JurPC Web-Dok. 82/1999 - DOI 10.7328/jurpcb/199914588

Bundespatentgericht,
Beschluß vom 26.01.98 (30 W(pat) 155/95)

"Soundboy"

JurPC Web-Dok. 82/1999, Abs. 1 - 30


MarkenG §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2, 152

Leitsatz (der Redaktion)

Zwischen dem für eine Computersoftware eingetragenen Markennamen "Soundboy" und dem für tragbare Rundfunkempfänger zuvor eingetragenen Markennamen "boy" besteht Verwechselungsgefahr im Sinne der Vorschriften des Markengesetzes.

Gründe

I.Gemäß § 6a WZG in das Markenregister eingetragen ist

Soundboy

für die Waren

"Mit Programmen versehene maschinenlesbare Datenträger, insbesondere Disketten, Kassetten, Festplattenspeicher und Nur-Lese-Speicher (ROM), einschließlich Compakt-Disk-ROM und Steckmodule; mit integrierten Schaltkreisen versehene Leiterplatten; Druckereierzeugnisse auf den Gebieten der Computertechnik und der Software sowie Bedienungsanleitungen, Formblätter, Arbeitsbücher und Trainingshandbücher".

JurPC Web-Dok.
82/1999, Abs. 1
Die Bekanntmachung der Eintragung ist am 15. Oktober1992 erfolgt.Abs. 2
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren, seit 1955 für die Waren

"tragbare Rundfunkempfänger"

eingetragenen und zuletzt 1990 verlängerten Marke 671 672

Boy.

Abs. 3
Die Prüfungsstelle für Klasse 9 Wz hat durch Beschluß des Erstprüfers die zeichenrechtliche Übereinstimmung verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, der Widerspruch könne schon deshalb keinen Erfolg haben, weil bereits Warengleichartigkeit fehle. Zwischen Rundfunkempfangsgeräten und Software gebe es praktisch keine Berührungspunkte. Gleiches gelte auch für die übrigen Waren der Klasse 9, denn diese würden sich eher an Computerfreaks richten, während die Waren der Widersprechenden einen ganz anderen Abnehmerkreis hätten. Im übrigen sei allgemein bekannt, daß die Widersprechende, auf dem Computersektor nicht auftrete.Abs. 4
Der Erinnerungsprüfer ist dieser Argumentation gefolgt und hat auch die nunmehr nach Markengesetz erforderliche Warenähnlichkeit verneint. Bei den Datenträgern, Leiterplatten und Druckereierzeugnissen der Markeninhaberin handle es sich um Computerzubehör, das seine Funktion nur zusammen mit weiteren Elementen erfüllen könne, wohingegen tragbare Rundfunkempfänger eine in sich geschlossene fertige Baueinheit bildeten. Im übrigen bestehe auch deshalb keine Verwechslungsgefahr, weil eine Verkürzung des Anmeldezeichens auf Boy nicht zu befürchten sei. Soundboy sei ein flüssig aussprechbares zusammengeschriebenes Wort.Abs. 5
Die Widersprechende hat Beschwerde erhoben, die sie mit näheren Ausführungen darauf stützt, daß aufgrund der fortschreitenden Entwicklung im Multimediabereich eine Verschmelzung zwischen reiner Datentechnik und der Unterhaltungselektronik stattfinde; eine deutliche Trennung zwischen diesen Bereichen sei nicht mehr erkennbar. Es bestünden derart enge technische und wirtschaftliche Berührungspunkte zwischen den Vergleichswaren, daß eine Warenähnlichkeit bejaht werden müsse. Der Verkehr, der die Waren in den Verkaufsstätten oftmals auf den gleichen Stockwerken antreffe, werde bei gleicher oder vermeintlich gleicher Kennzeichnung Herkunftsverwechslungen unterliegen. Bei den gegenüberstehenden Marken bestünde zumindest die Gefahr, daß sie gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, denn die Widersprechende verfüge über eine Serie an Zeichen, die alle mit dem Bestandteil "Boy" gebildet seien, zum Beispiel "City-Boy", "Concert-Boy" usw. Der Verkehr habe sich an den Wortstamm "Boy" gewöhnt und werde im Zeichen der Markeninhaberin ohne weitere gedankliche Überlegung eine Kennzeichnung der Widersprechenden erblicken, die sich zudem über eines ihrer Tochterunternehmen auch auf dem Gebiet der Datenverarbeitung betätigt habe.Abs. 6
Die Widersprechende beantragt,

die Beschlüsse des Deutschen Patentamts aufzuheben und die beschleunigt eingetragene Marke zu löschen.

