JurPC Web-Dok. 25/1997 - DOI 10.7328/jurpcb/1997121125

OLG Köln, Urteil vom 29.11.1996 (Az.: 19 U 212/95)

Wandelung eines Kaufvertrages über Hard- und Software

JurPC Web-Dok. 25/1997, Abs. 1 - 12


- §§ 459, 462 BGB -

Leitsatz:

Liefert der Verkäufer einzelne Bestandteile einer EDV-Konfiguration (Kassenanlage) nebst zugehöriger Software, so ist der Käufer zur Wandelung des Kaufvertrages berechtigt, wenn die zum Lieferumfang gehörenden Schnittstellenkarten, die die Verbindung und den Zugriff auf einen auswärtigen Rechner ermöglichen sollen, beim Dauerbetrieb fortlaufend ausfallen und daher der mit dem Programm verfolgte Zweck (zentrale und differenzierte Erfassung von Zahlungsvorgängen nach verschiedenen Zahlungsmitteln; Entfallen von Tagesabrechnungen) nicht erreicht werden kann.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten führt in der Sache zum Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der mit Rechnung vom 23. September 1991 abgerechneten Soft- und Hardware, da die Beklagten mit Erfolg die Wandelung des Kaufvertrages erklärt haben.JurPC Web-Dok.
25/1997, Abs. 1
Der Klägerin oblag nach den vertraglichen Vereinbarungen neben der Lieferung eines Kassengehäuses nebst Tastatur, Monitor und Drucker und der dazugehörigen Software "shop control" auch die Lieferung einer Schnittstellenkarte. Letzteres Bauteil sollte es der Endkundin und Betreiberin der Kassenanlage, der M. Glashütte GmbH ermöglichen, jederzeit Zugriff auf den sogenannten GZS-Rechner zu nehmen, der seinerseits an das Fernmeldenetz der Telekom AG zur Datenfernübertragung angeschlossen ist. Das einwandfreie Funktionieren der Schnittstellenkarte war Voraussetzung für einen zügigen und reibungslosen Ablauf der Kassiervorgänge und deren datenmäßig differenzierte Erfassung nach Zahlungsmitteln (Kreditkarten, Schecks, bar). Die durch die Zugriffsmöglichkeit auf den Zentralrechner überflüssig gewordenen Tagesabrechnungen waren unstreitig ausschlaggebend für den Entschluß der M. Glashütte GmbH, das Kassensystem als solches installieren zu lassen.Abs. 2
Der Zugriff auf den auswärtigen Rechner war wegen der Zerstörung bzw. des Ausfalls der von der Klägerin während der Betriebszeit der Kassenanlage von Anfang Oktober 1991 bis Mitte Januar 1992 gelieferten Schnittstellenkarten in dauerhafter Weise gestört. Dies hatte zur Folge, daß die gesamte Kassenanlage zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck nicht genutzt werden konnte. Dieser Zustand ist auch durch die Nachbesserungen bzw. -lieferungen der Klägerin nicht beseitigt worden, so daß sowohl die M. Glashütte GmbH als Vertragspartnerin der beiden Beklagten, als auch diese im Verhältnis zur Klägerin als Lieferantin der defekten Bauteile zur Wandelung der jeweiligen Kaufverträge berechtigt waren.Abs. 3
Die konstruktionsbedingte Mangelhaftigkeit der von der Klägerin gelieferten Schnittstellenkarten steht aufgrund des in erster Instanz eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. E. K. vom 25. April 1995 fest. Nach den Feststellungen des Gutachters waren alle von ihm untersuchten Schnittstellenkarten, die von der Klägerin geliefert worden sind, mit einem Schaltkreis (CHIP) vom Typ UM 82 C 452 L ausgerüstet. Hinsichtlich der Karte mit der Serienendnummer 439 ergibt sich dies zwar nicht aus den schriftlichen Ausführungen des Gutachters, er hat dies jedoch in seiner mündlichen Anhörung im Verhandlungstermin vom 12. Juli 1996 bestätigt. Der integrierte Schaltkreis ist im Jahre 1990 auf den Markt gekommen, war jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgereift und wies in häufigen Fällen nicht erklärbares Fehlverhalten auf. Aufgrund der späteren Untersuchungen ist festgestellt worden, daß z.B. geringe statische Aufladungen oder das Entfernen und Anschließen von Verbindungskabeln einer seriellen Schnittstelle bereits zu einem Defekt der Chips und damit zum Ausfall der Funktion der Schnittstellenkarten führten.Abs. 4
