JurPC Web-Dok. 7/1997 - DOI 10.7328/jurpcb/199712108
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BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 (Az.: I ZR 38/96)

CB-infobank II

JurPC Web-Dok. 7/1997, Abs. 1 - 28




Leitsätze:

(UrhG § 31 Abs. 1, 4; § 53 Abs. 2 Nr. 4 a)



a) Für die Beurteilung der Frage, ob das einem Verlag von seinen Redakteuren eingeräumte Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung urheberrechtlich geschützter Zeitungsartikel auch das Recht, diese im Rahmen eines Informationsdienstes zu verwerten, als eine selbständige Nutzungsart einschließt, ist das Verständnis der Schrankenbestimmung des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG grundsätzlich ohne Einfluß. Auch eine Art der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke - hier im Rahmen eines archivgestützten Informationsdienstes -, welche bei der Gesetzgebung der Schrankenbestimmung des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG keine Erwähnung fand, kann von der rechtsgeschäftlichen Übertragung des Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechts als eine bekannte, wenn auch wirtschaftlich (noch) nicht bedeutsame Nutzung erfaßt sein.

b) Zur Frage, ob ein "allgemeines Informationsinteresse" die zustimmungsfreie Verwertung von urheberrechtlich geschützten Beiträgen durch Informationsdienste rechtfertigen kann.



Tatbestand:



Die Klägerin verlegt verschiedene Zeitschriften und Zeitungen, u.a. die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" und "Blick durch die Wirtschaft". JurPC Web-Dok.
7/1997, Abs. 1

Die Beklagte, eine Bank, unterhält seit vielen Jahren ein Archiv über Wirtschaftsdaten. Anfangs führte sie Recherchen in diesem Archiv lediglich zu hausinternen Zwecken durch. Später stellte sie ihre Recherchedienste auch ihren Kunden - zunächst unentgeltlich, seit 1991 gegen Entgelt - unter dem Namen "CB-infobank" zur Verfügung. Die "CB-infobank" stützt sich zum einen auf die von der Beklagten gehaltenen Fachzeitschriften. Die Beklagte erstellt über einzelne Artikel kurze Zusammenfassungen, welche - ohne den Text selbst - nebst den bibliografischen Angaben in einer Computerdatenbank gespeichert werden. Daneben erfaßt die Beklagte in einem "Zettelkasten-Archiv" auch Zeitungsartikel aus den von der Klägerin herausgegebenen Publikationen, die sie täglich ausschneiden läßt. Abs. 2

Im Rahmen des Recherchedienstes erstellt die Beklagte ihren Kunden auf deren Verlangen Kopien der recherchierten Zeitungsartikel, auch soweit sie in den Publikationsorganen der Klagerin erschienen sind. Dieses Verhalten ist Gegenstand der Klage. Abs. 3

Die Klägerin sieht darin ein urheberrechts- und wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten. Sie hat vorgetragen, Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte für alle Beiträge zu sein, die von ihren angestellten Redakteuren in ihren Publikationsorganen verfaßt worden seien. Die Herstellung und die Versendung der Kopien dieser Werke durch die Beklagte stelle eine unzulässige Vervielfältigung und Verbreitung dar. Die Beklagte könne sich nicht auf das Kopierprivileg des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG berufen. Die Beklagte verstoße zudem auch gegen § 1 UWG, da sie sich fremde Arbeitsergebnisse in unlauterer Weise aneigne. Abs. 4

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten und sich im übrigen auf das urheberrechtliche Kopierprivileg berufen. Abs. 5

Auf den Hilfsantrag hat das Landgericht - unter Abweisung eines weitergehenden Hauptantrags - Abs. 6

1. der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verboten, ohne Zustimmung der Klägerin Teile der Druckwerke oder einzelne Beiträge, die in Publikationen der Verlagsgruppe der Klägerin veröffentlicht worden sind - nämlich in der Publikation Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Allgemeine-Rhein-Main-Zeitung, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Blick durch die Wirtschaft -, soweit sie von den in der Anlage zum Tenor im einzelnen näher bezeichneten angestellten Redakteuren der Klägerin stammen, über die von der Beklagten unter der Bezeichnung CB-infobank betriebene Datenbank oder in sonstiger Weise zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder vervielfältigen und/oder verbreiten zu lassen und/oder dafür zu werben; Abs. 7

