JurPC Web-Dok. 95/1998 - DOI 10.7328/jurpcb/199813795

BGH, Urteil vom 07.04.98 (1 StR 801/97)

Werbung für sadomasochistische Sexpraktiken im Internet

JurPC Web-Dok. 95/1998, Abs. 1 - 14


§§ 30 Abs. 2, 111 StGB, 244 Abs. 2 , 261 StPO

Leitsätze (der Redaktion)

  1. Der subjektive Tatbestand einer Verbrechensverabredung ist nur für denjenigen Beteiligten der Verabredung erfüllt, der die Tat ernstlich will.
  2. Eine öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) scheidet bei der Werbung für ein "S/M-Studio" per Internet aus, wenn – nach der (ersten) Kontaktaufnahme per Internet – die weitere Kommunikation mit einer Einzelperson stattfindet.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen verbotener Ausübung der Prostitution und Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie die Angeklagte P. wegen verbotener Ausübung der Prostitution zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen ist zur Bewährung ausgesetzt worden. Soweit die Angeklagten darüber hinaus angeklagt worden sind, gemeinschaftlich ein Verbrechen "des Menschenraubs, des Mordes, des sexuellen Mißbrauchs von Kindern, der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung" verabredet zu haben, indem sie dem Zeugen D. per Internet angeboten hätten, ihm ein Kind für sadistische Handlungen in ihrem "S/M-Studio" unter Inkaufnahme auch des Todes des Opfers zur Verfügung zu stellen, hat das Landgericht die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen diesen Freispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützt ist. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg. JurPC Web-Dok.
95/1998, Abs. 1
I. Die Verfahrensrügen
1. Die Revision beanstandet als Verletzung des § 261 StPO, die Strafkammer habe den Freispruch auch damit begründet, daß "nach der Erinnerung des Zeugen H. "bei diesem ein Käfig bereits um den Jahreswechsel 1996/1997 bestellt worden sei und nicht erst unmittelbar vor dem 14. Januar 1997. Der Zeuge H. sei in der Hauptverhandlung nicht vernommen worden. Die Zulässigkeit dieser Verfahrensrüge kann dahinstehen, denn entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin beruht das Urteil nicht auf dieser Aussage. Während die Revision vorträgt, aus der Zeugenaussage hätte sich ergeben, daß der Zeuge sich gegenüber der Angeklagten P. bereit erklärt hatte, sich nach den Kosten eines Käfigs zu erkundigen, ist das Landgericht über die behauptete Aussage hinaus von einer bereits erfolgten Bestellung eines Käfigs beim Zeugen H. im Zusammenhang mit der Ausstattung des "S/M-Studios" ausgegangen. Abs. 2
Soweit die Rüge Elemente einer Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 StPO enthält, ist sie unzulässig, weil der von der Revision angeführte Aktenvermerk über die Angaben des Zeugen H. gegenüber der Polizei nichts dafür hergibt, daß die Angeklagten zum Zeitpunkt der Bestellung irgend etwas mit einem Kind vorhatten und dafür den Käfig "dringend benötigten". Abs. 3
2. Unzulässig ist auch die Rüge nach § 261 StPO, die Strafkammer habe die Vernehmung des Angeklagten M. vor dem Ermittlungsrichter verwertet, obwohl diese nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden sei. Es ist ohne weiteres möglich, daß der geständige Angeklagte dort seine Angaben vor dem Ermittlungsrichter bestätigt hat. Abs. 4
