JurPC Web-Dok. 65/2014 - DOI 10.7328/jurpcb201429469

OLG Köln
Urteil vom 08.11.2013

6 U 53/13

"Endlos surfen"

JurPC Web-Dok. 65/2014, Abs. 1 - 14


UWG §§ 5, 5a 

Leitsatz:

    Irreführend wirbt, wer einen Smartphone-Tarif als „Daten-Flat“ ankündigt, ohne deutlich auf die extreme Drosselung der Übertragungsrate ab einer bestimmten Datenmenge pro Monat hinzuweisen; bei allgemeiner Anpreisung eines solchen Tarifs („Endlos surfen ohne Vertrag“) kann es allerdings genügen, wenn der Hinweis unmittelbar der Preisangabe zugeordnet ist.


G r ü n d e

I.

Der Kläger hält Werbeauslobungen der Beklagten für ihr verschiedene Telekommunikationsleistungen umfassendes Angebot „Xtra 3-fach Flat“, nämlich die im Internet und auf Plakaten verbreitete Angabe „Endlos surfen“ und die Angabe in der Beschreibung des Tarifs auf einer Unterseite des Internetauftritts der Beklagten „Daten-Flat mit bis zu 7,2 Mbit/s“, für irreführend; dem Verbraucher werde nicht hinreichend deutlich mitgeteilt, dass die Beklagte in dem Tarif im Mobilfunkbereich ab einem Übertragungsvolumen von 100 MB pro Monat eine Drosselung der Datenübertragungsrate auf max. 64 Kbit/s im Download und max. 16 Kbit/s im Upload vornimmt. Das Landgericht, auf dessen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsrechtszug verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter, während die Beklagte die angefochtene Entscheidung verteidigt. JurPC Web-Dok.
65/2014, Abs. 1

