JurPC Web-Dok. 134/2018 - DOI 10.7328/jurpcb20183310134

BGH

Beschluss vom 13.09.2018

I ZR 140/15

YouTube

JurPC Web-Dok. 134/2018, Abs. 1 - 66


Leitsätze:

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10), Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr"; ABl. L 178 vom 17. Juli 2000, S. 1) sowie Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157 vom 30. April 2004, S. 45) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Nimmt der Betreiber einer Internetvideoplattform, auf der Nutzer Videos mit urheberrechtlich geschützten Inhalten ohne Zustimmung der Rechtsinhaber öffentlich zugänglich machen, eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vor, wenn

- er mit der Plattform Werbeeinnahmen erzielt,

- der Vorgang des Hochladens automatisch und ohne vorherige Ansicht oder Kontrolle durch den Betreiber erfolgt,

- der Betreiber nach den Nutzungsbedingungen für die Dauer der Einstellung des Videos eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz an den Videos erhält,

- der Betreiber in den Nutzungsbedingungen und im Rahmen des Hochladevorgangs darauf hinweist, dass urheberrechtsverletzende Inhalte nicht eingestellt werden dürfen,

- der Betreiber Hilfsmittel zur Verfügung stellt, mit deren Hilfe Rechtsinhaber auf die Sperrung rechtsverletzender Videos hinwirken können,

- der Betreiber auf der Plattform eine Aufbereitung der Suchergebnisse in Form von Ranglisten und inhaltlichen Rubriken vornimmt und registrierten Nutzern eine an von diesen bereits angesehenen Videos orientierte Übersicht mit empfohlenen Videos anzeigen lässt,

sofern er keine konkrete Kenntnis von der Verfügbarkeit urheberrechtsverletzender Inhalte hat oder nach Erlangung der Kenntnis diese Inhalte unverzüglich löscht oder unverzüglich den Zugang zu ihnen sperrt?

2. Für den Fall, dass die Frage 1 verneint wird:

Fällt die Tätigkeit des Betreibers einer Internetvideoplattform unter den in Frage 1 beschriebenen Umständen in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG?

3. Für den Fall, dass die Frage 2 bejaht wird:

Muss sich die tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information und das Bewusstsein der Tatsachen oder Umstände, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen beziehen?

4. Weiter für den Fall, dass die Frage 2 bejaht wird:

Ist es mit Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar, wenn der Rechtsinhaber gegen einen Diensteanbieter, dessen Dienst in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht und von einem Nutzer zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt worden ist, eine gerichtliche Anordnung erst dann erlangen kann, wenn es nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung erneut zu einer derartigen Rechtsverletzung gekommen ist?

5. Für den Fall, dass die Fragen 1 und 2 verneint werden:

Ist der Betreiber einer Internetvideoplattform unter den in Frage 1 beschriebenen Umständen als Verletzer im Sinne von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen?

6. Für den Fall, dass die Frage 5 bejaht wird:

Darf die Verpflichtung eines solchen Verletzers zur Leistung von Schadensersatz nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG davon abhängig gemacht werden, dass der Verletzer sowohl in Bezug auf seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die Verletzungshandlung des Dritten vorsätzlich gehandelt hat und wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass Nutzer die Plattform für konkrete Rechtsverletzungen nutzen?

Gründe:

Abs. 1
A. Der Kläger ist Musikproduzent und war Mitinhaber des Musikverlags "Petersongs Musikverlag KG". Er behauptet, Inhaber der "Nemo Studios" zu sein.Abs. 2
Die Beklagte zu 3, die YouTube LLC, betreibt die Internetplattform YouTube, auf der Nutzer kostenlos eigene Videodateien hochladen und anderen Internetnutzern zugänglich machen können. Die Beklagte zu 1, die Google LLC, ist alleinige Gesellschafterin und gesetzliche Vertreterin der Beklagten zu 3. Die Beklagten zu 2 und 4 sind am Rechtsstreit nicht mehr beteiligt.Abs. 3
Am 20. Mai 1996 schloss das "Nemo Studio Frank Peterson" mit der Künstlerin Sarah Brightman einen weltweit gültigen Künstlerexklusivvertrag zur Auswertung von Ton- und Bildtonaufnahmen ihrer Darbietungen, der im Jahr 2005 durch eine Zusatzvereinbarung ergänzt wurde.Abs. 4
Am 1. September 2000 schloss der Kläger für sich und die Nemo Studios mit der Capitol Records Inc. eine Lizenzvereinbarung ("Bandübernahmevertrag") über den exklusiven Vertrieb von Aufnahmen und Darbietungen von Sarah Brightman durch die Capitol Records Inc. Darin heißt es unter Ziffer 6A:Abs. 5
Provided you and Artist have complied with all your respective material obligations under this Agreement, Company shall obtain your consent before: a. licensing (or authorizing Company's affiliates or licensees to license) Masters hereunder for synchronization use in television and film productions during the Exclusivity Term; or b. otherwise synchronizing (or authorizing Company's affiliates or licensees to synchronize) Masters hereunder with media other than records.Abs. 6
Im November 2008 erschien das Album "A Winter Symphony" mit von der Künstlerin interpretierten Musikwerken. Am 4. November 2008 begann Sarah Brightman ihre "Symphony Tour", auf der sie die auf dem Album aufgenommenen Werke darbot.Abs. 7
Am 6. und 7. November 2008 waren auf der von der Beklagten zu 3 betriebenen Internetplattform Musikstücke aus dem Album "A Winter Symphony" und aus privaten Konzertmitschnitten der "Symphony Tour" eingestellt, die mit Standbildern und Bewegtbildern verbunden waren. Mit anwaltlichem Schreiben vom 7. November 2008 wandte sich der Kläger an die Beklagte zu 4, die Google Germany GmbH, und forderte sowohl diese als auch die Beklagte zu 1 unter Bezugnahme auf Bildschirmausdrucke zur Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen auf. Die Google Germany GmbH leitete das Schreiben an die Beklagte zu 3 weiter. Diese ermittelte anhand der vom Kläger übermittelten Bildschirmausdrucke händisch die Internetadressen (URLs) der Videos und nahm Sperrungen vor, über deren Umfang die Parteien streiten.Abs. 8
Am 19. November 2008 waren auf der Internetplattform der Beklagten zu 3 erneut Tonaufnahmen von Darbietungen der Künstlerin abrufbar, die mit Standbildern und Bewegtbildern verbunden waren.Abs. 9
Der Kläger nimmt die Beklagten zu 1 und 3 auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch. Diese Ansprüche stützt er auf eigene Rechte als Hersteller des Tonträgers "A Winter Symphony" sowie auf eigene und von der Künstlerin abgeleitete Rechte an den unter seiner künstlerischen Mitwirkung als Produzent und Chorsänger entstandenen Darbietungen der in diesem Album enthaltenen Musikstücke. Darüber hinaus macht er im Blick auf die Konzertmitschnitte der "Symphony Tour" geltend, er sei Komponist oder Textautor verschiedener Albumtitel; ferner stünden ihm als Verleger von den Autoren abgeleitete Rechte an verschiedenen Musiktiteln zu.Abs. 10
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich dreier Musiktitel stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Dagegen haben sowohl der Kläger als auch die Beklagten zu 1 und 3 Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz hat der Kläger beantragt, den Beklagten zu 1 und 3 zu verbieten, zwölf näher bezeichnete Tonaufnahmen oder Darbietungen aus dem vom Kläger produzierten Studioalbum "A Winter Symphony" der Künstlerin sowie zwölf gleichfalls näher bezeichnete Musikwerke des Klägers oder Darbietungen der Künstlerin aus Konzertauftritten der "Symphony Tour" in Synchronisationsfassungen oder in sonstigen Verbindungen mit fremden Drittinhalten oder zu Zwecken der Werbung öffentlich zugänglich zu machen oder - hilfsweise - dies Dritten zu ermöglichen. Außerdem hat er die Erteilung von Auskünften über Verletzungshandlungen und den damit erzielten Umsatz oder Gewinn und die Feststellung verlangt, dass ihm die Beklagte zu 3 zur Zahlung von Schadensersatz und die Beklagte zu 1 zur Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet sind. Hilfsweise hat er Auskunft über die Nutzer der Internetplattform begehrt, die die fraglichen Musiktitel unter Pseudonymen auf das von der Beklagten zu 3 betriebene Internetportal hochgeladen haben.Abs. 11
Das Berufungsgericht (OLG Hamburg, BeckRS 2015, 14371) hat unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Klägers das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagten zu 1 und 3 auf den Hilfsantrag unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, Dritten in Bezug auf sieben näher bezeichnete Musiktitel zu ermöglichen, Tonaufnahmen oder Darbietungen der Künstlerin aus dem Studioalbum "A Winter Symphony" in Synchronisationsfassungen oder in sonstigen Verbindungen mit fremden Drittinhalten oder zu Zwecken der Werbung öffentlich zugänglich zu machen. Ferner hat es die Beklagten zur Erteilung von Auskunft über Namen und Anschriften sowie - soweit eine postalische Adresse nicht vorliegt - die E-Mail-Adressen näher bezeichneter Nutzer der Plattform verurteilt, die Musiktitel unter einem Pseudonym auf die Plattform hochgeladen haben. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Klage als zum Teil unzulässig, zum Teil unbegründet abgewiesen.Abs. 12
Der Senat hat die Revision gegen das Berufungsurteil im Umfang der vom Berufungsgericht für zulässig erachteten Klageanträge zugelassen. Der Kläger verfolgt mit seiner Revision diese Klageanträge weiter, soweit das Berufungsgericht sie als unbegründet abgewiesen hat. Die Beklagten zu 1 und 3 erstreben mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage. Die Parteien beantragen jeweils, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen.Abs. 13
B. Der Erfolg der Revision des Klägers hängt von der Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr sowie Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ab. Vor einer Entscheidung über die Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.Abs. 14
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger könne die Beklagten zu 1 und 3 im zuerkannten Umfang aus § 97 Abs. 1 Satz 1, § 99 UrhG auf Unterlassung und aus § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1 UrhG auf Auskunft in Anspruch nehmen. Zur Begründung hat es ausgeführt:Abs. 15
Hinsichtlich der streitgegenständlichen Musiktitel des Albums "A Winter Symphony" sei der Kläger als Tonträgerhersteller, als künstlerischer Produzent und als ausübender Künstler Inhaber von nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechten an den Tonaufnahmen und Darbietungen. Er habe diese Rechte durch den Abschluss des Bandübernahmevertrages nicht vollständig verloren; vielmehr habe er das ausschließliche Recht zur Auswertung der Tonaufnahmen und Darbietungen durch Synchronisierungen und Verbindungen mit werkfremden Inhalten zurückbehalten. Dieses Recht erfasse aber nur die Verbindung der Tonaufnahmen mit Bewegtbildern und nicht mit Standbildern.Abs. 16