Abs. 7
Die Markeninhaberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Abs. 8
Die Herstellung von Rundfunkempfangs-, Fernseh-, Tonwiedergabe- und -Aufzeichnungsgeräten sei ein völlig anderer Wirtschaftszweig als die Herstellung von Datenspeichergeräten, was dem Verkehr auch bekannt sei. Des weiteren bestreitet die Markeninhaberin die Benutzung sowohl des Widerspruchszeichens als auch der Zeichenserie.Abs. 9
Die Widersprechende hat sodann eine eidesstattliche Erklärung ihres Marketingleiters, Abteilung Ton, vorgelegt, aus der sich ergibt, daß sie in der Zeit vom 1. April 1990 bis zum 31. März 1992 ... Stück tragbare Rundfunkgeräte mit der Bezeichnung "Boy", sowie insgesamt ... Stück tragbare Rundfunkgeräte mit oder ohne Kassettenteil und Kassettenrekorder mit den Bezeichnungen "Beat-Boy", "City-Boy", "Concert-Boy", "Hit-Boy", "Music-Boy", "Ocean-Boy", "Prima-Boy", "Jacht-Boy" verkauft und in unterschiedlichem Prospektmaterial mit hoher Auflage bundesweit beworben hat.Abs. 10
Die Markeninhaberin hat zu diesen Benutzungsunterlagen keine Erklärung abgegeben.Abs. 11
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der patentamtlichen Beschlüsse und auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.Abs. 12
II. Die Beschwerde ist zulässig und in der Sache teilweise begründet. Es besteht in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang die Gefahr von Verwechslungen im Sinne der Vorschriften des MarkenG (§ 42 Abs 2 Nr1, § 9 Abs 1 Nr 2, die nach Maßgabe von § 152 hier anzuwenden sind).Abs. 13
Die von der Markeninhaberin schon im patentamtlichen Verfahren erhobene Nichtbenutzungseinrede war zulässig, denn die Widerspruchsmarke war zum Zeitpunkt, als die gemäß § 6a WZG eingetragene Marke bekanntgemacht worden war, schon länger als fünf Jahre eingetragen. Die Widersprechende hat hinreichend glaubhaft gemacht, daß sie ihre Marke gemäß §§ 43 Abs 1 Satz 1, 26 MarkenG, die nach §§ 152, 158 Abs 3 Satz 1 MarkenG in entsprechender Weise anstelle des § 5 Abs 7 WZG anzuwenden sind, für die eingetragene Ware "tragbare Rundfunkempfänger" benutzt hat. Der von der Widersprechenden in der eidesstattlichen Versicherung angegebene Umsatz von über ... Stück tragbare Rundfunkgeräte während eines Zeitraums von zwei Jahren, die durch die weiteren Unterlagen ergänzend erhärtet wird, machen eine ernsthafte Benutzung hinreichend glaubhaft. Sie ergeben, daß die Benutzung kontinuierlich über einen längeren Zeitraum erfolgt ist, wobei jedenfalls bis zum Ende des maßgeblichen Benutzungszeitraums eine stetige Umsatzsteigerung stattgefunden hat.Abs. 14
Soweit die Marke mit Zusätzen wie "40a", "45", "50" usw versehen worden ist, läßt dies die rechtserhaltende Form der Benutzung unberührt. Gemäß § 26 Abs 3 Satz 1 MarkenG gilt als Benutzung einer eingetragenen Marke auch die Benutzung der Marke in einer Form, die von der Eintragung abweicht, soweit die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern. Hinzufügungen sind dann unschädlich, wenn sie diejenigen Teile der Marke unberührt lassen, die deren Gesamteindruck prägen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 26 Rdn 61). Sieht der Verkehr den Zusatz als zeichenmäßig bedeutungslose, austauschbare Zutat an, entnimmt er den betrieblichen Herkunftshinweis also ausschließlich der mitbenutzten eingetragenen Marke, so war schon nach § 5 Abs 7 WZG ein Zusatz unschädlich. Insbesondere beschreibende Angaben, die von der eigentlichen Kennzeichnung hinreichend deutlich abgesetzt sind, schaden nicht (Fezer, Markenrecht, § 26 Rdn 108 f mwNachw). Letzteres ist bei den vorliegenden Zusätzen anzunehmen, denn Zahlenangaben nach dem Markennamen weisen auf eine Baureihe, eine Produktserie oder einen bestimmten Ausstattungsumfang hin und werden vom Verkehr auch so verstanden. Dies wird im vorliegenden Fall durch das sich unmittelbar hinter dem Markennamen "Boy" in einem Kreis befindliche "R" als Hinweis auf ein rechtlich geschütztes Zeichen, das eine räumliche Trennung zur Zahlenangabe bewirkt, auch optisch unterstützt.Abs. 15
