JurPC Web-Dok. 154/2001 - DOI 10.7328/jurpcb/2001169163

LG Rostock
Urteil vom 12.04.2001

3 O 150/01

Verbot eines TV-Spots für Telefontarife

JurPC Web-Dok. 154/2001, Abs. 1 - 25


UWG §§ 1, 3; PAngV § 1 Abs. 6

Leitsatz (der Redaktion)

Eine Fernsehwerbung für Telefontarife, in der die Minutenpreise blickfangmäßig herausgestellt werden, die anderen Preisbestandteile wie Grundgebühr und Mindestlaufzeit aber nur in einem binnen ca. 5 Sekunden durchlaufenden Fließtext in kleiner Schrift am unteren Bildschirmrand zu sehen sind, verstößt gegen §§ 1, 3 UWG und § 1 Abs. 6 PAngV und ist damit unzulässig, da bei gekoppelten Angeboten der Preis des anderen Angebots nicht in der Darstellung untergehen darf (im Anschluß an BGH, Urteil vom 08.10.1999 - I ZR 187/99 - "Handy für 0,00 DM" = JurPC Web-Dok. 8/1999).

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin macht einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.JurPC Web-Dok.
154/2001, Abs. 1
Die Verfügungsklägerin ist ein Telekommunikationsunternehmen mit Sitz in Düsseldorf. Sie bietet bundesweit über Voreinstellungen oder durch Call-by-Call-Gespräche die Vermittlung von Telefongesprächen ins Festnetz an. Die Verfügungsbeklagte erbringt bundesweit die Vermittlung von Dienstleistungen auf dem Gebiet der Festnetzkommunikation. Abs. 2
Die Verfügungsbeklagte bietet unter anderem den sog. "AktivPlus"-Tarif an. Diesen Tarif und damit die angebotenen Minutenpreise können die Telefonkunden nur nutzen, wenn sie über den von jedem Telefonkunden für seinen Telefonanschluss erhobenen monatlichen Anschlusspreis hinaus einen zusätzlichen monatlichen Festpreis von DM 9,90 bezahlen. Darüber hinaus müssen sie sich zu einer vertraglichen Mindestlaufzeit von 3 Monaten verpflichten.Abs. 3
Seit dem 12.02.2001 bewirbt die Verfügungsbeklagte den "AktivPlus"-Tarif mit dem Werbespot "Abgefahren". Darin wird ein Zeichentrickfilm gezeigt, in dem der "Rosarote Panter" auf einer "Fahrradtour" ist. Während des Films sind folgende Angaben zu sehen:
- City-Bereich ab 3 Pfennig/Min
- Quer durch Deutschland für 5 Pfennig/Min
- In die D-Netze für 39 Pfennig/Min.
Parallel dazu ist ein gesprochener Text zu hören, in dem die Preise ebenfalls genannt werden. In einem Zeitraum von ca. 5 Sekunden ist am unteren Bildrand ein durchlaufender Text zu lesen:
"Für 9,90 DM extra im Monat bei drei Monaten Laufzeit".
Abs. 4
Die Verfügungsklägerin wurde am 20.02.2001 auf diesen Spot aufmerksam gemacht. Sie mahnte die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 16.03.2001 ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung bis zum 19.03.2001 auf. Dieses Schreiben übermittelte sie der Verfügungsbeklagten am 19.03.2001 erneut, nachdem diese mitgeteilt hatte, dass sie die Abmahnung nicht vollständig erhalten habe. Die Verfügungsbeklagte reagierte auf die Abmahnung nicht.Abs. 5
Die Verfügungsklägerin meint, die Verfügungsbeklagte verstoße mit der Werbung gegen das UWG und die PAngV. Die Werbung sei eine irreführende Blickfangwerbung. Bei den Preisangaben handele es sich zudem um eine Irreführung durch Verschweigen. Die Minutenpreise seien in dem Werbespot blickfangmäßig hervorgehoben. Die Verfügungsklägerin behauptet, die Angaben über die zusätzliche monatliche Gebühr und die Mindestlaufzeit seien wegen der kleinen Schrift und der Geschwindigkeit des Fließtextes kaum zu lesen. Der Zuschauer nehme zudem durch das hektische Geschehen im Zeichentrickfilm, die musikalische und sonstige akustische Ablenkung den Fließtext kaum wahr.Abs. 6
Die Verfügungsklägerin beantragt,

1. der Verfügungsbeklagten wird ab sofort verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für die Dienstleistung der Vermittlung von Telefongesprächen unter blickfangmäßiger Herausstellung der Angaben

"City-Bereich ab 3 Pfennig pro Minute"
und/oder
"Quer durch Deutschland ab 5 Pfennig pro Minute"
und/oder
"In die D-Netze für 39 Pfennig pro Minute"

wie in dem TV-Werbespot, dessen Storyboard in der Anlage Ast 1 wiedergegeben ist, zu werben und/oder werben zu lassen.

