OLG Stuttgart |
UrhG §§ 137 h, 20 a |
Leitsätze (des Einsenders) |
1. Das räumlich begrenzte Senderecht, einen Film durch alle bekannten Nutzungsarten verwerten zu dürfen, schließt auch diejenige Filmverbreitung mit ein, die über neue, weiterreichende Satelliten, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht möglich und bekannt waren, erfolgt. 2. § 137h Abs. 2 UrhG ist ausschließlich auf internationale Koproduktionsverträge anwendbar. 3. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der deutsche Gesetzgeber über die Richtlinie 93/83/EWG betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung hinausgehend auch nationale Koproduktionsverträge in § 137h UrhG erfassen wollte. 4. Territoriale Aufspaltungen von Satellitensenderechten verloren am 1. Januar 2000 ihre Wirkung, wenn für das Sendeland die Satellitensenderechte vorhanden sind. 5. Ein etwaiger, hiermit gegebenenfalls verbundener Rechtsverlust ist nach dem Gesetzeswillen hinzunehmen und durch Vergütungsanpassung auszugleichen. |
Tenor |
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18.07.2002 - AZ.: 17 O. 643/01 - abgeändert: Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,-- abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 4. Die Revision wird zugelassen. Streitwert der Berufung: 100.000,00 |
Gründe |
I. Die Klägerin erstrebt mit der Klage, der Beklagten zu untersagen, den Spielfilm "man spricht deutsh" ohne ihre Zustimmung als europäische Satellitensendung auszustrahlen. Sie ist neben der M. Film GmbH (im folgenden: M.) Koproduzentin dieses 1987 hergestellten Spielfilms. Nach der Koproduktionsvereinbarung (K 1) sind die Vertragsparteien gemeinschaftlich Inhaber sämtlicher Nutzungs- und Leistungsschutzrechte und zwar im Verhältnis 3 zu 1 zugunsten der Klägerin. Bezüglich der Nutzungsrechte/Auswertung ist folgendes in der Koproduktionsvereinbarung vereinbart: | JurPC Web-Dok. 39/2003, Abs. 1 |
| Abs. 2 |
Die M. übertrug ihr Senderecht an dem Film auf die Beklagte zum Zwecke der Ausstrahlung im dritten Fernsehprogramm (vgl. Bestätigung vom 29.08.2001, BI. 27 der Beiakte 17 O 334/01 LG Stuttgart, einstweiliges Verfügungsverfahren). Dort wurde der Film am 22.07.2001 gesendet, wobei die Beklagte über das Satellitendirektsystem ASTRA 1 C sendete/sendet, das europaweit über Satellitenempfangsschüsseln zu empfangen ist. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe dadurch ihr Urheberrecht verletzt; da der Kooperationsvertrag Klägerin/M. ein Altvertrag im Sinne von § 137h Abs. 2 UrhG sei, hätte der Film nur mit ihrer Zustimmung ausgestrahlt werden dürfen. | Abs. 3 |
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 18.07.2002 (Az: 17 O. 643/01), das den Unterlassungsantrag für begründet erachtete, Bezug genommen. | Abs. 4 |
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klagabweisungsantrag weiter. Die Klägerin behauptet nunmehr (vgl. Protokoll des Senatstermins vom 13.11.2002 = Bl. 144), bei der Einräumung der Rechte an M. sei klar gewesen, dass durch die Beschränkung auf den deutschsprachigen Raum nicht gemeint gewesen sei, der Film dürfe nicht im außerdeutschsprachigen Raum empfangen werden können, vielmehr bedeute diese, dass (nur) aus dem deutschsprachigen Raum per Satellit gesendet werden dürfe. | Abs. 5 |
II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch gem. § 97 Abs. 1 UrhG zu, da ihr Urheberrecht am Spielfilm nicht verletzt ist. Zu einem anderen Ergebnis ist das Landgericht nur deshalb gelangt, weil es zu Unrecht § 137h Abs. 2 UrhG vorliegend für anwendbar hielt. | Abs. 6 |
1. Die Klägerin und M. haben den Film in Koproduktion hergestellt und sind deshalb Miturheber bezüglich des ausschließlichen Rechts des Filmherstellers gem. §§ 94, 8 UrhG. Das Recht zur Veröffentlichung und Verwertung steht ihnen gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 UrhG zur gesamten Hand zu. | Abs. 7 |