Die sich gegenüberstehenden Waren sind- soweit aus der Beschlußformel ersichtlich - auch ähnlich im Sinne des Markengesetzes. Bei der Ähnlichkeit der Waren handelt es sich um einen neuen, eigenständigen Rechtsbegriff, zu dessen Bestimmung allerdings je nach Lage des Einzelfalls an die zur Warengleichartigkeit entwickelten Kriterien angeknüpft werden kann (vgl BGH BlPMZ 1995, 168 OXYGENOL II). Maßgebend ist, ob die beiderseitigen Waren im Hinblick auf die regelmäßige Herkunft, ihre regelmäßige Vertriebsart, ihre Beschaffenheit, ihre wirtschaftliche Bedeutung und ihren Verwendungs- und Einsatzzweck so enge Berührungspunkte aufweisen, daß sie der Verkehr dem selben Unternehmen zuordnet, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind (vgl Althammer/Ströbele, aaO § 9 Rdn 35). Davon ist hier bezüglich der Datenspeichergeräte und elektronischen Bauteile auszugehen. Der heutige Stand der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung ist allgemein nämlich dadurch gekennzeichnet, daß der Bereich der Unterhaltungselektronik und der Computerbereich immer mehr zusammenwachsen (s. Senatsentscheidung BPatGE 38, 254 "HIRO/miro). Insoweit wird zur Verdeutlichung der bereits von der Widersprechenden dargelegten Berührungspunkte auf folgendes hingewiesen. Während es bei der Einführung der Personalcomputer Ende der 70er Jahre nur schwer vorstellbar war, was mit den neuen Geräten außer Programmieren gemacht werden sollte, hat die digitale Computertechnik die Medienlandschaft in den 90er Jahren derart neu gestaltet, daß sich eine feste Grenze zwischen den einzelnen Medien immer weniger ausmachen läßt. Die Digitalisierung nähert die traditionellen Medien wie Tonträger, Hörfunk, Fernsehen und die Computerwelt einander rasant an; sie führt zur Verschmelzung der Ebenen, da über kurz oder lang alle diese Technologien auf verwandtem Prinzip beruhen. Der Computer wird zum Fernseher, das Telefon zum Datenvermittler und die digitale Set-Top-Box zur universellen Datenplattform. Letztere erlaubt eine Verknüpfung von Fernsehen und Computer durch das Laden von Programmen, Spielen und Informationen aus dem Satellitenempfänger in den Computer und den Fernseher. So berichtet die Zeitschrift "Computer und Co.", das Multimediamagazin der Süddeutschen Zeitung, in ihrer Ausgabe vom September 1997 in einem Artikel "Die TV-Zukunft hat begonnen" von Fernsehern, die Computern immer ähnlicher werden. Die Fernsehindustrie setze verstärkt auf TV-Geräte, in die Computerkomponenten oder komplette Hochleistungsrechner eingebaut sind. Damit könne der Zuschauer zum Beispiel mit einem elektronischen Programmberater das Dickicht der Fernsehprogramme lichten, durch den Organizer seine privaten Termine verwalten oder parallel zum laufenden Programm ankommende E-Mails lesen und beantworten. Insbesondere die Anbindung an das Internet über Telefonnetz oder Kabel/Satellit mache aus dem ehemaligen "Pantoffelkino" einen "Multimedia-Terminal" (vgl Computer und Co. 9/97: "Die TV-Zukunft hat begonnen" S 10 f). Diesem Bericht ist auch zu entnehmen, daß die Widersprechende eine sogenannte WebBox anbietet, der handelsübliche Fernseher internetfähig macht. Mittels Einführen einer Smart Card (ähnlich der Kreditkarte) in das Gerät kann sich der Nutzer bei einem Internet Service Provider anmelden, der sodann die Verbindung zum Internet aufbaut. Ähnliche Zusatzgeräte werden von den Elektronikkonzernen Philips und Sony angeboten, auch andere Firmen sollen das Geschäft mit den intelligenten Zusatzgeräten "wittern" (zB der Videospielegigant Sega).Abs. 16
