JurPC Web-Dok. 127/2007 - DOI 10.7328/jurpcb/2007228124

Julia Striezel *

"Vernetztes Rechnen  —  Softwarepatente  —  Web 2.0"
Tagungsbericht zum 7. Kongress des Bayreuther Arbeitskreises für Informationstechnologie  —  Neue Medien  —  Recht e.V. (@kit)

JurPC Web-Dok. 127/2007, Abs. 1 - 14


Am 21. und 22. Juni 2007 fand der 7. Kongress des Bayreuther Arbeitskreises für Informationstechnologie - Neue Medien - Recht e.V. in den Räumlichkeiten der IHK Potsdam statt. Thema der diesjährigen Zusammenkunft war "Vernetztes Rechnen - Softwarepatente - Web 2.0". Experten auf dem Gebiet des Rechts, aber auch der Wirtschaft und Informatik zeigten Entwicklungsperspektiven des Vernetzten Rechnens auf und versuchten, die technischen Möglichkeiten mit den rechtlichen Gegebenheiten in Einklang zu bringen. Bei der Podiumsdiskussion wurden zudem Nutzen und Optionen der Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen dargestellt. Hierbei konnten sich die ca. 70 Teilnehmer ein Bild über neue technologische Trends sowie deren rechtliche Probleme machen und feststellen, dass die Lösung einiger Konflikte noch viele offene Fragen bereithält. Unter den Teilnehmern waren Rechtsanwälte, Referendare und Doktoranden sowie Vertreter der Wirtschaft. JurPC Web-Dok.
127/2007,  Abs. 1
Nach einer Begrüßung durch den 1. Vorsitzenden des @kit e.V. Prof. Leiblevon der Universität Bayreuth und durch Herrn Kohl, Hauptgeschäftsführer der IHK Potsdam, eröffnete Herr Faller von IBM Deutschland die Vortragsreihe. Er führte die Zuhörer in Trends und Technologie-Updates im Internet ein und stellte fest, dass inzwischen nicht mehr die Anbieter das Internet definieren, sondern die Benutzer selbst die Inhalte zur Verfügung stellen. Als weitere Entwicklung prognostizierte er eine virtuelle dreidimensionale Welt im Internet zum leichteren Finden der vom Nutzer gesuchten Inhalte. Abs. 2
Anschließend gab Dr. Neumann vom Institute of Information Systems and Management der Universität Karlsruhe einen Einblick in die Entwicklungsperspektiven des Grid Computing. Hierunter versteht man eine Infrastruktur, die eine Vielzahl von Rechnern zu einem Netzwerk verbindet. Im Gegensatz zu den früheren Möglichkeiten des verteilten Rechnens müssen die Computer nicht mehr verdrahtet sein, so dass der Nutzer auf freie Rechnerkapazitäten anderer Teilnehmer in aller Welt zugreifen kann. Somit können Privatpersonen und auch Unternehmen große Rechnerkapazitäten insbesondere zu Stoßzeiten abrufen ohne diese Ressourcen im eigenen Gebäude unterhalten zu müssen. Abs. 3
Prof. Spindler von der Universität Göttingen vervollständigte mit seinem Vortrag den Bereich des Grid Computing, indem er die rechtlichen Rahmenbedingungen vorstellte. Diese Zweiteilung hat Tradition bei den @kit-Kongressen, da durch den Arbeitskreis Probleme auf technische, juristische und wirtschaftliche Art beleuchtet werden und versucht, wird gemeinsam eine für alle zufrieden stellende Lösung zu finden. In seinem Vortrag verdeutlichte Prof.Spindler, dass für die vertragstypische Einordnung die Ausgestaltung des Grid-Einsatzes entscheidend ist und die Bandbreite von einer BGB-Gesellschaft über Dienst- und Werkverträge bis hin zu Mietverträgen oder gekoppelten Verträgen verläuft. Nach dieser Einordnung wurden den Zuhörern vertragstypische Einordnungsklauseln dargestellt und anschließend Fragen der Haftung erörtert. Strittig ist hier insbesondere, ob Grid Computing ein Hosting darstellt oder nicht und somit, ob eine Haftungsprivilegierung nach dem TMG einschlägig ist. Zuletzt ging Prof. Spindler auf das Internationale Recht ein und betonte die Wichtigkeit einer Rechtswahl, da ansonsten gem. Art. 28 EGBGB der Standort des Grid-Rechners für das Vertragsrecht ausschlaggebend ist. Abs. 4
