JurPC Web-Dok. 117/1999 - DOI 10.7328/jurpcb/1999147114

LG München I,
Urteil vom 25.05.99 (9 HKO 850/99)

Verwechselungsgefahr bei zusammengesetzten Kennzeichen

JurPC Web-Dok. 117/1999, Abs. 1 - 27


BGB §§ 670, 683, 677; MarkenG §14
Hinweis der Redaktion: Das Urteil ist nicht rechtskräftig, vielmehr wurde gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt.
Weitere Entscheidungen in dieser Sache liegen nicht vor.

Leitsatz (der Redaktion)

Bei aus zwei Elementen zusammengesetzten Kennzeichen ist die Gefahr der Verwechselung hinsichtlich des zweiten Kennzeichenbestandteils nicht anzunehmen, da grundsätzlich der Anfang eines Begriffes dessen Gesamteindruck bestimmt. Dies kann nur anders sein, wenn der zweite Bestandteil des zusammengesetzten Kennzeichens prägend hervortritt. Ist dies nicht der Fall, ist demnach eine markenrechtliche Verwechselungsgefahr zu verneinen.

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits sind Kosten für eine markenrechtliche Abmahnung.JurPC Web-Dok.
117/1999, Abs. 1
Die Klägerin entwickelt und vermarktet Software und ist Inhaberin der am 22.09.1995 angemeldeten deutschen Marke "E..." (Anlage K 1). Die Marke ist eingetragen für Datenverarbeitungsgeräte und Datenverarbeitungsprogramme.Abs. 2
Der Beklagte betreibt unter der Internetadresse "www. ... .com" eine Homepage.Abs. 3
Im Rahmen des Dienstleistungsangebots des Beklagten war auch die Möglichkeit angeboten, eine Software mit der Bezeichnung "Telco-E..." auf den Rechner des Nutzers herunter zu laden (Anlage K 3 a). Der TelcoE... wurde als eine ausgezeichnete Hilfe beim Vergleich verschiedener Telekommunikationsanbieter zu allen Tageszeiten angeboten.Abs. 4
Mit Schreiben vom 19. 06.1998 wurde der Beklagte wegen dieses Sachverhalts von der Klägerin abgemahnt (Anlage K 4).Abs. 5
In der Folge gab der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung dahingehend ab, daß er bei Meidung einer Vertragsstrafe es unterläßt, im geschäftlichen Verkehr die Kennzeichnung "TelcoE..." im geschäftlichen Verkehr (sic!) für Datenverarbeitungsprogramme zu benutzen (Anlage K 4 a).Abs. 6
Die Klägerin vertritt die Auffassung, daß die Abmahnung berechtigt war und deshalb die noch nicht beglichenen Kosten hierfür von dem Beklagten zu tragen sind. Die Klägerin hält die Bezeichnung TelcoE... mit der Bezeichnung der eingetragenen Marke "E..." für verwechslungsfähig. Ferner sei davon auszugehen, daß der Beklagte für sogenannte "Links", also für programmtechnische Verknüpfungen zwischen seinem Teledienstleistungsangebot und dem des Vertreibers der Software "Telco-E..." hafte.Abs. 7
Die Klägerin beantragte infolge dessen:

I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 1.633,80 zuzüglich 4 % Zinsen p.a. ab Zustellung dieser Klage zu zahlen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wobei eine etwaige angeordnete Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft eines deutschen Bankinstituts erbracht werden kann.

Abs. 8
Der Beklagte beantragte:

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Abs. 9
Der Beklagte hält seine markenrechtliche oder wettbewerbsrechtliche Verantwortung für nicht gegeben. Er handle mit seinem Internet-Angebot vergleichbar zu Presseerzeugnissen, weshalb ihm die Pressefreiheit zugute kommen müsse. Eine Haftung für sogenannte "Links" bestehe im konkreten Fall nicht, weil der Beklagte lediglich die Absicht verfolge, seine Leser über Software, mit welcher man Geld sparen kann, zu informieren. Der Beklagte trägt ferner vor, daß er keine finanzielle Vergütung erhalte und somit ein Handeln im geschäftlichen Verkehr nicht anzunehmen sei. Darüber hinaus wird eingewandt, daß die Marke beschreibend sei.Abs. 10
Zuletzt sei auf das Teledienstegesetz hinzuweisen, wonach Diensteanbieter für fremde Inhalte, zu denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich seien.Abs. 11
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die mündliche Verhandlung vom 13.04.1999 Bezug genommen.Abs. 12
Nach Zustimmung der Parteien konnte gegenständlich schriftlich entschieden werden.Abs. 13

