JurPC Web-Dok. 9/1998 - DOI 10.7328/jurpcb/19981319

OLG Karlsruhe, Urteil v. 14.11.1997 (Az.: 14 U 202/96)

Eingescannte Unterschrift

JurPC Web-Dok. 09/1998, Abs. 1 - 33


ZPO § 519 Abs. 5

Leitsatz (der Redaktion)

Eine eingescannte Unterschrift genügt nicht dem Schriftformerfordernis.

Tatbestand

Wegen der Verurteilung der Beklagten wird auf die erstinstanzliche Entscheidung verwiesen.JurPC Web-Dok.
09/1998, Abs. 1
Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, zu deren Begründung sie anführt: Das Schuldanerkenntnis sei deshalb wirksam angefochten, weil ihr der Rechtsanwalt der Klägerin die unzutreffende Auskunft gegeben habe, ein gutgläubiger Erwerb anderweitig bereits veräußerter Sparbücher sei nicht möglich. Die Zeugenaussagen seien nicht überzeugend. Für ihr Eigentum an den Sparbüchern spreche § 1006 BGB. Zu Unrecht habe das Landgericht ihr auch die Kosten auferlegt, soweit der Rechtsstreit erledigt sei.Abs. 2
Sie beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Abs. 3
Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

Abs. 4
und verteidigt das angefochtene Urteil.Abs. 5
Das erstinstanzliche Urteil wurde der Beklagten am 4.9.1996 zugestellt. Ihre Berufung ging am 4.10.1996 ein. Begründet wurde die Berufung mit per Fax am 4.11.1996 eingegangenen Schriftsatz vom 4.11.1996, auf den verwiesen wird; eine weitere schriftliche Begründung vom 4.11.1996 ging am 5.11.1996 ein. Abs. 6
Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf den Akteninhalt verwiesen.Abs. 7