Die Bedeutung der Verbindung von Recht und Wirtschaft zeigte sich erneut im nächsten Vortrag von RA Pohle von TaylorWessing und RA Helwigvon Accenture. Dieser handelte von der Gestaltung von Service Level Agreements (SLA) beim Application Service Providing (ASP) sowie beim Software as a Service (SaaS). Hier muss der technische Sachverhalt genau ermittelt werden, um einen juristisch einwandfreien Vertrag gestalten zu können. Wichtige SLAs in Verträgen betreffen z.B. die Serviceverfügbarkeit, die Verantwortungsbereiche bei Gewährleistung und Rechtsfolgen sowie eventuelle Mitwirkungspflichten von Kunden bei Pflege und Fehlerbeseitigung. Insbesondere bei der Serviceverfügbarkeit ist eine exakte Definition vonnöten, damit keine 100% Benutzbarkeit geschuldet sind. Hierfür müssen Bezugszeitraum wie Jahr, Monat oder Woche und Wartungszeiten genau festgelegt werden. Abs. 5
Nach der Mittagspause führte RA Jaeger von JBB Rechtsanwälte in die Thematik der kommerziellen Applikationen für Open Source Software (OSS) und Urheberrecht ein. Bei der OSS werden jedermann Vertriebs- und Weiterentwicklungsrechte für jeden Verwendungszweck eingeräumt. Voraussetzung für diese freie Nutzbarkeit ist die Lizenzgebührenfreiheit sowie der frei zugängliche Sourcecode. Dies bedeutet jedoch keinen Verzicht auf Urheberrechte. Nach dieser Einführung wurden verschiedene Typen der OSS dargestellt, insbesondere Copyleft-Lizenzen. Hiernach dürfen Bearbeitungen nur unter der Ursprungslizenz weitergegeben werden. Problematisch ist hierbei jedoch die Abgrenzung. Für diese spielt sowohl ein formales Kriterium, der Vertrieb als getrennte Werke als auch ein inhaltlich-funktionales Kriterium, ob eine einheitliche Software nach der Verkehrsanschauung gegeben ist, eine Rolle. Abs. 6
Auch der nächste Vortrag von Dr. Metzger des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht griff die Open Source Problematik auf. Dieser handelte von den schon eingangs erwähnten Web 2.0-Websiten, auf denen die Nutzer selber die Inhalte schaffen. Sehr anschaulich wurden diverse Ausprägungen im Internet, darunter Wikipedia, Flickr, Youtube und Amazon, dargestellt. Hierbei erläuterte der Referent, inwieweit die jeweilige Website dem Modell des Open Source entspricht und stellte Thesen für eine anschließende Diskussionsrunde auf. In dieser wurden offen gebliebene Fragen geklärt und Möglichkeiten und Grenzen der einzelnen Modelle der OSS erörtert. Abs. 7
Höhe- und Endpunkt des ersten Veranstaltungstages bildete die öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema Softwarepatente. Moderiert von RA Huff, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit Wolter Kluwer Deutschland, debattierten Richter Tillmans, Referent für Patent- und Erfinderrecht im Bundesministerium der Justiz, Herr Stahl von der Software AG, Herr Schriek von Siemens sowie Herr Sommer von der Initiative patentfrei.de über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen nach dem Scheitern der Softwarepatent-Richtlinie. Unter