JurPC Web-Dok. 182/2003 - DOI 10.7328/jurpcb/2003187177

Michael Stefan *

Novellierung des deutschen Telekommunikationsgesetzes (TKG)

Ein Überblick über den aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens

JurPC Web-Dok. 182/2003, Abs. 1 - 30


Inhaltsübersicht:

0. Einleitung

1. Europäisches Gemeinschaftsrecht

2. Umsetzung

3. Diskussionsentwicklung bis zum Referenten-Entwurf
a) Stellungnahme der Bundesregierung zum Tätigkeitsbericht der RegTP 2000/2001 und zum Sondergutachten der Monopolkommission "Wettbewerbsentwicklung bei Telekommunikation und Post 2001: Unsicherheit und Stillstand"
b) Öffentliche Diskussion
c) Arbeitsentwurf zur Novellierung des TKG
d) Öffentliche Diskussion

4. Die wichtigsten Neuerungen des Referenten-Entwurfes

5. Kritik

0. Einleitung

Das geltende Telekommunikationsgesetz (TKG)(1) trat in seinen wesentlichen Teilen am 1. August 1996 in Kraft. Es liberalisierte einen staatsmonopolistisch geprägten Wirtschaftssektor und unterstellte diesen einer umfassenden sektorspezifischen Regulierung, in großen Bereichen einer Wettbewerbsregulierung. Das allgemeine Wettbewerbsrecht schien damals nicht geeignet zu sein, den besonderen Problemen gerecht zu werden. Liberalisierung und Regulierung waren die Folge europäischen Gemeinschaftsrechts. Seit 1999 wurden die Vorgaben überarbeitet und zu einem europäischen Rechtsrahmen für den Bereich der elektronischen Kommunikation weiterentwickelt. Dem deutschen Gesetzgeber zufolge, ist zur Umsetzung des Rechtsrahmens eine Neufassung und eine damit einhergehende weitreichende Überarbeitung des Gesetzes erforderlich.JurPC Web-Dok.
182/2003, Abs. 1

1. Europäisches Gemeinschaftsrecht

Im April bzw. im Juli 2002 sind fünf neue europäische Richtlinien in Kraft getreten, die im Wesentlichen bis Ende Juli bzw. bis Ende Oktober 2003 in nationales Recht umgesetzt werden müssen:
  • Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie)(2)
  • Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (Genehmigungsrichtlinie)(3)
  • Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie)(4)
  • Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie)(5)
  • Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation)(6).
Abs. 2
Sollten die Richtlinien nicht zum genannten Zeitpunkt übernommen werden, droht Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren.Abs. 3

2. Umsetzung

Im Rahmen der Umsetzung ist zu berücksichtigen, dass das neue europäische Recht den Regulierungsbehörden mehr Spielraum hinsichtlich der Anwendung der Regulierungsinstrumente einräumt und der Europäischen Kommission mehr Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Durchführung der Regulierungsverfahren eröffnet. Der Spielraum für den Gesetzgeber, den Regulierungsrahmen vorzugeben, wird dabei insgesamt verringert. Diese Spielräume sollen durch das Gesetz zugunsten der nationalen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP)(7), präzisiert werden, um Rechts- und Investitionssicherheit zu gewährleisten. Zugleich sollen durch das Gesetz alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, unnötige Regulierungen zu vermeiden.Abs. 4

3. Diskussionsentwicklung bis zum Referenten-Entwurf

a) Stellungnahme der Bundesregierung zum Tätigkeitsbericht der RegTP 2000/2001 und zum Sondergutachten der Monopolkommission "Wettbewerbsentwicklung bei Telekommunikation und Post 2001: Unsicherheit und Stillstand"(8)

