JurPC Web-Dok. 48/2007 - DOI 10.7328/jurpcb/200722453

LG München I
Urteil vom 15.11.2006

33 O 11693/06

E-Mail-Werbung

JurPC Web-Dok. 48/2007, Abs. 1 - 30


BGB §§ 823, 1004; GG Art. 5 Abs. 1

Leitsätze (der Redaktion)

1. Eine werbende E-Mail liegt nur vor, wenn der Inhalt der Nachricht auf die Förderung des Absatzes von Produkten/Dienstleistungen gerichtet ist, nicht jedoch, wenn ein Presseorgan mit der E-Mail-Nachricht Informationen recherchieren will.

2. An einem betriebsbezogenen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb fehlt es, wenn die E-Mail der Informationsbeschaffung dient und dem Betroffenen im Falle der Antwort die Gelegenheit zur Darstellung seiner eigenen geschäftlichen Tätigkeit geboten wird.

3. Bei der Entscheidung über die Widerrechtlichkeit des Zusendens von E-Mail-Werbung ist das Interesse des Betroffenen an einer Vermeidung von Belästigungen durch die E-Mail-Nachrichten gegen das durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Interesse eines Presseorgans an der Beschaffung von Informationen abzuwägen.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch wegen einer ihm unverlangt zugesendeten e-mail, einen Vertragsstrafeanspruch sowie einen Zahlungsanspruch auf Ersatz von Abmahnkosten geltend. JurPC Web-Dok.
48/2007, Abs. 1
Der Kläger ist Rechtsanwalt und unterhält die e-mail-Adresse xxxxxxx@xxxxxx.com. Abs. 2
Die Beklagte verlegt unter anderem das Magazin F.. Abs. 3
Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 24.10.2005 hatte die Beklagte nach einer Abmahnung des Klägers wegen einer Werbe-e-mail für eine Verkaufsveranstaltung folgende Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben (Anlage K 1): Abs. 4
Dem gemäß erklären wir namens und in deren Auftrag, dass diese sich Ihnen gegenüber verpflichtet, bei Meidung einer von Ihnen festzusetzenden und gegebenenfalls vom zuständigen Gericht der Höhe nach zu überprüfenden Vertragsstrafe unterlässt,
durch Übersendung von E-Mails an die E-Mail Adresse Xxxxxxx@xxxxxx.com auf Produkte der F. Verlag GmbH aufmerksam zu machen oder durch Dritte machen zu lassen, sofern Sie in die Übersendung nicht eingewilligt haben.
Abs. 5
Am 29.5.2006 erhielt der Kläger — nunmehr im vorliegenden Verfahren streitgegenständlich — von der Beklagten erneut eine unverlangt zugesendete e-Mail, in der die Beklagte unter dem Betreff, "F. Steuerberaterumfrage", anbot, dass sich der Kläger an einer von der Beklagten durchgeführten Umfrage beteiligen möge. Abs. 6
Der e-mail war ein Fragebogen mit der Überschrift: "Branchen- und Fachspezialisierung der Steuerberatungskanzleien in Deutschland", beigefügt mit der Bitte, diesen ausgefüllt spätestens bis zum 23. Juni 2006 an sie zu übersenden. Anhand des Fragebogens wolle sie die Top-Spezialisten regional ordnen, und in einer künftigen Ausgabe ihres Magazins vorstellen. In Fragebogen und Schreiben war das Logo von "F." abgedruckt. Bzgl. Aufmachung und Inhalt von e-mail, Begleitschreiben und Fragebogen wird auf die Anlage K 3 verwiesen. Abs. 7
E-Mail, Schreiben und Fragebogen wurden an ca. 9000 Steuerkanzleien versandt, die, wie auch die e-mail-Adresse des Klägers, im Online- Verzeichnis des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. aufgeführt waren. Die Ergebnisse der Umfrage mündeten in eine elfseitige redaktionelle Veröffentlichung in F. Nr.35/06. Abs. 8