2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1. wird der Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld bis zu DM 500.000,- ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

Abs. 7
Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Abs. 8
Die Verfügungsbeklagte meint, die Angaben über die zusätzliche Gebühr und die Mindestlaufzeit seien in dem streitgegenständlichen Werbespot hinreichend deutlich zu erkennen. Sie behauptet, dem Verbraucher sei auf Grund der Vielzahl der angebotenen Tarife im Bereich der Festnetztelefonie bewusst, dass zusätzlich zu den gesprächsabhängigen Gebühren auch Grundgebühren erhoben und Mindestlaufzeiten gelten würden.Abs. 9
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.Abs. 10
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Augenscheinseinnahme des streitgegenständlichen Werbespots.Abs. 11

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet. Abs. 12
I.
Der Antrag hat einen vollstreckungsfähigen Inhalt und ist zulässig. Der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Untersagung des streitgegenständlichen Werbespots "Abgefahren" begehrt wird. Die Kammer hat von der Regelung des § 938 Abs. 1 ZPO Gebrauch gemacht und die dem Rechtschutzbegehren der Verfügungsklägerin entsprechende Anordnung getroffen.
Abs. 13
II.
Die Dringlichkeit wird gemäß § 25 UWG vermutet. Diese Vermutung ist nicht widerlegt. Die Verfügungsklägerin erlangte am 20.02.2001 Kenntnis von dem beanstandeten Werbespot. Die Abmahnung datiert vom 16.03.2001. Der Zeitraum von ca. 3 1/2 Wochen ist nicht geeignet, die Dringlichkeitsvermutung zu widerlegen. Auf entsprechende Anforderung der Verfügungsbeklagten übersandte die Verfügungsklägerin am 19.03.2001 das Abmahnschreiben erneut. Mit Schriftsatz vom 29.03.2001 beantragte sie den Erlass der einstweiligen Verfügung. Dieser Zeitraum ist nicht zu beanstanden, da die Abmahnung darauf gerichtet war, ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Der Verfügungsbeklagten musste daher Gelegenheit gegeben werden, zu prüfen, ob die begehrte Unterlassungserklärung abgegeben werden soll.
Abs. 14
III.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch in der Sache gerechtfertigt.
Abs. 15
Die Verfügungsklägerin kann von der Verfügungsbeklagten die begehrte Unterlassung gemäß §§ 1, 3 UWG, 1 Abs. 2 und 6 PAngV verlangen. Abs. 16
Die Verfügungsklägerin ist gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG klagebefugt. Danach kann der Anspruch auf Unterlassung geltend gemacht werden von Gewerbetreibenden, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, soweit der Anspruch eine Handlung betrifft, die geeignet ist, den Wettbewerb auf diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Zwischen den Parteien besteht ein Wettbewerbsverhältnis in diesem Sinne. Die Verfügungsbeklagte ist gerichtsbekannt. Sie bietet bundesweit die Vermittlung von Dienstleistungen auf dem Gebiet der Sprachtelefonie an. Auch die Verfügungsklägerin bietet solche Dienste an, und zwar ohne eigenes Festnetz, sondern über dauerhafte Voreinstellungen oder durch Call-by-Call-Gespräche. Der beanstandete Werbespot ist geeignet, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen.Abs. 17
Die Verfügungsbeklagte ist gemäß §§ 1, 3 UWG, 1 Abs. 6 PAngV verpflichtet, die für den Verbraucher entstehenden Kosten hinreichend deutlich kenntlich zu machen. Sie stellt in der streitgegenständlichen Werbung blickfangmäßig die verschiedenen Minutenpreise heraus. Diese Angaben sind unvollständig, wenn nicht zugleich die weiteren Kosten, die dem Verbraucher entstehen, hier also die zusätzliche monatliche Grundgebühr, ebenfalls angegeben sind. Die Angaben sind in der Werbung so darzustellen, dass sie den blickfangmäßig herausgestellten Minutenpreisen eindeutig zugeordnet werden können und leicht erkennbar und deutlich lesbar sind.Abs. 18