3. Die Beschwerdeführerin macht schließlich einen Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO geltend, der darin liege, daß das Landgericht nicht durch einen Sachverständigen ermittelt habe, "daß ein Käfig in einem S/M-Studio sehr wohl ein Indiz für pädosadistische Behandlungen ist". Auch diese Rüge ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Revision trägt nicht vor, wodurch sich das Tatgericht zu der vermißten Beweiserhebung hätte gedrängt sehen sollen. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt, war über den in Aussicht genommenen Käfig nichts bekannt. Ohne nähere Einzelheiten, etwa dessen Abmessungen oder Ausstattung, fehlten wesentliche Anknüpfungstatsachen dafür, daß der Käfig nicht nur allgemein in einem "S/M-Studio", sondern insbesondere für eine geplante Kindesmißhandlung hätte verwendet werden können. Dem Vorbringen ist auch nicht zu entnehmen, woraus sich aus dem Blickwinkel einer naturwissenschaftlichen Fachrichtung, die die Revision nicht benennt, eine beweiserhebliche besondere Eignung des Käfigs gerade für "pädosadistische Behandlungen" ergeben haben könnte. Abs. 5
II. Die Sachrüge ist unbegründet. Abs. 6
1. a) Nach den Feststellungen betrieben die beiden Angeklagten im Keller ihres Wohnhauses ein neu eingerichtetes "S/M-Studio", für das sie auch im Internet Kunden suchten. Am 3. Januar 1997 kam es aufgrund dieser Internet-Anzeigen zwischen dem Angeklagten M. unter dem Pseudonym "Sado-Henker" und dem Zeugen D. zu einem Erstkontakt. Dabei bot M. dem Kunden die Beschaffung eines Kindes für extrem sadistische Praktiken für 7.000 DM bis 10.000 DM an. D. antwortete am 6. Januar 1997 durch Telefax, er wünsche ein weibliches Opfer, das nicht jünger als zwölf Jahre alt sein sollte, für extrem "bizarre Praktiken", darunter "Vergewaltigung". Die Angeklagte P. nahm in einem Telefongespräch am 14. Januar 1997 Kontakt mit D. auf. Sie erklärte, sie arbeite mit dem "Sado-Henker" zusammen und habe ein Haus mit einem Keller, wo "geeignete, schalldichte Räume" vorhanden seien. Seine Bestellung eines Kindes sei angenommen. D. werde eine Nachricht übermittelt, wenn das Kind verfügbar sei. Im Rahmen dieses Gespräches wurde auch angesprochen, daß es "kein Problem" sei, wenn das Opfer der sadistischen Praktiken "zum Schluß kaputt ist"; das Angebot der Angeklagten wurde deshalb auch auf die Entsorgung des "Kadavers" für 3.000 DM erweitert, der Preis für die Überlassung von Opfer und Räumen auf 12.000 DM angehoben. Abs. 7
D., der sich am nächsten Tag der Polizei offenbarte, versuchte am 19. Januar 1997 telefonisch, das Kind "abzubestellen". Bei diesem Telefongespräch erklärte die Angeklagte P. "Aber ich mein's schon ernst". Auf Frage von D. erklärte die Angeklagte, sie habe sich schon darum bemüht, ein Kind zu beschaffen, "aber es dauert ein bißl". Das Gespräch endete mit der Bemerkung: "Aber es kommt auf Dich zu". Abs. 8
b) Das Landgericht hat nicht feststellen können, daß die den Vorwurf bestreitenden Angeklagten das Angebot, dem Kunden ein Kind für extreme sexuelle Praktiken zur beliebigen Verfügung bis hin zur Tötung zu überantworten, tatsächlich ernst gemeint haben. Dagegen spreche insbesondere, daß sie – entgegen den telefonischen Beteuerungen der Angeklagten P. – tatsächlich nichts unternommen hätten, ein Kind in ihre Gewalt zu bringen. Auch seien die Angeklagten bisher noch nicht in solcher Weise in Erscheinung getreten. Die Bestellung eines Käfigs für das "S/M-Studio" deute nicht auf eine geplante Beschaffung von Kindern hin, sei vielmehr "eine angemessene Ausstattung für ein "S/M-Studio". Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, wie die Angeklagten ein Kind für die genannten Zwecke in ihre Gewalt hätten bringen wollen. Versuche, an einen Menschenhändler heranzutreten, seien nicht festzustellen. Geld für eine Zahlung an eine solche Person hätten sie nicht zur Verfügung gehabt. Anzeichen für die Planung einer eigenhändigen Entführung eines Kindes seien nicht erkennbar. Die Kellerräume des im bebauten Ortsbereich gelegenen Hauses seien – entgegen der Anpreisung der Angeklagten P. – mangels Schallisolierung auch nicht für die besprochenen Praktiken, bei denen das Opfer hätte schreien sollen, geeignet gewesen. Daher sei die Einlassung der Angeklagten, es habe sich bei dem Dialog über das Internet und dem Gespräch am Telefon um übertriebene Äußerungen zur Erforschung der Reaktion gehandelt (ein "Spiel", das "außer Kontrolle geraten" sei), nicht zu widerlegen. Abs. 9