Wie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme weiter feststeht, führten die defekten Schaltkreise auch in der Kassenanlage bei der M. Glashütte GmbH zu dauernden Ausfällen der Schnittstellenkarten. Der Sachverständige hat die Funktionsuntüchtigkeit bezüglich der Bauteile mit den Serienendnummern 423 und 426 durch Einsatz des Testprogrammes "CheckIt" zuverlässig feststellen können. Bei der Karte mit der Endnummer 423 funktionierte keine Schnittstelle, bei der Karte mit der Endnummer 426 waren nur eine serielle und eine parallele Schnittstelle funktionstüchtig, während die zweite serielle Schnittstelle defekt war. Der Funktionsausfall der Karte infolge des defekten Schaltkreises ist äußerlich nicht sichtbar. Zwar hat der Sachverständige beim Test der vermutlich von der Klägerin als letzte nachgelieferten Karte mit der Endnummer 439 alle drei Schnittstellen auffinden können. Wie zur Überzeugung des Senats feststeht, hat sich aber auch bei dieser Karte der konstruktive Mangel durch die Verwendung des störanfälligen Schaltkreises UM 82 C 452 L ausgewirkt. Der Funktionsausfall war bei dem vom Sachverständigen durchgeführten Testprogramm lediglich nicht feststellbar. Der Senat hat zur Frage der Funktionstüchtigkeit sämtlicher Schnittstellenkarten gemäß § 377 Abs. 3 ZPO schriftliche Aussagen der Zeugen H.-J. Sch. und P. K. eingeholt. Beide haben in ihren Bekundungen bestätigt, daß auch nach der Installation der dritten Schnittstellenkarte beim Dauerbetrieb, d. h. nach 1 - 2 Stunden, dieselben typischen Ausfallerscheinungen wie beim Einsatz der ersten beiden Karten aufgetreten sind. Der Zeuge Sch., der seinerzeit im Auftrage der Klägerin für den Verkauf und die Installation der Anlage der M. Glashütte zuständig war, hat sich folgendermaßen geäußert (Bl. 242 d.A.):Abs. 5
"Nachdem das System nun einwandfrei arbeitete, tauchten nach kurzer Zeit die bekannten Probleme mit der Schnittstellenkarte auf. H. lieferte eine Ersatzkarte aus, da die Vermutung bestand, daß es sich um ein Problem mit dieser speziellen Karte handelte. Nachdem die nachgelieferte Karte ebenfalls nach kurzem Betrieb ausfiel, lieferte H. aufgrund des Termindrucks direkt eine weitere Karte gleichen Typs und bemühte sich um eine Ersatzkarte bei einem anderen Lieferanten, die auch an die Glashütte M. ausgeliefert wurde. Über den Einsatz und Verbleib dieser Karte von der Firma P. ist mir nichts bekannt. Insgesamt lieferte H. 4 Schnittstellenkarten, wobei die drei baugleichen Typs nach kurzer Laufzeit sämtlich ausfielen. Ob die vierte gelieferte Karte einwandfrei funktionierte, ist mir nicht bekannt."Abs. 6
In ähnlicher Weise hat sich auch der Zeuge K., seinerzeit Geschäftsführer der M. Glashütte, geäußert:Abs. 7
"Es gab ständig Probleme mit der Orgatechnikkasse, wenn bei Zahlung mit Krediten oder EC-Karten eine Datex-Leitung über Telefon mit der GZS aufgebaut werden mußte, und zwar kam die Verbindung nicht zustande. Das Kassenprogramm fiel aus und eine Abrechnung über das Programm wurde unmöglich... Es wurden verschiedene Schnittstellenkarten eingesetzt, aber nach kurzer Zeit trat wieder der gleiche Fehler auf, so daß wir uns gezwungen sahen, schließlich ein anderes Produkt einzusetzen."Abs. 8