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 30.5.2006 ab (Anlage K 4) und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zum Ausgleich der ihm entstandenen Kosten bis zum 09.06.2006 auf. Mit gesondertem Schreiben vom 30.05.2006 (Anlage K 5) forderte der Kläger von der Beklagten wegen Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung vom 24.10.2005 Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 7.500,-- €. Abs. 9
Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch, der Vertragsstrafenanspruch in Höhe von 3.000,-- € sowie ein Anspruch auf Ersatz der Abmahngebühren in Höhe von 265, 70 € zu. Es liege zum einen ein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 24.20.2005 vor. In der Erklärung habe sich die Beklagte allgemein verpflichtet zu unterlassen, e-mails an den Kläger zu schicken. Mit der e-mail sei auch auf die Zeitschrift "F.", und damit auf ein Produkt der Beklagten, aufmerksam gemacht worden. Das Verschulden der Beklagten liege darin, dass sie seine e-mail-Adresse ungeprüft aus einem öffentlichen Verzeichnis entnommen habe. Abs. 10
Zudem handele es sich bei der e-mail vom 29.05.2006 um unerlaubt zugesandte Werbung. Darin liege ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb i.S.d. § 823 I BGB. Die Beklagte habe mit der e-mail eine Publikation ihres Hauses vorbereitet und darauf ausdrücklich verwiesen. Da der Begriff der Werbung weit auszulegen sei, sei auch die streitgegenständliche e-mail darunter zu fassen. Abs. 11
Der Kläger beantragt:Abs. 12
1.Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise durch ihren Geschäftsführer abzuleistende Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, dem Kläger per E-Mail Werbung an dessen geschäftliche E-Mail-Adresse "xxxxxxx@xxxxxx.com" zu übersenden, es sei denn, der Kläger hat zuvor der Übersendung zugestimmt oder sein Einverständnis kann vermutet werden.
2.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.265,70 Euro nebst 5 v. H. über dem Basiszinssatz daraus seit dem 14.Juni 2006 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt:Abs. 13
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte ist der Ansicht, bei der e-mail vom 29.05.2006 habe es sich nicht um Werbung, sondern lediglich um eine Maßnahme journalistischer Recherche gehandelt. Sie habe durch die e-mail nicht auf ihre Produkte aufmerksam gemacht und auch nicht den Absatz ihrer Zeitschrift gefördert. Der Hinweis auf die Veröffentlichung in der Zeitschrift F. sei zur Information der angesprochenen Steuerberater erforderlich gewesen. Damit liege kein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtungserklärung vor. Bei der Frage, ob ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gegeben sei, sei zum einen das Grundrecht der Pressefreiheit zu berücksichtigen und zum anderen die Tatsache, dass die e-mail-Adresse des Klägers in einem allgemein einsehbaren Online-Verzeichnis zu finden gewesen sei. Abs. 14
Zur Ergänzung des Tatbestands wird verwiesen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2006. Abs. 15