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Abs. 2
Das Landgericht, auf dessen Erwägungen der Senat Bezug nimmt, hat einen Unterlassungsanspruch des Klägers aus §§ 3 Abs. 1 und 2, 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1, 5a Abs. 2 und 3 Nr. 1 und 4, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 UWG zu Recht verneint, soweit sich die Klage auf die Werbeangabe „Endlos surfen“ in der konkreten Form bezieht. In Bezug auf die Angabe „Daten-Flat mit bis zu 7,2 Mbit/s“ erweist sich die Berufung dagegen als begründet. Abs. 3
1.  Die angegriffene Werbeaussage „Endlos surfen“ begegnet den angesprochenen Verbrauchern – wie vom Landgericht zutreffend bemerkt – nicht isoliert, sondern einerseits als Teil der Schlagzeile „Endlos surfen ohne Vertrag“ in einer mehrere Angebote der Beklagten umfassenden Übersicht auf ihrer Internetseite und andererseits innerhalb der Plakatüberschrift „endlos surfen. Ohne vertrag“. Hier wie dort liegt der Akzent der reklamehaften, offenkundig keinesfalls wörtlich zu verstehenden Anpreisung auf der fehlenden langfristigen Vertragsbindung (obwohl selbstverständlich auch bei Buchung dieses Tarifs ein Vertrag zustandekommt) bei gleichzeitig fehlender Begrenzung auf eine genau abzurechnende Kommunikationsdauer oder Datenmenge (obwohl das Pauschalangebot selbstverständlich nur für den Zeitraum gilt, für den es gebucht wird). Die von den durchschnittlich informierten Interessenten auch so verstandene Hauptaussage der Werbung besteht also in der Ankündigung einer „Prepaid-Flatrate“, nicht in dem Versprechen, der Kunde könne das Internet ohne jegliche Begrenzung nutzen. Insbesondere wird der verständige Verbraucher danach nicht ohne Weiteres erwarten, dass der Tarif ihm eine unbegrenzte Datenübertragung in gleichbleibender Geschwindigkeit erlaube. In dem vom Oberlandesgericht Koblenz mit Urteil vom 08.05.2013 – 9 U 1415/12 – entschiedenen Fall mag der Anpreisung „unbegrenzt im Internet surfen“ nach den Umständen ein anderer objektiver Aussagegehalt beizulegen gewesen sein. Abs. 4
Auch im Streitfall kann die unklare und vollmundige Angabe „Endlos surfen“ allerdings Fehlvorstellungen über die Möglichkeiten und Grenzen der Internetnutzung im Rahmen des angebotenen Tarifs begünstigen, weshalb sie erläuterungsbedürftig erscheint. Ausreichende erläuternde Informationen erhalten die Verbraucher hier jedoch noch rechtzeitig. Hinsichtlich ihres Informationsbedürfnisses ist dabei zu unterscheiden: Abs. 5
Erfahrene Smartphone-Nutzer wissen, dass praktisch alle Anbieter im Mobilfunkbereich ab einem gewissen monatlichen Volumen der Datenübertragung eine Drosselung der Übertragungsrate, also der Surfgeschwindigkeit vornehmen; sie werden – wie vom Landgericht zu Recht angenommen – damit auch bei dem vergleichsweise preisgünstigen Angebot der Beklagten rechnen und nähere Angaben zur Höhe der Drosselungsgrenze erwarten. Solche Angaben erhalten sie bei der Internetwerbung hinreichend klar und verständlich am Ende der Seite im Fußnotentext zu 4). Die auf diesen Text verweisende, innerhalb eines kurzen und übersichtlichen Werbeblocks hinter der blickfangmäßig hervorgehobenen Preisangabe platzierte Fußnote werden sie nicht übersehen. Auch bei der Plakatwerbung signalisiert ihnen die am Ende der Unterzeile „3-fach Flat für nur 9,95 € im Monat.“ deutlich sichtbare Fußnote 1 eine Erläuterung des Leistungsumfangs. Einer besseren Lesbarkeit des Fußnotentextes, wie sie gemäß dem Senatsurteil vom 30.11.2012 – 6 U 114/12 – insbesondere bei einer Aufklärung über Preisbestandteile erforderlich sein kann, bedarf es ebenso wenig wie eines Fußnotenhinweises unmittelbar nach dem Ausdruck „Endlos surfen“. Abs. 6
Weniger versierte Kunden, an die sich die Werbung der Beklagten ebenfalls richtet, benötigen einen dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Hinweis nicht nur auf die Höhe der Drosselungsgrenze, sondern schon auf den Umstand, dass die Beklagte überhaupt eine Drosselung der Surfgeschwindigkeit vornimmt. Denn hierbei handelt es sich um eine Information, die für ihre geschäftliche Entscheidung im Sinne von § 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 UWG wesentlich ist. Auch diese Verbraucher erkennen aber die in der Auslobung „Endlos surfen“ liegende reklamehafte Übertreibung und werden diese nicht allein wegen des Fehlens eines unmittelbar zugeordneten Fußnotenhinweises als Zusicherung einer gleichbleibend schnellen Internetverbindung missverstehen. Vielmehr genügt es zur Unterrichtung auch dieser Interessenten über wesentliche Merkmale wie die Schnelligkeit der Datenübertragung und deren Drosselung, dass sie im Zusammenhang mit der Preisangabe durch eine deutlich erkennbare Fußnote auf ergänzende Angaben zum Tarif- und Leistungsumfang hingewiesen werden. Abs. 7
