JurPC Web-Dok. 210/2002 - DOI 10.7328/jurpcb/2002179196

Holger Zetzsche *

Das Ende der "Hier-nicht-Hinweise"?

- Eine Anmerkung zu einigen "domain-grabbing"-Entscheidungen -

JurPC Web-Dok. 210/2002, Abs. 1 - 25


Inhaltsübersicht:

1. LG Hannover - "verteidigungsministerium.de"
2. Österreichischer OGH - "bundesheer.at"
3. LG Potsdam - "polizeibrandenburg.de"
4. BGH - "shell.de" und "vossius.de"
5. Auswüchse der "Namenspiraterie" im Internet
Resümee
Der BGH hatte in seinem bekannten Urteil "mitwohnzentrale.de"(1) angeführt, der - von der Vorinstanz noch näher zu prüfenden - Irreführungsgefahr im Sinne des § 3 UWG könnte möglicherweise auch durch einen klarstellenden Hinweis auf andere Wettbewerber auf der streitigen Homepage entgegengewirkt werden. Spätestens dies war das Signal für alle "Namenspiraten" ("domain-grabber"), einen entsprechenden "Hier-nicht-Hinweis" auf ihrer Homepage anzubringen und sich bei nachfolgenden Rechtstreitigkeiten auf dieses BGH-Urteil zu berufen. Im Folgenden sei anhand einiger aktueller, vergleichbarer Entscheidungen aus dem Behördenbereich aufgezeigt, wie die Rechtsprechung bisher darauf reagiert hat.JurPC Web-Dok.
210/2002, Abs. 1