2. die Beklagte des weiteren verurteilt, über den Umfang der vorstehend zu 1. bezeichneten Handlungen Rechnung zu legen, und zwar insbesondere unter Angabe der vervielfältigten Beiträge, der Namen und Anschriften der jeweiligen Empfänger der Vervielfältigungsstücke sowie der Zeitpunkte, zu welchen die jeweiligen Empfänger Vervielfältigungsstücke von der Beklagten erhalten haben; Abs. 8

3. festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klagerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den vorstehend zu 1. bezeichneten Handlungen der Beklagten entstanden ist und künftig noch entstehen wird. Abs. 9

Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben (OLG Frankfurt a.M. GRUR 1996, 351). Abs. 10

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Abs. 11

Entscheidungsgründe:



I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, Klageantrag und Urteilsausspruch seien hinreichend bestimmt. Die erfaßten Beiträge seien durch die Angabe der Publikationsorgane und durch das Redaktionskürzel konkretisiert. Es könne auch davon ausgegangen werden, daß die von angestellten Redakteuren verfaßten Beiträge urheberrechtsschutzfähig seien. Die Gefahr, daß vom Verbotsausspruch auch nicht urheberrechtsschutzfähige Beiträge erfaßt würden, sei als gering einzuschätzen; ihr könne zudem in der Auseinandersetzung im Vollstreckungsverfahren begegnet werden. Die Klägerin sei aufgrund der Verträge mit ihren angestellten Redakteuren Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte an den in ihren Zeitungen erschienenen Artikeln. Die Beklagte verletze mit ihrem Verhalten das Vervielfaltigungs- und Verbreitungsrecht der Klägerin. Auf den Privilegierungstatbestand des § 53 Abs. 2 Nr, 4 a UrhG könne sie sich nicht mit Erfolg berufen. Es handele sich hierbei um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. Die Tätigkeit der Beklagten im Rahmen ihres In-formationsdienstes gehe über das mechanische bloße Herstellen von Kopien für einen privilegierten Dritten hinaus. Sie erstelle die Kopien nämlich nur im Zusammenhang mit einem Rechercheauftrag. Kopierangebot und Recherche bildeten ein einheitliches Servicepaket, das an der Privilegierung des Herstellenlassens von Kopien zum sonstigen eigenen Gebrauch des Kunden i. S. des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG nicht teilhabe. Abs. 12

Die dagegen gerichtete Revision hat keinen Erfolg. Abs. 13

II. 1. Gegen die Zulässigkeit der Klage in dem vom Berufungsgericht bestätigten Verbotsumfang bestehen entgegen der Ansicht der Revision keine durchgreifenden Bedenken aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, daß die beanstandete Handlung der Beklagten hinreichend bestimmt ist. Danach soll ihr verboten sein, Teile der Druckwerke oder einzelne Beiträge, die in bestimmt bezeichneten, von der Klägerin herausgegebenen Publikationen veröffentlicht worden sind und die von namentlich genannten angestellten Redakteuren der Klägerin stammen, über die "CB-infobank" oder in sonstiger Weise zu vervielfältigen oder zu verbreiten, vervielfältigen oder verbreiten zu lassen oder auch dafür zu werben. Einer darüber hinausgehenden Bezeichnung der einzelnen Artikel, etwa nach ihrem Erscheinungsdatum oder nach ihrem Titel bedarf es nicht. Der Ansicht der Revision, schon dem Antrag müsse als Kriterium der Bestimmtheit entnommen werden können, ob es sich bei dem einzelnen Beitrag um ein urheberrechtsschutzwürdiges Werk handele, kann nicht beigetreten werden. Diese Frage berührt Elemente des materiellen Rechts, deren Mangel die verfahrensrechtliche Zulässigkeit des Antrags nicht berührt. Abs. 14

