JurPC Web-Dok. 132/2012 - DOI 10.7328/jurpcb/2012278107

OLG Köln
Beschluss vom 10.04.2012

6 W 5/12

"gewerbliches Ausmaß bei Hörbüchern"

JurPC Web-Dok. 132/2012, Abs. 1 - 7


§ 101 Abs. 9 UrhG

Leitsatz

    Zur Frage des gewerblichen Ausmaßes der Rechtsverletzung im Sinne des § 101 Abs. 9 UrhG bei Hörbüchern, die in der Vergangenheit in zwei Auflagen erschienen sind und deren Stoff verfilmt worden ist.

G r ü n d e :

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft (vgl. Senat, GRUR-RR 2011, 88); sie hat auch in der Sache Erfolg. JurPC Web-Dok.
132/2012, Abs. 1
Es fehlt an der für einen Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 UrhG vorausgesetzten Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt eine für die Gestattung der Auskunft nach § 101 Abs. 9 UrhG erforderliche Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß dann vor, wenn eine hinreichend umfangreiche Datei innerhalb ihrer relevanten Verwertungsphase öffentlich zugänglich gemacht wird. Dabei geht der Senat grundsätzlich von einer Frist von 6 Monaten nach Veröffentlichung aus (vgl. Senat, GRUR-RR 2011, 85). Ob dies auch für Hörbücher gilt, hat der Senat bisher nicht entscheiden müssen und kann dies auch hier offenlassen, denn aus den von der Antragstellerin vorgelegten Verkaufszahlen, an denen zu zweifeln kein Anlass besteht, ergibt sich, dass die relevante Verwertungsphase zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung abgeschlossen war. Abs. 2
Nach diesen Zahlen war eine erste Verwertungsphase jedenfalls zum Ende des Jahres 2008 (mit dem Weihnachtsgeschäft) abgeschlossen. Der Abverkauf der Initialbestellung im Januar 2008 hat bis ca. Juni 2008 gedauert - erst danach sind wieder in nennenswertem Umfang (mit dem Höhepunkt zum Weihnachtsverkauf) CD-Ausgaben bestellt worden; von den 94.509 Händlereinkäufen im Jahr 2008 sind bis August 2009 92.161 Exemplare weiterverkauft worden, so dass bis zur Neuauflage im August 2009 eine relevante Verwertung nicht mehr stattgefunden hat. Erst mit dieser Neuauflage hat eine neue Verwertungsphase begonnen, wobei auch hier die Verwertung im Wesentlichen durch den Initialeinkauf und im Weihnachtsgeschäft 2009 erfolgt ist (Bestellungen in 8-12/2009: 31.156; insgesamt bis 9/2010: 35.544). Eine deutlich geringere erneute Verwertung hat dann zwar noch einmal anlässlich des Filmstarts im Oktober 2010 begonnen (monatlich ca. 5.000 Stück). Diese Verwertungsphase war zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (Januar 2011) jedoch abgeschlossen. In diesem Monat sind nur noch rund 1.200 CDs und auch nur in geringem Umfang MP3-Ausgaben verkauft worden. Insgesamt sind im Jahr 2011 weniger CDs verkauft worden als im August 2009, dem Monat der 1. Neuauflage. Abs. 3
Dabei verkennt der Senat nicht, dass das verfahrensgegenständliche Werk auch weiterhin verwertet wird und - ebenso wie die Hörbücher zu den ersten sechs Teilen der Harry Potter-Serie - für die Antragstellerin von erheblichem wirtschaftlichem Wert ist. Andererseits hat sich aber nach den vorgelegten Zahlen zu allen Teilen dieser Serie im Jahr 2011 im Vergleich zu den Zahlen früherer Jahre der jährliche Absatz stark reduziert, so dass bei den älteren Werken (Teil 1-4) nur noch etwa 10-20 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes der davor liegenden Jahre erzielt worden ist. Im Hinblick überwiegt das grundrechtlich (Art. 10 GG) geschützte Interesse der Antragsteller auf Geheimhaltung der IP-Adresse das Interesse der Antragstellerin an der Verfolgung der einzelnen Rechtsverletzungen. Abs. 4
Ein gewerbliches Ausmaß ergibt sich auch nicht daraus, dass die angebotene Datei besonders wertvoll oder umfangreich wäre (zu diesem Fall vgl. Senat, Beschluss vom 3.11.2008 - 6 W 136/08). Denn das verfahrensgegenständliche Hörbuch, das 22 CDs umfasst und zu einem Preis von etwa 40 € verkauft wird, geht insofern nicht über das bei Computerspielen Übliche hinaus. Abs. 5
Die Kostenentscheidung folgt aus § 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Abs. 6
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, weil die Rechtsprechung des Senats von der Entscheidung des OLG München (GRUR-RR 2012, 68) abweicht.
JurPC Web-Dok.
132/2012, Abs. 7
Anmerkungen der Redaktion:
1.  Es ist Rechtsbeschwerde eingelegt; das Beschwerdeverfahren (BGH I ZB 48/12) ist noch nicht abgeschlossen.
2.  Die Entscheidung wurde mitgeteilt von den Mitgliedern des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln.
[ online seit: 21.08.2012 ]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 10.04.2012, 6 W 5/12, "gewerbliches Ausmaß bei Hörbüchern" - JurPC-Web-Dok. 0132/2012