Hinsichtlich der streitgegenständlichen Musiktitel, die nach Darstellung des Klägers bei Konzertauftritten auf der "Symphony Tour" dargeboten worden seien, habe der Kläger jeweils hinsichtlich bestimmter Titel eigene Rechte als Komponist oder Textdichter oder abgeleitete Rechte als Verleger inne.Abs. 17
Die dem Kläger zustehenden Rechte am Album "A Winter Symphony" seien dadurch verletzt worden, dass die Musikstücke unberechtigt auf der Internetplattform der Beklagten zu 3 eingestellt und mit Bewegtbildern wie etwa Filmaufnahmen aus dem Promotionvideo der Künstlerin verbunden worden seien. Für diese Rechtsverletzung hafte die Beklagte zu 3 zwar nicht als Täter oder Teilnehmer, wohl aber als Störer. Die Beklagte zu 3 habe die streitgegenständlichen Inhalte weder selbst erstellt noch selbst auf die von ihr betriebene Plattform eingestellt. Als Host-Provider komme die Beklagte zu 3 in den Genuss der Privilegierung nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG und § 10 Satz 1 TMG. Sie habe beim Einstellen der Inhalte auf der Plattform keine aktive Rolle gespielt und sich diese fremden Inhalte auch nicht zu Eigen gemacht. Für eine Haftung als Teilnehmer fehle ihr der insoweit erforderliche Vorsatz, weil sie keine Kenntnis von konkreten Rechtsverletzungen gehabt habe. Die Beklagte zu 3 hafte allerdings wegen der Verletzung der Rechte des Klägers an sieben näher bezeichneten Titeln des Studioalbums als Störer auf Unterlassung. Sie habe insoweit ihr obliegende Verhaltenspflichten verletzt, weil sie auf konkrete Verletzungshandlungen hingewiesen worden sei und die beanstandeten Inhalte nicht unverzüglich gelöscht oder gesperrt habe.Abs. 18
Hinsichtlich von Konzertaufnahmen der "Symphony Tour" habe die Beklagte zu 3 dagegen keine Verhaltenspflichten verletzt. Zwar seien die Videos mit den elf näher bezeichneten Musiktiteln rechtswidrig von Dritten in das Videoportal eingestellt worden. Die Beklagte zu 3 sei aber über diese Rechtsverletzungen nicht zureichend in Kenntnis gesetzt worden oder sie habe die gebotenen Sperrungen rechtzeitig vorgenommen oder ihr sei kein Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Sperrung vorzuwerfen.Abs. 19
Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, dem Kläger stehe der gegen die Beklagte zu 3 nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG begründete Unterlassungsanspruch gemäß § 99 UrhG auch gegen die Beklagte zu 1 als Inhaber des Unternehmens zu. Da die Beklagten zu 1 und 3 lediglich als Störer hafteten, sei die Beklagte zu 3 nicht zur Zahlung von Schadensersatz und die Beklagte zu 1 nicht zur Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet und der Anspruch auf Auskunftserteilung über den Umfang der Verletzungshandlungen und den damit erzielten Umsatz oder Gewinn unbegründet. Dagegen hätten die Beklagten zu 1 und 3 die Namen und die Anschriften und - soweit keine postalischen Anschriften vorhanden seien - die E-Mail-Adressen, nicht aber die IP-Adressen und die Bankdaten der Nutzer anzugeben, die Musiktitel unter einem Pseudonym auf die Plattform hochgeladen hätten.Abs. 20
II. Der Erfolg der Revision des Klägers hängt davon ab, ob das Verhalten der Beklagten zu 3 nach den im Streitfall festgestellten Umständen eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt (dazu B II 1). Sofern dies zu verneinen ist, stellt sich die Frage, ob die Tätigkeit der Beklagten zu 3 in den Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt (dazu B II 2). Sofern dies zu bejahen ist, stellt sich die Frage, ob sich die tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information und das Bewusstsein der Tatsachen oder Umstände, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen beziehen muss (dazu B II 3). Ferner stellt sich dann die Frage, ob es mit Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar ist, wenn der Rechtsinhaber gegen einen Diensteanbieter, dessen Dienst in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht und von einem Nutzer zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt worden ist, eine gerichtliche Anordnung nur dann erlangen kann, wenn es nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung erneut zu einer derartigen Rechtsverletzung gekommen ist (dazu B II 4).Abs. 21
Sofern das Verhalten der Beklagten zu 3 weder eine Handlung der Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt noch in den Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt, stellt sich die Frage, ob die Beklagte zu 3 gleichwohl als Verletzer im Sinne von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen ist (dazu B II 5). Falls diese Frage zu bejahen ist, stellt sich die Frage, ob die Verpflichtung eines solchen Verletzers zur Leistung von Schadensersatz nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG davon abhängig gemacht werden darf, dass der Verletzer sowohl in Bezug auf seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die Verletzungshandlung des Dritten vorsätzlich gehandelt hat und wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass Nutzer die Plattform für konkrete Rechtsverletzungen nutzen (dazu B II 6).Abs. 22
Diese Fragen lassen sich auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zweifelsfrei beantworten.Abs. 23
1. Zunächst stellt sich die Frage, ob das Verhalten des Betreibers einer Internetvideoplattform wie der Beklagten zu 3 nach den im Streitfall festgestellten Umständen eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt (Vorlagefrage 1).Abs. 24
a) Der Kläger stützt die von ihm erhobenen Ansprüche hinsichtlich der auf dem Studioalbum "A Winter Symphony" aufgenommenen Musiktitel auf das Recht des Tonträgerherstellers zum öffentlichen Zugänglichmachen des Tonträgers (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 UrhG) und das Recht des ausübenden Künstlers zum öffentlichen Zugänglichmachen seiner Darbietung (§§ 73, 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG). Hinsichtlich der bei Konzertauftritten auf der "Symphony Tour" dargebotenen Musiktitel beruft er sich auf eine Verletzung des Rechts des Urhebers zum öffentlichen Zugänglichmachen seines Werkes (§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2, § 19a UrhG).Abs. 25
b) Bei dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung handelt es sich um ein besonderes Recht der öffentlichen Wiedergabe (vgl. § 15 Abs. 2 und 3 UrhG). Da es sich bei den hier in Rede stehenden Rechten des Urhebers, des ausübenden Künstlers und des Tonträgerherstellers zur öffentlichen Wiedergabe in Form der öffentlichen Zugänglichmachung um nach Art. 3 Abs. 1 und 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/29/EG harmonisiertes Recht handelt, sind die entsprechenden Bestimmungen des deutschen Urheberrechtsgesetzes richtlinienkonform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 und 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/29/EG diese Rechte in seinem Anwendungsbereich vollständig harmonisiert und die Mitgliedstaaten das durch diese Vorschrift begründete Schutzniveau daher weder unterschreiten noch überschreiten dürfen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - C-466/12, GRUR 2014, 360 Rn. 33 bis 41 = WRP 2014, 414 - Svensson/Retriever Sverige; BGH, Beschluss vom 23. Februar 2017 - I ZR 267/15, GRUR 2017, 514 Rn. 17 = WRP 2017, 569 - Cordoba).Abs. 26
Die im Streitfall in Rede stehende öffentliche Wiedergabe in Form der öffentlichen Zugänglichmachung fällt in den Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1 und 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/29/EG, weil bei dem Abruf einer im Internet bereitgestellten Datei die Wiedergabe in Form der Zugänglichmachung gegenüber Mitgliedern der Öffentlichkeit erfolgt, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe in Form der Zugänglichmachung ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend sind (vgl. Erwägungsgründe 23 und 24 der Richtlinie 2001/29/EG; BGH, GRUR 2017, 514 Rn. 19 - Cordoba).Abs. 27