1. LG Hannover(2) - "verteidigungsministerium.de"

Ein Auszubildender betrieb unter dem Namen "verteidigungsministerium.de" eine Internet-Homepage mit Informationen zur Kriegsdienstverweigerung. Auf der Eingangsseite hieß es: "Sollte hier wer zum Bundesministerium der Verteidigung wollen, kann ich erst mal nur sagen, dass es hier nicht ist ...". Der Aufforderung des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg), dies zu unterlassen und in die Übertragung der Domain auf das BMVg einzuwilligen, kam er nicht nach. Auf die Klage der Bundesrepublik Deutschland wurde er mit rechtskräftigem Urteil vom 11. September 2001 zur Freigabe der Domain verurteilt.Abs. 2
Das LG Hannover stellt für den geltend gemachten Anspruch allein auf das Namensrecht gemäß § 12 BGB ab. Das ist schon deshalb richtig, weil andere mögliche Rechtsgrundlagen, etwa aus UWG oder aus Markenrecht, für öffentliche Institutionen mangels Wettbewerbsverhältnis oder Eintragung regelmäßig nicht in Betracht kommen. Das Namensrecht steht - auch wenn sich die Vorschrift im Titel unter "natürliche Personen" findet - allgemein anerkannt auch juristischen Personen des öffentlichen Rechts, öffentlichen Institutionen und Einrichtungen oder eben auch Bundesbehörden zu(3). Entscheidend ist dabei weniger, ob es sich bei der fraglichen Bezeichnung tatsächlich um den "offiziell zugewiesenen" oder den "amtlichen" Namen etwa der Behörde handelt. Auch wenn das die namensmäßige Zuordnung möglicherweise einfacher macht, ist maßgeblich vielmehr, ob durch die sprachliche Kennzeichnung eine bestimmte natürliche oder juristische Person von anderen eindeutig unterschieden und individualisierbar wird. Dies kann aber auch bei Kurzbezeichnungen, Abkürzungen (z. B. "BMVg" als die gebräuchliche Abkürzung des Verteidigungsministeriums), Schlagworten, Pseudonymen, Künstler- oder Spitznamen oder bloßen unterscheidungskräftigen Bestandteilen eines Namens der Fall sein, wenn dadurch jeweils eindeutig auf eine bestimmte Person hingewiesen wird(4). Dass in diesem Sinne die Bezeichnung "Verteidigungsministerium" mit der Kennzeichnung "de" für Deutschland allein auf das BMVg hinweist und damit diesem als Name zusteht, bedarf im Grunde keiner weiteren Ausführungen(5). Das LG Hannover weist insofern zu Recht auf den "allgemeinen Sprachgebrauch"(6) hin: Wer kennt und verwendet in der Öffentlichkeit schon den "offiziellen" Namen "Bundesministerium der Verteidigung"(7)?Abs. 3
Die für die Namensanmaßung im Sinne der zweiten Alternative des § 12 BGB erforderliche Interessenverletzung des Namensberechtigten ist gegeben, wenn durch den unbefugten Gebrauch die Gefahr einer Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung bewirkt wird. Dies ist etwa bei einer Verwendungsweise der Fall, durch die der eigentliche Namensträger in eine bestimmte Beziehung zu etwas gesetzt wird, mit dem er in Wirklichkeit nichts zu tun hat. Das ist z. B. gegeben, wenn durch die Namensverwendung der falsche Eindruck entsteht, der Namensträger habe dem Benutzer ein Recht zu der entsprechenden Verwendung des Namens erteilt, so dass dieser unter seinem Namen auftreten könne(8).Abs. 4
Um eben dieser Verwechselungsgefahr entgegenzuwirken, bringen "Namenspiraten" auf der Eingangsseite ihrer Homepage entsprechende Hinweise auf die "richtige" Adresse des eigentlichen Namensträgers an(9).Abs. 5
Neuerdings wird dazu argumentiert, der BGH habe entschieden, eine mögliche Irreführung könne auf der Homepage durch einen Hinweis richtig gestellt werden. Dies ist zwar im Prinzip richtig, vernachlässigt aber, dass sich die oben angeführte(10) Entscheidung des BGH "mitwohnzentrale.de" nur auf Gattungsbegriffe bezog, deren alleinige Verwendung durch einen Wettbewerber unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten als unlauteres Verhalten streitig war. Darum geht es hier jedoch nicht: Es handelt sich bei der Bezeichnung "deutsches Verteidigungsministerium" eben nicht um einen bloßen generischen Begriff(11), dessen sich im Grunde jeder nach Belieben bedienen kann, sondern um die umgangssprachliche Namensbezeichnung der entsprechenden Bundesbehörde. Und dieser Name steht ihr - im Gegensatz zu allgemeinen Gattungsbegriffen - ausschließlich zu.Abs. 6
Völlig zu Recht hat deshalb das LG Hannover entschieden, durch die Verwendung der fraglichen Domain-Bezeichnung werde der irrige Eindruck erweckt, die streitige Homepage sei vom BMVg autorisiert. Dabei entstehe die Zuordnungsverwirrung bereits "automatisch" dadurch, dass der Nutzer, der eine entsprechende Seite aufrufe, meint, er rufe eine Seite dieses Ministeriums auf, was tatsächlich nicht der Fall sei. Diese Argumentation ist schon deshalb zutreffend, weil die Domain eben Namensfunktion hat und dies allgemein jedem Nutzer bekannt ist. Und ebenso wie der Nutzer bei direktem Aufruf von "rolls-royce" - letztlich egal, ob mit oder ohne Bindestrich(12) - nicht irgendwelche Kampagnen gegen Autoverkehr erwartet, erwartet er bei "verteidigungsministerium.de" auch keine Informationen über Kriegsdienstverweigerung - wobei deren allgemeine rechtliche Zulässigkeit völlig unbestritten, aber in diesem Zusammenhang auch ebenso unerheblich ist. Einfacher ausgedrückt: "Wo Verteidigungsministerium draufsteht, muss auch Verteidigungsministerium drin sein" - was entsprechend für alle anderen Namensinhaber gilt.Abs. 7
Dabei geht es auch nicht um das völlige Freihalten von einzelnen Begriffen. Es steht ja jedem frei, sich z. B. unter dem Namen seiner jeweiligen Kampagne oder seines Anliegens oder mit entsprechenden Namenszusätzen eine Domain registrieren zu lassen - aber dann käme es ja auch nicht zu den (letztlich gewünschten) Verwechselungen! Im Übrigen zeigen gerade die entsprechenden Hinweise, dass selbst der Domain-Inhaber davon ausgeht, dass seine Homepage verwechselt wird, denn ansonsten bedürfte es ja des Hinweises nicht. In den meisten Fällen ist offensichtlich eben dies gerade beabsichtigt. Würde man daher einen derartigen "Hier-nicht-Hinweis" ausreichen lassen, um die Verwechselungsgefahr zu verneinen, würde der Namensschutz im Internet letztlich leerlaufen: Es würde floskelhaft auf der Eingangsseite darauf hingewiesen werden, dass der eigentliche Namensinhaber hier nicht zu finden sei und der Berechtigte hätte das Nachsehen.Abs. 8
Der vorliegenden Entscheidung des LG Hannover ist damit in der Sache voll zuzustimmen(13).Abs. 9

