JurPC Web-Dok. 105/2003 - DOI 10.7328/jurpcb/2003185104

Komninos Komnios *

Das Verbot von Spielen in Griechenland gemäß dem Gesetz Nr. 3037/2002

Bemerkungen zu LG Thessaloniki (Strafkammer), Entscheidung Nr. 16252/2002

JurPC Web-Dok. 105/2003, Abs. 1 - 11


Das Gesetz Nr. 3037/2002(1), unter dem allgemeinen Titel des Verbots von Spielen, ergab sich aus der Notwendigkeit, dem Problem des illegalen Glücksspiels in Griechenland entgegenzutreten. Wie von einer Serie von Fernsehsendungen aufgedeckt wurde, welche das Land in Aufruhr versetzten, war die Ausdehnung des Problems gewaltig und gefährlich für das gesellschaftliche Gefüge. Das Eingreifen des Gesetzgebers war nicht lediglich angebracht, sondern notwendig. Das Gesetz wurde unter dem Druck der öffentlichen Meinung beschlossen, mit Zustimmung der Opposition, und im Regierungsamtsblatt vom 29.09.2002 veröffentlicht.JurPC Web-Dok.
105/2003, Abs. 1
Die Improvisation bei der Redaktion und die Unklarheiten, die man durch das einfache Lesen der Bestimmungen feststellen kann, führen zur Schlussfolgerung, dass das Gesetz Nr. 3037/2002 kein Beispiel gesetzgeberischer Perfektion ist. Die oben genannte Feststellung wird durch die Regelung des Art. 2 § 1 des Gesetzes bestätigt, wo bestimmt wird, dass "verboten ist die Durchführung der von Art. 1 Punkte b, c, und d umfassten Spiele und von Computern an Treffpunkten der Öffentlichkeit wie Hotels, Cafés, Sälen eingetragener Vereine jeder Art, und in jedem anderen öffentlichen oder privaten Ort". Das Ziel des Gesetzgebers, wie es ausgedrückt ist in seinem Einführungsbericht(2), ist das Verbot der Glücksspiele, welche in der Gewohnheit der Spieler zu der fast ausschließlichen Beschäftigung von diesen mit diesem Objekt führen, mit dem Ergebnis der Verdrängung ihrer familiären und beruflichen Pflichten und der weiteren Folge des "Verlusts bedeutender Geldbeträge" und "steuerlicher Einkünfte für den Fiskus".Abs. 2
Direktes Ziel des griechischen Gesetzgebers war in keinem Fall das Verbot der elektronischen Spiele. Indessen, die extrem offene Formulierung, mit der er sich ausdrückte, führt de facto ein absolutes Verbot der elektronischen Spiele ein, und gerade nicht nur an Orten öffentlicher Versammlungen (vor allem in Internetdienste anbietenden Unternehmen, den so genannten "Internetcafés"(3)), sondern auch an privaten Orten. Die Unfähigkeit des Staates, das illegale elektronische Glücksspiel zu kontrollieren, verleitete den Gesetzgeber zu einem allgemeinen Verbot elektronischer Unterhaltungs- und Glücksspielen ohne jede Unterscheidung. Die zentrale Bestimmung des Art. 2, unter der Überschrift "Verbot der Durchführung oder Installation von Spielen" führt, über die anderen Einsprüche hinaus, die von ihrer Formulierung hervorgerufen werden(4), ein allgemeines Verbot ein, welches sich auf technische und Unterhaltungsspiele erstreckt, vorausgesetzt, dass die Glücksspiele kontrolliert werden. Nicht nur wird die Durchführung von Spielen mit dem Computer in den Internetdienste anbietenden Unternehmen kriminalisiert (Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 3037/2002), sondern es wird auch noch dem Privatmann verboten, Tabli oder Schach auf dem Computer zu Hause zu spielen. Das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen, beauftragte das Ministerium für öffentliche Ordnung mit der Umsetzung der Bestimmungen und der Kontrolle der Einhaltung des Gesetzes. Anmerkenswert ist, dass das Verbot der Durchführung von Spielen im privaten Bereich nicht verbunden ist mit der Androhung einer strafrechtlichen Sanktion für den Privatmann, der sich nicht daran halten sollte(5). Obwohl ausdrücklich die Durchführung und Installation von Spielen mit Computern im privaten Bereich verboten ist, wird keine Strafe für die Zuwiderhandelnden vorgesehen. Es handelt sich um eine unvollständige Strafbestimmung.Abs. 3