2. In der Kooperationsvereinbarung (K 1) hat die Klägerin bezüglich dieses Rechts M. Alleinrechte in Form eines Nutzungsrechtes eingeräumt (K 1 dort unter B.1 ). Dem Urheber steht u.a. als Verwertungsrecht das Senderecht (§§ 15, 20 UrhG) zu, also das Recht, das Werk bzw. den Film der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Beschränkt auf den deutschsprachigen Raum hat die Klägerin dieses Senderecht der M. eingeräumt, wobei es sich dogmatisch um einen Verzicht auf den Anteil am diesbezüglichen Verwertungsrecht handelt, der gegenüber dem Miturheber, also der M., zulässig ist (vgl. § 8 Abs. 4 UrhG). Fraglich ist allerdings, wie die Rechteeinräumung inhaltlich auszulegen ist. Legt man die nunmehr von der Beklagten im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung zugrunde, wonach die Rechtseinräumung bedeuten solle, dass M. unabhängig von der Empfangbarkeit des Films (nur) aus dem deutschsprachigen Raum per Satellit senden durfte, so hätte die Beklagte, die das entsprechende Nutzungsrecht von M. eingeräumt erhalten hatte, keine Rechte der Klägerin verletzt, da die Beklagte aus dem deutschsprachigen Raum (Deutschland) den Film gesendet hat. Im folgenden soll jedoch entsprechend der Auslegung des Landgerichts und des Senat im vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren (17 O 324/01 LG Stuttgart bzw. 4 U 231/01 OLG Stuttgart) davon ausgegangen werden, dass M. in alleiniger Zuständigkeit nur so senden darf, dass der Film im deutschsprachigen Raum empfangen werden kann, nicht jedoch im außerdeutschen (vom sog. "overspill" abgesehen). Dieses räumlich, nämlich von der Empfangsmöglichkeit her, begrenzte Senderecht darf M. durch alle bekannten Nutzungsarten verwerten, einschließlich Kabelfernsehen, Übertragung durch Satelliten oder ähnliche technische Einrichtungen, in jeder technischen Form und in jedem Verfahren. Damit haben die Vertragsparteien auch noch nicht bekannte technische Nutzungsformen eingeschlossen, weshalb die Filmverbreitung über neue, weiterreichende Satelliten als im Zeitpunkt des Vertragsschlusses möglich keine damals unbekannte Nutzungsform des Films ist (vgl. BGH GRUR 1997, 215, 217 Klimbim). Das bedeutet jedoch nicht, dass damit auch eine Erweiterung des Senderechts über den deutschsprachigen Bereich hinaus verbunden ist, vielmehr ist das Senderecht der M., unabhängig von der Fortentwicklung der Satellitentechnik bzw. Satellitenausstrahlung, nach dem geäußerten Willen der Klägerin und §§ 31, 32 UrhG analog auf den deutschsprachigen Raum geographisch beschränkt geblieben. | Abs. 8 |
3. Mehr Rechte als ihr selbst zustehen konnte M. an die Beklagte nicht weitergeben, weshalb infolge der gezielten europaweiten Ausstrahlung des Films durch die Beklagte eine Verletzung des der Klägerin gemeinsam mit M. zustehenden Urheberrechts vorliegen könnte, die die Klägerin ohne Mitwirkung der M. gem. § 8 Abs. 2 Satz 3 UrhG im Wege der Unterlassungsklage (Rechtswidrigkeit und Wiederholungsgefahr indiziert, Verschulden und Schaden nicht erforderlich) verfolgen kann. | Abs. 9 |
4. Dem steht jedoch § 20a UrhG entgegen. | Abs. 10 |
a) Die Filmsendung der Beklagten stellte eine europäische Satellitensendung im Sinne von § 20a UrhG dar. Diese Vorschrift wurde erst längere Zeit nach der Kooperationsvereinbarung der Klägerin/M. in das UrhG eingefügt, weshalb sie nach § 132 UrhG auf den Kooperationsvertrag keinen Einfluss hätte. In Abweichung davon sieht § 137h Urheberrechtgesetz jedoch eine Übergangsregelung vor. | Abs. 11 |
