JurPC Web-Dok. 190/2012 - DOI 10.7328/jurpcb20122712190

LG Duisburg
Urteil vom 12.10.2012

7 S 51/12

Aufklärung über die Höhe der Vergütung des Rechtsanwalts bei urheberrechtlichen Abmahnungen

JurPC Web-Dok. 190/2012, Abs. 1 - 12


Leitsätze

  1. Ein Rechtsanwalt ist nach Treu und Glauben verpflichtet, den Mandanten ungefragt über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung aufzuklären, wenn diese das vom Mandanten verfolgte Ziel (hier: Erlass bzw. Ermäßigung einer Schadensersatzforderung aufgrund einer urheberrechtlichen Abmahnung) wirtschaftlich sinnlos erscheinen lässt, weil die Kosten der anwaltlichen Vertretung (hier: 2.562,90 €) in einem krassen Missverhältnis zu dem erreichbaren wirtschaftlichen Vorteil (hier: bestenfalls 750,00 €) stehen (Anschluss BGH, NJW 2007, 2332).
  2. Die Mitteilung eines Kostenrahmens (hier: von 226,00 € bis 2.600,00 €) stellt keine ausreichende Aufklärung dar, wenn bei Beauftragung des Rechtsanwalts die Höhe der Vergütung aufgrund einer Vergütungsvereinbarung bereits feststeht.

G r ü n d e :

I.

Wegen der tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen wird Bezug ge­nom­men auf das an­ge­foch­te­ne Urteil (Bl. 201 ff. d. A.). Im Üb­ri­gen wird von einer Dar­stel­lung des Sach- und Streit­stan­des gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO ab­ge­se­hen. JurPC Web-Dok.
190/2012, Abs. 1

II.