Da es sich bei der öffentlichen Zugänglichmachung um einen besonderen Fall der öffentlichen Wiedergabe handelt, kann eine öffentliche Zugänglichmachung nur vorliegen, wenn das beanstandete Verhalten die Tatbestandsmerkmale einer öffentlichen Wiedergabe erfüllt. Der Begriff der "öffentlichen Wiedergabe" im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG hat zwei Tatbestandsmerkmale, nämlich eine Handlung der Wiedergabe und die Öffentlichkeit dieser Wiedergabe. Ferner erfordert dieser Begriff eine individuelle Beurteilung. Im Rahmen einer derartigen Beurteilung sind eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind. Da diese Kriterien im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können, sind sie einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden. Unter diesen Kriterien hat der Gerichtshof die zentrale Rolle des Nutzers und die Vorsätzlichkeit seines Handelns hervorgehoben (vgl. EuGH, Urteil vom 7. März 2013 - C-607/11, GRUR 2013, 500 Rn. 21 und 31 = WRP 2013, 618 - ITV Broadcasting/TVC; EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 16 - Svensson/Retriever Sverige; EuGH, Urteil vom 19. November 2015 - C-325/14, GRUR 2016, 60 Rn. 14 und 15 - SBS/SABAM; Urteil vom 31. Mai 2016 - C-117/15, GRUR 2016, 684 Rn. 35 bis 37 - Reha Training/GEMA; Urteil vom 8. September 2016 - C-160/15, GRUR 2016, 1152 Rn. 32 bis 34 = WRP 2016, 1347 - GS Media BV/Sanoma u.a.; Urteil vom 26. April 2017 - C-527/15, GRUR 2017, 610 Rn. 28 bis 30 = WRP 2017, 677 - Stichting Brein/Wullems (Filmspeler); Urteil vom 14. Juni 2017 - C-610/15, GRUR 2017, 790 Rn. 23 bis 25 = WRP 2017, 936 - Stichting Brein/XS 4ALL (The Pirate Bay)).Abs. 28
c) Ob die Tätigkeit der Beklagten zu 3 nach den im Streitfall festgestellten Umständen eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt, ist zweifelhaft. Dies kann nach Auffassung des Senats allenfalls hinsichtlich der sieben Titel des Albums "A Winter Symphony" angenommen werden, von deren rechtswidriger Bereitstellung die Beklagte zu 3 nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Kenntnis hatte und die sie entweder nicht oder nicht rechtzeitig gelöscht oder gesperrt hat.Abs. 29
aa) Der Begriff der Wiedergabe ist im Blick auf das Hauptziel der Richtlinie 2001/29/EG, ein hohes Schutzniveau für die Urheber sicherzustellen (vgl. Erwägungsgründe 4 und 9 der Richtlinie 2001/29/EG), weit zu verstehen (vgl. Erwägungsgrund 23 der Richtlinie 2001/29/EG), und zwar dahin, dass er jede Übertragung geschützter Werke unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren umfasst (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2011 - C-403/08 und C-429/08, GRUR 2012, 156 Rn. 186 und 193 = WRP 2012, 434 - Football Association Premier League und Murphy; EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 20 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 17 - Svensson/Retriever Sverige; EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 - C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 23 und 25 = WRP 2014, 418 - OSA/Léčebné lázně; EuGH, GRUR 2016, 684 Rn. 38 - Reha Training/GEMA). Im Hinblick auf das Kriterium der zentralen Rolle des Nutzers und der Vorsätzlichkeit seines Handelns setzt eine Handlung der Wiedergabe voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zu einem geschützten Werk oder einer geschützten Leistung zu verschaffen. Dabei reicht es aus, wenn Dritte einen Zugang zum geschützten Werk oder zur geschützten Leistung haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diesen nutzen (vgl. EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 195 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2014, 360 Rn. 19 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2017, 610 Rn. 36 - Stichting Brein/Wullems (Filmspeler); GRUR 2017, 790 Rn. 31 - Stichting Brein/XS 4ALL (The Pirate Bay)).Abs. 30
Nach diesen Maßstäben hat der Gerichtshof der Europäischen Union in der Bereitstellung anklickbarer Links auf einer Internetseite, die Zugang zu auf anderen Internetseiten veröffentlichten Werken eröffnen (EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 18 - Svensson/Retriever Sverige; EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - C-348/13, GRUR 2014, 1196 Rn. 15 = WRP 2014, 1441 - BestWater International/Mebes und Potsch; EuGH, GRUR 2016, 1152 Rn. 43 - GS Media BV/Sanoma u.a.), in der Bereitstellung eines Medienabspielgeräts, das den Zugriff auf ohne Zustimmung des Rechtsinhabers im Internet zur Verfügung gestellte Werke ermöglicht (EuGH, GRUR 2017, 610 Rn. 38 bis 42 - Stichting Brein/Wullems (Filmspeler)), und in der Bereitstellung und dem Betrieb einer Filesharing-Plattform im Internet, die durch die Indexierung von geschützten Werken und das Anbieten einer Suchmaschine den Nutzern den Zugriff auf ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bereitgestellte Werke ermöglicht (EuGH, GRUR 2017, 790 Rn. 35 bis 39 - Stichting Brein/XS 4ALL (The Pirate Bay)), Handlungen der Wiedergabe gesehen.Abs. 31
bb) Nach Auffassung des Senats nimmt die Beklagte zu 3 mit dem Betrieb der Internetvideoplattform keine für die Annahme einer Handlung der Wiedergabe erforderliche zentrale Rolle im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ein, sofern sie nach Erlangung der Kenntnis von der Verfügbarkeit urheberrechtsverletzender Inhalte diese unverzüglich löscht oder den Zugang zu ihnen unverzüglich sperrt.Abs. 32
(1) Das Berufungsgericht hat festgestellt, auf die Plattform der Beklagten zu 3 würden bis zu 35 Stunden Videomaterial pro Minute und mehrere hunderttausend Videos pro Tag hochgeladen. Das Einstellen der Videos auf die Server der Beklagten zu 1 erfolge in einem automatisierten Verfahren. Sobald ein Nutzer ein Video hochgeladen habe, sei dieses für sämtliche Besucher der Webseite im Wege des Streamings einzusehen. Eine vorherige Ansicht oder Kontrolle durch die Beklagten erfolge nicht. Um Inhalte hochladen zu können, müsse sich ein Nutzer mit einem Benutzernamen und einem Passwort registrieren und die Nutzungsbedingungen akzeptieren. In den Nutzungsbedingungen sei geregelt, dass der Nutzer der Beklagten zu 3 eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz bezüglich der Nutzung, der Reproduktion, des Vertriebs, der Herstellung derivativer Werke, der Ausstellung und der Aufführung der Inhalte im Zusammenhang mit dem Zur-Verfügung-Stellen der Webseite und den Geschäften der Beklagten zu 3 einschließlich der Werbung einräume. Diese Lizenz erlösche nach den Nutzungsbedingungen, wenn der Nutzer das eingestellte Video von der Webseite entferne. Der Nutzer bestätige mit der Akzeptanz der Nutzungsbedingungen, dass er über sämtliche erforderlichen Lizenzen, Rechte, Zustimmungen und Erlaubnisse verfüge, die erforderlich dafür seien, dass die Beklagte zu 3 die übermittelten Inhalte für die Bereitstellung des Dienstes nutzen könne. In den "Community Richtlinien" rufe die Beklagte zu 3 dazu auf, das Urheberrecht zu respektieren. Bei jedem Hochladevorgang werde der Nutzer in graphisch hervorgehobener Weise darauf hingewiesen, dass keine urheberrechtsverletzenden Inhalte eingestellt werden dürften.Abs. 33
Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, die Beklagte zu 3 habe technische Vorkehrungen getroffen, um Rechtsverletzungen auf YouTube zu unterbinden. Jeder Nutzer könne schriftlich, per Fax, E-Mail oder Web-Formular eine Beschwerde an die Beklagte zu 3 richten. Es sei ein "Meldebutton" eingerichtet, mit dem anstößige oder rechtsverletzende Inhalte gemeldet werden könnten. Inhaber von Urheberrechten hätten über ein spezielles Benachrichtigungsverfahren die Möglichkeit, unter Angabe der Internetadresse des Videos bis zu zehn konkret bezeichnete Videos pro Beanstandungsvorgang von der Plattform entfernen zu lassen. Die Beklagte halte weiter ein Programm zur Inhaltsprüfung (Content Verification Program) bereit, das dem Rechtsinhaber die Bezeichnung der Videos erleichtere, indem er in einer Liste von Videos diejenigen ankreuzen könne, die er für rechtsverletzend halte. Dieses Programm stehe nur Unternehmen zur Verfügung, die sich hierfür gesondert registrieren müssten, nicht jedoch Einzelpersonen. Sofern ein Video wegen einer Benachrichtigung durch den Rechtsinhaber gesperrt werde, erhalte der Nutzer, der es hochgeladen habe, eine Mitteilung, mit der die Sperrung des Nutzerkontos im Wiederholungsfalle angekündigt werde. Die Beklagte zu 3 habe zur Identifizierung rechtsverletzender Inhalte ferner die Programme "YouTube Audio ID" und "YouTube Video ID" entwickelt. Hierfür habe der jeweilige Rechtsinhaber eine Referenzdatei bereitzustellen, die es der Beklagten zu 3 ermögliche, andere Videos auf der Plattform zu identifizieren, die ganz oder teilweise die gleichen Inhalte hätten. Werde ein solches Video identifiziert, erhalte der Rechtsinhaber hierüber eine Mitteilung und könne seine Sperrung veranlassen. Alternativ könne der Rechtsinhaber den Inhalt genehmigen und an Werbeeinnahmen partizipieren.Abs. 34
Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, die Beklagte zu 3 halte eine Suchfunktion vor und führe eine länderspezifische Relevanzermittlung durch, deren Ergebnis in Form von "Rankings" der Suchergebnisse unter den Rubriken "Derzeit abgespielte Videos", "Promotete Videos" und "Angesagte Videos" auf der Startseite zusammengefasst würden. Weitere Übersichten des Angebots würden unter den Überschriften "Videos" und "Kanäle" mit Unterrubriken wie "Unterhaltung", "Musik" oder "Film & Animation" bereitgehalten. Soweit ein registrierter Nutzer das Portal benutze, erhalte er in einer Übersicht "empfohlene Videos" angezeigt, deren Inhalt sich an den vom Nutzer bereits angesehenen Videos orientiere. Am Rand der Startseite befänden sich länderspezifische Bannerwerbungen von Drittanbietern. Eine weitere Möglichkeit der Werbevermarktung auf YouTube seien Videoanzeigen, deren Schaltung den Abschluss eines gesonderten Vertrags zwischen dem einstellenden Nutzer und der Beklagten zu 3 voraussetze. Hinsichtlich der im Streitfall betroffenen Videos sei allerdings eine Verbindung mit Werbung nicht ersichtlich.Abs. 35
(2) Die Anwendung der vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Kriterien spricht gegen die Annahme einer zentralen Rolle der Beklagten zu 3, sofern diese keine Kenntnis von der Einstellung urheberrechtsverletzender Inhalte hat. Der Annahme einer zentralen Rolle steht zwar nicht entgegen, dass die Beklagte zu 3 nicht selbst Inhalte einstellt, sondern es Dritten durch die Bereitstellung des Videoportals ermöglicht, den Nutzern des Portals Inhalte zur Verfügung zu stellen, unter denen auch urheberrechtsverletzende Inhalte sein können (vgl. EuGH, GRUR 2017, 790 Rn. 36 - Stichting Brein/XS 4ALL (The Pirate Bay)). Die Beklagte zu 3 handelt auch im Erwerbsinteresse, weil sie mit dem Betrieb des Portals Werbeeinnahmen erzielt. Für die Annahme einer zentralen Rolle ist jedoch die volle Kenntnis der Folgen des Handelns erforderlich, die sich auch auf das Fehlen der Erlaubnis des Rechtsinhabers beziehen muss (vgl. EuGH, GRUR 2017, 610 Rn. 41 - Stichting Brein/Wullems (Filmspeler)). Aufgrund des Umstands, dass die Einstellung von Videos automatisch erfolgt, hat die Beklagte zu 3 bis zu einem Hinweis des Rechtsinhabers keine Kenntnis von der Verfügbarkeit urheberrechtsverletzender Inhalte. Sie weist Nutzer in ihren Nutzungsbedingungen und während des Hochladevorgangs darauf hin, dass die Einstellung rechtsverletzender Inhalte nicht gestattet ist. Sie stellt zudem Hilfsmittel zur Verfügung, mittels deren Rechtsinhaber der Verfügbarkeit rechtsverletzender Inhalte entgegenwirken können. Nach Auffassung des Senats kommt daher die Annahme einer zentralen Rolle allenfalls in Betracht, soweit die Beklagte zu 3 nach Erlangung der Kenntnis von der Verfügbarkeit rechtsverletzender Inhalte diese nicht unverzüglich löscht oder nicht unverzüglich den Zugang zu ihnen sperrt.Abs. 36
d) Eine Öffentlichkeit der Wiedergabe liegt im Streitfall vor.Abs. 37
aa) Der Begriff der Öffentlichkeit der Wiedergabe ist nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt, die gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (vgl. EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 32 und 33 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 21 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 473 Rn. 27 und 28 - OSA/Léčebné lázně; GRUR 2016, 684 Rn. 40 bis 44 - Reha Training/GEMA; GRUR 2016, 1152 Rn. 36 - GS Media BV/Sanoma u.a.; BGH, GRUR 2017, 514 Rn. 26 - Cordoba).Abs. 38
Diese Voraussetzung liegt vor, wenn urheberrechtlich geschützte Inhalte auf einer Internetplattform zum Abruf durch deren Nutzer bereitgestellt werden.Abs. 39
bb) Für eine Einstufung als "öffentliche Wiedergabe" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist es weiterhin erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich vom bisher verwendeten unterscheidet, oder - ansonsten - für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2006 - C-306/05, Slg. 2006, I-11519 = GRUR 2007, 225 Rn. 40 und 41 - SGAE/Rafael; EuGH, Beschluss vom 18. März 2010 - C-136/09, MR-Int. 2010, 123 Rn. 38 - OSDD/Divani Akropolis; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 197 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2013, 500 Rn. 39 und 24 bis 26 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 24 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 14 - BestWater International/Mebes und Potsch; GRUR 2016, 684 Rn. 45 - Reha Training/GEMA; GRUR 2016, 1152 Rn. 37 - GS Media BV/Sanoma u.a.; BGH, GRUR 2017, 514 Rn. 28 - Cordoba).Abs. 40
Auch diese Voraussetzung einer öffentlichen Wiedergabe ist erfüllt. Das Einstellen urheberrechtlich geschützter Inhalte ohne Zustimmung des Rechtsinhabers auf einer Webseite erfolgt selbst dann für ein neues Publikum, wenn diese Inhalte zuvor mit Zustimmung des Rechtsinhabers und ohne beschränkende Maßnahmen, die ein Herunterladen verhindern, auf einer anderen Webseite eingestellt worden sind (vgl. EuGH, Urteil vom 7. August 2018 - C-161/17, GRUR 2018, 911 Rn. 29 bis 47 = WRP 2018, 1052 - Renckhoff/Land Nordrhein Westfalen). Soweit der angegriffenen Wiedergabe keine öffentliche Wiedergabe im Internet vorausging, handelte es sich darüber hinaus um ein anderes technisches Verfahren.Abs. 41
2. Sofern das Verhalten der Beklagten zu 3 keine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt, stellt sich die Frage, ob die Tätigkeit des Betreibers einer Internetvideoplattform wie der Beklagten zu 3 nach den Umständen des Streitfalls in den Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt (Vorlagefrage 2).Abs. 42
a) Nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG ist der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich, sofern er a) keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information hat und in Bezug auf Schadensersatzansprüche sich auch keiner Tatsachen oder Umständen bewusst ist, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder b) sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, unverzüglich tätig wird, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.Abs. 43
