JurPC Web-Dok. 160/2003 - DOI 10.7328/jurpcb/2003186149

Klaus Bacher *

XJustiz - Elektronischer Datenaustausch zwischen Gerichten und Verfahrensbeteiligten

JurPC Web-Dok. 160/2003, Abs. 1 - 49


Inhaltsübersicht:

1. Ausgangssituation

2. Zielsetzung

3. Umsetzung

4. Struktur der XJustiz-Schemata
a) Objekttypen
b) Pflichtfelder und optionale Felder
c) Wertelisten

5. Meta-Daten und Dokumente

6. Änderungen im Datenbestand
a) Verwendungszweck
b) Eindeutige Identifikation von Datensätzen (GUID)

7. Nicht geregelte Bereiche

8. Weitere Schritte
a) Programmierung von Schnittstellen
b) Fachmodule

9. Fazit

1. Ausgangssituation

Mit dem Formvorschriften-Anpassungsgesetz(1) sind die rechtlichen Grundlagen für den elektronischen Rechtsverkehr gelegt. Die damit eröffnete Möglichkeit(2), Schriftsätze an ein Gericht auch auf elektronischem Weg zu übermitteln, birgt für alle Verfahrensbeteiligten zahlreiche Vorteile. So wird beispielsweise die Fristenkontrolle in der Anwaltskanzlei erheblich einfacher, wenn schon wenige Minuten oder Sekunden nach Absenden eines Schriftsatzes eine elektronische Eingangsbestätigung des Gerichts vorliegt(3). Vor allem aber ermöglicht die elektronische Übersendung allen Verfahrensbeteiligten den Aufbau einer elektronischen Akte.JurPC Web-Dok.
160/2003, Abs. 1
Die Vorteile der elektronischen Aktenführung können kaum zu hoch eingeschätzt werden. Eine elektronische Akte ist immer verfügbar - auch dann, wenn mehrere Bearbeiter gleichzeitig Zugriff darauf benötigen. Moderne Systeme mit Volltext-Recherche erleichtern zudem das Auffinden von einzelnen Textpassagen und machen selbst die sprichwörtliche Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen zum Kinderspiel.Abs. 2
Zusätzliche Vorteile lassen sich erschließen, wenn nicht nur unstrukturierte Informationen - etwa in Form von Word- oder PDF-Dokumenten - ausgetauscht werden, sondern auch strukturierte Daten, die vom Empfänger automationsgestützt in seine eigene Software übernommen werden können. Derzeit werden beispielsweise Namen und Adressen der Beteiligten oder Angaben zu Gegenstand und Streitwert eines gerichtlichen Verfahrens mehrfach manuell erfasst: zunächst beim Anwalt des Klägers, dann bei Gericht und schließlich beim Anwalt des Beklagten. Geht der Prozess in die zweite oder dritte Instanz, müssen die Daten beim Rechtsmittelgericht nicht selten nochmals erfasst werden. Der elektronische Austausch von Dokumenten allein kann diesen Erfassungsaufwand nicht entscheidend reduzieren. Ein elektronischer Schriftsatz enthält zwar meist alle für die weitere Verfahrensbearbeitung benötigten Angaben. Solange diese Daten nur als Fließtext zur Verfügung stehen, ist es aber nur schwer möglich, sie automationsgestützt aus dem Dokument zu extrahieren. Damit dies gelingt, müssen die Daten in strukturierter Form, also in einer streng definierten Reihenfolge und Anordnung zur Verfügung stehen.Abs. 3

