| | Der Kläger ist ein Verbraucherverband, der in die gemäß § 4 des
Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste
qualifizierter Einrichtungen eingetragen ist. Die Beklagte betreibt ein
Versandhandelsunternehmen. Sie stellt ihren Kunden für die Zusendung der Ware
einen Versandkostenanteil von pauschal 4,95 € in Rechnung. Mit der Klage
erstrebt der Kläger die Verurteilung der Beklagten, es zu unterlassen, im
Geschäftsverkehr künftig Verbrauchern bei Fernabsatzgeschäften nach Ausübung
des Widerrufs- beziehungsweise Rückgaberechts (§§ 355, 356 BGB) die Kosten für
die Hinsendung der Ware (Versandkostenpauschale) in Rechnung zu stellen oder im
Falle der bereits erfolgten Zahlung diese Kosten nicht zu erstatten. | JurPC Web-Dok. 147/2010, Abs. 1 | Das Landgericht (LG Karlsruhe, MMR 2006, 245) hat der Klage
stattgegeben. Das Oberlandesgericht (OLG Karlsruhe, WM 2008, 419 = MMR 2008,
46) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren
Klageabweisungsantrag weiter. | Abs. 2 | | Die Revision hat keinen Erfolg. | Abs. 3 | I. | | Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt: | Abs. 4 | Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei
begründet. Indem sie Versandkosten für die Hinsendung der Ware erhebe, handele
die Beklagte verbraucherschützenden Vorschriften im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1
UKlaG zuwider. Denn aus § 312d Abs. 1 Satz 2, § 356 Abs. 1, § 357 Abs. 1 Satz
1, § 346 BGB ergebe sich bei richtlinienkonformer Auslegung ein Anspruch des
Verbrauchers auf Rückerstattung verauslagter Hinsendekosten. | Abs. 5 | Die Kosten der Zusendung im Fall des Widerrufs seien im deutschen
bürgerlichen Recht im Gegensatz zu den Kosten der Rücksendung nicht
ausdrücklich geregelt. Insbesondere seien die Versandkosten nicht Teil der in §
346 Abs. 1 BGB normierten Rückgewährpflicht. Auch über den
Verwendungsersatzanspruch des § 347 Abs. 2 Satz 2 BGB sei eine Erstattung nicht
möglich. | Abs. 6 | Die Richtlinie 97/7/EG vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz
bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatzrichtlinie) gebiete jedoch,
den Verbraucher bei einem Fernabsatzgeschäft im Falle der Ausübung des
Widerrufs-/Rückgaberechts (§§ 355, 356 BGB) von den Kosten der Zusendung
freizustellen. Über den Umfang der vom Verbraucher zu tragenden Kosten äußere
sich die Fernabsatzrichtlinie in Art. 6 Abs. 1 und 2 sowie in den
Erwägungsgründen. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Fernabsatzrichtlinie normiere ein
umfassendes und freies Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen.
Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie führe aus, dass die einzigen Kosten, die
dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden
könnten, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren seien. Art. 6 Abs.