b) Das Angebot einer Internetplattform zur Speicherung von Informationen durch Dritte fällt als Hosting-Dienstleistung zwar grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Februar 2012 - C-360/10, GRUR 2012, 382 Rn. 27 = WRP 2012, 429 - Sabam/Netlog). Die Haftungsprivilegierung nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG findet auf einen Host-Provider aber keine Anwendung, wenn dieser, anstatt sich darauf zu beschränken, die Hosting-Dienstleistung mittels rein technischer und automatischer Verarbeitung der von seinen Kunden eingegebenen Daten neutral zu erbringen, eine aktive Rolle spielt, die ihm eine Kenntnis dieser Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte. Insoweit kann allerdings der bloße Umstand, dass der Betreiber eines Online-Marktplatzes die Verkaufsangebote auf seinem Server speichert, die Modalitäten für seinen Dienst festlegt, für diesen eine Vergütung erhält und seinen Kunden Auskünfte allgemeiner Art erteilt, nicht dazu führen, dass die in Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG hinsichtlich der Verantwortlichkeit festgelegten Ausnahmen auf ihn keine Anwendung finden. Hat dieser Betreiber hingegen Hilfestellung geleistet, die unter anderem darin bestand, die Präsentation der betreffenden Verkaufsangebote zu optimieren oder diese Angebote zu bewerben, ist davon auszugehen, dass er zwischen dem fraglichen als Verkäufer auftretenden Kunden und den potenziellen Käufern keine neutrale Stellung eingenommen, sondern eine aktive Rolle gespielt hat, die ihm eine Kenntnis der diese Angebote betreffenden Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte. Hinsichtlich dieser Daten kann er sich mithin nicht auf die in Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG genannte Ausnahme im Bereich der Verantwortlichkeit berufen (EuGH, Urteil vom 12. Juli 2011 - C-324/09, Slg. 2011, I-6011 = GRUR 2011, 1025 Rn. 112 bis 116 - L'Oréal/eBay).Abs. 44
Im Streitfall hat die Beklagte zu 3 nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die urheberrechtsverletzenden Videos zwar nicht mit Werbung verbunden. Es stellt sich aber die unionsrechtlich klärungsbedürftige Frage, ob die Beklagte nach den übrigen im Streitfall gegebenen Umständen (dazu oben Rn. 31 ff. (B II 1 c bb)) eine aktive Rolle gespielt hat, die der Anwendung des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG entgegensteht.Abs. 45
3. Sofern die Tätigkeit der Beklagten zu 3 in den Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt, weil sie sich auf eine neutrale Rolle beschränkt und keine aktive Rolle gespielt hat, stellt sich die Frage, ob sich die tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information und das Bewusstsein der Tatsachen oder Umstände, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen beziehen muss (Vorlagefrage 3).Abs. 46
Nach Ansicht des Senats ist diese Frage zu bejahen. Es genügt nicht, wenn dem Anbieter allgemein bekannt oder bewusst ist, dass seine Dienste für irgendwelche rechtswidrigen Tätigkeiten genutzt werden. Vielmehr müssen sich die Kenntnis der Umstände und das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit auf konkrete Tätigkeiten oder Informationen beziehen. Das wird bereits durch den Wortlaut der Regelung und den Gebrauch des bestimmten Artikels zur Bezeichnung der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information nahegelegt. Darüber hinaus folgt dies daraus, dass der Anbieter seine Obliegenheit, die rechtswidrige Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt (Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2000/31/EG), nur bezüglich konkreter Informationen erfüllen kann. Deshalb muss ein Hinweis auf Rechtsverletzungen so konkret sein, dass der Adressat den Rechtsverstoß unschwer und ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung feststellen kann (BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn. 21 - Stiftparfüm). Wird eine urheberrechtlich geschützte Rechtsposition geltend gemacht, bedarf es mithin einer Identifizierung des geschützten Werks oder der geschützten Leistung und einer Beschreibung der beanstandeten Verletzungsform sowie hinreichend klarer Anhaltspunkte für die urheberrechtliche Berechtigung der Beteiligten (BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 39 - Vorschaubilder I).Abs. 47
4. Sofern die Tätigkeit der Beklagten zu 3 in den Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt, stellt sich weiter die Frage, ob es mit Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar ist, wenn der Rechtsinhaber gegen einen Diensteanbieter, dessen Dienst in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht und von einem Nutzer zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt worden ist, eine gerichtliche Anordnung erst erlangen kann, wenn es nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung erneut zu einer derartigen Rechtsverletzung gekommen ist (Vorlagefrage 4).Abs. 48
a) Nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden. Entsprechende Regelungen finden sich in Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG und Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31/EG. Nach Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG stellen die Mitgliedstaaten unbeschadet des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG sicher, dass die Rechtsinhaber eine Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden. Nach Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31/EG lässt Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG die Möglichkeit unberührt, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern, oder dass die Mitgliedstaaten Verfahren für die Entfernung einer Information oder die Sperrung des Zugangs zu ihr festlegen.Abs. 49
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Vermittler, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden sowie Mittelspersonen, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden, als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Bei der Verletzung absoluter Rechte (wie der Rechte des geistigen Eigentums) kann danach als Störer in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Als Beitrag kann auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die weder als Täter noch als Teilnehmer für die begangene Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden können, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Verhaltenspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Prüfung oder Überwachung zur Verhinderung von Verletzungshandlungen Dritter zuzumuten ist. Das richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGH, Urteil vom 21. September 2017 - I ZR 11/16, GRUR 2018, 178 Rn. 74 = WRP 2018, 201 - Vorschaubilder III, mwN).Abs. 50