Der vom Kläger hervorgehobene Umstand, dass die Beklagte eine Drosselung schon bei einem Datenvolumen von nur 100 MB pro Monat – weniger als bei einschlägigen Konkurrenzangeboten der Discounter – vornimmt, führt in dieser Hinsicht zu keiner abweichenden Beurteilung. Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, bedürfen sowohl erfahrene Nutzer als auch situationsadäquat informierte Mobilfunkinteressenten, denen die branchenübliche Drosselungspraxis bisher unbekannt war, jedenfalls erläuternder Angaben zur Drosselungsgrenze im Rahmen des von der Beklagten angebotenen Tarifs. Ob diese Erläuterungen in einer Fußnote erfolgen können und an welcher Stelle sich ein entsprechender Fußnotenhinweis befinden muss, hängt jedoch nicht von der Höhe der Drosselungsgrenze ab. Durch die blickfangmäßig hervorgehobene – offensichtlich übertriebene – Werbeaussage „Endlos surfen“ erweckt die Beklagte keinen objektiv falschen Eindruck, der durch erläuternde Anmerkungen gar nicht mehr korrigiert, sondern nur noch in sein Gegenteil verkehrt werden könnte. Es handelt sich auch nicht um eine so konkrete missverständliche Angabe über die Surfgeschwindigkeit mit oder ohne Drosselung, dass die notwendige Richtigstellung nur durch eine unmittelbar zugeordnete Fußnote erfolgen könnte. Abs. 8
2.  Als zur Täuschung geeignet erweist sich in dieser Hinsicht dagegen die konkrete Aussage „Daten-Flat mit bis zu 7,2 Mbit/s“, die von der Beklagten im Internet innerhalb einer Aufzählung zur Beschreibung wichtiger Leistungsmerkmale ihres Tarifs „Xtra Triple“ verwendet worden ist. Abs. 9
Die entsprechende Unterseite ihres Internetauftritts dient der Werbung, auch wenn sie von interessierten Verbrauchern meist erst nach der Betätigung mehrerer elektronischer Verweise auf anderen Seiten („Durchklicken“) aufgesucht werden mag. Darin enthaltene Angaben dürfen nicht unwahr sein und müssen, wenn sie missverständlich sind, in geeigneter Form erläutert und richtig gestellt werden, damit es zu keiner Irreführung der Verbraucher kommt. Die Auslobung „Daten-Flat mit bis zu 7,2 Mbit/s“ ist missverständlich; denn die Relativierung „bis zu“ lässt nicht hinreichend erkennen, dass die Datenübertragungsrate hinter dem angegebenen Wert ganz erheblich zurückbleibt, sobald der Nutzer die Drosselungsgrenze von 100 MB im Monat überschreitet. Die Werbeadressaten werden zwar wissen, dass die Beklagte für das durchgängige Erreichen der beworbenen Geschwindigkeit nicht ohne Rücksicht auf regionale Faktoren und die Leistungsfähigkeit der Endgeräte oder ähnliche Gegebenheiten außerhalb ihres Netzes einsteht (vgl. BGH, GRUR 2010, 744 [Rn. 48] = WRP 2010, 1023 – Sondernewsletter; Senat, Urteil vom 07.09.2012 – 6 U 6/12; Urteil vom 01.02.2013 – 6 U 163/12). Angesichts der konkret ausgelobten Übertragungsrate von 7,2 Mbit/s werden aber nicht einmal erfahrene Nutzer und erst recht nicht die mit solchen Angeboten weniger vertrauten Verbraucher ohne Weiteres damit rechnen, dass die Beklagte sich bei Überschreitung der – im Vergleich zu Konkurrenzangeboten nicht einmal besonders hohen – Drosselungsgrenze von 100 MB pro Monat eine drastische Reduzierung der Datenübertragungsrate auf 64 Kbit/s im Download und 16 Kbit/s im Upload vorbehält. Sie haben auch keinen Anlass, sich über diese Einschränkung der bei Aufzählung der Leistungsmerkmale in bezifferter Form mitgeteilten Surfgeschwindigkeit ohne ausreichend deutlichen Hinweis durch Verfolgen eines erst bei der Preisangabe angebrachten Fußnotenhinweises 1) oder Aufruf einer Datei mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu informieren (vgl. Senat, Urteil vom 22.06.2012 – 6 U 196/11). Abs. 10
Ein über eine Fußnote erreichbarer aufklärender und erläuternder Hinweis genügt, hätte hier nach Lage der Dinge aber in unmittelbarem Zusammenhang zu der missverständlichen Angabe erfolgen müssen (vgl. zur Teilhabe eines klaren und unmissverständlichen Hinweises am Blickfang BGH, GRUR 2010, 744 [Rn. 43] = WRP 2010, 1023 – Sondernewsletter). Abs. 11
3.  Für die Kosten seiner nach alledem teilweise berechtigten Abmahnung kann der Kläger gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG pauschalen Ersatz verlangen (vgl. Köhler / Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 12 Rn. 1.98 f. m.w.N.). Abs. 12

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Abs. 13
Das Urteil betrifft die tatrichterliche Anwendung gefestigter Rechtsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass kein Anlass besteht, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.
JurPC Web-Dok.
65/2014, Abs. 14
Anmerkung der Redaktion:
Die Entscheidung wurde mitgeteilt von den Mitgliedern des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln.
[ online seit: 15.04.2014 ]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 08.11.2013, 6 U 53/13, "Endlos surfen" - JurPC-Web-Dok. 0065/2014