2. Zielsetzung

Mit der Schaffung des Datenformats XJustiz soll das aufgezeigte Problem überwunden werden. XJustiz definiert ein festes Schema, das es ermöglicht, die zur Verfahrensbearbeitung benötigten Daten automatisiert auszulesen und - nach Prüfung und Freigabe - in die Verfahrensbearbeitungs-Software des Empfängers zu übernehmen.Abs. 4
Als Sender und Empfänger kommen alle an einem Verfahren beteiligten Personen und Stellen in Betracht. Ziel ist es, dass alle anfallenden Daten möglichst nur einmal manuell erfasst werden müssen und dann von allen anderen Verfahrensbeteiligten elektronisch übernommen und eingelesen werden können. Jeder der Beteiligten muss also die Möglichkeit haben, von ihm erfasste Daten an die übrigen Beteiligten zu übermitteln und Daten, die andere Beteiligte an ihn übermittelt haben, nach Prüfung und Freigabe in sein eigenes System zu übernehmen. So sollen beispielsweise die Angaben zu Klägern, Beklagten und sonstigen Verfahrensbeteiligten beim Klägeranwalt (oder bei der Staatsanwaltschaft) erfasst und an das Gericht und die Beklagtenseite übermittelt und dort eingelesen werden können. Umgekehrt werden beispielsweise die Daten eines Verhandlungstermins vom Gericht eingetragen und an die Verfahrensbeteiligten zur Übernahme übermittelt. Dieselben Mechanismen können natürlich auch bei außergerichtlicher Korrespondenz von Anwalt zu Anwalt genutzt werden.Abs. 5
Die zur Erzeugung und Übernahme der Daten eingesetzten IT-Systeme bei Gerichten, Staatsanwaltschaften, Rechtsanwälten, Steuerberatern usw. sind naturgemäß sehr vielfältig. Das Datenformat XJustiz muss in der Lage sein, möglichst alle diese Systeme zu bedienen. Es muss deshalb insbesondere herstellerunabhängig sein.Abs. 6
Um den Aufwand für die Ausgestaltung von Import- und Exportschnittstellen möglichst gering zu halten, muss XJustiz darüber hinaus bundeseinheitlich für möglichst alle Verfahrensarten eingesetzt werden. Es wäre den Beteiligten kaum zumutbar, wenn für den Datenaustausch mit jedem einzelnen Bundesland und womöglich auch mit jedem einzelnen Gerichtszweig ein besonderes Datenformat verwendet werden müsste.Abs. 7
Die Übernahme der Daten wird beim Empfänger in aller Regel nicht vollautomatisch erfolgen, sondern erst nach Prüfung durch einen für die Datenerfassung zuständigen Mitarbeiter. Bestimmte Plausibilitätsprüfungen wird zwar schon der Computer vornehmen können. Meist werden die Empfänger aber besondere Anforderungen an den Inhalt der Daten stellen. So ist denkbar, dass die Daten bestimmter "Dauerkunden" - beispielsweise eines häufigen Mandanten eines Rechtsanwalts oder einer Behörde im örtlichen Zuständigkeitsbereich eines Verwaltungsgerichts - bei einzelnen Verfahrensbeteiligten in besonderer Form abgespeichert werden. Derartige Besonderheiten können wegen der Vielfalt der in Frage kommenden Absender und Empfänger in XJustiz allenfalls ansatzweise berücksichtigt werden. Auch wenn damit immer noch ein gewisser "manueller" Aufwand bleibt, dürfte der Aufwand für die Prüfung der Daten in aller Regel doch erheblich geringer sein als derjenige für eine vollständige manuelle Erfassung.Abs. 8
Zusammengefasst soll XJustiz also bieten:
  • ein strukturiertes Datenformat
  • zur automationsgestützten (aber nicht vollautomatische) Übernahme von verfahrensrelevanten Daten, das
  • herstellerunabhängig sowie
  • bundeseinheitlich und
  • für alle Gerichtszweige verwendbar ist.
Abs. 9