Ist der Störer ein Diensteanbieter, dessen Dienst in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, kann er nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich erst dann durch gerichtliche Anordnung zur Unterlassung verpflichtet werden, wenn es nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung erneut zu einer derartigen Rechtsverletzung gekommen ist, weil der Diensteanbieter nicht unverzüglich tätig geworden ist, um den rechtsverletzenden Inhalt zu entfernen oder den Zugang zu diesem zu sperren und dafür zu sorgen, dass es zukünftig nicht zu derartigen Rechtsverletzungen kommt (BGHZ 185, 291 Rn. 39 - Vorschaubilder I; BGHZ 191, 19 Rn. 21 - Stiftparfüm; BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 18/11, BGHZ 194, 339 Rn. 28 f. - Alone in the Dark; Urteil vom 5. Februar 2015 - I ZR 240/12, GRUR 2015, 485 Rn. 55 = WRP 2015, 577 - Kinderhochstühle im Internet III; Urteil vom 19. März 2015 - I ZR 94/13, GRUR 2015, 1129 Rn. 42 = WRP 2015, 1326 - Hotelbewertungsportal). Der Rechtsinhaber kann eine gerichtliche Anordnung gegen einen solchen Diensteanbieter danach nicht bereits dann erwirken, wenn dessen Dienst von einem Nutzer zur Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums genutzt worden ist.Abs. 51
c) Es stellt sich die Frage, ob es mit Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar ist, wenn der Rechtsinhaber gegen einen Diensteanbieter, dessen Dienst in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht und von einem Nutzer zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt worden ist, erst dann eine gerichtliche Anordnung erlangen kann, wenn es nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung erneut zu einer derartigen Rechtsverletzung gekommen ist. Nach Ansicht des Senats ist diese Frage zu bejahen.Abs. 52
Einem Diensteanbieter, dessen Dienst in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, darf nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG keine allgemeine Verpflichtung auferlegt werden, die von ihm gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Danach ist der Betreiber einer Internetplattform zur Speicherung von Informationen durch Dritte grundsätzlich nicht gehalten, jedes Angebot vor der in einem automatisierten Verfahren erfolgenden Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. Ferner ist ein solcher Diensteanbieter nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen verantwortlich, sofern er a) keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information hat und in Bezug auf Schadensersatzansprüche sich auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird oder b) sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, unverzüglich tätig wird, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren. Danach haftet der Betreiber einer Internetplattform zur Speicherung von Informationen durch Dritte, der keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information hat, auch nicht auf Unterlassung.Abs. 53
Eine Verhaltenspflicht des Betreibers einer Internetplattform zur Speicherung von Informationen durch Dritte, deren Verletzung einen Unterlassungsanspruch begründen kann, kann daher erst nach Erlangung der Kenntnis von einer Rechtsverletzung entstehen. Damit kann in derjenigen Verletzungshandlung, die Gegenstand einer Mitteilung ist, mit der der Betreiber der Plattform erstmalig Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt, keine Verletzungshandlung gesehen werden, die einen Unterlassungsanspruch begründet (vgl. BGHZ 191, 19 Rn. 39 - Stiftparfüm; BGH, GRUR 2015, 1129 Rn. 42 - Hotelbewertungsportal, jeweils mwN). Die Bedingungen und Modalitäten für die gerichtliche Anordnung gegen einen Vermittler können zwar nach Erwägungsgrund 59 Satz 5 der Richtlinie 2001/29/EG im nationalen Recht der Mitgliedstaaten geregelt werden. Dabei sind nach Ansicht des Senats aber die Vorgaben von Art. 14 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG zu beachten. Danach kann im nationalen Recht der Mitgliedstaaten eine gerichtliche Anordnung gegen einen Vermittler, der einen Dienst anbietet, der in der Speicherung der durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, nur für den Fall vorgesehen werden, dass der Vermittler tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information hat.Abs. 54
5. Sofern das Verhalten der Beklagten zu 3 weder eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt noch in den Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt, stellt sich ferner die Frage, ob die Beklagte zu 3 nach den im Streitfall festgestellten Umständen gleichwohl als Verletzer im Sinne von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen ist (Vorlagefrage 5).Abs. 55
a) Die Richtlinie 2004/48/EG betrifft nach ihrem Artikel 1 Satz 1 die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die erforderlich sind, um die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen. Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe finden auf jede Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums, die im Unionsrecht oder im innerstaatlichen Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehen sind, Anwendung (Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG). Die Richtlinie 2004/48/EG gilt unbeschadet von Art. 2 bis 6 und Art. 8 der Richtlinie 2001/29/EG (Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG) und berührt nicht Art. 12 bis 15 der Richtlinie 2000/31/EG (Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 2004/48/EG). Die Richtlinie 2004/48/EG unterscheidet zwischen dem Verletzer und Mittelspersonen, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden (vgl. Art. 11 und 13 der Richtlinie 2004/48/EG). Solche Mittelspersonen werden, soweit deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden, in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG als Vermittler, und soweit deren Dienste in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen bestehen, in Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31/EG als Diensteanbieter bezeichnet.Abs. 56
b) Sofern das Verhalten der Beklagten zu 3 eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt, ist die Beklagte zu 3 als Verletzer im Sinne der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen, der auf Unterlassung (Art. 11 Satz 1 der Richtlinie 2004/48/EG; § 97 Abs. 1 UrhG), Zahlung von Schadensersatz (Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG; § 97 Abs. 2 UrhG) und Herausgabe der Gewinne (Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG; § 102a UrhG, § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB) in Anspruch genommen werden kann. Sofern das Verhalten der Beklagten zu 3 in den Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt, ist die Beklagte zu 3 als Mittelsperson im Sinne der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen, deren Haftung ausgeschlossen ist, sofern die Voraussetzungen der Buchstaben a und b dieser Vorschrift erfüllt sind, und die anderenfalls wie ein Verletzer haftet.Abs. 57
c) Fraglich ist, ob die Beklagte zu 3 auch dann als Verletzer im Sinne der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen ist, der nicht nur auf Unterlassung, sondern auch auf Zahlung von Schadensersatz und Herausgabe von Gewinnen haften kann, wenn ihr Verhalten weder eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt noch in den Anwendungsbereich des Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG fällt. Nach Ansicht des Senats ist diese Frage zu bejahen, weil derjenige, der an einer Verletzungshandlung beteiligt ist, nach der Richtlinie 2004/48/EG entweder Mittelsperson oder Verletzer sein muss und daher nur Verletzer sein kann, wenn sich seine Beteiligung nicht auf das Angebot von Diensten beschränkt, die von einem Dritten zur Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden. Danach ist nicht nur der Nutzer, der bei der öffentlichen Wiedergabe eine zentrale Rolle spielt und in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zu einem geschützten Werk oder einer geschützten Leistung zu verschaffen, Verletzer; Verletzer ist nach Auffassung des Senats vielmehr auch der Diensteanbieter, der sich bei der öffentlichen Wiedergabe durch Nutzer seiner Plattform nicht auf eine neutrale Rolle beschränkt, sondern eine aktive Rolle spielt.Abs. 58