Aber auch beim Hörfunk läßt die Digitalisierung die traditionelle Unterhaltungselektronik mit Multimedia zusammenwachsen. Das digitale Radio mit Datendisplay - sogar in Farbe - erlaubt es, nicht nur den Titel der aktuell gesendeten Musik abzulesen, auf Programmhinweise, Wetterberichte und Nachrichten zurückzugreifen, sondern es kann auch das Bild der Moderatorin als eine Art Radioshow einblenden. Die Zeitschrift "Computer und Co." (Ausgabe 2/97) berichtet in einem Artikel "Die Kiste schlägt Wellen", daß die Firma Grundig im Rahmen einer Pilotphase ein derartiges digitales Autoradio anbietet (vgl Computer und Co., aaO S 20).Abs. 17
Damit ist deutlich, daß nach dem nunmehrigen technischen Entwicklungsstand nicht mehr von einer strikten Trennung der Herstellungsbranchen sog. "brauner Ware" und EDV Hard- und Software ausgegangen werden kann und dies den angesprochenen Verkehrskreisen auch bekannt ist. Die Widersprechende hat im übrigen bereits im Jahr 1988 ein elektronisches Büroablagesystem für den dezentralen Einsatz in kleinen oder mittelständischen Betrieben auf den Markt gebracht - wovon die Zeitschrift Computerwoche Nr 45 vom 4.11.1988 berichtet - und im Jahre 1992 ein Bildverarbeitungssystem für den Einsatz in der Industrie-Elektronik zur Unterstützung der Produktionsüberwachung und -steuerung vorgestellt (vgl Computerwoche 25 vom 19.6.1992).
Insgesamt ist davon auszugehen, daß zwischen "tragbaren Rundfunkempfängern" seitens der Widersprechenden und den von der Markeninhaberin beanspruchten elektronischen Bauteilen und Datenträgern in Beschaffenheit, wirtschaftlicher Bedeutung und Verwendungszweck so große Annäherungen bestehen, daß eine Warenähnlichkeit anzunehmen ist. Dies allerdings nicht in einem sehr engen Bereich, da bisher vornehmlich nur einzelne große Konzerne dazu übergegangen sind, beide Arten von Waren herzustellen.
Abs. 18
Den unter diesen Umständen erforderlichen mindestens noch mittleren Markenabstand hält die angegriffene Marke nicht ein. Dabei geht der Senat von einer normalen Kennzeichnungskraft und einem wenigstens durchschnittlichen Schutzumfang des Widerspruchszeichens aus. Das Wort "Boy" ist in der Bedeutung von "Laufjunge, Bote" und umgangssprachlich "Junge, junger Bursche" in den deutschen Sprachschatz eingegangen (vgl Duden, Das Fremdwörterbuch Bd 5, 6. Aufl S 128; Brockhaus, Die Enzyklopädie in 24 Bänden, 20. Aufl, 3. Bd S 619). Im Hinblick auf "tragbare Rundfunkempfänger" ist die Marke geeignet, zur Unterscheidung der Waren ihres Inhabers von solchen anderer Unternehmen zu dienen. Eine generell beschreibende Bedeutung des Wortes "Boy" im Sinn von "Hilfsgerät" ist nicht ausreichend sicher belegbar. So hat der erkennende Senat in seinen Entscheidungen vom 29. 1. 1996 (30 W (pat) 156/94 - "Hosenboy" schutzfähig für elektrisch beheizte Hosenbügler als Reisegepäck) und vom 15. Mai 1995 (30 W (pat) 356/91 - "GAMEBOY" schutzfähig für Fernseh- und Spielapparate usw) festgestellt, das Wort "Boy" habe keine Bedeutungsänderung dahin erfahren, daß es nicht mehr im Sinn "Laufjunge, Diener oder Boten" verwendet wäre, sondern etwa ganz allgemein im Sinn von Hilfsgerät oder Gerät verstanden werde (anders BPatG Mitt 1996, 55 "Boy"). Im übrigen hat die Widersprechende in ihrem Schriftsatz vom 21.11.1996 unter Hinweis auf erhebliche Umsatzzahlen eine gesteigerte Kennzeichnungskraft ihrer Marke "Boy" geltend gemacht, was von der Markeninhaberin unwidersprochen blieb. Dadurch ist eine mögliche ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche von "Boy" überwunden.Abs. 19