2 Satz 1 Fernabsatzrichtlinie gebe dem Verbraucher, der sein Widerrufsrecht
ausgeübt habe, einen Anspruch auf kostenlose Erstattung der geleisteten
Zahlungen. Satz 2 wiederhole die Regelung von Art. 6 Abs. 1 Satz 2
Fernabsatzrichtlinie. Die ausdrückliche Erwähnung der Rücksendekosten als
einzige vom Verbraucher zu tragende Kosten sowie die uneingeschränkte
Rückerstattungspflicht der geleisteten Zahlungen belegten ihrem Wortlaut nach
eindeutig, dass die Kosten für den Versand der Ware zum Verbraucher im
Umkehrschluss vom Lieferer zu tragen seien oder von ihm zurückerstattet werden
müssten, wenn der Verbraucher von seinem Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch
mache. | Abs. 7 | II. | | Abs. 8 | Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, so
dass die Revision zurückzuweisen ist. Der von der Klägerin geltend gemachte
Unterlassungsanspruch ist begründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht
angenommen, dass die Beklagte verbraucherschützenden Vorschriften
zuwiderhandelt, indem sie Kosten für die Zusendung der Ware auch im Falle des
Widerrufs eines Fernabsatzgeschäftes oder der Rückgabe der Waren durch den
Verbraucher erhebt. § 312d Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 357 Abs. 1 Satz 1 und
§ 346 Abs. 1 BGB ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass vom Verbraucher
an den Verkäufer gezahlte Zusendekosten nach dem Widerruf eines
Fernabsatzgeschäftes zurückzugewähren sind. | Abs. 9 | 1. Im deutschen Recht ist allerdings bei der Rückabwicklung eines
Kaufvertrages ein Anspruch des Käufers auf Erstattung geleisteter
Hinsendekosten nicht ausdrücklich vorgesehen. Von der Rückgewährpflicht des §
346 Abs. 1 BGB werden die Kosten der Hinsendung grundsätzlich nicht erfasst,
denn es handelt sich um Vertragskosten, die als Schadensposition nicht im
Rahmen der Rückabwicklung des Kaufvertrages, sondern nur aufgrund eines
Schadensersatz- oder Aufwendungsersatzanspruchs ausgeglichen werden können
(Vorlagebeschluss des Senats vom 1. Oktober 2008, NJW 2009, 66, Tz. 9 m.w.N.). | Abs. 10 | a) In der Literatur ist streitig, ob für den Fall des Widerrufs
eines Fernabsatzvertrages im Hinblick auf die Bestimmungen der
Fernabsatzrichtlinie etwas anderes gilt und aufgrund einer richtlinienkonformen
Auslegung des deutschen nationalen Rechts die Kosten der Hinsendung von dem
Unternehmer zu tragen sind (so Erman/Saenger, BGB, 12. Aufl., § 357 Rdnr. 2;
Braun, ZGS 2008, 129, 132 f.; Brönneke, MMR 2004, 127, 129; Eichelberger, VuR
2008, 167, 168 f.; Hansen, ZGS 2006, 14, 18; Jansen/Latta, JuS 2007, 550, 553
f.; Junker in: jurisPK-BGB, 4. Aufl., § 312f BGB Rdnr. 33 f.; Kaestner/Tews,
WRP 2005, 1335, 1339 f.; Kazemi, MMR 2006, 246; Würdinger/Ringshandl, MMR 2008,
49, 50; aA Pfeiffer, ZGS 2008, 48, 50 ff.; Wenn, juris PR-ITR 13/2007, Anm. C
4). | Abs. 11 | b) Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
(jetzt: Gerichtshof der Europäischen Union) mit Beschluss vom 1. Oktober 2008
folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: | Abs. 12 | "Sind die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der
Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997
über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz dahin
auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der die
Kosten der Zusendung der Waren auch dann dem Verbraucher auferlegt werden
können, wenn er den Vertrag widerrufen hat?" | Abs. 13 | Der Gerichtshof hat die Frage mit Urteil vom 15. April 2010 (Rs.
