass er in Deutschland bei Personenkontrollen wegen der vorhandenen "flag"-Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung immer wieder kurzfristig sistiert werde, liegt darin eine nicht unbedeutende Beeinträchtigung des Klägers. Jedoch sind hierin keine so wesentlichen Nachteile oder Gefahren zu sehen, dass dies eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigt. Denn wenn die Daten gelöscht sind, können sie zwar später, wenn die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, wieder eingegeben werden, jedoch wäre damit das vorliegende Klageverfahren erledigt. Abs. 30
Hinzu kommt, dass die Ausschreibung nach den Ausführungen des Gerichts in dem Urteil ursprünglich vielleicht berechtigt war, jedoch die Verlängerung der Einstellung im SIS (nach Ablauf der ersten drei Jahre – siehe  Art. 44 Beschluss des 2007/533/JI-Rates–) bezüglich der Zweckverfolgung und der damit verbundenen Überprüfung und erneuten Rechtfertigung für das Gericht nicht nachvollziehbar war. Dabei stellte das Gericht jedoch auch darauf ab, dass  Art. 95 Abs. 2 SDÜ (damalige Rechtslage) vorschrieb, dass vor der Ausschreibung die ausschreibende Vertragspartei – hier die Niederlande – zu prüfen hatte, ob die Festnahme nach dem Recht der ersuchten Vertragspartei zulässig ist. Eine Vorgabe, die offensichtlich wohl von den niederländischen Behörden nicht erfüllt wurde. Abs. 31
Hinzu kommt, dass der Antragsteller im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens von dem Bundeskriminalamt bezüglich möglicher Kontrollen in Deutschland eine Bescheinigung vom 17.01.2012 ausgehändigt bekommen hat, dass in Deutschland keinerlei Maßnahmen auf der Grundlage einer im Schengener Informationssystem (SIS) bestehenden Ausschreibung der niederländischen Behörden durchgeführt werden soll (Bl. 142 GA 6 K 993/12.WI). Abs. 32
Gegenstand des Hauptsacheverfahrens ist die Frage, ob die Daten des Klägers zu löschen sind oder nicht. Eine Frage, welche durch ein "vorläufiges Löschen" nicht beantwortet werden kann Abs. 33
In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass, nach Rechtskraft des Urteils des VG Wiesbaden vom 19.07.2013, 6 K 993/12.WI, feststeht, dass die Daten des Antragstellers im SIS rechtswidrig gespeichert sind, dem Kläger für den Zeitraum der rechtswidrigen Speicherung ein Schadenersatz zusteht ( Art. 59 Abs. 1 Beschluss des 2007/533/JI-Rates). Abs. 34
Hierzu regelt  Art. 64 Beschluss des 2007/533/JI-Rates, dass, wenn jemand durch den Betrieb des N-SIS II geschädigt wird, nicht nur jeder Mitgliedsstaat nach Maßgabe seines nationalen Rechtes haftet, sondern dies auch gilt, wenn der Schaden durch den ausschreibenden Mitgliedsstaat verursacht worden ist, weil dieser sachlich unrichtige Daten eingegeben hat oder die Daten unrechtmäßig gespeichert hat. Im letzteren Fall hätten die niederländischen Behörden der Bundesrepublik Deutschland und mithin dem BKA für den zu zahlenden Schadenersatzanspruch des Antragstellers Ersatz zu leisten. Nach  Art. 64 Abs. 3 Beschluss des 2007/533/JI-Rates haftet der betreffende Mitgliedsstaat dafür, wenn er Verpflichtungen aus dem Beschluss des 2007/533/JI-Rates nicht nachgekommen ist und keine angemessenen Schritte unternommen hat, um den Schaden abzuwenden oder zu minimieren. Letzteres wäre dann offensichtlich bei den niederländischen Behörden der Fall, da sie weder auf die vom Gericht erlassenen Aufklärungsverfügungen reagiert haben, noch offensichtliche Fehler der Ausschreibungen bis heute berichtigt haben. Diese Neuregelung entspricht  Art. 126 Abs. 3 SDÜ alter Fassung. Hinzu kommt, dass jeder Missbrauch von SIS II-Daten gemäß  Art. 65 Beschluss des 2007/533/JI-Rates mit abschreckenden Sanktionen zu ahnden ist. Abs. 35