3. Umsetzung

Zur Erreichung dieses Ziels hat die Bund-Länderkommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz (BLK) aufgrund eines Auftrags der 73. Justizministerkonferenz zunächst Organisatorisch-Technische Leitlinien für den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften (OT-Leit-ERV)(4) erlassen. Darin werden grundlegende Festlegungen für die Ausgestaltung des elektronischen Rechtsverkehrs getroffen. Ergänzend hat die BLK die von ihr eingerichtete Arbeitsgruppe IT-Standards (AG-IT) mit der Ausarbeitung eines Grunddatensatzes Justiz und eines darauf aufbauenden Datenstandards XJustiz beauftragt.Abs. 10
Der Grunddatensatz Justiz enthält eine fachliche Beschreibung der zu übermittelnden Daten, also der Datenfelder, die für die Übermittlung von Informationen zur Verfügung stehen sollen. Die Umsetzung dieser fachlichen Vorgaben in ein datentechnisches Format - in den Standard XJustiz - erfolgt in enger Abstimmung mit der Arbeitsgruppe IT-Standards im Rahmen des Modellversuchs Elektronischer Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof.Abs. 11
Zur Definition des Datenformats werden sogenannte XML-Schema-Dateien(5) (XSD-Dateien) eingesetzt. XSD-Dateien sind nach den Regeln der Seitenbeschreibungssprache XML(6) (Extensible Markup Language) erstellt. Sie enthalten Regeln für den Aufbau von XML-Dateien, die für einen bestimmten Zweck eingesetzt werden sollen. Im vorliegenden Zusammenhang wird in den XSD-Dateien festgelegt, welche Elemente eine verfahrensbezogene Mitteilung enthalten muss bzw. kann und in welcher Reihenfolge und Gliederung diese Elemente aufeinanderfolgen müssen.Abs. 12
Die in XJustiz zusammengefassten XML-Schemata bilden die Grundlage für den Austausch von Daten im elektronischen Rechtsverkehr. Verfahrensbeteiligte, die XJustiz-konform kommunizieren, versenden XML-Dateien, deren Aufbau der Definition in den XJustiz-Schema-Dateien entspricht.Abs. 13
Die XJustiz-Schemata werden allen Interessenten zugänglich gemacht, damit möglichst jede Gerichts- und Anwaltssoftware mit Schnittstellen zum Erzeugen und Einlesen von XJustiz-Daten ausgestattet werden kann. Derzeit liegt XJustiz als Entwurf mit der Versionsnummer 0.9.2 vor. Dieser Entwurf kann im Internet(7) eingesehen werden.Abs. 14
XJustiz ist so gestaltet worden, dass es mit geringem Aufwand fortgeschrieben und erweitert werden kann. Als nächster Schritt wird die Erstellung von Ergänzungen für besondere Verfahrensarten (z. B. Familiensachen, Registersachen, Ordnungswidrigkeitenverfahren, Finanzgerichtsverfahren, Verwaltungsgerichtsverfahren usw.) folgen.Abs. 15

4. Struktur der XJustiz-Schemata

Die XJustiz-Definition wird in der Endausbaustufe auf mehrere XSD-Dateien verteilt werden. Der Grunddatensatz, also die für alle Gerichtszweige geltende Definition, wird in einer dieser XSD-Dateien zusammengefasst(8).Abs. 16

a) Objekttypen

In der Schemadatei für den Grunddatensatz sind derzeit folgende Objekttypen definiert:Abs. 17
* Dokument-Metadaten
Dieses Objekt enthält Angaben über Inhalt, Betreff, Absender und Empfänger des übermittelten Dokuments. Es stellt gewissermaßen den Briefkopf dar und bildet die Grundlage für die Übernahme des übermittelten Dokuments in eine elektronische Akte.
Abs. 18
* Verfahrensdaten
Dieses Objekt enthält grundlegende Angaben zum Verfahren, z.B. das gerichtliche Aktenzeichen (ggf. auch diejenigen der Vorinstanzen), den Verfahrensgegenstand und den Streitwert.
Abs. 19
* Beteiligung
Dieses Objekt enthält eine Übersicht über die Verfahrensbeteiligten und deren Rolle im Verfahren. Die eigentlichen Personendaten des Beteiligten werden in einem Unter-Objekt (Person) übermittelt.
Abs. 20
* Person
Dieses (Unter-)Objekt enthält die eigentlichen Personendaten, also beispielsweise Name, Anschrift, Telekommunikationsverbindungen und Bankverbindung. Das Objekt "Person" kann wahlweise in den Ausprägungen "Natürliche Person" oder "Organisation" auftreten. Diese Unterscheidung orientiert sich nicht an strengen juristischen Begrifflichkeiten, sondern an datentechnischen Zweckmäßigkeits-Erwägungen. Für eine natürliche Person müssen oftmals Daten übermittelt werden, die es bei anderen Beteiligten nicht geben kann, beispielsweise der Geburtsname oder der Familienstand. Deshalb erscheint es zweckmäßig, hierfür eine eigene Kategorie vorzusehen. Die Daten für andere Beteiligte sind in ihrer Struktur hingegen in aller Regel vergleichbar, unabhängig davon, ob es sich um eine juristische Person, eine rechtsfähige Personengesellschaft oder ein nicht rechtsfähiges (aber im Einzelfall dennoch prozessfähiges) Gebilde handelt. Deshalb erschien es nicht zweckmäßig, die Kategorie "Organisation" in weitere Unterkategorien einzuteilen. Dies schließt nicht aus, in einzelnen Fachgebieten - z. B. bei einem künftigen Fachmodul "Handelsregister" - zusätzliche Untergliederungen vorzusehen.
Abs. 21
* Termin
Dieses Objekt enthält Angaben über gerichtliche Termine. Hierzu gehören u.a. auch Angaben über die Personen, die zu dem Termin erscheinen sollen, sowie ggf. die Daten eines bereits anberaumten Fortsetzungstermins.
Abs. 22
* Verwendungszweck
Dieses Objekt enthält Angaben darüber, ob die gelieferten Daten erstmals mitgeteilt werden, ob es sich um eine Änderung früher mitgeteilter Daten handelt oder ob bereits mitgeteilte Daten lediglich zu Informationszwecken nochmals übermittelt werden. Näheres dazu wird unter 6. erläutert.
Abs. 23