Entscheidungsgründe

I.
1. Die Berufung ist nach § 519b Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, denn sie ist nicht innerhalb der am 4. November 1996 ablaufenden Frist zur Begründung der Berufung (§ 519 Abs. 2 ZPO) in der Form des § 519 Abs. 5 ZPO begründet worden.
Abs. 8
a) Die am 5. November 1996 eingegangene Berufungsbegründung ging einen Tag nach Fristablauf ein.Abs. 9
b) Die am 4. November 1996 eingegangene Berufungsbegründung ist nicht formgerecht, denn sie ist nicht durch einen postulationsfähigen Rechtsanwalt unterzeichnet.Abs. 10
Nach §§ 519 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO muß die Berufungsbegründung unterschrieben sein. Dadurch soll gewährleistet sein, daß der Anwalt die Verantwortlichkeit für den über seiner Unterschrift befindlichen Text übernimmt. Dies gilt mit der aus den technischen Gegebenheiten folgenden Einschränkung auch für die Telekopie, bei der das Schriftbild der Unterschrift wiedergegeben sein muß (vgl. dazu Zöller, ZPO, 20. Auflage 1997, Randnummer 10 zu § 130).Abs. 11
Vorliegend deckt die auf dem letzten Blatt der Telekopie übermittelte Abbildung der Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten der Berufungsklägerin keinen Textinhalt. Die Unterschrift befindet sich vielmehr isoliert auf einem gesonderten Blatt und außerdem direkt unter einem Briefkopf der Kanzlei, an der für die Unterschrift vorgesehenen Stelle der vorangehenden Seite befindet sich - anders als bei der verspätet eingegangenen Begründung - keine Unterschrift.Abs. 12
Damit ist der Formvorschrift der §§ 519 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO nicht Genüge getan.Abs. 13
2. Die Klägerin hat dieses äußere Bild der ersten Berufungsbegründung damit erklärt, daß die Berufungsbegründung nach Unterzeichnung des dann als Original (verspätet) eingereichten Schriftsatzes mit einer von einer anderen Urkunde eingescannten Unterschrift ihres Anwaltes auf dessen Weisung per Twinfax, also direkt aus dem Computer über Modem an das Faxgerät des Oberlandesgerichts gesandt worden sei.Abs. 14
3. Dies rechtfertigt keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, denn auch unter Berücksichtigung dieser Erklärung ist die rechtzeitig eingegangene Berufungsbegründung nicht formgerecht, weil sie nicht durch einen postulationsfähigen Rechtsanwalt unterzeichnet ist.Abs. 15
a) Allerdings hat das Bundessozialgericht (BSG MDR 1997, 374, kommentiert in EWiR 1997, 235 f) entschieden, daß eine Berufungs"schrift", gefaxt direkt aus einem Computer über ein Modem in das Empfangsfaxgerät, einer Unterschrift nicht bedarf. Der Schriftform sei vielmehr Genüge getan dadurch, daß die Berufungsschrift mit dem Namen der Berufungsführerin und dem Zusatz "Dieser Brief wurde maschinell erstellt, wird nicht eigenhändig unterschrieben" abgeschlossen wurde.Abs. 16
aa) Dies kann zum einen auf eine Berufungsbegründung im Zivilprozeß nicht übertragen werden.Abs. 17
Im Zivilprozeß muß die Berufungsbegründung von einem beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein, während die sozialgerichtliche Verfahrensregelung weniger strenge Formvorschriften enthält. Die Berufung im Sozialgerichtsverfahren kann nach § 151 Abs. 1 SGG nämlich schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt und soll in der Berufungsschrift begründet werden (§ 151 Abs. III SGG). Der Tätigkeit eines - überdies postulationsfähigen - Rechtsanwaltes bedarf es nicht.Abs. 18
bb) Zum anderen fehlt ein dem Abschlußvermerk im vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall vergleichbarer Vermerk eines postulationsfähigen Anwalts unter der Berufungsbegründung.Abs. 19
b) Allerdings hat die Rechtsprechung auch bei anderen Formen moderner Übermittlung von Nachrichten eine Unterschrift für die Wahrung einer vorgeschriebenen Schriftform nicht für erforderlich gehalten. Nach BVerwG NJW 1995, 2121 reicht für eine formgerechte Klage eine notwendig unterschriftslose Btx-Mitteilung vom privaten, mit Codenummer gekennzeichneten Teilnehmeranschluß unter Absenderangabe aus, weil auf diese Weise die Absetzung durch einen Dritten oder die versehentliche Übersendung eines internen Vorganges ausgeschlossen erscheint. Nach BGHSt 8, 174 genügt die telegrafische Übermittlung der Schriftform.Abs. 20
Allen diesen Entscheidungen ist indessen gemeinsam, daß die Zulässigkeit des eingelegten Rechtsmittels oder der eingereichten Begründung nicht von der Unterzeichnung gerade eines postulationsfähigen Rechtsanwalts abhing.Abs. 21
c) Allerdings hat die Zivilrechtsprechung das Schriftformerfordernis für Berufungs- (BGHZ 65, 11) und Revisionseinlegung (BGHZ 101, 276) bei einem gleichfalls zwangsläufig unterschriftslosen Fernschreiben ebenso als erfüllt angesehen, und bereits das Reichsgericht hat die Rechtsmitteleinlegung durch ein Telegramm - bei eigenhändiger Unterschrift auf dem "Aufgabetelegramm" (RG JW 1921,527) - und auch bei telefonischer Telegrammaufgabe zugelassen (RGZ 139, 44, 151, 83), ebenso das Reichsarbeitsgericht (RAG 3, 252).Abs. 22