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.Abs. 14
Die Klägerin hat gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Abmahnung vom 19. 06.1998. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf der Grundlage einer Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 670, 683, 677 BGB), noch auf markenrechtlicher Grundlage nach § 14 Abs. 6 MarkenG.Abs. 15
a) Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob markenrechtlich eine Haftung für sogenannte "Links", also den Verweis auf Programmangebote Dritter, besteht. Desweiteren bedarf es hier keiner Entscheidung, ob etwaige Einschränkungen in der Haftung aufgrund von § 5 Abs. 2 oder Abs. .3 TDG bestehen.Abs. 16
b) Gegenständlich ist festzuhalten, daß eine Markenrechtsverletzung nicht besteht bzw. die Klägerin es nicht für erforderlich halten durfte, daß es im Interesse des Beklagten liegt, eine Abmahnung zur Vermeidung weiterer gerichtlicher Auseinandersetzungen vorzunehmen.Abs. 17
Die sich gegenüberstehenden Bezeichnungen "TelcoE...", sowohl in der Schreibweise als ein Wort mit großem Binnen-E, als auch in der Schreibweise mit Bindestrich, und "E..." sind unter Zugrundelegung der Grundsätze des BGH nicht verwechslungsfähig im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.Abs. 18
Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die sich gegenübertretenden Zeichen auf den Durchschnittsverbraucher dieser Art von Waren und Dienstleistungen wirken. Dabei ist darauf abzustellen, daß. der Durchschnittsverbraucher, eine Markenbezeichnung normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf verschiedene Einzelheiten achtet (EuGH, GRUR Int 1998, 56, 58) . Das von der Klägerin angegriffene Zeichen "TelcoE..." wird von den Elementen "Telco" und "E..." gleichermaßen geprägt. Eine Kennzeichnungsschwäche des einen oder anderen Wortbestandteils liegt nicht vor. "Telco" mag in gewissen Verkehrskreisen als Abkürzung aus der Bezeichnung "Telekommunikation" angesehen werden. Bei den Durchschnittsverbrauchern, an die sich auch das Internetangebot des Beklagten richtet und zu denen sich die Mitglieder der Kammer zählen, hat die Bezeichnung "Telco" keine beschreibende Wirkung, die ein absolutes Schutzhindernis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstellen würde. Rein beschreibend ist die Bezeichnung "Telco" nicht.Abs. 19
Aber selbst wenn das Erkennen einer Abkürzung zu einer gewissen Kennzeichnungsschwäche führen würde, läßt sich eine Prägung des Gesamtbegriffs "TelcoE..." durch den ersten Wortteil nicht in Abrede stellen. Selbst nicht schutzfähige Bestandteile können zur Prägung des Gesamteindrucks beitragen (Ingerl/Rohnke, § 14 MarkenG, Rn. 399).Abs. 20
Zur Beurteilung der Kennzeichnungskraft der Bezeichnung "TelcoE..." ist eine zergliedernde semantische Betrachtungsweise nicht zulässig, weil die Bezeichnung, wie sie sich in der Abmahnung vom 19. 06.1998 wiederfindet, einen Einwortbegriff darstellt und insgesamt ein Kunstwort ohne beschreibende Anklänge bildet.Abs. 21
Für die Frage, ob die Kosten der Abmahnung vom 19. 06.1998 berechtigt sind, ist auf die Bezeichnung abzustellen, wie sie sich in der Abmahnung niedergeschlagen hat.Abs. 22
Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen steht fest, daß eine zergliederte Betrachtungsweise in Bezug auf die Bezeichnung "TelcoE..." streitgegenständlich nicht zulässig ist.Abs. 23
Die Gefahr der Verwechslung der beiden Kennzeichen ist gegenständlich nicht anzunehmen, weil nach dem Erfahrungssatz des Bundesgerichtshofs gerade der Anfang eines Begriffs dessen Gesamteindruck wesentlich mitbestimmt (GRUR, 1996, 200, 201 - "Innovadiclophont"; Ingerl/Rohnke, a.a.O., Rn. 328). Bei Zugrundelegung dieses Erfahrungssatzes fällt die Beachtung des durchschnittlichen Verbrauchers vordringlich auf die Bezeichnung "Telco" und nicht auf die Bezeichnung "E...". Etwaige Besonderheiten ausgewählter Verkehrskreise, denen die Mitglieder der Kammer nicht angehören, sind im Streitfall nicht zu berücksichtigen.Abs. 24
Desweiteren ist bei der Kennzeichenprüfung festgestellt worden, daß der Gesamteindruck des angegriffenen Zeichens als kombiniertes Zeichen durch gleichgewichtige Elemente bestimmt wird. Nachdem es sich so verhält, ist kein Element der angegriffenen Bezeichnung allein geeignet, den Gesamteindruck des Kombinationszeichens zu prägen, weshalb bei einer Übereinstimmung des Gesamteindrucks des beanstandeten Zeichens mit nur einem Element des prioritätsälteren Zeichens die zeichenrechtliche und markenrechtliche Verwechslungsgefahr zu verneinen ist (BGH, GRUR 1998, 942, 943 - "Alka-Seltzer").Abs. 25
Gegenständlich besteht die Marke der Klägerin zwar nicht aus zwei Zeichen, von denen eines sich auch in der angegriffenen Bezeichnung wiederfindet. Durch den Umstand, daß die Bezeichnung "E..." bei der angegriffenen Bezeichnung nicht hervortritt, sind jedoch die in der vorstehend zitierten Entscheidung angeführten Grundsätze hier anzuwenden.Abs. 26
c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
JurPC Web-Dok.
117/1999, Abs. 27
[online seit: 02.07.99]
Zitiervorschlag: Gericht, Datum, Aktenzeichen, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: München I, LG, Verwechselungsgefahr bei zusammengesetzten Kennzeichen - JurPC-Web-Dok. 0117/1999