b) Pflichtfelder und optionale Felder

Ein wesentliches Element bei der Definition jedes Objekts ist die Angabe, ob es in einem übermittelten Datensatz zwingend vorhanden sein muss oder nur optional. Entsprechend der Zielsetzung, möglichst universell einsetzbar zu sein, enthält XJustiz überwiegend optionale Felder. Hierdurch wird ermöglicht, dass in einer Vielzahl von Verfahrensarten die benötigten Angaben übermittelt werden können. Welche Felder im Einzelfall auszufüllen sind und welche leer bleiben können, bleibt - wie bisher - der Verantwortung des Absenders überlassen. Ergänzend kann die beim Absender oder auch die beim Empfänger eingesetzte Software zusätzliche Plausibilitätsprüfungen vornehmen.Abs. 24

c) Wertelisten

Einige Felder können sinnvollerweise nur bestimmte Eintragungen enthalten. Beispielsweise kann es für das Geschlecht einer Person nur die Werte "männlich", "weiblich" oder "unbekannt" geben. In einem XML-Schema können derartige Einschränkungen in die Definition aufgenommen werden. Das hat den Vorteil, dass die betroffenen Felder mit Standard-XML-Mitteln auf Plausibilität geprüft werden können. Um beispielsweise sicherzustellen, dass das Element "Geschlecht" einen der drei zulässigen Einträge enthält, braucht also kein besonderes Programm geschrieben zu werden. Die Aufgabe wird von den XML-Komponenten erledigt, die überprüfen, ob die Struktur des eingereichten Dokuments den Vorgaben des XJustiz-Schemas entspricht.Abs. 25

