JurPC Web-Dok. 159/2000 - DOI 10.7328/jurpcb/2000159152

Christof Vièl *

Ein Patent auf den Hyperlink ?

JurPC Web-Dok. 159/2000, Abs. 1 - 5


Es ist keines der sogenannten "U-Boot-Patente", wie in der Fachwelt US-Patente bezeichnet werden, deren Basisanmeldung vor Jahrzehnten eingereicht wurde und die dann nach mehreren aufeinanderfolgenden continuation- bzw. continuation-in-part-Anmeldungen plötzlich als erteiltes US-Patent "auftauchen", wie dies in jüngerer Zeit bei dem Patent für den Intervallscheibenwischer der Fall war. Nein, es handelt sich um ein am 10. Oktober 1989, also in der Steinzeit des Internets erteiltes und somit auch veröffentlichtes US-Patent mit der Nummer 4,873,662, für das sich bis vor kurzem lediglich niemand interessiert hat, und das ein "Information handling system and terminal apparatus therefor" betrifft. Dieses Patent steht plötzlich im Rampenlicht, weil sein Inhaber, British Telecom, nun angeblich versucht, für die Benutzung von Hyperlinks aufgrund dieses Patentes Lizenzgebühren zu verlangen.JurPC Web-Dok.
159/2000, Abs. 1
Hyperlinks sind jene markierten Textstellen im Internet, durch deren Anklicken man zu einer anderen Textstelle im Internet gelangt. Ein dem Internet entsprechendes System mit einzeln adressierbaren Informationsblöcken, die über ein Telefonnetz sowie Modems von einem Zentralcomputer zu lokalen Speichern mit Benutzerterminals übertragen werden, ist in dem besagten Patent beschrieben. Jeder Informationsblock enthält ein anzeigbares Informationspaket und ein zweites, nicht zur Darstellung bestimmtes Datenpaket mit den Adressen anderer Informationsblöcke. Weiterhin ist vorgesehen, daß über einen von Hand betätigbaren Schalter ein derartiges zweites Datenpaket angesprochen werden kann, wodurch die komplette Adresse des nächsten an dem Benutzerterminal anzuzeigenden Informationsblocks an den Zentralrechner übermittelt wird. Somit besteht grundsätzlich für British Telecom die Möglichkeit, gegen die Benutzung derart funktionierender Hyperlinks vorzugehen. Abs. 2
Allerdings ist festzuhalten, daß zwar das US-Patent 4,873,662 noch bis zum 10. Oktober 2006 in Kraft sein kann, die übrigen Schutzrechte aus der einst die Länder Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Hongkong, Irland, Japan, Kanada, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz und Spanien umfassenden Patentfamilie jedoch erloschen sind, in der Regel nach Ablauf der zwanzigjährigen Maximalschutzdauer. Die Tatsache, daß das US-Patent noch besteht, erklärt sich daraus, daß für dieses Patent noch eine Laufzeit von 17 Jahren ab Patenterteilung gilt und nicht von 20 Jahren ab dem Anmeldetag.Abs. 3
Dennoch stellt sich für Benutzer von Hyperlinks außerhalb der USA die Frage, ob sie aufgrund der internationalen Zugreifbarkeit auf das Internet nicht das noch bestehende US-Patent verletzen. Für die private Nutzung kann dies aufgrund der hierfür bestehenden Patentfreiheit ausgeschlossen werden. Was die gewerbliche Nutzung anbelangt, so wird sich die Frage stellen, ob es hierfür erforderlich ist, daß das gesamte System, also sowohl der Zentralcomputer als auch das Benutzerterminal in den USA stehen müssen, um eine Patentverletzung zu bejahen. Steht das Benutzerterminal nicht in den USA, könnte eine Patentverletzung nach Auffassung des Autors verneint werden, da ansonsten aufgrund eines US-Patentes praktisch Patentschutz in allen anderen Ländern erlangt würde, was dem im Patentrecht geltenden Territorialitätsprinzip widersprechen würde. Dies würde jedoch auch bedeuten, daß gegen gewerbliche Internetnutzer in den USA aus dem Patent vorgegangen werden könnte, auch wenn der Zentralcomputer im Ausland steht.Abs. 4
Es bleibt zu bemerken, daß dieser Fall weitere der ohnehin schon zahlreichen Fragestellungen bezüglich des Rechtes im Internet aufwirft, die noch nicht abschließend geklärt sind.
JurPC Web-Dok.
159/2000, Abs. 5
* Christof Vièl, Ingénieur diplômé E.H.I.C.S., ist Patentanwalt, Conseil en propriété industrielle, European Patent Attorney, c/o Patentanwälte Vièl & Vièl, D-66119 Saarbrücken.
[online seit: 04.09.2000]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Vièl, Christof, Ein Patent auf den Hyperlink? - JurPC-Web-Dok. 0159/2000