Die RegTP hat im Dezember 2001 ihren zweiten Tätigkeitsbericht herausgegeben. Gleichzeitig ist der Bericht der Monopolkommission zu der Frage vorgelegt worden, ob auf den Märkten der Telekommunikation und Post ein funktionsfähiger Wettbewerb besteht und demzufolge die Regelungen der Entgeltregulierung weiterhin erforderlich sind. Die Bundesregierung hat zu den Berichten gegenüber Bundestag und Bundesrat am 18.12.2002 Stellung genommen. Zur Vorbereitung der Stellungnahme hatte das Bundeswirtschaftsministerium bereits im Frühjahr 2002 Eckpunkte veröffentlicht(9).Abs. 5
Aus der grundsätzlichen Übereinstimmung mit den Marktanalysen von RegTP und Monopolkommission folgert die Bundesregierung, dass in weiten Bereichen des Festnetzmarktes, anders als im Mobilfunk, noch nicht von funktionsfähigem Wettbewerb gesprochen werden kann. Insoweit sind die Ziele des TKG (noch) nicht erfüllt. Allerdings sollte die sektorspezifische Regulierung überall dort entfallen, wo bereits funktionsfähiger Wettbewerb herrscht. Weiterhin sollte untersucht werden, ob und inwieweit durch sektorspezifische Regulierung gezielter als bisher zur Entwicklung des Wettbewerbs beigetragen werden kann. Im Sinne einer angemessenen Planungssicherheit für alle Unternehmen ist es erforderlich, bei der Überarbeitung des nationalen Rechtsrahmens möglichst klare Kriterien für den Einsatz des regulierungspolitischen Instrumentariums festzulegen.Abs. 6
Im Hinblick auf die Debatte um die Novellierung des nationalen Rechtsrahmens im Telekommunikationsbereich ist bedeutsam, dass der Umfang der sektorspezifischen Regulierungsinstrumente weitgehend europarechtlich geprägt wird und eine Rückführung von Regulierung im Wesentlichen nur innerhalb und in Anwendung des Regulierungsrahmens erfolgen kann, d.h. indem die RegTP entscheidet, ob sie auf den ihr möglichen Einsatz eines Regulierungsinstruments verzichtet oder nicht. Bei ihrem Ermessen soll sie im Rahmen der rechtlichen Vorgaben effiziente Infrastrukturinvestitionen fördern und Innovationen unterstützen sowie das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachten. Im Interesse der Rechts- und Planungssicherheit im Telekommunikationssektor werde es künftig darauf ankommen, die den Regulierungsbehörden per Richtlinien zugewiesenen weiten Ermessensspielräume durch den nationalen Gesetzgeber zu konditionieren bzw. zu konkretisieren. Dies gelte auch für die Anwendung der Leitlinien.Abs. 7