5. Meta-Daten und Dokumente

Die derzeitige Version von XJustiz schreibt das XML-Format zwingend nur für die Meta-Daten vor, also für die unter 4. aufgezählten beschreibenden Angaben zum übermittelten Dokument, zum Verfahren, zu den Beteiligten und zu eventuellen Terminen. Der weitergehende Inhalt des übermittelten Schriftsatzes, also beispielsweise der Text einer Klageschrift einschließlich der darin gestellten Anträge, der Inhalt der Klageerwiderung usw., wird dagegen außerhalb der XML-Strukturen in einem gesonderten Dokument abgelegt und übermittelt.Abs. 26
Welche Formate für diese Dokumente zulässig sind, ist durch Rechtsverordnung zu regeln. Die BLK hat empfohlen, die Formate ASCII(9), Unicode, RTF(10), PDF(11) und - mit Einschränkungen - Microsoft Word zuzulassen. Alternativ ist auch hier das XML-Format zulässig.Abs. 27
Die Verwendung des XML-Formats hätte auch für den Fließtext durchaus Vorteile. So könnten beispielsweise die Anträge oder der Tenor datentechnisch klar strukturiert und vom übrigen Inhalt des Schriftsatzes unterschieden werden. Auch die Begründung eines Antrags könnte durch die Vergabe von Gliederungsstufen oder sonstigen Kennzeichen datentechnisch besser aufbereitet werden. Bei konsequenter Strukturierung könnten so auf Knopfdruck elektronische Aktenspiegel erstellt werden, die den gesamten Prozess-Stoff zu einem bestimmten Thema übersichtlich zusammenstellen.Abs. 28
Derzeit erscheint eine derart weit reichende Strukturierung auch des Fließtextes aber mit zu großem Anpassungsaufwand verbunden. Zwar werden alle auf dem Markt befindlichen Anwalts- und Gerichtsprogramme zur Anpassung an XJustiz ohnehin geändert werden müssen. Der Änderungsaufwand für die derzeit in XJustiz vorgesehenen Datenfelder dürfte in der Regel aber noch verhältnismäßig gering sein. Wenn hingegen der gesamte Text eines Dokuments - einschließlich grafisch gestalteter Briefköpfe und dergleichen - in XML dargestellt werden müsste, liefe dies in vielen Fällen darauf hinaus, dass ein völlig neues Textverarbeitungsprogramm angeschafft werden muss. Vor diesem Hintergrund werden als Kompromisslösung zunächst auch andere Dokument-Formate zuzulassen. Die XJustiz-Daten bilden eine Art Briefumschlag für diese Dokumente, aus dem die wichtigsten Meta-Daten entnommen werden können.Abs. 29
Für spätere Versionen von XJustiz ist geplant, auch für die Dokumente selbst XML-Strukturen vorzuschreiben. Bis zur Einführung solcher Dokument-Schemata werden aber noch einige Jahre vergehen. Bis dahin wird - wenn man den Ankündigungen verschiedener Hersteller glauben darf - die XML-Fähigkeit marktgängiger Textverarbeitungsprogramme so weit fortgeschritten sein, dass die Umstellung auf das neue Dokumentformat mit geringerem Aufwand möglich ist.Abs. 30

6. Änderungen im Datenbestand

Das XJustiz-Schema beschreibt im Ausgangspunkt nur ein statisches Datenmodell. Das heißt: Der Empfänger kann den übermittelten Daten ohne zusätzliche Angaben nicht entnehmen, ob sie ihm erstmals mitgeteilt werden und er sie deshalb in sein System übernommen muss, oder ob sie schon zuvor übermittelt wurden und nur zu Informationszwecken nochmals mitgeteilt werden. Vor Übernahme in das jeweilige Zielsystem könnte zwar überprüft werden, ob die übermittelten Daten dort schon vorhanden sind. Auch wenn die übermittelten Daten sich danach als "neu" darstellen, heißt dies aber nicht ohne weiteres, dass ein neuer Datensatz anzulegen ist. Vielmehr kann es sich um eine bloße Änderungsmitteilung handeln, beispielsweise weil sich der Name oder die Adresse eines Beteiligten geändert hat oder weil ein anberaumter Verhandlungstermin verlegt oder aufgehoben worden ist.Abs. 31

a) Verwendungszweck

Um die Datenübernahme in solchen Fällen zu erleichtern, enthält jedes Element, das als eigenständiges Objekt von Änderungen in Betracht kommen kann, das Unterelement "Verwendungszweck". Dieses enthält Angaben darüber,
  • von wem die Daten in Umlauf gegeben wurden;
  • ob es sich um eine erstmalige Mitteilung, eine Änderungsmeldung, einen Löschungsvorschlag oder nur um eine erneute Mitteilung zu Nachrichtzwecken handelt;
  • zu welchem Zeitpunkt die Daten erstellt wurden;
  • aus welchem Grund eine Änderungsmitteilung oder ein Löschungsvorschlag übermittelt wird;
  • welche Datenfelder von einer Änderung betroffen sind und welchen neuen Inhalt sie bekommen sollen.
Abs. 32
Mit Hilfe dieser Angaben kann beim Einlesen der Daten leichter entschieden werden, ob in der Datenbank des Zielsystems ein neuer Datensatz angelegt oder ein vorhandener geändert werden muss. Dem für die Eingabe der Daten zuständigen Mitarbeiter steht es natürlich auch in diesem Zusammenhang frei, den Vorschlag des Absenders zu überstimmen. Die Mitteilung des Verwendungszwecks kann aber dazu beitragen, dass der automatisch erstellte Vorschlag in den meisten Fällen sachlich richtig ist und deshalb keiner Änderung durch den Benutzer bedarf.Abs. 33
Mit dem Objekt "Verwendungszweck" wird - bewusst - nur ein Grundbedarf an prozess-steuernden Informationen abgedeckt. Je nach den individuellen Anforderungen des jeweiligen Anwenders kann es erforderlich sein, zusätzliche Plausibilitätsprüfungen vorzunehmen, um die Qualität der Datenübernahme noch weiter zu steigern. Beispielsweise könnte bei einem als neu mitgeteilten Datensatz vorsichtshalber geprüft werden, ob dieser nicht doch schon vorhanden ist, etwa weil sie schon aus einem anderen Verfahren bekannt sind. Wenn die eingesetzte Software diese Daten auch bei Beteiligung an mehreren Verfahren nur einmal speichert, ist eine erneute Übernahme überflüssig, auch wenn die Daten - sachlich zutreffend - mit dem Verwendungszweck "Erstmalige Übermittlung" übermittelt worden sind. In XJustiz müssen diese Daten hingegen für jedes Verfahren erneut übermittelt werden, denn es ist nicht sicher vorhersehbar, ob jeder Adressat die Daten schon anderweit erhalten hat und ob er sie verfahrensübergreifend abspeichert.Abs. 34