2. Das Berufungsgericht ist des weiteren zu Recht ohne nähere Prüfung im einzelnen vom urheberrechtlichen Schutz der so bezeichneten Artikel ausgegangen. Wie der Senat in seiner am selben Tag verkündeten, auch das Verhalten der Beklagten im Rahmen ihrer "CB-infobank" betreffenden Entscheidung in der Sache - I ZR 9/95 - ausgeführt hat, besteht kein Anlaß, die urheberrechtliche Qualität von Beitragen in Zeitungen und Zeitschriften von vornherein in Zweifel zu ziehen. Der Revision ist zwar darin beizutreten, daß einzelnen Beitragen in den Zeitungen der Klägerin, auch soweit sie mit Redaktionskürzel gekennzeichnet sind, die für den urheberrechtlichen Schutz erforderliche persönliche geistige Leistung fehlen kann. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich hierbei lediglich um die bloße Sammlung von Fakten ohne jegliche sprachliche Aufbereitung handelt. Dies ist indessen, wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist, ein Ausnahmefall, der als solcher von dem auf das Urheberrecht gestützten Klagebegehren auch nicht erfaßt wird. Es bestehen bei dem gegebenen Regel-Ausnahmeverhhltnis des urheberrechtlichen Schutzes der bezeichneten Artikel im Streitfall keine rechtlichen Bedenken dagegen, eine in Einzelfällen mogliche Auseinandersetzung der Parteien über die urheberrechtliche Qualifikation eines vom Klageantrag erfaßten Beitrags in das Vollstreckungsverfahren des § 890 ZPO zu verlagern. Abs. 15

3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision des weiteren gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin sei Inhaberin der ausschließlichen Rechte zur Verwertung der urheberrechtlich geschützten Artikel, welche ihre angestellten Redakteure verfaßt haben. Abs. 16

a) Gegen die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang u.a. als Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme getroffene Feststellung, wonach der Klägerin aufgrund individueller vertraglicher Vereinbarungen mit ihren Redakteuren an allen im Arbeitsverhältnis angefertigten Arbeiten ein uneingeschränktes und zeitlich unbegrenztes ausschließliches Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung zusteht, wendet sich die Revision nicht mit Verfahrensrügen. Sie sieht den Rechtsfehler vielmehr in einer widersprüchlichen Argumentation des Berufungsgerichts. Wenn man nämlich - so meint die Revision - mit dem Berufungsgericht die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Artikel in der "CB-infobank" der Beklagten als eine neue, von § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG nicht erfaßte Nutzungsart ansehe, könne sich das der Klägerin eingeräumte Ausschließlichkeitsrecht auch nicht auf diese Art der Nutzung erstrecken; vom eingeräumten Nutzungsrecht könne gemäß § 31 Abs. 4 UrhG nur eine Nutzungsart erfaßt sein, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses - hier zwischen der Klägerin und ihren Redakteuren - bereits bekannt gewesen sei. Eine dahingehende Feststellung sei dem Berufungsurteil indessen nicht zu entnehmen. Abs. 17

b) Der Revision ist im Ansatz darin zu folgen, daß aus der Feststellung, die Klägerin sei Inhaberin des ausschließlichen Rechts zur Vervielfältigung und Verbreitung der von ihren angestellten Redakteuren verfaßten Arbeiten, nicht ohne weiteres geschlossen werden darf, die Klägerin könne sich aus eigenem Recht gegen jedwede Vervielfältigung der Werkstücke durch Dritte wenden. Das der dinglichen Rechtsposition des ausschließlich Nutzungsberechtigten zugeordnete Verbietungsrecht gemäß § 97 Abs. 1 UrhG wird nämlich grundsätzlich durch den Inhalt der eingeräumten Nutzungsart (§ 31 Abs. 1 UrhG) bestimmt, welche nicht mit der Verwertungsart eines der in §§ 15 ff. UrhG genannten Verwertungsrechte gleichgesetzt werden darf (BGHZ 95, 274, 283 f. - GEMA-Vermutung I; BGH, Urt. v. 12.12.1991 - I ZR 165/89, GRUR 1992, 310, 311 - Taschenbuch-Lizenz; Urt. v. 4.7.1996 - I ZR 101/94, NJW 1997, 320, 322 - Klimbim). Das Nutzungsrecht ist mit dem gesetzlich definierten Verwertungsrecht als einer dem Urheber erwachsenen Befugnis nicht identisch. Das vertraglich eingeräumte Nutzungsrecht kann hinter der gesetzlichen Verwertungsbefugnis zurückbleiben, was sich bereits daraus ergibt, daß das Gesetz die vertragliche Bewilligung von Nutzungsrechten fur noch nicht bekannte Nutzungsarten für unwirksam erklärt (§ 31 Abs. 4 UrhG). Abs. 18