sachkundiger Moderation stellte zunächst jeder Teilnehmer seinen Standpunkt dar. Die Anschauungen der einzelnen Teilnehmer gingen weit auseinander und reichten von der Ansicht, dass der momentane Schutz ausreichend sei und bestehen bleiben sollte, bis zu der Auffassung, dass die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen dringend zurückgeschraubt werden müsse. Zunächst stellte RA Huff den Teilnehmern Fragen zu ihren Statements, so dass jede Meinung präzisiert und mit vielen Argumenten versehen wurde. Die Bedeutung der Thematik der Podiumsdiskussion wurde in der anschließenden Erörterung mit dem Publikum deutlich. Es wurden so viele Anmerkungen gemacht und Fragen gestellt, dass die Zeit kaum ausreichte, um auf alle Aussagen der Besucher einzugehen. Die souveräne Moderation von RA Huffermöglichte jedoch den Diskussionsteilnehmern am Ende auf alle ihnen gestellten Fragen noch einmal einzugehen und diese so weitgehend zu klären. Abs. 8
Als Ausklang diente nach dem interessanten und vielseitigen Veranstaltungstag ein gemeinsames Abendessen in einem Potsdamer Restaurant. Abs. 9
Der zweite Tag schloss an den letzten Vortrag des vorherigen Tages an und behandelte weiterhin die Materie Web 2.0. Unter der Fragestellung "Wohin geht die Reise", stellte Herr Wöhr von mindXchange diverse Phänomene von Web 2.0 dar. Hierzu gehörte erneut Wikipedia, aber auch Websites aus dem Bereich des Social Networking, z.B. Xing, sowie Weblogs, deren Anzahl sich inzwischen alle 6 Monate verdoppelt. Sehr interessant war sein letztes Beispiel über das Unternehmens Goldcorp. Dieses stand am Rande des Ruins und veröffentlichte deshalb geologische Daten im Internet. Jeder, der von nun an dazu beitrug Gold zu finden, wurde am Gewinn des Unternehmens beteiligt. Durch die Vielzahl der teilnehmenden Personen fand man gemeinsam völlig neue Analysemethoden. Mittels dieser Beispiele zeigte der Referent die gemeinsamen Elemente des Web 2.0 auf, als welche Partizipation, Individualisierung und Kolloboration zu nennen sind. Der Nutzer wird somit zum Teilnehmer und entwickelt sich gleichzeitig aus der Anonymität zu einer öffentlichen Person. Hieraus schloss Herr Wöhr, dass die virtuelle Präsenz rasch an Bedeutung gewinnen wird und somit die Pflicht zur Teilnahme am Social Networking in Zukunft für alle notwendig ist. Er beendete den Vortrag mit einem Aufmerksammachen auf den hierdurch möglichen Kontrollverlust, sowohl im Privatleben, z.B. gegenüber dem Partner, als auch im Geschäftsleben, z.B. von Unternehmern in Bezug auf ihre PR. Abs. 10
Der nächste Vortrag von Dr. Kitz vom Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht befasste sich mit einer ähnlichen Problematik. Unter der Überschrift "Das Web sind wir" erläuterte er die rechtliche Verantwortlichkeit im Web 2.0. Ausgehend von dem Grundsatz, dass Nutzer für eigene Informationen haften, stellte der Referent zunächst Abgrenzungskriterien dar und unterschied hierbei zwischen Inhaltsaggregation und Inhaltskonsolidierung. Anschließend richtete sich sein Augenmerk auf die Verantwortlichkeit für fremde Inhalte. Zuerst wurde die bisherige Rechtsprechung des BGH aus dem Fall "Rolex" sowie deren Erweiterung von den OLG Hamburg und Düsseldorf dargestellt. So ergibt sich hiernach eine Prüfungspflicht ab Kenntnis von der konkreten Rechtsverletzung bzw. erweitert auch schon ab einer Indizierung der