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Dem Kläger steht weder der geltend gemachte Unterlassungsanspruch noch der Zahlungsanspruch wegen verwirkter Vertragsstrafe und auf Ersatz der Abmahnkosten zu. Abs. 16
I.Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unterlassung der Zusendung von Werbung per e-mail an seine geschäftliche E-Mail-Adresse "xxxxxxx@xxxxxx.com" ohne (mutmaßliche) Zustimmung. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus Vertrag wegen Verletzung der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 24.10.2005, noch als gesetzlicher Anspruch aus §§ 823, 1004 BGB. Abs. 17
1.Es liegt keine Verletzung der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 24.10.2005 vor, die einen (vertraglichen) Unterlassungsanspruch begründen könnte (vgl. hierzu Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 24. Auflage 2006, § 12 Rn. 1.157). Bei der streitgegenständlichen e-mail vom 29.05.2006 handelt es sich nicht um ein "Aufmerksam machen auf Produkte der F. Verlag GmbH" im Sinne der Unterlassungsverpflichtungserklärung. Abs. 18
a.Die Unterlassungsverpflichtungserklärung ist vor dem Hintergrund des Wettbewerbsverstoßes, der zu ihrer Abgabe geführt hat, auszulegen. Danach sollte die Erklärung Werbe-e-mails verbieten. Bei der zu der Unterlassungserklärung führenden Verletzungshandlung handelte es sich um die Bewerbung einer Seminarreihe in Form einer "Roadshow", die die Beklagte gemeinsam mit der D. AG angeboten hatte und in deren Rahmen die Altersvorsorgeprodukte der D. AG angeboten werden sollten. Abs. 19
Entgegen der Auffassung des Klägers liegt in der Erklärung keine Verpflichtung der Beklagten, jedweden e-Mail Kontakt mit dem Kläger zu meiden. Es ist ausdrücklich von "Aufmerksammachen auf Produkte" die Rede. Abs. 20
b.Nach dieser Auslegung der Unterlassungsverpflichtungserklärung wurde diese durch die e-mail vom 29.05.2006 nicht verletzt. Durch die e-mail machte die Beklagte nicht auf ihre Produkte in der Weise aufmerksam, dass sie diese bewarb, indem sie den Absatz ihrer Produkte förderte, sondern es handelte sich um eine Recherchemaßnahme der Beklagten. Abs. 21
Aus der e-mail mit Anlagen geht klar hervor, dass es der Beklagten um die Gewinnung von Umfrageergebnissen ging, die in einer künftigen Ausgabe von F. — die genaue Ausgabe wird nicht genannt — präsentiert werden sollten. Um eine erfolgreiche Umfrage durchführen zu können, war es für die Beklagte unerlässlich, die Adressaten des Schreibens über den Verwendungszweck des Umfrageergebnisses in Kenntnis zu setzen. Entgegen der Auffassung des Klägers war auch das Ziel der Informationsbeschaffung nicht nur vorgeschoben, so dass es sich um "verkappte Werbung" handeln würde. Nach dem Inhalt des Begleitschreibens und auch der Art der im Fragebogen gestellten Fragen steht sehr sachlich die Informationsgewinnung im Vordergrund. Außer der Verwendung des F.- Logos und dem Hinweis auf F. als Veranstalter der Umfrage findet keine Bezugnahme auf die Beklagte statt. Abs. 22
2.Ebenso wenig besteht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 I, 1004 BGB wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Abs. 23
Zwar fällt auch die Rechtsanwaltskanzlei des Klägers in den Schutzbereich des § 823 I BGB unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 64. Auflage 2005, § 823 R. 127), und im unverlangten Zusenden von Werbung per e-mail kann durchaus ein widerrechtlicher Eingriff in dieses Recht liegen. Zum einen ist jedoch in der e-mail der Beklagten keine Werbung zu sehen, zum anderen handelt es sich auch nicht um einen gezielten Eingriff, und Widerrechtlichkeit i.S.d § 823 I BGB ist ebenfalls zu verneinen. Abs. 24
a.Es liegt keine Werbung vor. Die streitgegenständliche e-mail diente wieder unmittelbar noch mittelbar der Absatzförderung der Produkte der Beklagten, s.o. Abs. 25
b.Es ist auch kein gezielter betriebsbezogener Eingriff gegeben. Die e-mail bezweckte in erster Linie die Informationsbeschaffung für eine geplante Veröffentlichung und gab insbesondere auch dem Kläger die Möglichkeit, sich zu präsentieren. Eine unmittelbare Beeinträchtigung ist hierin nicht zu sehen. Abs. 26
c.Jedenfalls liegt keine Widerrechtlichkeit i.S.d. § 823 I BGB vor. Eine vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Beklagten an der Zusendung der streitigen e-mail überwiegt. Auf der einen Seite ist das Interesse des Klägers daran, nicht von unverlangten e-mails behelligt zu werden, in die Abwägung einzustellen. Auf der anderen Seite ist aber das Recht der Presse zur Informationsbeschaffung durch Art.5 I GG umfassend geschützt. Würde man in der Zusendung jeder Umfrage-, oder überhaupt jeder e- Mail einer Redaktion einen rechtswidrigen Eingriff i. S. d. § 823 I BGB sehen, wäre der Presse die Informationsbeschaffungsmöglichkeit über das Internet fast völlig verwehrt. Zudem war zu berücksichtigen, dass die e-mail-Adresse des Klägers in einem frei zugänglichen Online-Verzeichnis aufzufinden war. Abs. 27
II.Mangels Verletzung der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 24.10.2006 (s. oben Ziff. I. 1.) ist auch kein Vertragsstrafenanspruch gegeben. Abs. 28
III.Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz der Abmahngebühren in Höhe von 265, 70 € aus der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 24.10.2006 i.V.m. § 280 BGB oder aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683 Satz 1, 670 BGB). Mangels Vorliegen eines Unterlassungsanspruchs (s. oben Ziff. I) war die Abmahnung vom 30.05.2006 (K 5) nicht berechtigt. Abs. 29
IV.Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 I 1ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
JurPC Web-Dok.
48/2007, Abs. 30
[ online seit: 11.04.2007 ]
Zitiervorschlag: München I, LG, E-Mail-Werbung - JurPC-Web-Dok. 0048/2007