2. Österreichischer OGH(14) - "bundesheer.at"

Mit einem ganz ähnlichen Rechtsstreit hatte sich fast zeitgleich der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) zu befassen. Dort hatte eine Kampagne für Neutralität die Domain "bundesheer.at" (das "Bundesheer" entspricht der "Bundeswehr" in Deutschland) bei der NIC.AT Internet Verwaltungs- und Betriebsgesellschaft mbH in Salzburg für sich registrieren lassen. Auf der Eingangsseite hieß es entsprechend: "Diese Seite wird NICHT vom Bundesministerium für Landesverteidigung betrieben und hat keinen offiziellen Charakter. Die offizielle Internet-Präsenz finden Sie unter ..."Abs. 10
Der Rechtsstreit durchlief immerhin zwei Mal drei Instanzen. Die maßgebliche Rechtsgrundlage war auch hier das Namensrecht. Dieses ist in Österreich in § 43 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch vom 1. Juni 1811 in vergleichbarer Weise wie in Deutschland geregelt(15). Noch in dem zunächst geführten einstweiligen Verfügungsverfahren ("Provisorialverfahren") hatte der OGH den Antrag der Republik Österreich entgegen den Vorinstanzen abgewiesen(16), da eine Verwechselungsgefahr wegen des angebrachten Hinweises auf die "offizielle" Seite der Streitkräfte ausgeschlossen erscheine und zudem die für eine einstweilige Verfügung erforderliche konkrete Gefahr eines "unwiederbringlichen Schadens" nicht gegeben sei. Erst in der Revisionsentscheidung im Hauptsacheverfahren hat der OGH dann auch allein bereits in der "Verleitung" auf die "fremde" Homepage eine vom Namensträger nicht hinzunehmende Interessenverletzung gesehen: Der Namensträger habe ein berechtigtes Interesse daran, dass sein Name nicht gebraucht werde, um die Aufmerksamkeit auf Aktivitäten zu lenken, mit denen er nichts zu tun hat. Der oberste österreichische Gerichtshof kommt damit zum gleichen Ergebnis wie das LG Hannover in der zuvor besprochenen Entscheidung.Abs. 11
Erwähnenswert scheint abschließend der Hinweis, dass das gesamte Verfahren nur rund eineinhalb Jahre gedauert hat: Nach dem in der ersten Entscheidung des LG Innsbruck vom 12. April 2000 über die einstweilige Verfügung wiedergegebenen Sachverhalt hat die Klägerin am 29. März 2000 Klage eingelegt nebst Antrag auf einstweilige Verfügung. Bereits am 20. September 2000 hat der OGH als dritte Instanz im einstweiligen Rechtsschutzverfahren entschieden, am 25. September 2001 erging in dritter Instanz die Hauptsacheentscheidung des OGH! In der eingangs erwähnten Streitsache "mitwohnzentrale.de" beispielsweise erfolgte die letzte "Abmahnung" im Juli 1997, am 21. Januar 1998 erging das Urteil des LG Hamburg, am 13. Juli 1999 das des OLG Hamburg und am 17. Mai 2001 schließlich das des BGH - das zur Zurückverweisung an die Vorinstanz führte!Abs. 12