Dies führt jedoch auch unter Berücksichtigung der die Ausnahmen vom Unterschriftserfordernis tragenden Gründe nicht zur Formgültigkeit der "Twinfax-Berufungsbegründung".Abs. 23
Das Reichsgericht ist bei seinen Entscheidungen davon ausgegangen, es müsse sich dem technischen Fortschritt anpassen; außerdem habe sich ein entsprechendes, der Bedeutung der Telegraphie gerecht werdendes Gewohnheitsrecht ausgebildet. (RGZ 139, 47) Auch der Bundesgerichtshof hat in BGHZ 79, 314 ff, 316 ausgeführt, Ausnahmen vom Erfordernis der Unterschrift seien gewohnheitsrechtlich begründet.Abs. 24
aa) Ein Gewohnheitsrecht derart, daß bestimmende Schriftsätze aus einem Rechner über die Telefonleitung dem Faxgerät des Empfangsgerichtes wirksam zugeleitet werden können, existiert nicht.Abs. 25
bb) Zu einer Anpassung verfahrensrechtlicher Vorschriften an den technischen Fortschritt ist zum einen der Gesetzgeber berufen.Abs. 26
cc) Zum anderen besteht keine Veranlassung zu einer Anpassung an den technischen Fortschritt mit einem Ergebnis, daß von einem Rechner unterschriftslos übermittelte Nachrichten dem Schriftformerfordernis entsprechen. Es ist weder sachgerecht, die Wirksamkeit eines bestimmenden Schriftsatzes von der Art der Übermittlung abhängig zu machen, noch wäre es verständlich, andernfalls aber bei einer Schriftsatzübermittlung auf konventionelle Art am Unterschriftserfordernis festzuhalten (vgl. BFH NJW 1996, 1432). Schließlich besteht auch aufgrund des weiteren technischen Fortschrittes keine Veranlassung, Nachrichten, die den Erklärenden nicht aus sich heraus eindeutig erkennen lassen, als dem Schriftformerfordernis genügend zu behandeln:Abs. 27
Bereits zum Zeitpunkt der Berufungsbegründung gab es nämlich zahlreiche Möglichkeiten elektronischer Signatur (vgl. Engel-Flechsig, Maennel, Tettenborn NJW 1977, 2981 ff, 2988), bei deren Einsatz jedenfalls in Erwägung zu ziehen wäre, ob dadurch der gesetzlichen Schriftform Genüge getan ist (vgl. auch Geis NJW 1997, 3000 ff und das dieser technischen Entwicklung Rechnung tragende Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikatiosdienste - IuKDG - vom 22. Juli 1997, Art. 3 - Signaturgesetz – BGBl I 1870).Abs. 28
Das Einscannen einer Unterschrift vermag diese Signatur jedenfalls nicht zu ersetzen.Abs. 29
Es besteht damit keine Notwendigkeit, von folgenden Grundsätzen abzuweichen (RGZ 151, 85 f):Abs. 30
"Die Sicherheit des Verkehrs in Verfahren erfordert, daß von vornherein möglichst jeder Zweifel ausgeschlossen sein muß, ob eine für den Gang des Verfahrens wesentliche Prozeßhandlung auch von der nach dem Gesetze allein hierzu fähigen Person vorgenommen worden ist. Ferner muß Vorsorge dagegen getroffen werden, daß die dem Allgemeinwohl dienenden Bestimmungen über den Anwaltszwang umgangen werden. Würde man die Unterzeichnung der bestimmenden Schriftsätze mit Stempel oder Schreibmaschine (oder durch eine eingescannte Unterschrift - Einfügung durch den Senat -) zulassen, so wäre keine Gewähr dafür gegeben, daß der Schriftsatz von dem beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt herrührt. Streitigkeiten hierüber, die unter Umständen zu weitläufigen Beweisaufnahmen und damit zu einer Verzögerung des Verfahrens führen könnten, wären Tür und Tor geöffnet. Es entspricht aber gerade den ... Anschauungen über einen sicheren und schleunigen Rechtsschutz, daß Anzweiflungen der Wirksamkeit einer wesentlichen Prozeßhandlung tunlichst ausgeschlossen und Beweisaufnahmen hierüber möglichst vermieden werden. Dieses Ziel läßt sich nur dann erreichen, wenn an der bisher von der Rechtsprechung des Reichsgerichts angenommenen Formvorschrift der handschriftlichen Unterzeichnung eines bestimmenden Schriftsatzes festgehalten wird. Gewiß schützt dieses Gebot nicht vollkommen vor Fälschungen. Allein die Gefahr einer Fälschung ist immerhin außerordentlich gering im Vergleich zu der Gefahr, daß mit maschinenschriftlicher oder gestempelter (oder eingescannter - Einfügung durch den Senat -) Unterschrift Mißbrauch getrieben wird. Das Erfordernis der eigenhändigen Vollziehung der Unterschrift unter wichtigen Urkunden, wie sie die bestimmenden Schriftsätze darstellen, ist zudem von so einfacher Art, daß es auch Nichtsrechtskundigen ohne weiteres einleuchtet. Es kann bei einigermaßen sorgfältiger Geschäftsbehandlung, wie sie von jedem Rechtsanwalt zu erwarten ist, stets gewahrt werden. Sachliche Rechtsnachteile infolge Verletzung dieser Formvorschrift sind daher nur in seltenen Fällen zu befürchten. Treffen sie im Einzelfall ein, so müssen sie hingenommen werden."Abs. 31
III.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitert an § 234 Abs. 3 ZPO. Der Schriftsatz, mit dem die Klägerin die Gründe für die fehlende Unterzeichnung der ersten Berufungsbegründungsschrift mitgeteilt hat, ging am 10. November 1997 bei Gericht ein und somit über ein Jahr nach Ende der am 4. November 1996 ablaufenden Berufungsbegründungsfrist.
Abs. 32
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
JurPC Web-Dok.
09/1998, Abs. 33
[24.01.98]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Karlsruhe, OLG, Eingescannte Unterschrift - JurPC-Web-Dok. 0009/1998