JurPC Web-Dok. 158/2009 - DOI 10.7328/jurpcb/2009247143

Katja Brzezinski *

Tagungsbericht 9. @kit-Kongress

JurPC Web-Dok. 158/2009, Abs. 1 - 14


Am 14. und 15. Mai 2009 fand zu dem Thema "Aktuelle Entwicklungen im Online-Recht" der 9. Kongress des Bayreuther Arbeitskreises für Informationstechnologie-/ neue Medien — Recht e.V. (@kit) in Nürnberg statt. Auf diesem juristisch und technisch sehr weitem Feld vertraten Experten des Datenschutz- und Domainrechts sowie aus den Bereichen des Wettbewerbs- und Haftungsrechts ihre Sichtweisen zu gegenwärtigen Problemen und führten mit den Teilnehmern aus Wirtschaft, Verbänden und Kanzleien einen engagierten und kontroversen Meinungsaustausch. JurPC Web-Dok.
158/2009,   Abs. 1
(1) Nach der Begrüßung durch den 1. Vorsitzenden des @kit e.V., Herrn Prof. Dr. Stefan Leible (Universität Bayreuth), eröffnete Herr Prof. Dr. Dirk Heckmann (Universität Passau) den Ring mit seinem Vortrag zum Thema "Entwicklungslinien des Datenschutzrechts". Ausgehend vom plakativen Schlagwort des "Supergaus des Datenschutzes" führte Heckmann hin zu den Feststellungen und Trends, die die Debatte um das Datenschutzrecht beeinflussen werden: Erstens werde der Datenschutz durch die defizitäre IT-Sicherheit gefährdet. Ob und wie staatliche Maßnahmen dieses Problem lösen könnten, sei derzeit unklar. Zweitens müsse, sofern technische Mittel zur Gewährleistung des Datenschutzes genutzt würden, deren Funktionstauglichkeit sichergestellt werden. Drittens bestehe vor dem Hintergrund der Zentralisierung und Standardisierung von Daten (virtuelle Verwaltung) die Gefahr der Datenverknüpfung. Künftig müssten hierfür effiziente IT-Systeme wirksame Schutzmechanismen etablieren. Letztlich dienten persönliche Daten als eine Art Währung für Leistungen im Internet. Allerdings könnte das Vertrauen diese Währung ablösen, sofern jedem Einzelnen die Tragweite der Freigabe seiner persönlichen Daten mehr ins Bewusstsein rücken würde. Abs. 2
(2) Auf die Frage der "Unternehmerischen Haftung für Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorgaben" gab Frau Rechtsanwältin Dr. Christiane Bierekoven (Kanzlei Rödl & Partner, Nürnberg) Antwort. Die Darstellung der möglichen zivilrechtlichen Ansprüche und straf- sowie bußgeldrechtlichen Sanktionen machte das haftungsrechtliche Ausmaß derartiger Verstöße deutlich. Zwar spielten die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche nach §§ 7 ff. BDSG und §§ 823 ff. BGB sowie der Straftatbestand nach § 44 BDSG in der Praxis bislang nur eine untergeordnete Rolle. Demgegenüber zeigten aber die Fälle aus jüngster Vergangenheit, dass sowohl die Anzahl als auch die Höhe der wegen Datenschutzverstößen verhängten Bußgelder steige. Mit der beabsichtigen Novelle des BDSG sei außerdem vorgesehen, einen neuen Bußgeldtatbestand im Bereich der Auftragsdatenverwaltung zu schaffen. Abs. 3
(3) Zum Thema "Datenschutzrechtliche Fragestellungen bei Suchmaschinenanbietern, insbesondere zu dem Problem, wie Suchmaschinen den Schutz personenbezogener Daten sicherstellen", referierte Herr Rechtsanwalt Per Meyerdierks (Beauftragter für den Datenschutz, Google Germany GmbH, Hamburg). Dabei ging der Referent hauptsächlich auf die Frage ein, ob IP-Adressen zwischen Access- und Website Providern übertragen würden und somit eine persönliche Zuordnung der Daten beim Access-Provider erfolgen könne. Zum einen wurde diese Frage unter Hinweis auf § 30 BDSG, der weder eine materielle Voraussetzung noch eine Rechtfertigung für die Übermittlung von Daten darstelle, verneint. Zum anderen werde der Zugriff von Website Providern auf personenbezogene Daten, die beim Access Provider vorhanden seien, nicht nur technisch verhindert, sondern auch straf-, ordnungs- und zivilrechtlich geahndet. Auch die Herausgabe von Daten durch den Access Provider werde sowohl straf- als auch ordnungsrechtlich belangt. Nicht zuletzt mache Google die Server Logs von IP-Adressen nach neun Monaten unkenntlich. Abs. 4