b) Öffentliche Diskussion

Bereits am 2. Dezember 2002 nahm der Wissenschaftliche Arbeitskreis für Regulierungsfragen bei der Regulierungsbehörde(10) zur anstehenden Novellierung des TKG Stellung(11). Die zehn Wissenschaftler unter dem Vorsitz der Professoren Picot (Ludwig-Maximilians-Universität München) und Donges (Universität zu Köln) wiesen darauf hin, dass ein genereller Verzicht auf eine Ex-ante-Regulierung gegenüber Betreibern mit beträchtlicher Marktmacht in der gegenwärtigen Situation noch nicht sinnvoll und EG-rechtlich nicht geboten sei. Im Wesentlichen habe sich das TKG bewährt. Änderungen sollten nur vorgenommen werden, wo dies der Vorrang des europäischen Rechts notwendig mache oder wo dies Erfahrungen aus dem deutschen Markt nahe legten. Der Arbeitskreis unterbreitete mehrere Vorschläge, um die Regulierungsentscheidungen zu beschleunigen. Die Aufsichtsbehörde solle zukünftig den marktbeherrschenden Anbieter nicht erst auffordern müssen, einen Behinderungsmissbrauch abzustellen, sondern diesen gleich untersagen können. Weiter soll die RegTP zeitgleich mit einer Anordnung der Zusammenschaltung von Netzen auch die Entgelte der Durchleitung festlegen können. Um die überlange Dauer der Gerichtsverfahren zu reduzieren, solle der Instanzenweg verkürzt werden. Eine Instanz beim vorläufigen Rechtsschutz und zwei statt bisher drei im Hauptverfahren würden ausreichen.Abs. 8
Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e.V. (VATM e.V.)(12), in dem die Konkurrenten der Telekom organisiert sind, plädierte Mitte Dezember 2002(13) nachdrücklich für das Beibehalten der Genehmigungspflicht für Telefongebühren (Ex-ante-Entgeltregulierung). Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass selbst die Vorabregulierung die Verdrängungsstrategie der Deutschen Telekom kaum verhindert habe. Eine nachträgliche Kontrolle greife erst mit erheblicher Verspätung. Er sah sich mit seinen Forderungen durch die vorangegangene Stellungnahme des Wissenschaftlichen Arbeitskreises für Regulierungsfragen bei der Regulierungsbehörde bestärkt.Abs. 9
Der frühere Vizepräsident der RegTP Börnsen vertrat Anfang Januar 2003 die Ansicht(14), dass die Sonderregelungen für Wettbewerbsaufsicht in der Telekommunikation bei der anstehenden Novellierung des TKG befristet werden sollten. Darüber hinaus könnten die Genehmigungsprozeduren der Deutschen Telekom gestrichen werden. Er sprach sich weiter gegen eine einfache Fortschreibung des von 1996 stammenden TKG aus. Während es damals ein Monopol im Telefonnetz und bei den Sprachdiensten gegeben habe, könne der Verbraucher heute zwischen zwei Anschlussmöglichkeiten (Festnetz und Mobilfunk) mit vergleichbarer Versorgungsdichte wählen. Außerdem sei die wachsende Bedeutung der Breitbandkommunikation zu berücksichtigen. Börnsen schlug vor, das neue TKG auf eine Geltungsdauer von fünf bis sieben Jahren zu befristen und die Regulierung dann auslaufen zu lassen. Schon vorher sei zu prüfen, ob die Telekom aus Ex-ante-Entgeltregulierung entlassen werden könne. Das Ziel der Verhinderung eines Hochpreisniveaus sei inzwischen erreicht. Alternativ käme ein gesetzlich geregeltes Wiederverkaufsmodell (Resale) für Telefonminuten nach dem Vorbild der U.S.A. in Betracht. Bei der gesetzlichen Fixierung müsse der Wiederverkäufer verpflichtet werden, die von der Telekom eingekauften Minuten durch eigene Leistungen aufzuwerten. Weiter müsse die Aufsicht sicherstellen, dass neue Anbieter Zugang zur Teilnehmer-Anschlussleitung der Telekom erhalten. Nach der Ansicht von Börnsen behindere der einheitliche Preis, den andere Anbieter der Telekom für "die letzte Meile" zahlen müssen, den Wettbewerb im Ortsnetz. Eine Orientierung der Preise an den Kosten erfordere in Ballungsräumen eine niedrigere Miete für die Teilnehmer-Anschlussleitung als auf dem Land. Im Gegenzug müsse der Telekom gestattet werden, Ihre Grundgebühren für die Endkunden ebenfalls an die entstehenden Kosten anzupassen.Abs. 10
Ende Januar 2003 hat der Vorstandsvorsitzende der Telekom Ricke(15) eindringlich davor gewarnt, die Regulierung auf den Mobilfunk und das Internet auszudehnen. Regulierung sei vielmehr zurückzuführen, wo Wettbewerb herrsche. Dort müsse statt der RegTP das Bundeskartellamt die Aufsicht übernehmen. Die Telekom möchte u.a. aus der Genehmigungspflicht für Ferngesprächsgebühren entlassen werden. Das neue TKG müsse Anreize für Investitionen in neue Infrastruktur, für den Wettbewerb zwischen Netzen, setzen.Abs. 11