Es besteht Verwechslungsgefahr. Der Gesamteindruck beider Zeichen ist zwar unterschiedlich. Die Zeichen sind im Aufbau und Länge deutlich verschieden, so daß weder in klanglicher noch in schriftbildlicher Hinsicht Irrtümer in Betracht kommen können.Abs. 20
Es besteht jedoch die Gefahr von Verwechslungen unter dem Gesichtspunkt, daß die beiden Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden und zwar im Sinn einer mittelbaren Verwechslungsgefahr (§ 9 Abs 1 Nr 2 letzter Fall MarkenG). Diese greift dann ein, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, welchen der Verkehr als Stammbestandteil mehrerer Zeichen eines einzelnen Unternehmens erkennt und deshalb weitere Bezeichnungen, die ebenfalls diesen oder einen wesensgleichen Wortstamm aufweisen, dem selben Zeicheninhaber zuordnet (vgl zB BGH GRUR 1989, 350 - Abbo-; 1996, 200 - Innovadiclophlont). Diese Rechtsprechung beruht auf der dem Verkehr bekannten Übung mancher Unternehmen, sich eines Stammzeichens für viele ihrer Waren zu bedienen und dieses - dabei als solches gleichbleibende - Stammzeichen für einzelne Warenarten zu deren Kennzeichnung zu variieren. Anlaß zu einer solchen Schlußfolgerung kann bestehen, wenn ein Unternehmen, wie hier die Widersprechende, bereits mit mehreren Zeichen im Verkehr aufgetreten ist, die über denselben Wortstamm verfügen, und dieser Hinweischarakter hat. Der Verkehr kann dann an diesen Wortstamm gewöhnt sein und in dem neuen Zeichen ein weiteres Zeichen der Widersprechenden sehen. Das ist hier der Fall.Abs. 21
Mit ihrer eidesstattlichen Versicherung und der Vorlage entsprechender Benutzungsunterlagen hat die Widersprechende glaubhaft dargelegt, daß sie zumindest acht Marken (Beat-Boy, City-Boy, Concert-Boy, Hit-Boy, Music-Boy, Ocean-Boy, Prima-Boy und Jacht-Boy) besitzt, mit denen sie Rundfunkgeräte benennt, im erheblichen Umfang verkauft und auch entsprechend bewirbt. Diese Marken waren sämtlich zum Zeitpunkt der Anmeldung des jüngeren Zeichens bereits eingetragen. Abs. 22
Auch wenn an das Vorliegen einer assoziativen Verwechslungsgefahr grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen sind - denn ansonsten bestünde die Gefahr, daß im Ergebnis ein Elementenschutz zuerkannt wird, für den das Markenrecht grundsätzlich keinen Raum bietet (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG 5. Aufl, § 9, Rdn 181) -, so sind diese Voraussetzungen hier jedoch erfüllt. Dem Bestandteil "Boy" kommt Hinweischarakter auf die Widersprechende zu. Durch die langjährige intensive Benutzung der Widerspruchsmarke.wie auch der zahlreichen weiteren "...-Boy"-Marken hat sich der Verkehr an Boy als Stammbestandteil gewöhnt.Abs. 23