(4) Der "Einführung neuer generischer Top Level Domains durch ICANN ("New gTLD Program")" widmete sich im Anschluss Herr Markus Eggensperger (Vorstand Recht und Gründer, united-domains AG, Starnberg). Vor dem Hintergrund eines starken Wachstums der bedeutenden gTLDs in den letzten Jahren, dem Auf- und Ausbau eines Sekundärmarktes (secondary market) und der positiven Entwicklung vieler ccTLDs sei der Zeitpunkt für eine Erweiterung des vorhandenen Namensraums gekommen, auch wenn dieser bislang nicht ausgeschöpft sei. Dabei gelte als sicher, dass neue geoTLDs eingeführt werden, die nicht nur an Länder, sondern auch an Regionen und Städte anknüpfen, wie etwa Berlin.de. Zudem sei die Einführung von Marken Top-Level-Domains (trademark-TLDs) sehr wahrscheinlich. Abs. 5
(5) Welche "Herausforderungen ICANNs "New gTLD Program" für das nationale und internationale Markenrecht" begründet, erläuterte Herr Rechtsanwalt Dr. Torsten Bettinger, LL.M. (Kanzlei Bettinger Schneider Schramm Patentanwälte Rechtsanwälte, München). Bereits in der Evaluierungsphase setze die Zulässigkeit des TLD-String voraus, dass keine verwechslungsfähige Ähnlichkeit oder Übereinstimmung mit einer bestehenden oder beantragten TLD bestehe. Die Feststellung der Verwechslungsfähigkeit treffe ein sog. "String Similarity Examiner" anhand des von ICANN entwickelten Prüfalgorithmus. Dritte könnten Einsprüche gegen die Vergabe einer gTLD in der sich anschließenden Dispute Resolution Phase geltend machen. In dieser Phase sei auch der Gang vor die ordentlichen Gerichte nicht ausgeschlossen. Abs. 6
(6) Über "Neue Spielregeln für die E-Mail- und Telefonwerbung" sprach  Herr Prof. Dr. Ansgar Ohly, LL.M. (Universität Bayreuth). Durch die UWG-Reform 2008 habe der Gesetzgeber das verschärfte Erfordernis der vorherigen ausdrücklichen Einwilligung sowohl bei der E-Mailwerbung gegenüber Verbrauchern als auch gegenüber Unternehmern eingeführt. Die Ausdrücklichkeit der Einwilligung sei insbesondere im Bereich der sog. Nachfragewerbung problematisch. Daneben genüge eine vorgefertigte Einwilligungserklärung, die in AGB versteckt sei, nicht den gesetzgeberischen Anforderungen. Der Grundgedanke des § 7 UWG sei nämlich ein sog. Opt-In-Regelung, was bedeute, dass der Verbraucher selbst aktiv werden müsse, wenn er eine bestimmte Werbung haben wolle. Daneben sehe das Gesetz zur Bekämpfung unlauterer Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen einen neuen Bußgeldtatbestand und das Verbot der Rufnummernunterdrückung vor. Abs. 7
(7) "Die geplante Neuregelung des Fernabsatzrechts durch die "Richtlinie über Rechte der Verbraucher" stellte anschließend Frau Prof. Dr. Beate Gsell (Universität Augsburg) vor. Diese Richtlinie solle der Beseitigung der Rechtszersplitterung in der EU dienen und grenzüberschreitende Verbrauchergeschäfte, insbesondere im Internethandel für Verbraucher und Unternehmer attraktiver machen. Anders als die bisherige Fernabsatzrichtlinie folge der neue Richtlinienvorschlag dem Grundsatz der Vollharmonisierung. Durch diesen Strategiewechsel werden den Mitgliedstaaten in ihren Regelungsbereichen nicht nur Abweichungen "nach unten" sondern auch "nach oben" verboten. Im Schwerpunkt betreffen die vorgeschlagenen Neuregelungen die Informationspflichten und das Widerrufsrecht. So soll etwa die Frist zur Ausübung des Widerrufsrechts auf vierzehn Kalendertage ab Lieferung der Ware bzw. ab Vertragsschluss bei Dienstverträgen EU-weit vereinheitlicht werden. Abs. 8