Insoweit stünde dem Antragsteller letztendlich entsprechend  Art. 23 Abs. 1 EU-DAT-SchRL immaterieller Schadenersatz zu, wobei die Sanktion "Schadenersatz" die verantwortliche Stelle so treffen muss, dass sie zukünftig die datenschutzrechtlichen Vorgaben einhält (zum immateriellen Schadenersatz siehe Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zu verschiedenen Rechtssetzungsvorschlägen über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen Somalia, Simbabwe, die Demokratische Republik Korea und Guinea – 1010/C73/01; ABl. C 73, S. 1, Rdnr. 50 ff. m.w.N. von Entscheidungen des EuGH zu diesem Thema). Damit werden durch einen entsprechend hohen immateriellen Schadenersatz, welcher nach der Rechtsprechung des EuGH auch abschreckende Wirkung haben muss, in Höhe von mindestens 50.000,-- € die Nachteile des Antragstellers im Nachhinein letztendlich mehr als ausgeglichen, so dass eine vorherige Beseitigung dieser Nachteile nicht erforderlich ist. Abs. 36
Das Gericht gestattet sich jedoch den Hinweis, dass auch bei eventuell laufendem Rechtsmittel die Höhe und Intensität des immateriellen Schadenersatzanspruches, welche dem Kläger zustehen könnte, die niederländischen Behörden durch ein entsprechendes Verhalten – ggf. auch durch eine Herausnahme der eingegebenen Daten im Schengener Informationssystem – beeinflussen können. Die bisherige Verweigerungshaltung wäre doch weiterhin zu berücksichtigen. Abs. 37
Die Frage des immateriellen Schadenersatzes ist jedoch von der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu entscheiden, welche ggf. bei entsprechenden Fragen zur Auslegung des EU-Rechts eine Vorlage an den EuGH zu machen hätte. Abs. 38
Soweit der Kläger mit seinen letzten beiden Hilfsanträgen eine "flag"-Setzung begehrt, ist der Antrag ebenfalls erfolglos, denn er ist auf eine unmögliche Handlung gerichtet. In der mündlichen Verhandlung in dem Verfahren 6 K 993/12.WI haben die Vertreter des Bundeskriminalamtes sehr deutlich erklärt, welche "flags" bisher im System gesetzt werden können. Dies deckt sich mit dem Sirene-Handbuch (SIS II). Ein Grund, warum der Antragsteller in Deutschland mit der Ermittlung des Aufenthaltsortes immer noch "geflagt" ist. Abs. 39
Bezüglich dieser Problematik wird voll inhaltlich auf das Urteil des Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 19.07.2013, 6 K 993/12.WI, Bezug genommen und von dem Gericht darauf hingewiesen, dass die fehlende weitere Setzung von "flags" gegen das Gebot der Datensparsamkeit verstößt und insoweit das SIS II-System mangels weiterer Kennzeichnungsmöglichkeit rechtlich bedenklich ist. Abs. 40
Nach alledem war der so gestellte Antrag und sämtliche Hilfsanträge abzulehnen. Dies mit der Folge, dass der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, § 154 Abs. 1 VwGO. Abs. 41
Die Festsetzung des Streitwertes entspricht der Bedeutung der Sache für den Antragsteller, wobei das Gericht die Hälfte des Auffangstreitwertes ausgegangen ist. Abs. 42
Rechtsmittelbelehrung: ...
JurPC Web-Dok.
146/2013, Abs. 43
Anmerkung der Redaktion:
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
[ online seit: 03.09.2013 ]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Verwaltungsgericht Wiesbaden, Beschluss vom 09.08.2013, 6 L 778/13.WI, Sperrung von Daten im Schengener Informationssystem (SIS II) - JurPC-Web-Dok. 0146/2013