3. LG Potsdam(17) - "polizeibrandenburg.de"

Ganz ähnlich hatte das Land Brandenburg einen Rechtsstreit gegen eine "Volksinitiative zur Stärkung der Grund- und Bürgerrechte gegenüber der Polizei" geführt. Diese Initiative betrieb eine Homepage unter der Domain "polizeibrandenburg.de", die sich damit genau um einen Punkt von der offiziellen Domain unterschied, die unter "polizei.brandenburg.de" zu finden ist. Auch bei der Initiative hieß es auf der Eingangsseite in herausgehobener Schrift: "Wenn Sie zur Seite der Polizei in Brandenburg wollen, klicken Sie bitte hier". Das LG Potsdam hat der Klage des Innenministeriums des Landes Brandenburg auf der Grundlage von § 12 BGB wegen angenommener Verwechselungsgefahr mit der offiziellen Polizeiadresse stattgegeben. Von einer Berufung haben die Betreiber abgesehen.Abs. 13
In dieser Sache lag der Schwerpunkt der Argumentation auf der namensmäßigen Zuordnung des Begriffs "Polizei". Das LG Potsdam sieht diesen zu Recht als "Oberbegriff der für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sorgenden Behörde" an, dem nach allgemeiner Auffassung hinreichende Individualität zukomme. Jedenfalls handelt es sich dabei - zumal unter Einbeziehung des Landesnamens - nicht um ein "diffuses Gebilde" wie die Beklagten meinten.Abs. 14
Anerkennung verdient auch die klare Feststellung des Gerichts, ein Recht zum Namensgebrauch durch die Beklagten folge auch nicht daraus, dass der Kläger bereits Inhaber einer gleichlautenden Domain sei. Es kommt im Namensrecht allein darauf an, wer durch einen Begriff oder eine Benennung bezeichnet wird. Dies kann durchaus durch mehrere Bezeichnungen in gleicher Weise der Fall sein, ohne dass allein deshalb einem Nichtberechtigten das Recht zukäme, sich einer der entsprechenden Bezeichnungen zu ermächtigen oder gar den Berechtigten darauf zu verweisen, er solle doch unter einer anderen Benennung oder mit ergänzendem Zusatz im Internet auftreten - diese Argumentation verkehrt die Verhältnisse in ihr Gegenteil. Das LG Potsdam stellt dazu zutreffend fest: "Jede andere Argumentation verkennt den absoluten Schutz des Namensrechts".Abs. 15