c) Entgegen der Ansicht der Revision weist die Beurteilung des Berufungsgerichts, das (ohne ausdrückliche Erwähnung) von einem ausschließlichen Verwertungsrecht der Klägerin hinsichtlich der Beiträge ihrer angestellten Redakteure auch über einen Informationsdienst ausgegangen ist, keinen Rechtsfehler auf. Selbst wenn man mit der Revision in dieser Art der Verwertung eine selbständige Nutzungsart sieht, besteht kein Anlaß, die Nutzungsberechtigung der Klägerin im geltend gemachten Umfang in Zweifel zu ziehen. Es fehlen nämlich Anhaltspunkte dafür, daß die Verwertung von Zeitungsartikeln durch Informationsdienste im Zeitpunkt des Abschlusses der jeweiligen Arbeitsvertrags mit den Redakteuren unbekannt gewesen sei. Die Beklagte hat dahingehend auch nicht vorgetragen. Es bestehen keine Erfahrungssätze, wonach diese Art der Verwertung der Zeitschriftenbeiträge beispielsweise als ebenso neuartig anzusehen wäre, wie deren digitale Aufbereitung (zum maßgeblichen Zeitpunkt von deren Bekanntheit vgl. Katzenberger, Elektronische Printmedien und Urheberrecht, AfP-Praxisreihe [1996] S. 99 - Rechtsgutachten -). Für das Berufungsgericht bestand auch kein Anlaß, auf den Zeitpunkt abzustellen, zu welchem erstmals - wohl im Zusammenhang mit der Erfassung in elektronischer Form - eine wirtschaftliche Verwertung der Zeitschriftenbeiträge über Informationsdienste im großen Stil stattfand. Denn die Bekanntheit einer Nutzungsart ist nicht grundsätzlich mit dem Zeitpunkt gleichzusetzen, zu welchem die Auswertung tatsächlich einen bedeutsamen wirtschaftlichen Erfolg erreicht hat. Die Nutzungsart ist vielmehr schon dann nicht mehr neu, wenn ihre wirtschaftliche Bedeutung und Verwertbarkeit bekannt ist (BGHZ 128, 336, 345 - Videozweitauswertung III). Unmaßgeblich ist deshalb entgegen der Ansicht der Revision auch die Frage, ob dem Gesetzgeber des Jahres 1965 bei der Schaffung des Privilegierungstatbestandes des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG die Vervielfältigung von Beiträgen in Zeitschriften und Zeitungen durch Informationsdienste bekannt oder erwähnenswert gewesen war. Abs. 19

d) Entgegen der Ansicht der Revision wird die Auslegung des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG auch nicht vom Verständnis des § 31 Abs. 4 UrhG getragen. Beide Normen weisen einen unterschiedlichen Regelungsgehalt auf. § 31 Abs. 4 UrhG betrifft die Frage, ob und inwieweit sich der Urheber durch vertragliche Vereinbarung seines Verwertungsrechts begeben kann. § 53 UrhG stellt hingegen zu Lasten des Urhebers die unabdingbare Regel auf, wann ein Dritter erlaubnisfrei urheberrechtlich geschützte Werkstücke nutzen darf. Es besteht demnach kein Normenzusammenhang dahingehend, daß es einem Urheber versagt sei, eine Verwertung, welche nicht an der Privilegierung des § 53 UrhG teilhat, als eine Nutzungsart im Sinne des § 31 Abs. 1 UrhG im Rahmen einer vertraglichen Absprache zu gestatten. Abs. 20

e) Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, die Verwertung der Zeitschriftenbeiträge der angestellten Redakteure über Informationsdienste dem ausschließlichen Verwertungsrecht der Klägerin zu unterstellen, läßt sonach einen revisiblen Auslegungsfehler nicht erkennen. Abs. 21