b) Eindeutige Identifikation von Datensätzen (GUID)

Bei Änderungsmeldungen und Löschungsvorschlägen kann es Schwierigkeiten bereiten, den von der Meldung betroffenen Datensatz zu ermitteln. In Datenbanksystemen werden die einzelnen Datensätze deshalb üblicherweise intern mit eindeutigen Nummern versehen. Für die Zwecke des elektronischen Rechtsverkehrs können diese internen Nummern nicht verwendet werden, weil sie naturgemäß von Datenbank zu Datenbank verschieden sind.Abs. 35
Als Alternative kommt in Betracht, für jedes Element einzelne Felder zu definieren (Primärschlüssel), anhand derer ein Datensatz identifiziert werden kann. Für die Verfahrensdaten können dies Gericht und Aktenzeichen sein, für Personendaten innerhalb eines Verfahrens die Beteiligtenstellung und die laufende Nummer (z. B. Kläger zu 1 oder Beklagter zu 3), für Terminsdaten Tag, Uhrzeit und Terminsort. Um Datensätze anhand solcher Kriterien zu finden, ist aber ein relativ hoher Programmieraufwand erforderlich. Zudem müssen für jedes im Rahmen einer Erweiterung neu hinzukommende Element wieder neue Suchroutinen definiert werden.Abs. 36
Um trotz der heterogenen Zielsysteme eine eindeutige Verweisungsmöglichkeit zu erhalten, war in den ersten Entwürfen von XJustiz für jedes Element, das als selbständiges Objekt von Änderungen in Betracht kommt, zwingend ein Attribut "GUID" vorgesehen. Dieses enthält einen sogenannten Globally Unique Identifier, der als eindeutiger Primärschlüssel verwendet werden kann.Abs. 37
Globally Unique Identifier (GUID), mitunter auch als Universally Unique Identifier (UUID) bezeichnet, ist ein 128 bit (= 16 Byte) umfassender Wert, der aufgrund seiner Länge und dem bei seiner Erzeugung verwendeten Verfahren hinreichende Gewähr dafür bietet, dass er weltweit nur einmal existiert. Struktur und Erzeugungsalgorithmus von UUIDs sind in der Internationalen Norm ISO/IEC-11578:1996 beschrieben.Abs. 38
Damit die in den XJustiz-Schemata vorgesehenen GUIDs ihre Funktionen erfüllen können, müsste folgendes Verfahren eingehalten werden:
  • Wenn ein Objekt zum ersten Mal, also mit dem Verwendungszweck "Erstmalige Übermittlung", übermittelt wird, muss der Versender dafür eine GUID erzeugen und diese dem Objekt zuweisen (und natürlich auch in seiner Datenbank speichern).
  • Wenn zu einem Objekt Änderungsmitteilungen oder Löschungsvorschläge übermittelt werden, muss die GUID des betroffenen Objekts mitgeteilt werden.
Abs. 39
Hieraus folgt, dass die GUIDs in der Datenbank der jeweiligen Zielsysteme abgespeichert werden müssen, damit sie für die Erzeugung von Änderungsmitteilungen und Löschungsvorschlägen zur Verfügung stehen.Abs. 40
Die damit erforderliche Erweiterung bestehender Datenbanken ist in der Entwurfsphase von XJustiz von verschiedenen hinzugezogenen Hersteller- und Beraterunternehmen als äußerst hoch eingeschätzt worden. Um die rasche Verbreitung von XJustiz nicht zu behindern, wird die Verwendung von GUIDs in XJustiz deshalb nicht zwingend, sondern nur optional vorgesehen sein. In der Anfangsphase werden GUIDs deshalb wohl nur in Ausnahmefällen Verwendung finden. Im Interesse einer späteren Weiterentwicklung wurden sie dennoch als mögliche, aber nicht zwingend zu verwendende Elemente in der Definition belassen.Abs. 41
Selbst bei einem flächendeckenden Einsatz werden auch GUIDs den Traum einer vollautomatischen Datenübernahme und -pflege nicht verwirklichen können. Insbesondere können und sollen GUIDs nicht dazu genutzt werden, bestimmten Personen eine über ein einzelnes Verfahren hinaus gültige Kennziffer zuzuteilen. Abgesehen von datenschutzrechtlichen Bedenken erschiene dies schon deshalb nicht sinnvoll, weil nicht jede Gerichts- und Anwaltssoftware dieselbe Datenstruktur aufweist. So mag es für eine Verwaltungsgerichts-Software sinnvoll sein, alle Behörden, die häufiger als Beklagte auftreten, in einer besonderen Stammdaten-Tabelle zu führen. Für die meisten ordentlichen Gerichte und für viele Anwaltsprogramme wird es dagegen zweckmäßiger sein, die Daten der Behörde nur im Zusammenhang mit einem bestimmten Verfahren zu speichern und notfalls "Doubletten" anzulegen. XJustiz kann und will hier keine bestimmte Methode vorschreiben. Vielmehr soll jedem Kommunikationsteilnehmer selbst die Entscheidung überlassen bleiben, in welcher Struktur er seine Daten ablegt. Daraus folgt notgedrungen, dass die Datenstruktur von XJustiz nicht vollständig deckungsgleich sein kann mit der Datenstruktur irgend eines Gerichts- oder Anwaltsprogramms. Die in XJustiz vorgesehenen Hilfsmittel sollen aber immerhin ermöglichen, ein Maximum an Übereinstimmung mit möglichst vielen Programmen zu erreichen.Abs. 42