Diese Verpflichtung ergibt sich zum einen aus dem Irreführungsverbot des § 3 UWG. Zwar trifft den Werbenden keine allgemeine Aufklärungspflicht, denn der Verkehr erwartet nicht ohne weiteres die Offenlegung aller - auch der weniger vorteilhaften - Eigenschaften einer Ware oder Leistung. Wird aber bei einer Koppelung zweier Angebote mit der besonderen Preiswürdigkeit des einen Angebots geworben, darf der Preis des anderen Angebots nicht verschwiegen werden oder in der Darstellung untergehen, weil damit ein unzutreffender Eindruck über die Preiswürdigkeit des gekoppelten Angebots vermittelt würde (BGH WRP 1999, 90, 93 "Handy für 0,00 DM" [= JurPC Web-Dok. 8/1999, Anm. der Red.]).Abs. 19
Die Verpflichtung zur Angabe der anderen Preisbestandteile ergibt sich auch aus § 1 Abs. 2 PAngV, und zwar - soweit es um die Angabe der Mindestlaufzeit geht - i.V.m. § 1 Abs. 6 PAngV. § 1 Abs. 2 PAngV bezieht sich auf die Angabe von Verrechungssätzen bei Leistungen und damit auf die Angabe von Preisbestandteilen, die sich zur Bildung eines Endpreises nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV nicht eignen, weil der Leistungsumfang im einzelnen noch nicht feststeht. Auch insoweit gilt, dass der Kaufmann - wenn er unter Angabe von Preisen wirbt - grundsätzlich vollständige Angaben zu machen hat (BGH a.a.O.).Abs. 20
Aus § 1 Abs. 6 PAngV ergibt sich, wie auf die zusätzlich monatliche Gebühr und die Mindestlaufzeit hinzuweisen ist. Danach müssen die Angaben dem Angebot und der Werbung eindeutig zugeordnet, leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar sein. Notwendig ist es danach, dass die zusätzliche Gebühr und die Mindestlaufzeit den blickfangmäßig hervorgehobenen Minutenpreisen zugeordnet werden. Der Hinweis auf die nicht verbrauchsabhängigen Entgelte (einmalige Zahlungen, Mindestumsätze, monatliche Grundgebühren) sowie die Mindestlaufzeit darf in der Fülle anderer Informationen nicht untergehen (BGH a.a.O.).Abs. 21
Diesen Anforderungen, die ohne weiteres auf den hier zu beurteilenden Fall übertragen werden können, wird die streitgegenständliche Werbung nicht gerecht. In dem Werbespot werden die Minutenpreise blickfangmäßig hervorgehoben. Sie sind in das dargestellte Geschehen eingegliedert. Die Aufmerksamkeit des Zuschauers ist auf den "Rosaroten Panter" konzentriert. Der Werbespot enthält eine Vielzahl von optischen Reizen, die zum einen durch die farbliche Gestaltung und zum anderen durch die Bewegungsabläufe hervorgerufen werden. Die optischen Reize werden durch akustische Reize in Form von Musik und Sprache untermalt. Demgegenüber laufen die Angaben über die zusätzliche Gebühr und die Mindestlaufzeit in sehr kleiner und dazu schlecht lesbarer Schrift durch das Bild. Der Fließtext ist nur für wenige Sekunden zu sehen. Der Zuschauer ist durch das Geschehen in dem Zeichentrickfilm abgelenkt und achtet kaum bzw. zu spät auf den am unteren Bildrand erscheinenden Fließtext. Der durchschnittliche Verbraucher nimmt die Angaben über die zusätzliche monatliche Gebühr und die Mindestlaufzeit nicht wahr. Nur bei erhöhter Aufmerksamkeit ist es überhaupt möglich, die Angaben zu lesen.Abs. 22
Die Kammer ist in der Lage, dies auf Grund eigener Sachkunde zu beurteilen. Die beteiligten Richter gehören dem angesprochen Verbraucherkreis an. Sie haben den Werbespot mehrfach, auch in der mündlichen Verhandlung, angesehen. Dabei war die Aufmerksamkeit der beteiligten Richter - anders als bei dem durchschnittlichen Verbraucher - wegen der Befassung mit dieser Sache besonders auf den Fließtext gerichtet. Die beteiligten Richter waren auch bei größter Aufmerksamkeit und sehr kurzer Entfernung zum Bildschirm kaum in der Lage, den Text überhaupt zu lesen, weil die Schrift zu klein ist und der Text schnell durch das Bild läuft. Der durchschnittliche, unvoreingenommene Verbraucher nimmt die Angaben in dem Fließtext erst recht nicht wahr.Abs. 23
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.Abs. 24
Der Streitwert wird auf DM 500.000,- festgesetzt.
JurPC Web-Dok.
154/2001, Abs. 25
[online seit: 03.09.2001]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Rostock, LG, Verbot eines TV-Spots für Telefontarife - JurPC-Web-Dok. 0154/2001