6. Falls das Verhalten der Beklagten zu 3 weder eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt noch in den Anwendungsbereich des Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG fällt, die Beklagte zu 3 aber gleichwohl als Verletzer im Sinne von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen ist, weil sie bei der Verletzung von Rechten des Klägers durch die Nutzer ihrer Plattform eine aktive Rolle gespielt hat, stellt sich die Frage, ob die Verpflichtung eines solchen Verletzers zur Leistung von Schadensersatz nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/48/EG (§ 97 Abs. 2 UrhG) davon abhängig gemacht werden darf, dass der Verletzer sowohl in Bezug auf seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die Verletzungshandlung des Dritten vorsätzlich gehandelt hat und dass er wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass Nutzer die Plattform für konkrete Rechtsverletzungen nutzen (Vorlagefrage 6).Abs. 59
a) Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/48/EG stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die zuständigen Gerichte auf Antrag der geschädigten Partei anordnen, dass der Verletzer, der wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Verletzungshandlung vornahm, dem Rechtsinhaber zum Ausgleich des von diesem wegen der Rechtsverletzung erlittenen tatsächlichen Schadens angemessenen Schadensersatz zu leisten hat.Abs. 60
b) Nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG ist derjenige, der das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet, wenn er die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt. Die Frage, ob jemand für eine deliktische Handlung wie die Verletzung eines Schutzrechts zivilrechtlich als Täter oder Teilnehmer haftet, beurteilt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nach den im Strafrecht entwickelten Rechtsgrundsätzen. Als Täter haftet danach derjenige, der die Zuwiderhandlung selbst oder durch einen anderen begeht (§ 25 Abs. 1 StGB). Mittäterschaft erfordert eine gemeinschaftliche Begehung, also ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken (§ 25 Abs. 2 StGB; vgl. § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB). Als Teilnehmer - also als Anstifter (§ 26 StGB) oder Gehilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) - haftet, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat oder ihm dazu Hilfe geleistet hat. Dabei setzt die Teilnehmerhaftung neben einer objektiven Teilnahmehandlung einen zumindest bedingten Vorsatz in Bezug auf die Haupttat voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - I ZR 159/10, GRUR 2011, 1018 Rn. 17 und 24 = WRP 2011, 1469 - Automobil-Onlinebörse, mwN).Abs. 61
c) Falls das Verhalten der Beklagten zu 3 weder eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt noch in den Anwendungsbereich des Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG fällt, die Beklagte zu 3 gleichwohl aber als Verletzer im Sinne von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen ist, weil sie bei der Verletzung von Rechten des Klägers durch die Nutzer ihrer Plattform eine aktive Rolle gespielt hat, kommt nach diesen Grundsätzen eine Haftung der Beklagten zu 3 als Gehilfe in Betracht.Abs. 62
aa) Dann stellt sich die Frage, ob die Verpflichtung eines solchen Verletzers zur Leistung von Schadensersatz nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/48/EG davon abhängig gemacht werden darf, dass der Verletzer sowohl in Bezug auf seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die Verletzungshandlung des Dritten vorsätzlich gehandelt hat.Abs. 63
Möglicherweise muss es auch bei solchen Fallgestaltungen für einen Schadensersatzanspruch nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/48/EG ausreichen, wenn der Verletzer vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Verletzungshandlung vornahm. Dann käme eine Haftung des Gehilfen auf Schadensersatz bereits beim Vorliegen von Fahrlässigkeit in Betracht. Die Haftung des Diensteanbieters, der eine aktive Rolle spielt, wäre damit strenger als die des Diensteanbieters, der eine neutrale Rolle einnimmt und damit in den Anwendungsbereich des Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG fällt; dessen Haftung setzt nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/31/EG eine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information voraus.Abs. 64
bb) Ferner stellt sich dann die Frage, welche Anforderungen an den Vorsatz oder - falls dies genügt - die Fahrlässigkeit des Verletzers in Bezug auf die Verletzungshandlung des Dritten zu stellen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Teilnehmer in Bezug auf die Haupttat des Dritten einen zumindest bedingten Vorsatz haben, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss. Dabei müssen sich der Vorsatz und das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit auf eine konkrete Haupttat beziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt es für die Annahme der Haftung des Betreibers einer Internetplattform als Teilnehmer auf Schadensersatz deshalb nicht, dass der Betreiber wusste, dass Nutzer die Plattform zur Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums nutzen, wenn sich dieses Wissen nicht auf konkrete Rechtsverletzungen bezieht (vgl. BGHZ 194, 339 Rn. 17 - Alone in the Dark; BGH, Urteil vom 15. August 2013 - I ZR 80/12, GRUR 2013, 1030 Rn. 28 = WRP 2013, 1348 - File-Hosting-Dienst; BGH, GRUR 2015, 485 Rn. 37 - Kinderhochstühle im Internet III).Abs. 65
Es ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union fraglich, ob nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/48/EG für eine Haftung des Betreibers einer Internetplattform auf Schadensersatz verlangt werden kann, dass er von konkreten Rechtsverletzungen durch die Nutzer der Plattform wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat es bei der Bereitstellung eines Medienabspielgeräts, das den Zugriff auf ohne Zustimmung des Rechtsinhabers im Internet zur Verfügung gestellte Werke ermöglicht (vgl. EuGH, GRUR 2017, 610 Rn. 50 - Stichting Brein/Wullems (Filmspeler)), und der Bereitstellung und dem Betrieb einer Filesharing-Plattform im Internet, die durch die Indexierung von geschützten Werken und das Anbieten einer Suchmaschine den Nutzern den Zugriff auf ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bereitgestellte Werke ermöglicht (vgl. EuGH, GRUR 2017, 790 Rn. 45 - Stichting Brein/XS 4ALL (The Pirate Bay)), ausreichen lassen, dass die jeweiligen Beklagten bewusst eine gefährliche Handlung vornahmen und allgemein mit rechtswidrigen Nutzungen rechneten. Würde es für einen Schadensersatzanspruch gegen einen Diensteanbieter, der eine aktive Rolle spielt, genügen, dass er nur allgemein wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass es zu Rechtsverletzungen auf der Plattform kommt, wäre seine Haftung auch insoweit strenger als die des Diensteanbieters, der eine neutrale Rolle einnimmt und damit in den Anwendungsbereich des Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG fällt; dessen Haftung auf Schadensersatz setzt nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/31/EG das Bewusstsein von Tatsachen oder Umständen voraus, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird (siehe oben Rn. 44 ff.).Abs. 66

 
(online seit: 02.10.2018)
 
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
Zitiervorschlag: BGH, YouTube - JurPC-Web-Dok. 0134/2018