4. Das Berufungsgericht hat die beanstandete Vervielfältigungshandlung der Beklagten im Rahmen ihres Dienstleistungsangebots "CB-infobank" als eine Urheberrechtsverlet-zung beanstandet und deshalb das vom Landgericht ausgesprochene Unterlassungsgebot und die Feststellung zur Schadensersatzverpflichtung sowie die Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung bestätigt. Auch dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Die von der Beklagten im Rahmen ihres Informationsdienstes vorgenommenen Vervielfältigungen partizipieren nicht am gesetzlichen Privileg des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG, welches einem Nutzer auch dann zugute kommen kann, wenn er die Vervielfältigungsstücke nicht selbst herstellt, sondern, was nach § 53 Abs. 1 und 2 UrhG zulassig ist, durch einen Dritten herstellen läßt. Abs. 22

a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Schrankenbestimmung des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG nicht erfordert, daß der Nutzer ein eigenes Werkstück zur Grundlage der Vervielfältigung macht. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (Urt. des Senats vom selben Tag - I ZR 9/95). Auch die Revisionserwiderung wendet sich gegen diesen rechtlichen Ansatz nicht. Ebensowenig ist für die Beurteilung des Streitfalls das Vorbringen der Revision von Bedeutung, wonach die Beklagte aus der Erstattung der Fotokopierkosten keinen Gewinn ziehe. § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG unterscheidet nämlich - anders als beispielsweise § 53 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 UrhG bei der Übertragung von Werken auf Bild- oder Tonträger - nicht danach, ob der Vervielfältigende selbst gewerblichen Zwecken nachgeht und sich die Kopiertätigkeit bezahlen läßt oder nicht. Abs. 23

b) Eine Kopiertätigkeit, die von einem anderen als dem privilegierten Nutzer im Sinne des § 53 Abs. 1 und 2 UrhG vorgenommen wird, bleibt urheberrechtlich als Vervielfältigungshandlung nämlich nur freigestellt, soweit sie sich auf den technisch maschinellen Vorgang der Vervielfältigung beschränkt (Urt. des Senats vom selben Tag - I ZR 9/95). Abs. 24

Die von der Beklagten angebotene Dienstleistung, die im Rahmen einer Rechercheanfrage ermittelten Beiträge dem Kunden in Kopie zu überlassen, hat nicht teil an dem Privilegierungstatbestand des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG, der einem (auch gewerblichen) Nutzer zukommen kann, welcher zum sonstigen eigenen Gebrauch einzelne Beiträge, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen sind, vervielfältigt oder vervielfältigen läßt. Die Tätigkeit der Beklagten beschränkt sich nicht auf eine technisch-mechanische Vervielfältigung. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die Kopiertätigkeit der Beklagten in einem untrennbaren Zusammenhang mit ihrer Recherchedienstleistung steht. Ohne eine vorangegangene Recherche gibt es kein Kopierangebot der Beklagten. Damit verläuft die Beklagte den privilegierenden Rahmen, der einem Dritten als "notwendigem Mittler" bei einer Kopiertätigkeit im Auftrag eines privilegierten Nutzers zukommen kann. Die Revision, welche meint, die als solche urheberrechtlich neutrale Dienstleistung der Recherche könne den damit verbundenen Kopiervorgang nicht unzulässig machen, zergliedert mit ihrer Betrachtung eine einheitliche Dienstleistung - Recherche mit Kopierservice - und verkennt damit im Ergebnis das Regel-Ausnahmeverhältnis der Schrankenbestimmung des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG. Sie berücksichtigt dabei nicht, daß im Streitfall durch den Recherche-Dienst eine urheberrechtsrelevante Nutzung in einem Ausmaß und in einer Intensität erschlossen wird, die sich mit den eine Privilegierung rechtfertigenden Erwägungen nicht mehr vereinbaren läßt. Abs. 25