Ebenfalls Ende Januar wurde im Auftrag des VATM e.V. ein Gutachten zu den Umsetzungsspielräumen des EG-Richtlinienpakets auf dem Gebiet der Telekommunikation und ihrer verfassungsrechtlichen Begrenzung sowie zur Optimierung der Verwaltungs- und Rechtsbehelfsverfahren(16) vorgestellt. Im Ergebnis wurde für den Bereich der Vorleistungsregulierung vorgeschlagen, dass die Genehmigung regulierter Entgelte, die für die Gewährung von Netzzugang verlangt werden, dann zu versagen sei, wenn sie den Großhandelspreis ("retail minus"), der für das Angebot derselben Leistung zum Weitervertrieb durch Dritte verlangt wird, überschreiten. Weiter seien strengere Maßstäbe an die Genehmigungsfähigkeit der Vorleistungsentgelte zu stellen, je versunkener die Netzelemente sind, die zur Bereitstellung einer Vorleistung benötigt werden. Damit eine Ausrichtung der Entgelte am Grad der Versunkenheit ihre optimale Wirkung entfalten könne, setze sie ein insgesamt abgestimmtes Entgeltregulierungsregime auf Vorleistungs- und Endnutzerebene und die Beibehaltung der Entgeltregulierung für Vorleistungen, die nur einen geringen Grad an Versunkenheit aufweisen, voraus. Die Verpflichtung, Wettbewerbern eine bestimmte Vorleistung zur Verfügung zu stellen, sei auch auf solche Vorleistungen zu erstrecken, bei deren Bereitstellung erhebliche Verbundvorteile mit der zur Verfügung zu stellenden Vorleistung bestehen. Regulierte Vorleistungsentgelte sind nur genehmigungsfähig, soweit das regulierte Unternehmen seiner Verpflichtung zu einer ordnungsgemäßen und nachvollziehbaren getrennter Buchführung nachkommt. Im Bereich der Endnutzerdiensteregulierung ließen sich einige Kriterien gewinnen, um für eine verfassungsrechtlich gebotene Konkretisierung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben durch den nationalen Gesetzgeber herangezogen zu werden. Dabei seien sämtliche Endnutzerentgelte der regulierten Unternehmen ex ante zu genehmigen und auf Behinderungsmissbrauch hin zu überprüfen. Regulierte Unternehmen, die Produktbündel anbieten, müssten die Bündelbestandteile Endnutzern auch separat am Markt anbieten. Im Bereich der verfahrensrechtlichen Optimierungen im neuen Telekommunikationsrecht ließen sich, losgelöst von den einzelnen Regelungsfragen des materiellen Richtlinienrechts, keine Aussagen über das grundrechtlich gebotene Schutzniveau im Verwaltungsverfahren treffen. Für die gerichtlichen Rechtsschutzverfahren würde der Einfluss der Grundrechte auf das Verfahren durch die Regelung des Art. 19 Abs. 4 GG zurückgedrängt. Aus den grundrechtlich verankerten Anforderungen an eine rechtsstaatliche Verfahrensgestaltung ließe sich das an den Gesetzgeber gerichtete Gebot ableiten, einen unausweichlichen Verzicht auf die detaillierte gesetzliche Normierung von Eingriffsvoraussetzungen durch die Ausgestaltung der Verwaltungsverfahren zu kompensieren.Abs. 12
Mitte Februar empfahl Prof. Holznagel (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) in einer Studie zu den Anforderungen an die gerichtliche Kontrolle im Lichte der TKG-Novellierung(17), die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit erstellt wurde, für das gerichtliche Verfahren die Straffung des Instanzenzuges im Hauptverfahren und im Eilverfahren, eine klarstellende Regelung zu der Frage, ob eine Norm Drittschutz gewährt bzw. versagt sowie eine Konzentration der Spruchkörper nach dem Vorbild des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bei bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Für die sachliche Überprüfung der Regulierungsentscheidungen regte die Studie ein einfach zu handhabendes Normprogramm und die Einräumung von Beurteilungsspielräumen bei der Entgeltregulierung und von Gestaltungsermessen bei Regulierungsentscheidungen mit planerischem Einschlag an. Darüber hinaus wurde eine Verbesserung der außergerichtlichen Streitbeilegung empfohlen, die Konsensbildungsprozesse über grundsätzliche Regulierungsfragen, die Einschaltung von Mediatoren und ein erweitertes Streitbeilegungsverfahren einschloss.Abs. 13

