Stephan Ory*Rezension der Dissertation "Tauschgerechtigkeit im kollektiven Urheberrecht" von Jan Christoffer TolkmittJurPC Web-Dok. 142/2004, Abs. 1 |
Jan Christoffer Tolkmitt Tauschgerechtigkeit im kollektiven Urheberrecht - Eine rechtsvergleichende Untersuchung zur urheberrechtlichen Preiskontrolle Wirtschaftsrecht und Rechtspolitik Band 185 Nomos Verlag, Baden-Baden 2003 38,00 € |
Die Dissertation (Hamburg 2002) befasst sich aus ökonomischer und
rechtlicher Perspektive mit der Angemessenheit von
Urheberrechtsvergütungen im kollektiven Urheberrecht. Vorangestellt
sind eine Analyse der ökonomischen und normativen Grundlagen, die
strukturellen Probleme bei der Wahrnehmung musikalischer Urheberrechte
und Beobachtungen über den Markt solcher Rechte, um sich alsdann der
Preisregulierung zuzuwenden. Beschrieben werden gesetzliche Lizenzen
im US-amerikanischen Urheberrecht, die Regulierung der
Verwertungsgesellschaften in den USA sowie das Recht der
Verwertungsgesellschaften im Vereinigten Königreich. Dieser
Literaturhinweis fokussiert sich auf den fünften Teil der Dissertation
zu den Verwertungsgesellschaften und Vergütungsverfahren im deutschen
Recht. Das Handwerkszeug der Verwertungsgesellschaften sind Tarif- und
Gesamtverträge. Tarife stellen - anders als der gleiche Begriff im
Arbeitsrecht - keine bindenden Normen dar, sondern ein Angebot, das
Repertoire für einen bestimmten Vorgang nach dieser "Preisliste" zu
lizenzieren. Wirtschaftlich wichtiger sind die Gesamtverträge, von
denen alleine die GEMA weit über 300 abgeschlossen hat. Diese haben
Vorteile für die Nutzer und die Verwertungsgesellschaften, weil ihr
Aufwand, die notwendigen Einzelverträge abzuschließen, reduziert ist.
Die so vereinbarten Vergütungssätze gelten zwar zunächst für die von
den Gesamtverträgen erfassten Verbandsmitglieder, regelmäßig werden
sie aber mit einem Zuschlag von 25 Prozent für Außenseiter angewandt.
Aber auch bei den Gesamtverträgen gibt es keine normative Bindung wie
bei Tarifverträgen; darauf hat, was die Dissertation herausarbeitet,
der Gesetzgeber bewusst verzichtet. Die Bindung der Gesamtverträge ist
rein wirtschaftlich und stellt sich in der Praxis nicht. Die
Beschreibung des Verfahrens vor der Schiedsstelle und dem OLG München
hebt - sehr zutreffend - hervor, dass für die betroffenen Branchen die
wirtschaftliche Bedeutung erheblich ist. Jenseits der vorliegenden
Untersuchung liegt das Problem, dass hier Festlegungen nicht
zwangsläufig mit wirtschaftlichem Sachverstand in Bezug auf die so
entgeltregulierte Branche getroffen werden. Es ist das Verdienst der
vorliegenden Arbeit, materielle Vergütungskriterien herauszuarbeiten,
etwa die räumlichen und (über die Rechtsprechung hinaus) die
zeitlichen Vergleichsmärkte. Angeführt wird die "Zehn-Prozent-Regel"
als Obergrenze der Vergütungszahlung aus den Bruttoeinnahmen des
Rechtenutzers. Der "apodiktische Charakter dieser Regelvergütung" wird
als fragwürdig bezeichnet. Verselbstständigt und nicht objektiviert
verliere dieser Maßstab seine Legitimationsbasis, er sei als
Höchstpreisgrenze "vollends" unhaltbar. Den Grundsatz der prozentualen
Beteiligung "am Umsatz" des Werknutzers, aus Gründen der
Praktikabilität auch an einem fiktiven Umsatz hält der Autor für
zutreffend. Alles in allem bescheinigt der Autor dem deutschen
Wahrnehmungsrecht eine differenzierte Regelung. Allerdings versuche
sich die Schiedsstelle der Komplexität gelegentlich zu entziehen und
komme ihrer Vertragshilfe-Funktion nicht immer in vollem Umfang nach.
Auf die "nur gering ausgeprägte konzeptionelle Fundierung" der
Vergütungsentscheidungen weist der Autor hin.
| JurPC Web-Dok. 142/2004, Abs. 1 |
*Dr. Stephan Ory ist Rechtsanwalt in Püttlingen/Saar. |
[online seit: 17.09.2004 ] |