Angesichts dieser klaren und eindeutigen Bekundungen der Zeugen steht zur Überzeugung des Senats fest, daß alle drei Schnittstellenkarten baugleichen Typs, die von der Klägerin geliefert worden sind, zumindest im Dauerbetrieb nicht funktionstüchtig waren. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Angaben der Zeugen nicht der Wahrheit entsprechen könnten. Beide waren während der Laufzeit des Vertrages intensiv mit der Installation bzw. dem Betrieb der Anlage befaßt. Dabei kommt insbesondere den Äußerungen des Zeugen Sch. eine erhebliche Bedeutung zu, weil dieser im Auftrage der Klägerin als seinerzeitiger technischer Mitarbeiter die Kassenanlage betreut hat. Angesichts des eindeutigen Beweisergebnisses sieht der Senat weder Veranlassung, den weiteren von den Beklagten zu diesem Beweisthema benannten Zeugen H. zu hören, noch die Zeugen Sch. und K., so wie die Klägerin beantragt hat, mündlich zu befragen. Eine wiederholte Vernehmung von Zeugen liegt gemäß § 398 Abs. 1 ZPO allein im Ermessen des Prozeßgerichts. Die Klägerin hat aber nicht dargelegt, welche anders gearteten Erkenntnisse sie sich von der nochmaligen Vernehmung der Zeugen verspricht. Sie hat im Schriftsatz vom 27. Januar 1994 in erster Instanz (Bl. 55 d. A.) selbst eingeräumt, daß "mehrere Karten durchgebrannt seien", daraus jedoch den vom Sachverständigen widerlegten Schluß gezogen, daß die Bauteile deswegen gerade keine Produktionsfehler aufgewiesen hätten. Für deren Fehlerhaftigkeit spricht aber ferner der Umstand, daß die Klägerin im Januar 1994 eine vierte Schnittstellenkarte eines anderen Herstellers, nämlich vom Typ "Peacock", geliefert hat, ohne diese gesondert in Rechnung zu stellen. Hierzu hätte keine Veranlassung bestanden, wenn die Kassenanlage zumindest mit einer der zuvor gelieferten Schnittstellenkarten dauerhaft funktioniert hätte.Abs. 9
Steht aber fest, daß die von der Klägerin gelieferten Schnittstellenkarten allesamt fehlerhaft waren und beim Betrieb ausfielen, so ist die Berechtigung der Beklagten zur Wandelung des Kaufvertrages mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen. Zwar ist es theoretisch möglich, daß der Ausfall der Bauteile durch die Einflüsse von anderen, nicht von der Klägerin gelieferten Komponenten der Kassenanlage mittelbar herbeigeführt worden sein könnte; dies läßt sich im nachhinein nicht mehr nachvollziehen, da die entsprechende Konfiguration nicht mehr zusammengestellt werden kann und die Festplatte des Servers zwischenzeitlich anders formatiert worden ist. Für das Vorliegen eines Fehlers außerhalb der von der Klägerin gelieferten Komponenten gibt es vorliegend jedoch keine greifbaren Anhaltspunkte. Solche sind während der gesamten Betriebszeit der Anlage trotz Überprüfungen und Abhilfemaßnahmen nicht gefunden worden. Die Ausfälle traten unstreitig auch nach dem Austausch der Netzwerksoftware auf. Dementsprechend hat auch der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten die Verantwortlichkeit anderer Komponenten als der von der Klägerin gelieferten Schnittstellenkarten als "höchst unwahrscheinlich" angesehen. Im Ergebnis kommt es hierauf aber auch nicht an. Aufgrund ihrer nachgewiesenen Störanfälligkeit infolge der Verwendung eines unzuverlässigen Chips, die sich im Ausfall sämtlicher Karten während des Betriebes dokumentiert hat, steht fest, daß diese weder geeignet noch tauglich waren, in einer EDV-Konfiguration wie der vorliegenden betrieben zu werden. Nachdem trotz mehrerer Nachlieferungen durch die Klägerin die Zugriffsmöglichkeit über die Schnittstelle nicht dauerhaft hergestellt werden konnte, waren die Beklagten zur Wandelung des gesamten Kaufvertrages berechtigt. Sie brauchten sich auf weitere Nachbesserungsgesuche nicht einzulassen und mußten insbesondere auch die weitere Schnittstellenkarte vom Typ "Peacock" nicht mehr zum Einsatz bringen. Ein weiteres Nachlieferungsrecht der Klägerin findet schon in dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag keine hinreichende Grundlage; jedenfalls wäre es nach dem Rücktritt der Endabnehmerin der Kassenanlage, der M. Glashütte GmbH, im Januar 1992 endgültig entfallen.Abs. 10
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.Abs. 11
Beschwer der Klägerin: 9.858,55 DM
JurPC Web-Dok.
25/1997, Abs. 12
[15.11.97]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Köln, OLG, Wandelung eines Kaufvertrages über Hard- und Software - JurPC-Web-Dok. 0025/1997