c) Arbeitsentwurf zur Novellierung des TKG

Schließlich sorgte der Arbeitsentwurf(18) zur Novellierung des TKG am 20. Februar 2003 der Abteilung VII des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit für weitere Diskussionen. Ihm zufolge müsste die Telekom ihre Preise nicht mehr von der RegTP genehmigen lassen. Die Telekom als marktbeherrschendes Unternehmen soll künftig nur dann verpflichtet sein, den Konkurrenten Netzzugang und Dienstleistungen zu gewähren, wenn diese darauf zwingend angewiesen sind. Die Preise für unverzichtbare Vorleistungen werden weiterhin der Genehmigungspflicht auf Basis einer Kostenprüfung unterliegen. "Dumpingpreise" des marktbeherrschenden Anbieters sollen dabei ausgeschlossen werden, wobei die verlangten Entgelte die langfristigen durchschnittlichen Zusatzkosten decken müssen. Zudem hat der marktbeherrschende Anbieter mit seinen Vorleistungspreisen so weit unter den eigenen Endkundenpreisen zu bleiben, dass die Wettbewerber eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals erreichen können. Neu ist auch eine Vorschrift zur Unterbindung von Bündelangeboten. Für die bisher geltende Ex-ante-Regulierung von Fern- und Ortsgesprächen ist geplant, dass die Regulierungsbehörde die Genehmigungspflicht auf solche Märkte beschränkt, auf denen in absehbarer Zeit nicht mit der Entstehung funktionsfähigen Wettbewerbs zu rechnen ist. Die Gesprächspreise sollen einer nachträglichen Missbrauchsaufsicht unterworfen werden. Die RegTP könne aber eine Unterrichtung zwei Monate vor Inkrafttreten neuer Preise verlangen. Im Ausnahmefall soll sie die Preiseinführung bis zum Abschluss der Prüfung untersagen können. Weiter soll die RegTP künftig im Einvernehmen mit dem Bundeskartellamt für jeweils zwei Jahre die Märkte festlegen, die einer sektorspezifischen Wettbewerbsaufsicht und dem allgemeinen Wettbewerbsrecht unterworfen werden.Abs. 14

d) Öffentliche Diskussion

Der Wissenschaftliche Arbeitskreis für Regulierungsfragen bei der Regulierungsbehörde stimmt dem Arbeitsentwurf für ein neues Telekommunikationsrecht zu(19). Prof. Donges teilte mit, dass der Entwurf im Großen und Ganzen den Vorstellungen der Wissenschaftler entspreche. Verbesserungsbedürftig seien lediglich die Verfahren.Abs. 15
In einem Kurzgutachten zur Ausgestaltung des Resaleanspruches im Arbeitsentwurf zur TKG-Novelle(20) empfahl Prof. Koenig Anfang März zunächst im TKG-Arbeitsentwurf klarzustellen, dass zur Durchsetzung von Verpflichtungen Zwangsgelder verhängt werden dürfen. Es sollte darüber hinaus klargestellt werden, dass auch lizenzrechtlich begründete Verpflichtungen weiter gelten.Abs. 16
Die Abteilung A des Zentrums für Europäische Integrationsforschung (ZEI)(21) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn unter der Leitung von Prof. Koenig begrüßte Mitte März in ihren Anmerkungen zum Arbeitsentwurf zur TKG-Novelle(22) die Möglichkeit, bereits zu einem frühen Stadium des Gesetzgebungsprozesses die Novellierung des Telekommunikationsgesetzes aus wissenschaftlicher Sicht begleiten zu können. In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit war jedoch keine erschöpfende Analyse des Arbeitsentwurfs zur TKG-Novelle möglich. Die vorgebrachten Anregungen bezogen sich lediglich auf einzelne Details des Gesetzesentwurfes.Abs. 17
Auch der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V., BITKOM(23) beschränkte sich zunächst angesichts der knappen Kommentierungsfrist im Rahmen einer Stellungnahme(24) von Mitte März auf erste Anmerkungen zu einzelnen Regelungen. Weitergehende, auch grundsätzliche Stellungnahmen, insbesondere zu den komplexeren Fragen der Marktregulierung, blieben ausdrücklich einem späteren Beitrag vorbehalten. Der Verband stellte "mit Erstaunen" fest, dass nicht das alte, grundsätzlich geeignete TKG einer Präzisierung und Überarbeitung vor dem Hintergrund des EU-Rechtsrahmens unterworfen wurde, sondern, dass anstelle der bisherigen Bestimmungen weniger eindeutige Regelungen implementiert wurden. BITKOM hielt es für notwendig, dass Ermessens- und Beurteilungsspielräume der Regulierungsbehörde stark eingeschränkt und so vorhersehbare, nachvollziehbare und transparente Voraussetzungen für Regulierungsverpflichtungen und -entscheidungen geschaffen werden.Abs. 18
Ebenso veröffentlichte der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation e.V. VPRT(25) ein Positionspapier(26) zum Arbeitsentwurf der Novelle des Telekommunikationsgesetzes. Die Anmerkungen des Verbandes zum Arbeitsentwurf waren aufgrund der Mitgliederstruktur vielfältig und betrafen unterschiedliche Regelungsbereiche. Schwerpunkte lagen im Bereich des Zugangsregimes, der Entgeltregulierung und im Bereich der Rundfunkübertragung.Abs. 19