Rechtsverletzung. Neuerdings gibt es zudem Ansätze zur Einschränkung der Verantwortlichkeit bei Meinungsforen, indem man diese wie Live-Sendungen behandelt. Diese wurden jedoch vom BGH im Keim erstickt, der eine Vergleichbarkeit mit dem Argument verneint, dass auch eine Live-Sendung bei rechtswidrigen Inhalten nicht wiederholt werden darf und somit auch im Internetforum der rechtswidrige Inhalt nicht bestehen bleiben kann. In einer anschließenden Diskussion wurde insbesondere über Vor- und Nachteile des notice-and-takedown-Verfahrens debattiert. Abs. 11
Der Vortrag von Prof. Haedicke von der Universität Freiburg über das Thema Mash-up zeigte dem Publikum, dass auch juristische Themen amüsant sein können. Um den Besuchern einen ersten Einblick zu geben wurden zunächst diverse Beispiele z.B. von der Website Youtube vorgeführt, darunter auch eine humoristische Definition, die selber ein Mash-up darstellte. Hierbei wurde deutlich, dass Mash-up die Schöpfung von Inhalten durch die Verwendung verschiedener, bereits vorhandener Werke ist. Durch diese Zusammenfügung werden allerdings im großen Umfang Urheber- und Persönlichkeitsrechte verletzt. Dies warf die Fragen auf, ob Urheberrecht Mash-ups durch Urheberrecht als neue Kunst- und Kommunikationsform verhindert oder ob eine solche Verhinderung gar nicht möglich ist und das Urheberrecht schlicht versagt. In der anschließenden Diskussion wurden Möglichkeiten dargestellt um Mash-ups mit dem Gesetz in Einklang zu bringen, wobei auf die Ausweitung des S24 UrhG oder auf eine Vergütungspflicht bei kommerziellen Mash-ups mittels einer gesetzlichen Lizenz eingegangen wurde. Hierbei zeigte sich, dass die bestehende Gesetzeslage keinesfalls ausreichend ist und dringend Handlungsbedarf besteht. Abs. 12
Abschließend griff RA Dingeldey den Web 2.0 Begriff auf und versuchte ihn auf ein neues Rechtsgebiet, das Domainrecht zu übertragen: Domainrecht 2.0. Die Einführung neuer Top Level Domains (TLD), die Aussagen über den Inhalt der Website machen können, insbesondere, wenn nur bestimmte Nutzergruppen diese verwenden dürfen (z.B. .cat nur für Katalanen), führt seiner Ansicht nach dazu, dass zukünftig auch TLDs für die Rechtssprechung von Bedeutung sind. So werden die Gerichte bei ihren Entscheidungen über unterscheidungskräftige Merkmale auch die TLD berücksichtigen. Abs. 13
Das abschließende Wort hatte Prof. Leible, der allen Teilnehmern, Helfern und insbesondere Sponsoren seinen Dank aussprach und zum 8. @kit-Kongress einlud, der 2008 eventuell in Berlin stattfinden soll. Hiermit ging der 7. @kit-Kongress zu Ende, der für alle Beteiligten eine hervorragende Gelegenheit darstellte, sich über neue Entwicklungen im Bereich der neuen Medien zu informieren. Hervorzuheben ist hier besonders die Chance über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und die Problemstellungen nicht nur juristisch, sondern auch technisch zu beleuchten.
JurPC Web-Dok.
127/2007,  Abs. 14
* Julia Striezel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung von Professor Dr. Stefan Leible an der Universität Bayreuth.
[ online seit: 21.08.2007 ]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Striezel, Julia, „Vernetztes Rechnen – Softwarepatente – Web 2.0“ Tagungsbericht zum 7. Kongress des Bayreuther Arbeitskreises für Informationstechnologie – Neue Medien – Recht e.V. (@kit) - JurPC-Web-Dok. 0127/2007