Er tritt in der Markenserie der Widersprechenden auch deutlich hervor, da er durch den Bindestrich räumlich vom übrigen Markenbestandteil abgegrenzt ist, und der vorangehende Markenteil auch jeweils beschreibend ist. So sollen die Markenbestandteile wie zum Beispiel "Beat", "Concert", "Jacht" entweder den besonderen Verwendungszweck andeuten oder ganz allgemein einen bestimmten Musikgeschmack oder Freizeitideen der Verkehrskreise ansprechen. Die Marke der Inhaberin der angegriffenen Marke ist in derselben Weise gebildet. Ebenso wie es die Widersprechende bei ihrer eigenen Markenserie macht, ist dem "Boy" der beschreibende Teil, nämlich "Sound" vorangestellt. "Sound" bedeutet im Englischen "Klang, Ton", ist in dieser Bedeutung als Fremdwort in die deutsche Sprache eingegangen und wird in der Werbung umfangreich verwendet (vgl zB Katalog der Fa Conrad Electronik von 1998 "Freizeit" S 35: "Natural Sound"). Tritt diese Marke dem Verkehr gegenüber, so wird er ohne weitere Gedankenschritte annehmen, die Widersprechende habe ihre Produktserie um Erzeugnisse im Computerbereich erweitert (vgl BGH GRUR 1996, 267 AQUA und zur Abgrenzung BPatG GRUR 1996, 417 - König Stefan Wein -; GRUR 1997, 293 - GREEN POINT/Der Grüne Punkt). Ein solcher Gedanke ist auch deshalb naheliegend, weil die Widersprechende, ebenso wie andere Großfirmen in der Unterhaltungselektronik, bereits Zusatzgeräte für die Verwendung von Fernsehgeräten als Computerbildschirm herstellt.Abs. 24
Der Bestandteil "Boy" tritt in dem angegriffenen Zeichen auch ausreichend eigenständig hervor. Zwar wird die Selbständigkeit des Wortes Boy nicht auch graphisch betont, weil die angegriffene Marke anders als die Serie der Widersprechenden keinen Bindestrich aufweist. Aber bei "Soundboy" handelt es sich nicht wie zum Beispiel bei "Playboy", "Liftboy", Cowboy" oder "Sonnyboy" um ein geläufiges, geschlossenes Wort, bei dem der Verkehr sich nicht mehr über die einzelnen Bestandteile Gedanken macht. Es muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß das Wort, um seinen Bedeutungsinhalt zu erfahren, in seine beiden Silben zerlegt werden wird, "boy" also als Markenteil deutlich erkannt wird.Abs. 25
Dieser Bewertung steht auch nicht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs "Boy" (GRUR 1994, 215) entgegen, mit der dieser eine Entscheidung des Bundespatentgerichts bestätigt hat, in der eine Verwechslungsgefahr der Marken "Boy" und "TOMMYBOY" u.a. deshalb verneint worden war, weil es sich bei "TOMMYBOY" um einen Gesamtbegriff etwa wie "Johnnieboy" oder "Frankieboy" handelt. Denn zum einen liegt hier eine derartige begriffliche Einheit mit einer gedanklichen Verbindung zu entsprechend gebildeten Worten gerade nicht vor, zum anderen stützte sich die - nicht zugelassene - Rechtsbeschwerde auf den Verfahrensmangel fehlender Beschlußgründe (PatG § 100 Abs 3 Nr 5), womit der Bundesgerichtshof nur berufen war, das Vorliegen von Gründen an sich und ihre Nachvollziehbarkeit zu überprüfen, nicht aber deren Richtigkeit.Abs. 26
Beachtliche Teile des Verkehrs werden somit in der jüngeren Marke "Soundboy" das Stammzeichen Boy der Widersprechenden erkennen und den Markenteil "Sound" als Hinweis auf eine bestimmte Produktpalette aus dem Geschäftsbetrieb der Widersprechenden auffassen.Abs. 27
Die Beschwerde ist damit erfolgreich, soweit sie sich auf die in der Beschlußformel bezeichneten Waren bezieht.Abs. 28
Im Hinblick auf die "Druckereierzeugnisse auf den Gebieten der Computertechnik und der Software sowie Bedienungsanleitungen, Formblätter, Arbeitsbücher und Trainingshandbücher" liegt eine mindestens sehr große Warenferne vor, so daß jedenfalls bei der hier zwar gegebenen, aber nicht völlig oder nahezu identische Marke betreffenden Markenähnlichkeit Verwechslungsgefahr im Sinn vom § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht besteht. Insoweit bleibt die Beschwerde daher ohne Erfolg.Abs. 29
Für die Kosten gilt MarkenG § 71 Abs 1 Satz 2.
JurPC Web-Dok.
82/1999, Abs. 30
[online seit: 28.05.99]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Soundboy - JurPC-Web-Dok. 0082/1999