(8) Den Höhe- und zugleich Schlusspunkt des ersten Veranstaltungstages bildete die Podiumsdiskussion.  Moderiert von Herrn Hendrik Wieduwilt (Wirtschaftredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung) diskutierten Herr Prof. Dr. Hans Schulte-Nölke (Universität Saarbrücken), Herr Ralf Reichertz (Referatsleiter Verbraucherrecht der Verbraucherzentrale, Erfurt) und Herre Rechtsanwalt Gerde M.e Fuchs (Justiziar/Referent Medienpolitik, Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V., Berlin) über das Thema "Mehr Rechtssicherheit im E-Commerce — Die horizontale Richtlinie und der "blue button" für den Internetshop".  Als einen Lösungsansatz für die komplexen Probleme des grenzüberschreitenden E-Commerce stellte Schulte-Nölke den sog. "blue button" vor. Dieser stehe für eine europäische Wahlrechtsordnung, die vertraglich zwischen Internet-Shop-Inhaber und Verbraucher vereinbart werden könnte. Eine solche Rechtsvereinbarung müsse alle notwendigen Regelungen, einschließlich wirksamer Verbraucherschutzbestimmungen enthalten und würde dann, wenn der blaue Knopf vor Vertragsschluss angeklickt würde, an die Stelle des mitgliedsstaatlichen Rechts treten. Auf diese Weise könne nicht nur mehr Rechtssicherheit geschaffen, sondern gleichzeitig auch der Binnenmarkt gefördert werden. Ob ein solches Instrument überhaupt bei großen oder mittelständischen Unternehmen auf Akzeptanz stoßen würde, stellte Fuchs allerdings in Frage. Diese seien zwischenzeitlich auf den wichtigsten europäischen Märkten mit Niederlassungen vertreten und hätten die Probleme des grenzüberschreitenden Internethandels auf diese Weise gelöst. Ob kleine Unternehmen hieran ein Interesse haben könnten, sei ebenfalls ungewiss. Deren räumliche Ausrichtung sei meist national begrenzt. Von besonderer Bedeutung war die Frage nach der inhaltlichen Ausgestaltung des "blue button" für Reichertz. Sofern nämlich das bisherige Schutzniveau des Verbraucherschutzes durch die vertraglichen Regelungen des "blue button" unterlaufen würde, könne dieser seinem Ziel nach mehr Rechtssicherheit gerade nicht gerecht werden. Mit dem Auditorium wurden weitere Fragen nach der rechtlichen Qualifikation eines solchen "blue button" als AGB und zu Problemen in Zusammenschau mit dem UN-Kaufrecht diskutiert. Abs. 9
(9) Am zweiten Tag der @kit-Tagung stand die Haftung der Intermediäre im Internet auf der Tagesordnung. Bevor im Einzelnen hierauf eingegangen wurde, gab Herr Richter am BGH Dr. Wolfgang Schaffert einen Überblick über "DieEntwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung zur Haftung im Netz". Als wesentliche Eckpfeiler der Haftung im Netz ging Herr Dr. Schaffert insbesondere auf die Entscheidungen "Jugendgefährdende Medien bei Ebay" und "Internetversteigerungen I — III" ein. Aus der Entscheidungspraxis der letzten Jahre sei vor allem der Trend erkennbar, dass im Bereich des Lauterkeitsrechts die Störerhaftung zurückgedrängt und demgegenüber im Bereich des Immaterialgüterrechts eine Ausdehnung erfahren habe, was insbesondere in der Entscheidung "Internetversteigerung II" zum Ausdruck komme. In dieser sei die Störerhaftung auch auf den vorbeugenden Unterlassungsanspruch ausgedehnt worden. Abs. 10