2. Das Landgericht geht rechtlich zutreffend davon aus, daß der subjektive Tatbestand einer Verbrechensverabredung nur für denjenigen Beteiligten der Verabredung erfüllt ist, der die Tat ernstlich will (BGHR StGB § 30 Abs. 2 Mindestfeststellungen 1; BGH, Urt. vom 29. Juli 1980 – 1 StR 326/80; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 30 Rdn. 29; Maurach JZ 1961, 137, 139; Roxin in LK 11. Aufl. § 30 Rdn. 62; Tröndle, StGB 48. Aufl. § 30 Rdn. 12). Da das Landgericht sich hiervon bezüglich der beiden Angeklagten nicht überzeugen konnte, hat es die Strafbarkeit wegen einer Verbrechensverabredung zu Recht verneint, die für das Vergehen des sexuellen Mißbrauchs von Kindern nach § 176 StGB ohnehin nicht in Betracht kommt. Abs. 10
Auch seine Beweiswürdigung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Welches Ergebnis die zusammenfassende Würdigung der Beweisanzeichen zur subjektiven Tatseite erbringt, hat allein der Tatrichter zu entscheiden (vgl. BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Bestimmen 2). Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn ein Rechtsfehler vorliegt, weil die Beweiswürdigung des Tatgerichts widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewißheit stellt (Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 337 Rdn. 27 m.w.Nachw.). Solche Fehler deckt die Revision indes nicht auf, wie der Generalbundesanwalt bereits in seiner Antragsschrift im einzelnen erläutert hat. Abs. 11
3. War die Ernstlichkeit des Vorhabens der Angeklagten zur Mitwirkung an Verbrechen des Zeugen D. nicht festzustellen, so stand dies auch der Verurteilung wegen versuchter Anstiftung oder Annahme eines Erbietens dieses Zeugen zur Begehung von Verbrechen entgegen. Zwar genügt dabei für den Vorsatz, daß der Anstifter oder Annehmende damit rechnet, der präsumtive Täter werde seine Erklärung ernst nehmen und ihr entsprechend handeln (Cramer in Schönke/Schröder aaO § 30 Rdn. 28; Roxin in LK aaO § 30 Rdn. 98). Doch gilt dies nicht, wenn er davon ausging, ohne seine Mitwirkung könne die Tat von dem anderen nicht begangen werden (vgl. BGHSt 18, 160, 161). Dies lag hier auf der Hand, so daß es keiner weiteren Ausführungen dazu im Urteil bedurfte. Abs. 12
4. Eine Bestrafung der Angeklagten wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten nach § 111 StGB kommt nach den Feststellungen nicht in Betracht. Soweit die Revision meint, bereits in dem Werbeangebot für das "S/M-Studio" sei eine solche Straftat zu erblicken, geht sie fehl. Die Aufforderung muß sich auf eine bestimmte Straftat beziehen, die in der Aufforderung wenigstens ihrem rechtlichen Wesen nach gekennzeichnet ist (Eser in Schönke/Schröder aaO Rdn. 13). Daran fehlt es bei der allgemeinen Werbung für ein "S/M-Studio". Abs. 13
Hinsichtlich der Kommunikation zwischen den Angeklagten und dem Zeugen D. über pädosadistische Behandlungen eines kindlichen Opfers ist der Tatbestand des § 111 StGB deshalb nicht erfüllt, weil sich die Angeklagten, nachdem der Kontakt per Internet zustande gekommen war, an eine Einzelperson gewendet hatten (Eser in Schönke/Schröder aaO Rdn. 4).
JurPC Web-Dok.
95/1998, Abs. 14
[online seit: 04.07.98]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Werbung für sadomasochistische Sexpraktiken im Internet - JurPC-Web-Dok. 0095/1998