JurPC Web-Dok. 50/1999 - DOI 10.7328/jurpcb/199914351

LG München, Urteil vom 23.09.98 (1 HK O 11678/98)

"EXPLORA"

JurPC Web-Dok. 50/1999, Abs. 1 – 34


§§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB, 4 Nr. 1, 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG

Leitsatz (der Redaktion)

Die Rechte aus §§ 4 Nr. 1, 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG werden auch durch eine Verwendung des Markennamens als Unternehmenskennzeichnung und als Internetdomainname verletzt, jedenfalls wenn letzterer erkennbar aus der Geschäftsbezeichnung der auf der entsprechenden Internetseite werbenden Firma besteht. Abmahnkosten sind in diesem Fall unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag zu ersetzen.

Tatbestand

Die Klägerin entwickelt und vermarktet Software. Sie ist Inhaberin der am 8. 4.1994 angemeldeten und am 31.10.1994 eingetragenen deutschen Marke "EXPLORA" für Datenverarbeitungsprogramme.JurPC Web-Dok.
50/1999, Abs. 1
Der Beklagte war Inhaber der Internetdomain "www.explora.de". Die streitgegenständliche Domain stellte der Beklagte einer Firma Explora Hard- und Software Handel, K. Straße 35 b in ... W. als Anzeigenmedium gegen ein Entgelt von 350,-- DM zur Verfügung.Abs. 2
Auf Aufruf der Domain "www.explora.de" erschien die Internetseite der Firma Explora Hard- und Software, auf der sich deren wie folgt ausgestaltetes Firmenlogo befand:
(Es folgt die Darstellung des Logos, Anm. der Red.)
Abs. 3
Mit Abmahnscheiben vom 29.4.1998 ließ die Klägerin durch ihre Prozeßbevollmächtigten den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch nehmen und auffordern, die streitgegenständliche Internetdomain an die Vergabestelle DENIC zurückzuübertragen.Abs. 4
In dem Abmahnschreiben stützte sich die Klägerin darauf, daß sie Inhaberin der deutschen Marke "EXPLORER" sei und berief sich auf Verwechslungsfähigkeit und Warengleichheit.Abs. 5
Der Beklagte gab die geforderte Unterlassungserklärung mit Schriftsatz vom 5. 5.1998 ab. Die Internetdomain "www.explora.de" wurde inzwischen an die DENIC zurückgegeben.Abs. 6
Mit der Klage macht die Klägerin die Abmahnkosten geltend, die der Beklagte trotz Mahnung nicht bezahlt hat.Abs. 7
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte schulde ihr den Ersatz der Abmahnkosten unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes. Der Beklagte habe es schuldhaft unterlassen, die gebotenen Recherchen durchzuführen, bevor er die verfahrensgegenständliche Internetdomain habe eintragen lassen. Bei der Höhe der für die Abmahnung entstandenen Kosten sei ein Gegenstandswert von 100.000,-- DM zugrunde zu legen. Ein solcher sei in Streitigkeiten, in denen es um die Unterlassung der Benutzung von Internetdomains gehe, üblich. Die der Klägerin entstandenen Kosten errechneten sich sodann wie folgt:
7,5/10 Gebühr gem. § 118 BRAGO1.593,80 DM
§ 26 BRAGO40,-- DM
1.633,80 DM
Abs. 8
Die Einschaltung eines Rechtsanwalts für das Abmahnschreiben sei bei der Schwierigkeit der Materie erforderlich gewesen.Abs. 9
Die Klägerin beantragt daher,

den Beklagten zu verurteilen, an sie DM 1.633,80 zuzüglich 4% Zinsen ab Klagezustellung zu zahlen.

Abs. 10
Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Abs. 11
Er rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I und verweist darauf, daß die Internetseite in Hessen eingespeist worden sei.Abs. 12
Weiter trägt der Beklagte vor, er sei nicht Inhaber der Internetdomain. Er sei im August 1997 von der Firma Explora Hard- und Software Handel, Inhaber H. O., K. Straße 35 b, ... W., mit der Bereitstellung der Domain und eines Setups im Internet für einen einmaligen Betrag von DM 350,-- beauftragt worden.Abs. 13
Er habe sich daraufhin bei der Firma Web-Control erkundigt, ob der Firmenname "EXPLORA" seiner Auftraggeberin bereits vergeben sei, was verneint worden sei, woraufhin er diese Domain für die Veröffentlichung der Firma Explora habe reservieren lassen. Da die Vergabe der Internetadressen jedoch die Angabe einer Person voraussetze, welche für die monatliche Internetgebühr einsteht, habe er hierfür seinen Namen angegeben. Er selbst habe nie unter der verfahrensgegenständlichen Domain Waren oder Dienstleistungen angeboten.Abs. 14
Im übrigen sei die Abmahnung im Schriftsatz vom 29. 4.1998 wegen eines behaupteten Rechts der Klägerin an der Marke "EXPLORER" und nicht an der Marke "EXPLORA" erfolgt.Abs. 15
Schließlich bestreitet der Beklagte, daß die Einschaltung eines Rechtsanwalts überhaupt erforderlich gewesen sei. Es sei davon auszugehen, daß die Klägerin selbst über die hinreichende Sachkunde verfüge, um Abmahnungen aussprechen zu können.Abs. 16
Weiter sei der zugrunde gelegte Gegenstandswert von 100.000,-- DM nicht nachvollziehbar, hier könnten allenfalls die DM 350,-- zugrunde gelegt werden, die der Beklagte als Entgelt für die Bereitstellung der Domain habe erhalten sollen.Abs. 17
Auch der Ansatz einer 7,5/10 Gebühr sei nicht gerechtfertigt.Abs. 18
Wegen des Parteivorbringens im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.Abs. 19