(10) Zur "Haftung der Beteiligten beim Affiliate Marketing" nahm Herr Rechtsanwalt Christlieb Klages (Kanzlei Hertin Rechtsanwälte, Berlin) Stellung. Der Begriff des Affiliate Marketings stehe für die Bewerbung von Produkten im Internet über Partnerprogramme, wobei die Helfer (Affiliates) erfolgsbasiert vergütet werden. Zentrale Frage sei hierbei u.a., inwieweit das werbende Unternehmen (Merchant) etwa für wettbewerbs- oder urheberrechtsverletzendes Verhalten des Affiliates hafte. Die haftungsrechtliche Gleichstellung von Merchant und Affiliate ergebe sich z.B. aus §§ 8 Abs. 2 UWG, 14 Abs. 7 MarkenG. Allerdings gelte sie nur für den Unterlassungsanspruch und finde keine Anwendung bei Schadensersatzansprüchen. Sofern keine Zurechnung fremden Verhaltens erfolge, hafte der Merchant nach den Grundsätzen der allgemeinen Störerhaftung. Abs. 11
(11) Herr Dr. Christian Volkmann (Kanzlei Merleker & Mielke Rechtsanwälte und Notare, Berlin) sprach im Anschluss über "Die Haftung des Access Providers" und untersuchte diese unter zivil- und öffentlich-rechtlichen Aspekten. Zur zivilrechtlichen Haftung führte Volkmann aus, dass eine Täterhaftung wegen einer eigenen Verletzungshandlung des Access Providers nicht in Frage komme, da der Access Provider gerade keine eigenen Inhalte anbiete. Auch könne die Haftung des Access Providers nicht ohne weiteres über die Zurechnung einer fremden Rechtsverletzung aufgrund einer Verkehrspflichtverletzung des Access Providers begründet werden. Selbst wenn man diesen Weg ginge, müsse die Handlung — z.B. die Sperrung einer Homepage — dem Access Provider überhaupt zumutbar sein. Auch die Probleme der Teilnehmer- und Störerhaftung des Access Providers wurden erläutert, bevor letztlich auf die öffentlich rechtliche Haftung nach § 20 Abs. 4 des Jugendmedien Staatsvertrages iVm. § 59 Abs. 4 des Rundfunkstaatsvertrages und die darin angelegte Subsidiarität der Haftung des Access Providers eingegangen wurde. Abs. 12
(12) Zum Abschluss referierte Herr Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht sowie gewerblichen Rechtsschutz Thomas Stadler (Kanzlei Alavi Frösner Stadler Rechtsanwälte Fachanwälte, Freising) über die Problematik der Haftung des Admin-C. Die Haftung des Admin-C werde immer dann relevant, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Domaininhaber im Inland nicht greifbar ist oder im Ausland sitzt, regelmäßig werde dann der Admin-C unter Rückgriff auf die Grundsätze der allgemeinen Störerhaftung in Anspruch genommen. Eine Störerverantwortlichkeit des Admin-C lasse sich jedoch deshalb nicht begründen, weil zum einen bereits dessen Störerverantwortlichkeit fraglich sei und er zum anderen keine Prüfpflichten verletze. Eine Haftung des Admin-C komme daher nur dann in Betracht, wenn er an der inhaltlichen Gestaltung der Website beteiligt gewesen ist. In diesem Fall hafte er als Hilfsperson des Inhaltsanbieters. Abs. 13
Im Ergebnis bleibt festzustellen, dass dieser 9. @kit-Kongress unter seinem Titel nicht zu viel versprochen hat. Die gelungene Themenauswahl kombiniert mit der hervorragenden Fachkompetenz aller Referenten/innen und einem engagierten sowie diskussionsfreudigen  Auditorium ließen ihn zu einem vollen Erfolg werden. Die Veranstalter freuen sich bereits jetzt auf den 10. @kit-Kongress, der voraussichtlich am 10./11. Juni 2010 in Frankfurt am Main  stattfinden wird.
JurPC Web-Dok.
158/2009,   Abs. 14
* Katja Brzezinski ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Zivilrecht VIII (Prof. Dr. Ansgar Ohly, LL.M) an der Universität Bayreuth.
[ online seit: 28.07.2009 ]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Brzezinski, Katja, Tagungsbericht 9. @kit-Kongress - JurPC-Web-Dok. 0158/2009