4. BGH(18) - "shell.de"(19) und "vossius.de"(20)

Eine Anmerkung zu den vorgenannten Entscheidungen bliebe unvollständig ohne einen Blick(21) auf das Urteil des BGH in Sachen des weltbekannten Öl-Konzerns gegen seinen eher unbekannten Namensvetter Andreas Shell. Denn in diesem Urteil entscheidet der BGH gleichsam nebenbei und ohne große Diskussion mehrere bis dahin kontrovers erörterte Streitfragen, die zum Teil auch für die vorliegend besprochenen Entscheidungen und Fallgestaltungen von Bedeutung sind:Abs. 16
Zunächst ging es um die Frage, ob bereits die Registrierung allein als Verletzungshandlung im Sinne des Namensrechts ausreicht(22). Hier war zum Teil argumentiert worden, dies sei erst der Fall, wenn die Homepage auch aktiv betrieben werde. Der BGH erteilt dieser Auffassung zu Recht eine klare Abfuhr, indem er von einer "massiven Beeinträchtigung" der Interessen des Namensträgers (der im vorliegenden Fall zusätzlich Kennzeicheninhaber gemäß Markengesetz war) spricht, da dieser bereits durch die Registrierung daran gehindert werde, seinen Namen (sein Zeichen) entsprechend selbst zu nutzen.Abs. 17
Sodann stellt der BGH allein auf die Alternative der Namensanmaßung des § 12 BGB ab, da mit einer bloßen Benutzung des fremden Namens als Internetdomain das Recht des Namensträgers zur Führung seines Namens nicht bestritten werde. Rein formal gesehen ist dies wohl zutreffend, auch wenn natürlich de facto dem Namensinhaber die Nutzung seines Namens unmöglich gemacht wird(23) ; das Recht zur Führung wird ihm dadurch allerdings nicht bestritten.Abs. 18
Schließlich nimmt der BGH zu den auch in den vorliegenden Fällen bedeutsamen weiteren Voraussetzungen der Namensanmaßung - unbefugter Namensgebrauch, Zuordnungsverwirrung und Interessenverletzung - Stellung, indem er schlicht feststellt, dass diese Voraussetzungen im Falle der Verwendung eines fremden Namens als Internet-Adresse "im allgemeinen" vorliegen. Die erforderliche Zuordnungsverwirrung werde auch dann herbeigeführt, "wenn der Internet-Nutzer beim Betrachten der geöffneten Homepage alsbald bemerkt, [Ergänzung: z. B. durch einen "Hier-nicht-Hinweis"!] dass er nicht auf der Internet-Seite des Namensträgers gelandet ist". Damit stützt der BGH, ohne dies weiter auszuführen, die Auffassung der oben dargestellten Entscheidungen, wonach die Zuordnungsverwirrung bereits durch den bloßen Aufruf, das "Verleiten" auf die fremde Homepage wie es der OGH nennt, eintritt. Der BGH geht aber sogar darüber hinaus, indem er einen unbefugten Namensgebrauch mit Identitätsverwirrung ausdrücklich bereits bei bloßer Registrierung bejaht, da schon dadurch der Berechtigte von einer entsprechenden Namensverwendung ausgeschlossen werde (siehe bereits oben den ersten angeführten Gesichtspunkt).Abs. 19
Damit dürfte auch für andere Entscheidungen hinreichend klar sein, dass ein sog. "Hier-nicht-Hinweis" nicht dazu verhilft, das Namensrecht eines anderen zu verletzen(24).Abs. 20
Dieser Einschätzung steht auch die bislang jüngste Entscheidung des BGH in Domain-Streitigkeiten - "vossius.de" - nicht entgegen. Allerdings führt der BGH darin unter Anknüpfung an die "mitwohnzentrale.de"-Entscheidung aus, dass der Verwechselungsgefahr auch dadurch begegnet werden könne, dass auf der ersten Internet-Seite, die sich für den Benutzer öffnet, deutlich gemacht werde, dass es sich nicht um die andere streitige Homepage handele.Abs. 21
Ausgangspunkt dieser Feststellung ist jedoch ausdrücklich das "Recht der Gleichnamigen", das hier nach der Fallgestaltung zur Anwendung kam. Für diese wiederholt der BGH, dass sie dem "Gerechtigkeitsgrundsatz der Priorität" unterworfen seien. Das gelte grundsätzlich auch für den, der über ein "relativ besseres Recht" verfüge als der aktuelle Domain-Inhaber. Diese Feststellung ist erkennbar auf den Ausgangsfall bezogen und macht (allein) für diesen Sinn.Abs. 22
Es ist dagegen deutlich zu betonen, dass sich daraus nichts für den herleiten lässt, der überhaupt kein namensmäßiges Recht an der streitigen Domain hat. Nicht nur, dass in diesem Fall der Berechtigte gleichsam ein "absolut besseres Recht" genießt, sondern der vom BGH angeführte "Gerechtigkeitsgrundsatz der Priorität" würde bei einer Anwendung auch auf diesen Fall zu grober Ungerechtigkeit führen, was sicher nicht im Sinne des BGH ist. Für die Fälle der "Namenspiraten" verbleibt es daher auch nach der "vossius.de"-Entscheidung des BGH bei der zuvor dargestellten Rechtslage. Allerdings bedarf es keiner hellseherischen Fähigkeiten, um vorauszusagen, dass sich die domain-grabber künftig vermehrt auf eben dieses Urteil berufen werden. Insoweit wäre ein klarstellender Hinweis des BGH hilfreich gewesen.Abs. 23

5. Auswüchse der "Namenspiraterie" im Internet

Welche Auswüchse diese "Namenspiraterie" nehmen kann, zeigt anschaulich ein Artikel in der FAZ vom 11. Februar 2002 mit der Überschrift "Hakenkreuz auf "www.bundesinnenministerium.biz"(25). Darin wird über einen amerikanischen Neonazi berichtet, der sich entsprechende Domains (so auch "bundesjustizministerium" oder "zuwanderungskommission") mit verschiedenen Endungen reserviert habe, um darunter seine rechtsextremistische Propaganda zu betreiben. Zuständig für die Domain-Verwaltung im internationalen Bereich - die DENIC ist nur für Domains mit der Endung "de" zuständig - ist die Selbstverwaltungsorganisation ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers(26)). Das Bundesinnenministerium hat bei der Weltorganisation für Geistiges Eigentum, WIPO (World Intellectual Property Organization), Klage eingereicht. Die WIPO ist eine Agentur der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf(27). Im Auftrag der immerhin 178 Nationen, die sich ihr angeschlossen haben, betätigt sie sich auch als Schiedsstelle in internationalen Domain-Streitigkeiten. Auf Antrag der Bundesrepublik Deutschland (Bundesministerium des Innern vertreten durch das Bundesverwaltungsamt) hat die WIPO am 23. Januar 2002 entschieden(28), dass die Domains "bundesinnenministerium.com", ".net" und ".org" sowie "verfassungsschutz.org" auf die Bundesrepublik Deutschland zu übertragen seien.Abs. 24