c) Auch der weiteren Erwägung der Revision kann nicht beigetreten werden, wonach eine angemessene Berucksichtigung des vom Gesetzgeber erwogenen Informationsinteresses der Allgemeinheit im Verhältnis zum Verwertungsrecht des Urhebers eine Auslegung des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG gebiete, welche die hier zu beurteilende Kopiertätigkeit freistelle. Ein dahingehendes, dem Interesse des Werkschaffenden zuwiderlaufendes Verständnis der Schrankenbestimmung ist nicht gerechtfertigt. Entgegen der Ansicht der Revision ist dem Willen des historischen Gesetzgebers nicht zu entnehmen, eine Kopiertätigkeit im Rahmen des hier streitigen Informationsdienstes vom gesetzlichen Verwertungsverbot freizustellen. Der Gesetzgeber hat sich zu diesem Tatbestand nicht geäußert. Das in der Gesetzesbegründung sowohl der Urheberrechtsnovelle des Jahres 1965 wie des Jahres 1985 angesprochene Informationsinteresse der Allgemeinheit findet seinen Ausdruck in den eng umschriebenen Schrankenbestimmungen des § 53 UrhG und steht auch unter dem vom Gesetzgeber selbst ausgesprochenen Vorbehalt, daß die zur persönlichen Nutzung geschaffene Vergünstigung nicht jede neue Nutzungsmöglichkeit zulasse. Es sei vielmehr zu bedenken, daß ein Festhalten an bisherigen Regelungen zur teilweisen Aushöhlung des Urheberrechts führen könne (BT-Drucks. IV/270, S. 31 f.; BT-Drucks. 10/837, S. 9 ff.). Der Hinweis der Revision, dem Gesetzgeber des Jahres 1985, dem die Übung der öffentlichen Bibliotheken bekannt gewesen sei, auf Bestellung ihrer Leser Kopien zu fertigen und zu versenden, habe diese Praxis für zulässig erklärt, gibt keinen Anhalt für die Annahme, er habe eine weiterreichende Kopiertätigkeit im hier streitigen Umfang freistellen wollen. Abs. 26

Entgegen der Ansicht der Revision bestehen keine übergeordneten Informationsinteressen, welche es rechtfertigten, der Beklagten im Rahmen einer erweiternden Auslegung des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG die in Rede stehende Vervielfältigung zu gestatten. Der zukunftsorientierten Betrachtung der Revision (vgl. auch Kappes, Rechtsschutz computergestützter Informationssammlungen, 1996, S. 63 f.), zur Lösung der Probleme der Informationsgesellschaft müsse schon jetzt sichergestellt werden, daß - auch elektronisch gespeicherte - Informationen den interessierten Benutzern zugänglich gemacht werden können, ohne auf die Zustimmung des Urhebers zurückgreifen zu müssen, kann aus der Sicht des an Gesetz und Recht gebundenen Richters nicht beigetreten werden. Ob im Rahmen der Entwicklung der Informationsgesellschaft das Interesse der Allgemeinheit an einem Zugang zu urheberrechtlich geschützten Informationsquellen die Beurteilung zuläßt, es bestünden überwiegende Gründe des Gemeinwohls, diesen Zugang urheberrechtsschutzfrei zu gewahren, ist im Streitfall nicht zu entscheiden. Das Vorbringen der Revision gibt dem Senat jedoch Anlaß darauf hinzuweisen, daß der Inhalt einer Information als solcher urheberrechtlich nicht geschützt ist. Recherche- und Informationsdienste können grundsätzlich, ohne urheberrechtlichen Schutz zu tangieren, Daten und Fakten sowie blbliografische Angaben mitteilen. Zudem stehen der Allgemeinheit Recherchedienste mit Kopierservice zur Verfügung, welche sich der Zustimmung der Urheber versichert haben. Darüber hinaus bleibt es der interessierten Öffent-lichkeit unbenommen, lediglich einen Recherchedienst in Anspruch zu nehmen (beispielsweise den der Beklagten), sich die Quelle zu erschließen und Kopien zu fertigen oder durch Dritte fertigen zu lassen. Abs. 27

III. Nach alledem ist die Revision zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.


JurPC Web-Dok.
7/1997, Abs. 28

[15.10.97]

Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, CB-infobank II - JurPC-Web-Dok. 0007/1997