Die zu­läs­si­ge Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat nur in dem aus dem Tenor er­sicht­li­chen Um­fang Er­folg. Im Üb­ri­gen ist sie un­be­grün­det. Abs. 2
1.  Die Klä­ge­rin hat gemäß §§ 611, 612, 398 BGB i. V. m. § 34 Abs. 1 S. 3 Hs. 3 RVG, Nr. 7008 VV RVG einen An­spruch gegen die Be­klag­te aus ab­ge­tre­te­nem Recht der M mbH (im Fol­gen­den „Ze­dentin“ ge­nannt) auf Zah­lung einer Erst­be­ra­tungs­ge­bühr in Höhe von 190,00 € zu­züg­lich 19 % Um­satz­steuer, mit­hin ins­ge­samt in Höhe von 226,10 €. Abs. 3
Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Amts­ge­richts be­rührt die in­halt­li­che Un­rich­tig­keit der mit­ge­teil­ten Ver­gü­tungs­be­rech­nung (Bl. 39 d. A.) nicht die Wirk­sam­keit der Mit­tei­lung nach § 10 RVG; der Auf­trag­ge­ber ist al­ler­dings nur zur Zah­lung der wirk­lich ent­stan­de­nen Ge­büh­ren ver­pflich­tet (vgl. Ge­rold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., § 10 Rn. 15; Mayer/Kroiß, RVG, 5. Aufl., § 10 Rn. 35). Dem­ent­spre­chend ist auch die von der Klä­ge­rin vor­ge­leg­te Ab­tre­tungs­urkun­de (Bl. 41 d. A.) da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen, dass sie den tat­säch­lich ent­stan­de­nen Ver­gü­tungs­an­spruch um­fasst, auch wenn die­ser nied­ri­ger ist als von der Ze­dentin be­rech­net. Abs. 4
Der aus­ge­urteil­te Zins­an­spruch er­gibt sich aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 BGB, da die Be­klag­te mit Ab­lauf der in dem klä­ge­ri­schen Schrei­ben vom 18.04.2011 (Bl. 46 d. A.) ge­setz­ten Frist (29.04.2011) mit der Zah­lung der be­rech­tig­ten For­de­rung in Ver­zug ge­ra­ten ist. Ein frü­he­rer Ver­zugs­be­ginn kommt nicht in Be­tracht, da das vor­ge­nann­te Schrei­ben nur als be­fris­te­te Mah­nung aus­zu­le­gen ist. Abs. 5
2.  Ein wei­ter­ge­hen­der Ver­gü­tungs­an­spruch der Ze­dentin ist aus den vom Amts­ge­richt zu­tref­fend dar­ge­stell­ten Grün­den, auf die zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen voll­um­fäng­lich Bezug ge­nom­men wird, nicht ent­stan­den. Das Be­ru­fungs­vor­brin­gen der Klä­ge­rin recht­fer­tigt in­so­weit keine an­de­re Be­urtei­lung, son­dern gibt le­dig­lich An­lass zu den fol­gen­den Er­gän­zun­gen. Abs. 6
Die Kam­mer teilt die Auf­fas­sung des Amts­ge­richts, dass die Höhe der Ge­büh­ren, die die Be­klag­te nach der von der Ze­dentin vor­for­mu­lier­ten Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­rung (Bl. 30 d. A.) zu zah­len hatte, das von ihr ver­folg­te Ziel wirt­schaft­lich sinn­los mach­te – mit der Folge, dass die Ze­dentin nach Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) aus­nahms­wei­se ver­pflich­tet war, die Be­klag­te un­ge­fragt über die vo­raus­sicht­li­che Höhe ihrer Ver­gü­tung auf­zu­klä­ren (vgl. BGH, NJW 2007, 2332). Der Be­ru­fung ist zu­zu­ge­ste­hen, dass die recht­li­che Prü­fung des mit der Ab­mah­nung gel­tend ge­mach­ten Un­ter­las­sungs- und Scha­dens­er­satz­an­spruchs sowie der Rechts­fol­gen, die sich aus der Ab­ga­be der straf­be­wehr­ten Unter­las­sungs­er­klä­rung er­ge­ben, für die Be­klag­te von In­te­res­se und in­so­weit auch von wirt­schaft­li­chem Wert war. In­so­weit hätte es der Ze­dentin frei­ge­stan­den, mit der Be­klag­ten gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 RVG eine an­ge­mes­se­ne Ver­gü­tung zu ver­ein­ba­ren. Die in der Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­rung vom 14.03.2011 (Bl. 30 d. A.) ver­ein­bar­te und be­rech­ne­te Ver­gü­tung nach Maß­ga­be der §§ 13, 14, Nr. 2300 VV RVG be­trifft je­doch nicht die recht­li­che Prü­fung, son­dern die au­ßer­ge­richt­li­che Ver­tre­tung der Be­klag­ten gegen­über dem An­spruch­stel­ler. Dass diese für die Be­klag­te auf­grund des kras­sen Miss­ver­hält­nis­ses zwi­schen dem wirt­schaft­li­chen Vor­teil (bes­ten­falls Er­lass der Scha­dens­er­satz­for­de­rung in Höhe von 750,00 €) und den hier­für auf­zu­wen­den­den Kos­ten (Ge­schäfts­ge­bühr in Höhe von 2.562,90 €) wirt­schaft­lich sinn­los war, wird selbst in der Be­ru­fungs­be­grün­dung nicht be­zwei­felt. In der von der Ze­dentin (um-) for­mu­lier­ten Unter­las­sungs­er­klä­rung (Bl. 32 d. A.) kann die Kam­mer kei­nen wirt­schaft­li­chen Vor­teil er­ken­nen, da sie – ab­ge­se­hen von der for­mu­lar­mä­ßi­gen, recht­lich aber im Er­geb­nis be­deu­tungs­lo­sen Ein­schrän­kung, dass die Ver­pflich­tung „ohne An­erken­nung einer Rechts­pflicht und ohne Prä­ju­diz für die Sach- und Rechts­la­ge und unter der auf­lö­sen­den Be­din­gung einer auf Ge­setz oder höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung be­ru­hen­den Klä­rung des zu unter­las­sen­den Ver­hal­tens als recht­mä­ßig“ er­fol­ge – dem In­halt der vom An­spruch­stel­ler vor­for­mu­lier­ten Er­klä­rung (Bl. 19 d. A.) ent­spricht. Abs. 7
Die Kam­mer teilt auch die Auf­fas­sung des Amts­ge­richts, dass die Ze­dentin ihrer Auf­klä­rungs­pflicht nicht nach­ge­kom­men ist. Die in dem An­schrei­ben vom 14.03.2011 (Bl. 26 f. d. A.) ent­hal­te­ne Mit­tei­lung eines Kos­ten­rah­mens von „ma­xi­mal bis ca. 2.600,00 €, mi­ni­mal ca. 226,00 € (Erst­be­ra­tung)“ hat das Amts­ge­richt zu Recht als nicht aus­rei­chend an­ge­se­hen, weil hier­durch der un­zu­tref­fen­de Ein­druck er­weckt wurde, die Kos­ten der Be­auf­tra­gung wür­den sich mög­li­cher­wei­se in einer Summe von 226,00 € er­schöp­fen, ob­wohl nach dem In­halt der Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­rung be­reits fest­stand, dass die Ge­schäfts­ge­bühr 2.562,90 € be­tra­gen würde. Dies gilt erst recht im Zu­sam­men­hang mit dem un­mit­tel­bar davor ste­hen­den Hin­weis, dass die Be­klag­te mit dem vor­ge­schla­ge­nen Pro­ce­de­re „wirt­schaft­lich ge­se­hen […] die ge­rings­ten Ri­si­ken“ ein­ge­he (Bl. 27 d. A.), und dem Hin­weis in den Er­läu­te­run­gen zur Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­rung, dass die Kos­ten immer in einem sach­ge­rech­ten Ver­hält­nis zu dem Wert, „um den es geht“, stün­den (Bl. 30 d. A.). Je­den­falls in der Ge­samt­schau stel­len die Hin­wei­se der Ze­dentin keine be­darfs­ge­rech­te Auf­klä­rung, son­dern eher eine sys­te­ma­ti­sche Ir­re­füh­rung des Man­dan­ten dar. Abs. 8
Die Auf­klä­rungs­pflicht­ver­let­zung der Ze­dentin hat gemäß §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB zur Folge, dass die Be­klag­te, würde sie das ge­for­der­te Ho­no­rar be­zah­len, die­ses so­gleich im Wege des Scha­dens­er­sat­zes wie­der zu­rück­for­dern könn­te. Auf­grund des­sen war sie gegen­über der Ze­dentin gemäß § 242 BGB be­rech­tigt, die Be­zah­lung von vorn­he­rein zu ver­wei­gern. Diese Ein­wen­dung kann sie gemäß § 404 BGB auch der Klä­ge­rin ent­gegen­set­zen. Abs. 9

