JurPC Web-Dok. 209/2000 - DOI 10.7328/jurpcb/20001510188

Jan Fritz Geiger *

Anmerkung zum Beschluß des Bundespatentgerichts vom 26.10.1999 AZ 27 W (pat) 93/99 = JurPC Web-Dok. 203/2000

JurPC Web-Dok. 209/2000, Abs. 1 - 7


Die Entscheidung ist Ausdruck der immer noch uneinheitlichen Spruchpraxis des Bundespatentgerichts zur Eintragungsfähigkeit von Ziffernfolgen bzw. Zahlen als Marken.JurPC Web-Dok.
209/2000, Abs. 1
Das Markenrecht regelt den Konflikt zwischen den Interessen des Marktteilnehmers, der seine Waren oder Dienstleistungen unverwechselbar kennzeichnen will und dem Schutz der Allgemeinheit vor marktversperrenden Monopolen, die etwa dann entstehen würden, wenn bloß beschreibende Begriffe, deren Verwendung im Wirtschaftsleben unvermeidbar ist, als Marke geschützt und damit einer freien Verwendung entzogen würden (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 8, RN 18). Der Eintragungsfähigkeit der Marke stehen dann die fehlende konkrete Unterscheidungskraft bzw. ein Freihaltebedürfnis entgegen. Unter dem Geltungsbereich des Warenzeichengesetzes (WZG) und der daraus entwickelten Rechtsprechung galten Zahlen und Ziffern einer Eintragungsfähigkeit daher grundsätzlich als entzogen (Ensthaler, Gewerblicher Rechtsschutz, S. 278). Unter der Anwendung der Markenrechtsrichtlinie ist diese Spruchpraxis nicht mehr unbesehen haltbar, es ist auf die konkrete Unterscheidungskraft im Einzelfall abzustellen, was in der Judikatur des BGH (BGH, Mitt. 1995, 184 = GRUR 1997, 366 "quattro II") und des BPatG bereits zu ersten Auswirkungen, aber noch nicht zu einer einheitlichen Wende, vor allem nicht im Bereich der EDV-Produkte und -Dienstleistungen geführt hat. Abs. 2
Während die Zahl 9000 für Dienstleistungen im EDV-Bereich als Marke eingetragen wurde (BPatGE 39,110=GRUR 1998, 572), wurde die Eintragungsfähigkeit dieser Zahl als Marke für Waren im EDV-Bereich hingegen verneint (BPatG, Beschluß vom 25.11.1997, AZ 24 W (pat) 96/97).Abs. 3
In der Begründung der vorliegenden Entscheidung, in der die Eintragungsfähigkeit der Zahl "128" als Marke für EDV-Komponenten verneint wurde, nimmt der erkennende Senat auf ein Freihaltebedürfnis für alle Potenzen der Zahl 2 an, das aufgrund der Bedeutung des Dualsystems im Computerbereich einer Eintragung als absolutes Schutzhindernis entgegenstände und eine andere Behandlung gegenüber der Zahl "9000" rechtfertige. Abs. 4
Die Argumentation trägt die vorgenommene Differenzierung nicht. Zwar ist dem Gericht insoweit zuzustimmen, daß für die Komponenten, die der unmittelbaren Informationsspeicherung dienen, Zweierpotenzen aufgrund der Binärstruktur eine herausragende Bedeutung für die Beschreibung der Komponenten haben. Dies wird insbesondere bei Angaben gelten, die in Bit oder Byte gemacht werden, wobei dahinstehen kann, ob man hier ein Freihaltebedürfnis nach § 8, Abs. 2 Nr. 2 MarkenG annimmt oder die Eintragungsfähigkeit bereits an der konkrete Unterscheidungseignung scheitern läßt (so BGH, a.a. O, "quattro II") oder eine Wechselwirkung zwischen beiden annimmt (so Fezer, Markenrecht, Aufl. 1997, § 8, RN 17).Abs. 5
Eine generelle Freistellung der Zweierpotenzen von der Eintragungsfähigkeit für alle Waren im EDV-Bereich läßt sich hierdurch aber nicht begründen, dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, daß Unterscheidungseignung und Freihaltebedürfnis nach dem Kriterium der Verkehrsauffassung im Einzelfall, also auf die Waren bzw. Dienstleistung bezogen, zu prüfen sind (statt vieler: Ingerl/Rohnke, a. a. O., § 8, RN 25 u. 61). Es ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, daß der Senat als Beispiele nur die Verwendung der Zahl 128 in Kombination mit Worten oder Einheitsbezeichnungen anführt, obwohl solche Kombinationen markenrechtlich eigenständig zu beurteilen sind und der Schutz sich bei fehlendem prägenden Charakter auf die isolierten Bestandteile der Kombination gerade nicht erstreckt und insoweit auch keine Verwechslungsgefahr besteht (LG Köln, Urteil vom 25.02.1999, 31 O 1080/97= K&R 11/99, 519 mit zust. Anmerkung von Kotthoff).Abs. 6
Zusammenfassend steht die vorliegende Entscheidung wieder eher in der Tradition der unter der Geltung des WZG entwickelten Judikatur, die Auslegung im Lichte der Markenrechtsrichtlinie tritt dabei eher in den Hintergrund.
JurPC Web-Dok.
209/2000, Abs. 7
* Dr. rer. nat. Jan Fritz Geiger ist Diplomphysiker und seit dem 01.05.2000 Rechtsreferendar. Er arbeitet seit ca. 2 Jahren in einer Kaiserslauterer Rechtsanwaltskanzlei mit. Daneben ist er seit 01.01.1999 Mitarbeiter am Institut für Rechtsinformatik von Prof. Dr. M. Herberger an der Universität des Saarlandes.
[online seit: 16.10.2000]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Geiger, Jan Fritz, Anmerkung zu Bundespatentgericht vom 26.10.1999 - 27 W (pat) 93/99 - JurPC-Web-Dok. 0209/2000