4. Die wichtigsten Neuerungen des Referenten-Entwurfes(27)

Der bereits für März angekündigte Referentenentwurf des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit wurde schließlich am 30.04.2003 veröffentlicht. Nach Ansicht des Bundesministeriums fanden im Rahmen der Novellierung die bisherigen Erfahrungen im Bereich der Telekommunikationsregulierung Berücksichtigung. Dies gelte insbesondere hinsichtlich effizienterer Verwaltungsverfahren und kürzerer Gerichtsverfahren, um die für die am Markt Agierenden erforderliche Rechtssicherheit so schnell wie möglich zu gewährleisten. Widersprüche und Klagen gegen Entscheidungen der RegTP sollen wie bisher keine aufschiebende Wirkung haben. Alleinige Tatsacheninstanz wird künftig das Verwaltungsgericht Köln sein. Die Berufung beim Oberverwaltungsgericht entfällt. Die rechtliche Überprüfung von Verwaltungsgerichtsurteilen wird dem Bundesverwaltungsgericht überlassen. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet das Verwaltungsgericht Köln abschließend.Abs. 20
Auf eine Beschleunigung der Verfahren zielt eine weitere Änderung gegenüber dem Arbeitsentwurf vom Februar 2003 ab. Bei der nachträglichen Überprüfung von Entgelten, die marktbeherrschende Unternehmen für Netzzugänge oder Endkunden fordern, untersagt die RegTP künftig die Preise innerhalb von zwei Wochen, wenn sie einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vermutet. Die endgültige Entscheidung hat innerhalb von zwei Monaten zu erfolgen.Abs. 21
In Übereinstimmung mit dem neuen europäischen Recht steht der langfristig geplante Übergang ins Wettbewerbsrecht. Mit den neuen Vorschriften werde daher der Weg zur Entlassung aus dem sektorspezifischen Recht und die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts für bereits existierende wettbewerbliche Märkte geebnet.Abs. 22
Neu ist auch die Abkehr vom Lizenzierungsregime. In Umsetzung der europäischen Vorgaben soll es künftig als Marktzugangsberechtigung keine Lizenzen mehr geben. Vielmehr ist der Marktzutritt künftig für Anbieter gewerblicher Telekommunikationsdienste nur noch an die Pflicht gebunden, die Aufnahme, Änderung und Beendigung der Tätigkeit bei der RegTP anzuzeigen. Damit wird eine Angleichung an das allgemeine Gewerberecht vorgenommen.Abs. 23
Eine wesentliche Neuerung und ebenfalls durch das europäische Recht vorgegeben ist das Verfahren der Marktabgrenzung und der Marktanalyse. Danach sollen Entscheidungen darüber, ob Märkte nicht mehr sektorspezifisch zu regulieren sind, ermöglicht werden. Vorgesehen ist ein Koordinierungsverfahren auf nationaler und auf europäischer Ebene. Die RegTP hat sich bei diesen Festlegungen an der von der Europäischen Kommission erlassenen Empfehlung und den entsprechenden Leitlinien zu orientieren. Nach diesen hat die Kommission vorab die Märkte definiert, die nach ihrer Auffassung eine sektorspezifische Regulierung rechtfertigen. Möchte die RegTP andere oder zusätzliche Märkte einer spezifischen Regulierung unterwerfen, ist dies nur mit Zustimmung der Europäischen Kommission möglich. Im Interesse der Rechts- und Planungssicherheit der Unternehmen und zur Schaffung von Investitionsanreizen, ist vorgesehen, dass die RegTP frühzeitig und für einen Zeitraum von 2 Jahre festlegt, welchen Markt sie aufgrund der bestehenden Marktstruktur sektorspezifisch reguliert bzw. regulieren wird, wenn dort eine marktbeherrschende Stellung entsteht, und welche Märkte dem allgemeinen Wettbewerbsrecht unterliegen.Abs. 24
Darüber hinaus wurden durch die Umsetzung europäischer Vorgaben Ansprüche von Wettbewerbern gegenüber marktbeherrschenden Anbietern stärker als bisher an die Frage gekoppelt, ob Zugangsleistungen für die Herstellung eines funktionsfähigen Wettbewerbs im Endkundenbereich tatsächlich erforderlich sind. Weiter soll mit der neu geschaffenen Möglichkeit, marktbeherrschende Anbieter zur Veröffentlichung von so genannten Standardangeboten zu verpflichten, ein Beitrag zur Rationalisierung im Bereich der Regulierung geleistet werden.Abs. 25
Im Vorleistungsmarkt werden Entgelte für "wesentliche" Leistungen wie bisher auf der Basis effizienter Kosten ex ante festgelegt. Nicht-"wesentliche" Zugangsleistungen sowie Terminierungsleistungen von so genannten Teilnehmernetzbetreibern sollen grundsätzlich nur einer nachträglichen Missbrauchsaufsicht, mit einer auf Vergleichsmarktuntersuchungen beruhenden Preiskontrolle, unterliegen.Abs. 26
Die Erweiterung der Missbrauchsaufsicht ist eine weitere wesentliche Änderung. Das Gesetz enthält nun über den bisherigen § 33 TKG hinaus Vorschriften, die die Ahndung jeglichen missbräuchlichen Verhaltens marktbeherrschender Telekommunikationsanbieter ermöglicht.Abs. 27
Nimmt die RegTP nach diesen Vorschriften Veröffentlichungen oder Bekanntmachungen vor, so erfolgen diese immer im Amtsblatt und elektronisch im Internet.Abs. 28
Zum Referentenentwurf, dessen Vorlage sich um fünf Wochen verzögert hat, konnten Interessierte bis zum 28. Mai Stellung nehmen.Abs. 29