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht München I örtlich zuständig. Die Klägerin kann als Verletzte die Klage am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung erheben. Begehungsort der unerlaubten Handlung ist bei Rechtsverletzungen, die durch Veröffentlichungen im Internet begangen werden, nach ständiger Rechtsprechung des Landgerichts München I und wohl inzwischen allgemeiner Meinung jeder Ort in Deutschland, da die betreffende Veröffentlichung von jedem Ort aus abgerufen werden kann. Da somit Begehungsort auch München ist, ist die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts gegeben.Abs. 20
Die Klage ist auch begründet.Abs. 21
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz ihrer Abmahnkosten.Abs. 22
Dabei kann dahinstehen, ob ihr dieser Anspruch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen schuldhaften Verhaltens des Beklagten zusteht. Jedenfalls kann sie Ersatz ihrer Abmahnkosten aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB beanspruchen.Abs. 23
Der Klägerin stand der in dem Abmahnschreiben vom 29. 4.1998 geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.Abs. 24
Wie sich aus der von der Klägerin vorgelegten DENIC-Auskunft ergibt, war der Beklagte zum fraglichen Zeitpunkt Inhaber der Domain "www.explora.de". Der Beklagte hat dies auch nicht bestritten, sondern sich nur damit verteidigt, er sei lediglich aus "formalen Gründen" als Domain-Inhaber aufgetreten. Dies ist jedoch unbeachtlich. Solange er - gleichgültig aus welchen Motiven - als Inhaber der Domain auftritt, ist er rechtlich Inhaber der Domain und hierfür verantwortlich.Abs. 25
Er hat die Rechte der Klägerin aus §§ 4 Nr. 1, 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verletzt, indem er eine Internetdomain, die mit der Marke der Klägerin identisch ist, eintragen ließ und sie einer Firma, deren Geschäftsbezeichnung mit der Marke der Klägerin identisch ist, zu Werbezwecken zur Verfügung stellte.Abs. 26
Das Verhalten des Beklagten stellt auch eine "kennzeichenmäßige" Benutzung dar. Entgegen der Ansicht des Beklagten verletzt nicht nur eine "markenmäßige" Benutzung, sondern auch eine Verwendung als Unternehmenskennzeichnung und als Internetdomainname, jedenfalls wenn letzterer – wie hier - erkennbar aus der Geschäftsbezeichnung der auf der entsprechenden Internetseite werbenden Firma besteht (Ingerl-Rohnke, Rdnr. 64 und 65 zu § 14 MarkenG).Abs. 27
Der Beklagte "benutzt" durch die bewußte und sogar entgeltliche Zurverfügungsstellung der Domain zu dem betreffenden Zweck auch selbst, ohne daß auf den Begriff des "Störers" zurückgegriffen werden müßte.Abs. 28
Auch sind die auf der fraglichen Internetseite durch die Firma Explora Hard- und Software angebotenen Waren mit denen der Klägerin identisch.Abs. 29
Der Klägerin stand damit zum Zeitpunkt des Abmahnschreibens ein Anspruch auf Unterlassung gemäß § 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gegen den Beklagten zu, so daß die Abmahnung jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag berechtigt war. Die Klägerin durfte auch einen Rechtsanwalt mit der Abmahnung beauftragen. Bei Kennzeichenstreitsachen handelt es sich um eine rechtliche Spezialmaterie, bei der die Einschaltung eines Rechtsanwalts stets zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist (Ingerl-Rohnke, Rdnr. 95 vor §§ 14-19 MarkenG). Es ist hierfür auch eine Mittelgebühr von 7,5/10 gemäß § 118 BRAGO angemessen (Ingerl-Rohnke a.a.O.).Abs. 30
Ein Gegenstandswert von DM 100.000,-- erscheint bei einer bundesweiten Verletzungshandlung im Internet als dem Interesse der Klägerin auf Unterlassung entsprechend und damit angemessen.Abs. 31
Die Tatsache, daß das Abmahnschreiben der Klägerin vom 29.4.1998 sich auf die Marke "EXPLORER" stützte, spielt keine Rolle. Die Abmahnung wäre jedenfalls auch wegen Verletzung der Marke "EXPLORA" begründet gewesen und hatte zur Folge, daß der Beklagte sich verpflichtet hat, die Benutzung der verletzenden Internetdomain "www.explora.de" zu unterlassen.Abs. 32
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.Abs. 33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
JurPC Web-Dok.
50/1999, Abs. 34
[online seit: 26.03.99]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: München I, LG, "EXPLORA" - JurPC-Web-Dok. 0050/1999