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts hält der Senat § 137h Abs. 2 UrhG, der die Anwendung von § 20a UrhG ausschließt, vorliegend nicht für anwendbar. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Umsetzung von Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter Urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (im folgenden: Richtlinie), die in Nordemann, Urheberrecht, 8. Aufl. Anhang V 3. abgedruckt ist. Sowohl aus der Erwägung Nr. 19 als auch der Richtlinienbestimmung selbst ergibt sich jedoch eindeutig, dass die Vorschrift internationale Koproduktionsverträge meint. Schon der allgemeine Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung spricht somit dafür, dass die Vorschrift auf - wie vorliegend - nationale Koproduktionsverträge nicht anwendbar ist. Hinzu kommt, dass der deutsche Gesetzgeber in der Begründung seines Gesetzentwurfes zur Umsetzung der Richtlinie (dort noch unter § 137g UrhG) ausdrücklich davon ausgeht, dass der umzusetzende Artikel 7 Abs. 3 der Richtlinie Altverträge über internationale (Film-) Koproduktionen unter Beteiligung von EU-Angehörigen betrifft. Wenn auch das Umsetzungsgesetz und somit § 137h Abs. 2 UrhG nicht ausdrücklich auf internationale Koproduktionsverträge abstellt, so ist dennoch zunächst davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Vorgabe, nämlich internationale Kooperationsverträge, regeln wollte. Zwar wäre theoretisch denkbar, dass der deutsche Gesetzgeber über die Richtlinie hinausgehend auch nationale Kooperationsverträge in gleichem Sinne erfassen wollte, doch müsste in diesem Fall davon ausgegangen werden, dass dies der deutsche Gesetzgeber zumindest in der Begründung zum Ausdruck gebracht hätte, Ein solches ist nicht geschehen. Sieht man in Satz 2 von § 137h UrhG eine Spezialvorschrift bzw. Ausnahme zu Abs. 1 dieser Norm, so dürfte der deutsche Gesetzgeber eine Erweiterung auf nationale Verträge zudem nicht machen, da dies dann der Richtlinie zuwiderlaufen würde. Auch dieser Gesichtspunkt spricht dagegen, dass der deutsche Gesetzgeber die Vorschrift auf nationale Kooperationsverträge ausdehnen wollte. Auch eine etwaige analoge Anwendung der Vorschrift auf nationale Kooperationsverträge scheidet damit aus. | Abs. 12 |
c) Die Folge der Nichtanwendung von § 137h Abs. 2 UrhG ist, dass Absatz 1 dieser Vorschrift zur Anwendung kommt und zwar (nicht nur im Rahmen des Kooperationsvertrags Klägerin/M., sondern auch) innerhalb des Vertragsverhältnisses M./Beklagte, in dem die Weiterübertragurig des Nutzungsrechts/Senderechts von M. auf die Beklagte erfolgte. Dies bedeutet, dass ab 01.01.2000 § 20a Urheberechtsgesetz anzuwenden ist und damit keine Urheberechtsverletzung und Wiederholungsgefahr der Beklagten vorliegt, denn diese durfte, ungeachtet der ursprünglich beschränkten Rechtseinräumung, aus Deutschland bzw. dem deutschsprachigen Raum durch Satelliten den Film senden, auch wenn dieser europaweit und damit über den deutschsprachigen Raum hinaus empfangen werden konnte. Mit dem 01.01.2000 verlor die territoriale Aufspaltung des Satellitensenderechts ihre Wirkung, wenn - wie vorliegend - das Recht jedenfalls auch für das Land eingeräumt ist, das nach § 20a UrhG als Sendeland gilt (vgl. Nordemann, UrhG, 9. Aufl., § 137h Rn. 1), nämlich Deutschland. Der damit ggf. verbundene Eingriff in die Vereinbarung Klägerin/M. bzw. M./Beklagte mit der Folge eines über die Vereinbarung hinausgehenden Rechtsverlustes der Klägerin bzw. M.s ist nach dem Gesetzeswillen/Gesetzeszweck (kein unterschiedlicher Rechtszustand bezüglich der vielen Altverträge) hinzunehmen und wird im Regelfall durch die Möglichkeit einer neuen Vergütungsfestsetzung (vgl. 17. Erwägungsgrund zur Richtlinie) ausgeglichen. | Abs. 13 |
5. Das Urteil des Landgerichts ist somit aufzuheben und die Klage, da der Antrag nicht mangels Bestimmtheit unzulässig ist, als unbegründet abzuweisen. | Abs. 14 |
Kostenentscheidung: § 91 ZPO. Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wird im Hinblick auf § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen. | JurPC Web-Dok. 39/2003, Abs. 15 |
Anmerkung der Redaktion: Die Entscheidung wurde freundlicherweise von Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. Norbert P. Flechsig, Justitiar im SWR, übersandt. Von ihm stammen auch die Leitsätze. |
[online seit: 27.01.2003] |
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs. |
Zitiervorschlag: Stuttgart, OLG, "Man spricht deutsh" - JurPC-Web-Dok. 0039/2003 |