7. Nicht geregelte Bereiche

Entsprechend der eingangs dargestellten Aufgabenstellung kann und soll XJustiz nicht alle Fragen regeln, die sich bei der Übermittlung von Daten zwischen Gerichten und Verfahrensbeteiligten stellen. Ausgeschlossen ist insbesondere die Auswahl des Kommunikationsweges, auf dem XJustiz-konforme XML-Dateien übersandt werden. In Betracht kommen hierfür insbesondere E-Mail oder eine Dateiübertragung innerhalb einer Punkt-zu-Punkt-Verbindung im so genannten Upload-Verfahren(12). Bei der Auswahl des Kommunikationsweges ist auch zu entscheiden, ob die Übertragung verschlüsselt erfolgt und ob zusätzliche Sicherungsmechanismen, zum Beispiel eine Transport-Signatur eingesetzt werden sollen. Hierfür enthält XJustiz ebenfalls keine Vorgaben. Die entsprechenden Festlegungen finden sich bereits in den OT-Leit.Abs. 43
Ausgenommen ist des weiteren die Art und Weise der elektronischen Signatur. Nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften ist diese Signatur nicht an den in XJustiz definierten Metadaten anzubringen, sondern an den außerhalb der XML-Strukturen übermittelten Dokumenten. Schon deshalb kann XJustiz für diesen Bereich naturgemäß keine Festlegungen enthalten. Es verbleibt insoweit bei den Vorgaben der OT-Leit.Abs. 44