III.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 92 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Ent­schei­dung über die vor­läu­fi­ge Voll­streck­bar­keit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Abs. 10
Der Streit­wert für das Be­ru­fungs­ver­fah­ren be­trägt 2.562,90 €. Abs. 11

IV.

Die Re­vi­sion war nicht zu­zu­las­sen, da die Rechts­sa­che weder grund­sätz­li­che Be­deu­tung hat noch die Fort­bil­dung des Rechts oder die Si­che­rung einer ein­heit­li­chen Recht­spre­chung eine Ent­schei­dung des Re­vi­sions­ge­richts er­for­dert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Rechts­fra­ge, unter wel­chen Um­stän­den ein Rechts­an­walt ver­pflich­tet ist, den Man­dan­ten un­ge­fragt über die vo­raus­sicht­li­che Höhe sei­ner Ver­gü­tung auf­zu­klä­ren, hat der Bun­des­ge­richts­hof be­reits ent­schie­den (BGH, NJW 2007, 2332). Die Frage, ob die Ze­dentin ord­nungs­ge­mäß auf­ge­klärt hat, war nach den kon­kre­ten Um­stän­den des Ein­zel­fal­les zu ent­schei­den. 
JurPC Web-Dok.
190/2012, Abs. 12
[ online seit: 04.12.2012 ]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Landgericht Duisburg, Urteil vom 12.10.2012, 7 S 51/12, Aufklärung über die Höhe der Vergütung des Rechtsanwalts bei urheberrechtlichen Abmahnungen - JurPC-Web-Dok. 0190/2012