Die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 3037/2002 sind charakterisiert durch einen vollständigen Mangel des Verhältnisses zwischen Mittel und Zweck(6). Die erkennbare Übertreibung kann mit dem folgenden Vergleich beschrieben werden: Es erscheint, wie wenn die Rechtsordnung versuchte, der Kinderpornographie mit dem generellen Verbot des Verkehrs von Druckwerken entgegenzutreten. Das Finanz- und Wirtschaftsministerium hat unter dem Druck von Veröffentlichungen der nationalen und internationalen Presse(7), aber auch der Reaktion der europäischen Kommission(8), die Presseerklärung vom 24.09.2002 herausgegeben. In dieser Erklärung, welches indessen keine Gesetzeskraft hat, wird klargestellt, dass "die Herstellung, Einfuhr, das Zurverfügungstellen und der Handel der materiellen Träger und/oder der Geräte und/oder der Programme, mit denen Spiele durchgeführt werden, erlaubt ist " und "keine Sanktionen angedroht sind gegen diejenigen, die sich solchen Spielen hingeben". In jedem Fall ist die Redaktion des Art. 2 verfehlt und unglücklich und muss geändert werden.Abs. 4
Für die Ausführung des Art. 3 des Gesetzes schritten die Polizeibehörden zur Festnahme zweier Verantwortlicher eines Internetdienste anbietenden Unternehmens in Thessaloniki, da sie feststellten, dass auf bestimmten Rechnern Spiele unterhaltenden Charakters durchgeführt wurden. Unter dem Druck der Angeklagten wurde die Strafverfolgung im Schnellverfahren für auf frischer Tat überführte eingeleitet. Das zuständige Landgericht Thessaloniki hat in seinem Urteil Nr. 1625/2002 mit der Mehrheit von zwei zu eins Stimmen entschieden, dass die Bestimmung des Art. 3 des vorgenannten Gesetzes verfassungswidrig ist und nicht angewandt werden kann, gemäß Art. 93 § 4 der griechischen Verfassung(9). Konkret hat das Gericht entschieden, dass die Bestimmung des Art. 3 im Widerspruch steht zum Gleichheitsgrundsatz, der in Art. 4 § 1 der Verfassung(10) begründet ist. Das Gesetz "führt, indem es zwei unterschiedliche Kriterien benutzt, von denen eines ein vollständig zufälliges Kriterium der Art und Weise der Durchführung ist, eine doppelte Ungleichheit ein, da es ungleiche Behandlung für gleiche Dinge bringt (wenn es die Durchführung des Unterhaltungsspiels auf mechanische Weise und nicht auf elektronische Weise erlaubt) und gleiche Behandlung für ungleiche Dinge (wenn es die Durchführung von Spielen mit einem Computer im Internet bestraft, unabhängig von ihrem unterhaltenden Charakter oder nicht - gemeint ist dem als Glücksspiel -)".Abs. 5
Die Begründung der Verfassungswidrigkeit gegen Art. 4 § 1 der Verfassung ist überzeugend. Es ist seit langem die Auffassung der Lehre und der Rechtsprechung(11), dass mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur die Gleichheit der Griechischen Staatsbürger vor dem Gesetz anerkannt ist, sonder auch die Gleichheit des Gesetzes gegenüber diesen, in dem Sinne, dass der Gesetzgeber bei der Regelung wesentlich gleicher Dinge, Verhältnisse oder Zustände und Kategorien von Personen, Gesetze nicht in unterschiedlicher Weise erlassen kann, indem er Ausnahmen einführt und zu Unterscheidungen schreitet, außer, wenn die unterschiedliche Regelung nicht willkürlich ist, sondern aus Gründen des allgemeineren gesellschaftlichen oder staatlichen Nutzens unbedingt erforderlich ist. Der Schutz der Bürger vor den gesetzeswidrigen Glücksspielen bildet einen Grund eines allgemeineren gesellschaftlichen(12), aber auch staatlichen Interesses. In keinem Fall jedoch kann er kausal mit dem Verbot der Durchführung von Spielen am Computer verbunden werden. Folglich bewirkt die Bestimmung des Art. 3 eine ungerechtfertigte belastende Ausnahme und ist unwirksam weil verfassungswidrig.Abs. 6