8. Weitere Schritte

Mit der Erarbeitung der XML-Schema-Dateien für den Grunddatensatz ist ein wichtiger Schritt absolviert. Derzeit wird der im Internet veröffentlichte Entwurf einer Überarbeitung unterzogen, in die Änderungsvorschläge einzelner Länder sowie von Herstellern von Software für Gerichte, Anwälte, Steuerberater und dergleichen eingearbeitet werden. Bei planmäßigem Verlauf wird die endgültige Fassung von XJustiz im September 2003 fertig gestellt sein und auf der Herbstsitzung der BLK im November 2003 verabschiedet werden.Abs. 45
Bis der erste XJustiz-Datensatz übermittelt werden kann, sind noch einige weitere Schritte erforderlich.Abs. 46

a) Programmierung von Schnittstellen

Die Hauptaufgabe wird zunächst darin bestehen, alle bei Gericht und Verfahrensbeteiligten eingesetzten Programme so zu erweitern, dass sie XJustiz-Datensätze lesen und schreiben können. Sowohl für Bund und Länder als auch für die Anbieter von Software für Rechtsanwälte und ähnliche Berufsgruppen wird dies eine große Herausforderung darstellen.Abs. 47

b) Fachmodule

Ergänzend und parallel dazu gilt es, XJustiz um fachspezifische Module zu ergänzen, die für bestimmte Spezialmaterien ergänzende Datenstrukturen definieren. Die offene Konzeption von XJustiz dürfte die Definition solcher Ergänzungen relativ einfach machen.Abs. 48

9. Fazit

XJustiz wird nach Fertigstellung eine wichtige Arbeitshilfe darstellen und eine schnelle Durchsetzung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Praxis entscheidend fördern. Als Mittler zwischen unterschiedlichen und heterogenen IT-Landschaften kann XJustiz zwar nicht alle Automatisierungswünsche erfüllen. Dennoch wird XJustiz den Aufwand für die Erfassung von verfahrensrelevanten Daten bei Gerichten und allen Verfahrensbeteiligten deutlich reduzieren.
JurPC Web-Dok.
160/2003, Abs. 49

Fußnoten:

(1) Gesetz zur Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001, BGBl. I S. 1542, in Kraft seit dem 1. August 2001.
(2) Gemäß § 130a ZPO und den Parallelvorschriften in den anderen Verfahrensordnungen dürfen elektronische Schriftsätze bei Gericht eingereicht werden, wenn dies durch Rechtsverordnung zugelassen worden ist.
(3) Zu den Anforderungen an eine Fristenkontrolle im elektronischen Rechtsverkehr vgl. Bacher in: Vorwerk (Hrsg.), Das Prozessformularbuch, 7. Auflage, Köln 2002, Kap. 27 Rn. 79 ff.
(4) Die OT-Leit-ERV sind im Internet abrufbar z. B. unter http://www.xjustiz.de.
(5) Die Definition von XML-Schema ist im Internet abrufbar unter http://www.w3c.org/TR/xmlschema-1.
(6) Die Definition von XML ist im Internet abrufbar unter http://www.w3c.org/TR/REC-xml.
(7) http://www.xjustiz.de.
(8) Die ersten Entwürfe - bis einschließlich Version 0.9.3 - enthielten eine noch feinere Aufteilung. Dort war für jede Hauptkategorie (z.B. Beteiligung, Verfahrensdaten usw.) eine gesonderte Datei vorgesehen. Dieser Ansatz wurde mittlerweile weiterentwicklt zu dem im Text beschriebenen Konzept.
(9) American Standard Code for Information Interchange.
(10) Rich Text Format.
(11) Portable Document Format.
(12) Zu den Vor- und Nachteilen der einzelnen Übermittlungsarten vgl. Bacher, MDR 2002, 669 ff.
* Dr. iur. Klaus Bacher ist Richter am Landgericht. Bis Mai 2003 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesgerichtshof und Leiter der dortigen Arbeitsgruppe zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs. Daneben ist er Mitglied der im Aufsatz erwähnten BLK-Arbeitsgruppe Informationstechnische Standards, die mit der Erstellung von XJustiz befasst ist. Seit Juni 2003 leitet er die Karlsruher Dienststelle der Gemeinsamen DV-Stelle Justiz, einer gemeinsamen Einrichtung der baden-württembergischen Oberlandesgerichte.
[online seit: 10.06.2003]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Bacher, Klaus, XJustiz - Elektronischer Datenaustausch zwischen Gerichten und Verfahrensbeteiligten - JurPC-Web-Dok. 0160/2003