JurPC Web-Dok. 120/2016 - DOI 10.7328/jurpcb2016318129

OVG Sachsen-Anhalt

Beschluss vom 02.05.2016

1 O 42/16

Widerspruchseinlegung durch E-Mail ohne qualifizierte Signatur

JurPC Web-Dok. 120/2016, Abs. 1 - 11


Leitsatz:

Zur Unwirksamkeit der Widerspruchseinlegung durch E-Mail ohne qualifizierte Signatur, wenn elektronischer Rechtsverkehr durch die Behörde nicht gemäß § 3a VwVfG eröffnet ist.

Gründe:

Abs. 1
1. Die zulässige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle - 1. Kammer - vom 9. März 2016 hat in der Sache keinen Erfolg.Abs. 2
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die begehrte Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht. Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Sinne von § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet, wird von der Beschwerde nicht schlüssig infrage gestellt. Hinreichende Erfolgsaussichten sind auch anderweitig nicht ersichtlich.Abs. 3
Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Kläger die einmonatige Widerspruchsfrist gemäß § 70 Abs. 1 VwGO nicht eingehalten hat. Danach ist der Widerspruch innerhalb eines Monates, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt. Darüber ist der Kläger in der Rechtsbehelfsbelehrung des hier streitgegenständlichen Bescheides des Beklagten vom 13. Juni 2014 gemäß § 70 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 58 Abs. 1 VwGO ebenso zutreffend belehrt worden wie über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde, bei der der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist.Abs. 4
In Kenntnis dessen hat der Kläger gleichwohl abweichend hiervon „Widerspruch per E-Mail" eingelegt. Dies genügt dem Schriftlichkeitserfordernis nach § 70 Abs. 1 VwGO nicht, denn diesem wird bei bestimmenden Schriftsätzen wie dem Widerspruch in der Regel nur durch eine eigenhändige Unterschrift genügt (vgl.: BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1992 - 7 C 16.92 -, juris Rn. 22 (m. w. N.)). Damit liegen auch nicht andere Unterlagen in schriftlicher Form vor, die - ausnahmsweise - die Urheberschaft und den Willen, ein Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben, ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste (vgl. hierzu: BVerwG, a. a. O.). Bei einer schlichten E-Mail ist die Gewähr des „richtigen Absenders" ohnehin nicht, jedenfalls nicht ohne Weiteres erkennbar.Abs. 5
Vorliegend ist der Kläger auch nicht im Sinne von § 70 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO unrichtig belehrt worden mit der Folge, dass nicht die Jahresfrist galt. Eine Rechtsbehelfsbelehrung, die trotz der Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs lediglich auf die Rechtsmitteleinlegung in schriftlicher Form oder zur Niederschrift bei der maßgeblichen Stelle verweist, ist zwar unvollständig und deshalb irreführend, weil sie geeignet ist, den Eindruck zu erwecken, die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs sei ausgeschlossen (vgl.: OVG LSA, Urteile vom 12. November 2013 - 1 L 15/13 - und vom 14. Oktober 2014 - 1 L 99/13 -, jeweils juris (m. w. N.)). Indes ist vorliegend - wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - der elek-tronische Rechtsverkehr bei bzw. gegenüber dem Beklagten nicht gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 3a Abs. 1 VwVfG eröffnet gewesen. Es besteht zudem keine gesetzlich normierte Pflicht zur Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs; Gegenteiliges zeigt auch die Beschwerde nicht auf. Die gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO für die Widerspruchseinlegung vorgeschriebene Schriftform kann überdies gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 3a Abs. 2 Satz 2 VwVfG nur dann durch ein elektronisches Dokument gewahrt werden, wenn dieses mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist (vgl. hierzu auch: OVG Sachsen, Beschluss vom 9. Juni 2015 - 3 A 63/15 -, juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 8. November 2011 - 4 LB 156/11 - juris (m. w. N.); BayVGH, Beschlüsse vom 18. April 2011 - 20 ZB 11.349 - und vom 18. Juni 2007 - 11 CS 06.1959 -, jeweils juris; HessVGH, Beschluss vom 3. November 2005 - 1 TG 1668/05 - juris (m. w. N.)). Die schlichte E-Mail des Klägers genügt dieser Anforderung ebenso wenig.Abs. 6
Für die von den Parteien im Rahmen des Verwaltungsverfahrens bis zu dessen Abschluss durch Erlass eines Verwaltungsaktes betriebene Übung der Kommunikation auch in elektronischer Form gilt nichts anderes, denn auch die gewählte Praxis kann allenfalls darüber Aufschluss geben, dass ein Rechtsbehelf im elektronischen Wege denkbar sein kann, aber nicht darüber hinaus indizieren, dass jedwede Art der elektronischen Äußerung dem Schrifterfordernis genügt (vgl. insoweit auch: BayVGH, Beschluss vom 18. April 2011, a. a. O.). Ein anderslautendes Vertrauen des Klägers durfte sich daher allein aus diesem Grund schon nicht statthafterweise bilden. Dies gilt erst Recht, wenn - wie vorliegend - der Bescheidadressat zutreffend über die Form des einzulegenden Widerspruches belehrt wurde. Damit scheidet zugleich die Annahme aus, der Kläger sei im Sinne von § 70 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 60 Abs. 1 VwGO ohne Verschulden verhindert gewesen, die gesetzliche Frist einzuhalten.Abs. 7
Die Regelung des § 55a VwGO ist im Übrigen vorliegend nicht einschlägig, da sie die Übermittlung elektronischer Dokumente an das Gericht, nicht hingegen an die Verwaltung zum Gegenstand hat. Eine - wie die Beschwerde womöglich meint - „analoge" Anwendung scheidet im Hinblick auf die spezialgesetzliche Regelung in § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i. V. m. § 3a VwVfG ohnehin aus.Abs. 8
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten werden gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.Abs. 9
3. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) für das Beschwerdeverfahren eine Festgebühr in Höhe von 60,00 € anfällt.Abs. 10
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).Abs. 11

 
(online seit: 23.08.2016)
 
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok, Abs.
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