Die Entscheidung weist nach, richtig und mit zwingender Begründung, dass Art. 3 auch der Bestimmung des Art. 5 § 1 der Verfassung widerspricht(13), indem er das Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit und die private wirtschaftliche Freiheit einschränkt.Abs. 7
Mit dem im Gesetz enthaltenen Verbot wird indirekt der Zugang zur Gewährung eines Teils der Unterhaltungsmöglichkeiten des Internet ausgeschlossen. Es handelt sich um einen Eingriff in das Recht auf Selbstbestimmung der Bürger. nämlich in das Recht, ihr Leben nach ihren Interessen und Neigungen auszurichten, welcher dem Prinzip der freien Entfaltung der Persönlichkeit widerspricht. Man könnte vertreten, dass in dem Maße, wie keine Strafe vorgesehen ist für Privatleute, die Spiele in ihrem privaten Bereich durchführen, kein Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht begründet sein kann. Diese Auffassung ist unrichtig, denn nicht alle verfügen über die Möglichkeit der Durchführung von Spielen in ihrem privaten Bereich und wenden sich deshalb an die so genannten "Internetcafés", wo jedoch das Verbot mit den strengen Sanktionen des Art. 4 des Gesetzes gilt.Abs. 8
Was die unerlaubte Einschränkung(14) der wirtschaftlichen Freiheit der Internetdienste anbietenden Unternehmen betrifft, diese besteht nach der - dogmatisch richtigen - Entscheidung des Gerichts in der Verringerung der Kunden und der Einkünfte der Unternehmen. Das Verbot auch der Unterhaltungsspiele in den "Internetcafés" schränkt die Zahl der Nutzer ebenso wie ihre Aufenthaltsdauer in diesen Unternehmen wesentlich ein, ohne dass die Durchführung der oben genannten Spiele das Gemeinwohl beeinträchtigen würde, aufgrund dessen das Gesetz ihr Verbot verordnet. Es ist im vorliegenden Falle sehr schwierig, zu akzeptieren dass eine Partie Schach online dem Gemeinwohl, den Rechten der anderen oder den guten Sitten schadet(15).Abs. 9
Schließlich stellt das generelle und unterschiedslose Verbot, in Unternehmen, die Internetdienste erbringen, Spiele durchzuführen, die von der technischen oder geistigen Fähigkeit des Spielers abhängig sind und in den das Ziel des wirtschaftlichen Vorteils nicht enthalten ist, ein Missverhältnis von Mittel zu Zweck dar, was auch die verfassungsrechtlich abgesicherte Prinzip der Verhältnismäßigkeit betrifft (Art. 25 § 1 Verf.)(16). Das generelle Verbot der Durchführung von Spielen in Internetdienste anbietenden Unternehmen stellt weder ein geeignetes noch ein notwendiges Mittel für das Erreichen des Zweckes des Gesetzgebers (Kontrolle des illegalen Glücksspiels) dar. Das Ziel des Gesetzes hätte verfolgt werden können mit dem Verbot nur derjenigen Spiele, welche mit dem illegalen Glücksspiel im Zusammenhang stehen.Abs. 10
Das Gericht war dazu berufen, das Gesetz zum ersten Mal anzuwenden und hat, auf der Grundlage der genannten Überlegungen, nicht nur die Angeklagten freigesprochen, sondern auch die Anwendung der Bestimmungen wegen deren Verfassungswidrigkeit verweigert. Gegen diese Entscheidung wurde vom für Berufungen zuständigen Staatsanwalt am OLG Thessaloniki Berufung eingelegt. Bemerkenswert ist, dass in den zwei anderen Fällen, in denen die Polizeibehörden Verantwortliche von "Internetcafés" wegen Verstoßes gegen das Gesetz Nr. 3037/2002 belangt haben, die Entscheidungen auch wieder auf Freispruch lauteten(17). In jedem Fall ist die korrigierende Intervention des Gesetzgebers als notwendig zu beurteilen, welcher aufgerufen ist, seinen Willen korrekter auszudrücken.
JurPC Web-Dok.
105/2003, Abs. 11

