JurPC Web-Dok. 210/2000 - DOI 10.7328/jurpcb/20001510189

Jan Fritz Geiger *

Anmerkung zum Beschluß des LG Essen vom 22.09.1999 - 11 T 370/99 - = JurPC Web-Dok. 49/2000

JurPC Web-Dok. 210/2000, Abs. 1 - 11


Die Rechtsnatur der Internet-domain und die damit verbundene Frage ihrer Pfändbarkeit ist umstritten, eine herrschende Meinung derzeit noch nicht erkennbar. Auch in den USA ist die Diskussion zu diesem Thema im Fluß (vgl. etwa W. E. Agin, http://www.ljx.com/newsletters/private/computerlaw/2000/2000_06_01.html), die dort gewonnenen Argumente und Ergebnisse sind jedoch wegen des vollkommen anders strukturierten Pfändungs- und Vollstreckungsrechts nicht übertragbar.JurPC Web-Dok.
210/2000, Abs. 1
In der aktuellen Rechtsprechung bundesdeutscher Gerichte zeichnen sich zwei Linien ab:Abs. 2
Während nach einer Auffassung die Internet-domain, zumindestens wenn sie einen Eigennamen führt, als Bestandteils des Namensrechts nach § 12 BGB und damit als unpfändbar erachtet wird (so LG München, Beschluß vom 28.06.2000, AZ 20 T 2446/00 = JurPC Web-Dok. 165/2000), handelt es sich nach richtiger Auffassung, wie sie von der Vorinstanz (AG München, Beschluß vom 14.01.2000, AZ 1551 M 52605/99 = JurPC Web-Dok. 164/2000 = NJW-CoR 2000, 106) und auch vom nunmehr erkennenden Gericht vertreten wird, um ein Vermögensrecht, das der Pfändung unterliegt. Zu Recht wurde daher die Pfändbarkeit bejaht.Abs. 3
Allerdings stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob es überhaupt notwendig war, einer Internet-domain den Charakter eines Rechtsinstituts sui generis zuzuerkennen.Abs. 4
In der Bundesrepublik Deutschland erfolgt die Zuteilung von Domains derzeit durch die Denic Verwaltungs- und Betriebsgesellschaft e. G. (http://www.denic.de), einer eingetragenen Genossenschaft, mithin einer Juristischen Person des Privatrechts. Aufgrund eines entsprechenden zwischen dem Nutzer und der Denic abgeschlossenen Vertrages wird die Denic verpflichtet, für die Dauer des Vertrages dem Vertragspartner die Domain mit der vereinbarten Bezeichnung zur Nutzung einzuräumen und es zu unterlassen, sie anderweitig zu vergeben. Es handelt sich um einen vertraglichen Anspruch des Nutzers i. S. v. § 241, S. 1 und S. 2 BGB, an dessen Pfändbarkeit nach Maßgabe von §§ 828, Abs. 1, S. 1, 2. Alt. i. V. m. 857, Abs. 1 ZPO, wobei die Denic Drittschuldnerin wäre, für sich keine Zweifel bestehen. Zutreffend hebt das erkennende Gericht hervor, daß eine Domain aufgrund ihres wirtschaftlichen Wertes als Vermögensrecht anzusehen ist.Abs. 5
Hiervon völlig unabhängig ist die Frage zu beurteilen, ob die Nutzung einer Domain fremde, absolute Rechte verletzt. Hierbei kommen insbesondere das Namensrecht nach § 12 BGB, das Firmenrecht nach §§ 17 ff. HGB und das Recht aufgrund einer Marke nach § 14 MarkenG in Betracht, die den Rechtsinhaber mit Unterlassungsansprüchen ausstatten.Abs. 6
Hieraus folgt aber andererseits auch, daß die Verletzung fremder Rechte durch Gebrauch einer Domainbezeichnung nicht stets zur Nichtigkeit des Vertrages zwischen der Denic und dem Nutzer nach § 134 BGB führt, denn der Verletzte kann, zumindestens im Falle eines verletzten Markenrechts, die Rechtswidrigkeit durch seine Zustimmung beseitigen. Dies wirkt sich nur auf den wirtschaftlichen Wert des gepfändeten Anspruchs aus.Abs. 7
Im Falle des verletzten Firmenrechts hingegen könnte § 37, Abs. 1 HGB als Verbotsgesetz i. S. v. § 134 BGB angesehen werden, bei der unberechtigten Benutzung eines fremden Namens wäre, wenn die subjektiven Voraussetzungen gegeben sind, die Nichtigkeit des Vertrages gem. § 138 BGB in Erwägung zu ziehen.Abs. 8
Sämtliche dieser genannten Konstellationen führen aber auch nicht zur Unpfändbarkeit der Domain, etwa nach § 857, Abs. 3 ZPO, sondern allenfalls zur Wirkungslosigkeit der Pfändung, weil der gepfändete Anspruch aufgrund Nichtigkeit des Vertrages nicht besteht.Abs. 9
Daran würde sich auch selbst dann nichts ändern, wenn die Domainbezeichnung den Namen des Pfändungsschuldners oder seiner Firma führt. Gegenstand der Pfändung ist auch hier nicht das Namensrecht oder die Firma, diese wären als höchstpersönliche Rechte in der Tat nach § 857, Abs. 3 ZPO unpfändbar, sondern wiederum der Anspruch gegenüber der Denic. Das Vollstreckungsgericht wäre demnach verpflichtet, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß zu erlassen. Der Pfändungsgläubiger geht aber auch hier das Risiko ein, daß die Pfändung in wirtschaftlicher Hinsicht erfolglos bleibt, weil der Anspruch nicht besteht, bzw. Gegenrechten des Schuldners, hier einem Unterlassungsanspruch aus § 12 BGB ausgesetzt ist. Diese Unwägbarkeit ist aber jeder Vermögensrechts- und Forderungspfändung immanent. Auch insofern stellt die Domainpfändung eine Bestätigung der Regel und keine Ausnahme dar.Abs. 10
Nach der Auffassung des Landgerichts München müßte das Vollstreckungsgericht stets im Einzelfall prüfen, ob die Pfändung der domain das Namensrecht des Pfändungsschuldners verletzt. Dies kann aber sehr problematisch werden, da die Verwendung von Eigennamen für Internet-domains nicht zum Namensrecht nach § 12 BGB kongruent abgegrenzt wird, sondern zusätzlich von wirtschaftlichen Erwägungen (vgl. etwa OLG München, Urteil vom 25.03.1999, 6 U 4557/98 "Schell.de" = JurPC Web-Dok. 104/2000) beeinflußt wird.
JurPC Web-Dok.
210/2000, Abs. 11
* Dr. rer. nat. Jan Fritz Geiger ist Diplomphysiker und seit dem 01.05.2000 Rechtsreferendar. Er arbeitet seit ca. 2 Jahren in einer Kaiserslauterer Rechtsanwaltskanzlei mit. Daneben ist er seit 01.01.1999 Mitarbeiter am Institut für Rechtsinformatik von Prof. Dr. M. Herberger an der Universität des Saarlandes.
[online seit: 16.10.2000]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Geiger, Jan Fritz, Anmerkung zu LG Essen vom 22.09.1999 - 11 T 370/99 - - JurPC-Web-Dok. 0210/2000