5. Kritik

Insbesondere die Deutsche Telekom kritisiert die Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums(28). Der Referentenentwurf des TKG lasse Vertrauen zu wettbewerblichen Prozessen vermissen. Das seit der Marktöffnung 1998 grundlegend veränderte Wettbewerbsumfeld wird nicht berücksichtigt. Als positiven Ansatz wertet die Telekom, dass künftig sich der marktbeherrschende Anbieter Endkundenpreise nur dann genehmigen lassen muss, wenn die Regulierung der Vorleistungen und Netzzugänge nicht ausreicht. Sie kritisiert jedoch, dass die Vorleistungsregulierung intensiviert werde. So gehe die Missbrauchsaufsicht weit über das allgemeine Wettbewerbsrecht hinaus. Ihrer Ansicht nach werden damit die Investitionen in eigene Netze nicht belohnt. Weiter wird kritisiert, dass die RegTP die Deutsche Telekom verpflichten kann, Leistungen gegen Preisabschlag zum Wiederverkauf anzubieten sowie die Beschneidung des Rechtsschutzes. Die Gesetzesnovellierung werde somit weniger Rechtssicherheit und mehr Bürokratie zur Folge haben.
JurPC Web-Dok.
182/2003, Abs. 30

Fußnoten:

(1) vom 25. Juli 1996 (BGBl. I S. 1120), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 21. Oktober 2002 (BGBl. I S. 4186)
(2) (ABl. EG L 108 vom 24. April 2002 S. 33) http://europa.eu.int/eur-lex/pri/de/oj/dat/2002/l_108/l_10820020424de00330050.pdf
(3) (ABl. EG L 108 vom 24. April 2002 S. 21) http://europa.eu.int/eur-lex/pri/de/oj/dat/2002/l_108/l_10820020424de00210032.pdf
(4) (ABl. EG L 108 vom 24. April 2002 S. 7) http://europa.eu.int/eur-lex/pri/de/oj/dat/2002/l_108/l_10820020424de00070020.pdf
(5) (ABl. EG L 108 vom 24. April 2002 S. 51) http://europa.eu.int/eur-lex/pri/de/oj/dat/2002/l_108/l_10820020424de00510077.pdf
(6) (ABl. EG L 201 vom 31. Juli 2002 S. 27) http://europa.eu.int/eur-lex/pri/de/oj/dat/2002/l_201/l_20120020731de00370047.pdf
(7) http://www.regtp.de/
(8) http://www.bmwi.de/Redaktion/Inhalte/Import/Pdf/...
(9) http://www.bmwi.de/Redaktion/Inhalte/Import/Pdf/...
(10) http://www.regtp.de/behoerde/start/in_01-09-00-00-00_m/index.html
(11) http://www.regtp.de/imperia/md/content/behoerde/novellierung_tkg.pdf
(12) http://www.vatm.de/
(13) VATM, 15 Punkte zur TKG-Novelle http://www.vatm.de/images/dokumente/15_punkte_tkg.pdf
(14) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.01.2003, S. 11
(15) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.01.2003, S. 12
(16) Koenig / Loetz / Neumann, Gutachten zu den Umsetzungsspielräumen des EG-Richtlinienpakets auf dem Gebiet der Telekommunikation und ihrer verfassungsrechtlichen Begrenzung sowie zur Optimierung der Verwaltungs- und Rechtsbehelfsverfahren im Auftrag des VATM e.V., 31.01.2003 http://www.tkrecht.de/tkg_novelle/2003/material/vatm-gutachten_20030131.pdf