Fußnoten:

(1) Der Text des Gesetzes ist verfügbar in griechischer Sprache auf der Internetseite http://www.netcafe.gr/files/pdf/nomos.pdf und eine inoffizielle englische Übersetzung der drei ersten Artikel auf der Internetseite http://www.netcafe.gr/files/law.txt.
(2) S. dazu die Einführung des Wissenschaftlichen Komitees des Parlaments http://www.theweb.gr/netcafe/files/EpistimonikiEpitropi(page1).jpg
(3) Auf Internetdienste anbietende Unternehmen bezieht sich Art. 3 des Gesetzes, wo unter anderem definiert wird, dass die Installation und der Betrieb von Computern in diesen Ladenlokalen erlaubt ist, nicht aber auch die Durchführung eines Spieles mit diesen Computern. Hinsichtlich der Ausführungen des Gesamtgriechischen Verbandes der Besitzer von Läden der Verpachtung von Computern und der Erbringung von Internetdienstleistungen s. http://www.theweb.gr/netcafe/files/theseis%20&%20protaseis.doc in griechischer Sprache
(4) S. die unglücklichen Begriffe: "Säle anerkannter Vereine" und "öffentliche Zentren". Es ergeben sich des weiteren Probleme, ob die Einführung, Herstellung und der Handel von privaten Spielgeräten und von Programmen, mit denen Spiele durchgeführt werden, zulässig ist oder nicht.
(5) S. im Gegensatz dazu Art. 4 des Gesetzes, wo strenge Sanktionen vorgesehen sind für die Unternehmen, in denen Spiele mit Computern durchgeführt werden.
(6) S. schon die Vorbehalte in der Einführung des Wissenschaftlichen Komitees des Parlaments http://www.theweb.gr/netcafe/files/EpistimonikiEpitropi(page2).jpg
(7) S. dazu die Seite http://www.mnec.gr/Ministry/Ypourgos/Press/DT_24-09-2002b.doc
(8) Die europäische Kommission hat die griechische Regierung davor gewarnt, dass das griechische Gesetz unter Umständen Art. 28 des Gründungsvertrages der Europäischen Gemeinschaft verletzt, da es Einfuhren aus anderen EU-Mitgliedsstaaten begrenzen kann http://news.bbc.co.uk/1/hi/technology/2357645.stm. Ein Schreiben, in dem sie behauptet, dass das Gesetz Nr. 3037 eine Reihe von Artikeln des Gemeinschaftsrechts verletzt, hat die Europäische Föderation für interaktive Software (ISFE) an den Premierminister und an den Parlamentspräsidenten geschickt.
(9) In der griechischen Rechtsordnung besteht ein System der inzidenten (diffusen) Verfassungskontrolle durch die allgemeinen Gerichte in dem Sinne, dass dafür kein spezielles Verfassungsgericht besteht, sondern die Prüfung von allen Gerichten ausgeführt wird. S. dazu Art. 93 § 4 der griechischen Verfassung : "Die Gerichte sind verpflichtet, ein Gesetz nicht anzuwenden, dessen Inhalt zur Verfassung in Widerspruch steht".
(10) Die Bestimmung des Art. 4 § 1 der Verfassung regelt, dass "die Griechen gleich vor dem Recht sind"
(11) S. zum Beispiel Plenum des Areopags Entscheidung 24 und 23/2002 (unveröffentlicht), Plenum des Areopags 18/1999, Helliniki Dikaiossini 1999, S. 1290, Elegtiko Synedrio (Rechnungshof) 1273/1996, Harmenopoulos 1997, S. 296.
(12) Man kann auch vertreten, dass auch die Pflicht des Staats besteht, die Gewöhnung der Bürger an das verbotene Spiel zu verhindern.
(13) Die Bestimmung des Art. 5 § 1 der Verfassung lautet : "Jeder hat das Recht, seine Persönlichkeit frei zu entfalten und am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben des Landes teilzunehmen, solange er die Rechte der anderen nicht beeinträchtigt und nicht die Verfassung oder die guten Sitten verletzt."
(14) Beschränkungen in der freien Entfaltung der Persönlichkeit allgemein und in der privaten wirtschaftlichen Initiative insbesondere können nur von der Verfassung (s. Art. 25 § 3 und Art. 106 § 1 Verf.), von den Rechten der anderen und den guten Sitten auferlegt werden.
(15) In dem Maße, wie einiger von diesen Spielen Wissensspiele sind und als solche Informationsquellen der Internetbenutzer werden "ist der ungehinderte Zugang auch geschützt durch die speziellere Bestimmung des Art. 5a der Verfassung" über das Recht auf Informationsfreiheit.
(16) Gemäß dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit muss die vom Gesetzgeber verordnete belastende Maßnahme nicht nur absolut notwendig für das Erreichen des verfolgten staatlichen Zweckes sein, sondern es darf auch keine Möglichkeit der Wahl eines anderen, gleich wirksamen aber weniger belastenden Mittels bestehen.
(17) Das LG Larisa befand Art. 3 für verfassungswidrig mit Zustimmung des anwesenden Staatsanwalts.
* Komninos Komnios ist Rechtsanwalt in Griechenland, LL.M. in Zivilrecht, Zivilprozessrecht und Arbeitsrecht, DAAD Stipendiat und zurzeit Doktorand bei Prof. Dr. Helmut Rüßmann (Universität des Saarlandes) im Bereich Rechtsinformatik, insbesondere Recht der Elektronischen Unterschrift und der elektronischen Dokumente. Er ist Gründer und Betreuer der demnächst online gehenden griechischen Abteilung des Juristischen Internetprojekts Saarbrücken.
[online seit: 31.03.2003]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: , Komninos Komnios, Das Verbot von Spielen in Griechenland gemäß dem Gesetz Nr. 3037/2002 - Bemerkungen zu LG Thessaloniki (Strafkammer), Entscheidung Nr. 16252/2002 - JurPC-Web-Dok. 0105/2003