C-511/08, NJW 2010, 1941 - Handelsgesellschaft Heinrich Heine
GmbH/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V.) wie folgt beantwortet: | Abs. 14 | "Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie
97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den
Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz ist dahin auszulegen,
dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der der Lieferer in einem
im Fernabsatz abgeschlossenen Vertrag dem Verbraucher die Kosten der Zusendung
der Ware auferlegen darf, wenn dieser sein Widerrufsrecht ausübt." | Abs. 15 | Zur Begründung hat der Gerichtshof im Wesentlichen ausgeführt
(aaO, Rdnr. 52-58): | Abs. 16 | "Die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und Abs. 2
Satz 2 der Richtlinie 97/7, wonach diese Bestimmungen sämtliche Kosten im
Zusammenhang mit dem Abschluss, der Durchführung oder der Beendigung des
Vertrags erfassen, die im Fall des Widerrufs zulasten des Verbrauchers gehen
können, entspricht der allgemeinen Systematik und dem Zweck dieser Richtlinie. | Abs. 17 | Für diese Auslegung spricht nämlich zum einen die Tatsache, dass
im 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/7 selbst in den Sprachfassungen, die in
Art. 6 den Ausdruck "infolge" oder eine ähnliche Formulierung verwenden, die
Kosten genannt werden, die vom Verbraucher "im Fall der Ausübung des
Widerrufsrechts" getragen werden. Entgegen dem Vorbringen der deutschen
Regierung bezieht sich Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2
dieser Richtlinie daher auf sämtliche im Rahmen des Vertrags angefallenen
Kosten und nicht nur auf die durch den Widerruf verursachten Folgekosten. | Abs. 18 | Zum anderen ergibt sich aus dem 14. Erwägungsgrund der Richtlinie
97/7 in Bezug auf die Zielsetzung von Art. 6, dass mit dem Verbot, dem
Verbraucher im Fall seines Widerrufs die durch den Vertrag entstandenen Kosten
aufzuerlegen, gewährleistet werden soll, dass das in dieser Richtlinie
festgelegte Widerrufsrecht "mehr als ein bloß formales Recht" ist (vgl. dazu
Urteil vom 3. September 2009, Messner, C-489/07, noch nicht in der amtlichen
Sammlung veröffentlicht, Randnr. 19). Da mit Art. 6 daher eindeutig das Ziel
verfolgt wird, den Verbraucher nicht von der Ausübung seines Widerrufsrechts
abzuhalten, liefe eine Auslegung, nach der es den Mitgliedstaaten erlaubt wäre,
eine Regelung vorzusehen, die dem Verbraucher im Fall eines solchen Widerrufs
die Kosten der Zusendung in Rechnung stellt, diesem Ziel zuwider. | Abs. 19 | Wie bereits dargelegt, gestattet es Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz
2 und Abs. 2 Satz 2 dieser Richtlinie dem Lieferer nur, dem Verbraucher im Fall
des Widerrufs die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren aufzuerlegen. | Abs. 20 | Sollten dem Verbraucher auch die Kosten der Zusendung in Rechnung
gestellt werden, liefe eine solche Belastung, die zwangsläufig geeignet ist,
ihn von der Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten, der Zielsetzung von Art. 6
der Richtlinie zuwider, auf die bereits vorstehend in Randnr. 54 hingewiesen
worden ist. | Abs. 21 | Im Übrigen stünde eine solche Belastung einer ausgewogenen
Risikoverteilung bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz entgegen, indem dem
Verbraucher sämtliche im Zusammenhang mit der Beförderung der Waren stehenden
Kosten auferlegt würden. | Abs. 22 | Zudem kann die abschreckende Wirkung, die es auf die Ausübung des
Widerrufsrechts durch den Verbraucher hätte, wenn ihm diese Kosten auferlegt
würden, nicht dadurch beseitigt werden, dass er vor Vertragsschluss über die
Höhe der Zusendungskosten unterrichtet worden ist." | Abs. 23 | Da dem Verbraucher mithin nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2
und Abs. 2 der Richtlinie im Falle des Widerrufs eines Fernabsatzvertrages die
Hinsendekosten der Ware nicht auferlegt werden dürfen, sind § 346 Abs. 1 BGB in
Verbindung mit §§ 312d, 355 BGB - richtlinienkonform - dahin auszulegen, dass
dem Verbraucher nach dem Widerruf eines Fernabsatzvertrages ein Anspruch auf
Rückgewähr geleisteter Hinsendekosten zusteht. Dementsprechend ist es der
Beklagten verwehrt, in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Verbrauchern die
Kosten für die Hinsendung der von ihr vertriebenen Waren auch dann
aufzuerlegen, wenn diese von ihrem Widerrufs- oder Rückgaberecht nach §§ 355,
356 BGB Gebrauch machen. | JurPC Web-Dok. 147/2010, Abs. 24 |
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