(17) Holznagel / Wertmann / Grünhoff, Studie zu den Anforderungen an die gerichtliche Kontrolle im Lichte der TKG-Novellierung im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, 18.02.2003 http://www.uni-muenster.de/Jura.tkr/oer/downloads/Summary%20TKG-Rechtschutz-Gutachten%20(ITM).pdf
(18) Abteilung A des Zentrums für Europäische Integrationsforschung (ZEI) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Übersicht über den Arbeitsentwurf zur TKG-Novelle der Abteilung VII des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit http://www.tkrecht.de/tkg_novelle/2003/material/tkg-ae-uebersicht.pdf
(19) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.02.2003, S. 14
(20) Koenig / Koch, Kurzgutachten zur Ausgestaltung des Resaleanspruches im Arbeitsentwurf zur TKG-Novelle im Auftrag der debitel AG, 05.03.2003 http://www.tkrecht.de/tkg_novelle/2003/material/debitel-gutachten_20030305.pdf
(21) http://www.zei.de/
(22) Abteilung A des Zentrums für Europäische Integrationsforschung (ZEI) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Anmerkungen zum Arbeitsentwurf zur TKG-Novelle der Abteilung VII des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, 13.03.2003 http://www.tkrecht.de/tkg_novelle/2003/material/zei_20030313.pdf
(23) http://www.bitkom.org
(24) Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V., BITKOM, Erste Stellungnahme zum Diskussionsentwurf des BMWA für ein neues Telekommunikationsgesetz (TKG) (Stand: 20. Februar 2003), 13.03.2003 http://www.bitkom.org/gbgateinvoker.cfm/Stellungnahme...=documents&index=1&cacheLevel=0
(25) http://www.vprt.de/
(26) Positionspapier des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation e. V. (VPRT) zum Arbeitsentwurf der Novelle des Telekommunikationsgesetzes, 17.03.2003 http://www.vprt.de/dateien/sn_vprt_tkg_ew_170303.pdf
(27) Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 30.04.2003 http://www.tkrecht.de/tkg_novelle/2003/material/Begruendung-RefE_TKG_Stand_30-04-03.pdf
(28) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.05.2003, S. 12
* Der Verfasser ist Bankkaufmann und Mitarbeiter am Institut für Rechtsinformatik an der Universität des Saarlandes bei Prof. Dr. Maximilian Herberger (http://rechtsinformatik.jura.uni-sb.de). Seit 1999 ist er Mitglied des Editorial Board des universitären Projektes Cyberbanking & Law (http://www.cyberbanking-law.de). Daneben arbeitet er bei JusData (http://www.jusdata.info) und beim juris PK (http://www.jurispk.de) mit.
[online seit: 30.06.2003]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Stefan, Michael, Novellierung des deutschen Telekommunikationsgesetzes (TKG) - JurPC-Web-Dok. 0182/2003