Resümee

Natürlich ist mit den hier kurz besprochenen Entscheidungen nicht das Ende der "Hier-nicht-Hinweise" gekommen; deshalb ist das Fragezeichen in der Überschrift mehr als berechtigt. Es ist sogar zu befürchten, dass der BGH mit seiner "vossius.de"-Entscheidung dieser Erscheinung zu neuem Auftrieb verhilft mit vermehrten Rechtsstreitigkeiten. Selbstverständlich werden die "Namenspiraten" auch weiterhin versuchen, "sich alles mögliche unter den Nagel zu reißen"(29). Die Chancen, damit vor Gericht erfolgreich zu sein, sind jedoch mit den oben wiedergegebenen Entscheidungen erheblich gesunken, da die Gerichte sich davon nicht beeindrucken lassen, sondern auf die "wahre Rechtslage" im Namensrecht abstellen.
JurPC Web-Dok.
210/2002, Abs. 25

Fußnoten:

(1) Urteil vom 17.05.2001 - I ZR 216/99, NJW 2001, 3262 "mitwohnzentrale.de" = JurPC Web-Dok. 219/2001.
(2) Urteil vom 12.09.2001 - 7 O 349/01 = JurPC Web-Dok. 207/2001, NZWehrr 2002, 81 - mit Anm. des Verfassers S. 83 ff.; siehe auch unter "deutsches-wehrrecht.de"- letzte Änderungen oder Aktuelle Urteile.
(3) Siehe nur Nw. bei Hoffmann, "Die Entwicklung des Internet-Rechts", NJW-Beilage zu Heft 14/2001, S. 20 ff.; vgl. auch zum Schutz des Namens von Gerichten: Schönberger, GRUR 2002, 478.
(4) Vgl. Nw. bei Ernst, "Internet-Adressen - Der Stand der Rechtsprechung", MMR 2001, 368, 370 ff.
(5) Anders als etwa bei Justiz- oder Innenministerium - beides ebenfalls nicht die "offiziellen" Bezeichnungen - gibt es hier noch nicht einmal eine denkbare "Kollision" mit gleichnamigen Landesbehörden.
(6) Dieser "allgemeine Sprachgebrauch" lässt sich leicht anhand von beliebigen Zeitungsartikeln nachweisen.
(7) Oder auch "für" Verteidigung, wie es in Artikel 65a Grundgesetz tatsächlich noch heißt!
(8) Vgl. BGH vom 23.09.1992 - I ZR 251/90, BGHZ 119, 237 ff. "Universitätsemblem".
(9) Vgl. den eingangs wiedergegebenen Satz.
(10) Fn. 1
(11) Das LG Köln, Urteil vom 28.05.1998 - 15 O 15/98, NJW-RR 1999, 629 "zivildienst.de" bewertet sogar den Begriff "Zivildienst" nicht nur als Sachbegriff, sondern auch als namensartiges Kennzeichen des entsprechenden Bundesamtes.
(12) Vgl. OLG München, Urteil vom 12.08.1999 - Az 6 U 4484/98, MMR 2000, 104 "rolls-royce.de" = JurPC Web-Dok. 113/2000.
(13) Zu den unzutreffenden Ausführungen des Urteils zur aus Artikel 65a Grundgesetz abgeleiteten Aktivlegitimation siehe die Anm. in NZWehrr 2002, 83.
(14) Urteil vom 25.09.2001 - 4 Ob 209/01s = JurPC Web-Dok. 198/2002, MMR 2002, 301 mit Anm. Schanda (dessen Hinweis im letzten Absatz allerdings schon einige Zeit überholt ist: Tatsache ist, dass zunächst ein Dritter die fragliche Domain einige Tage lang für sich registriert hatte; sie ist aber seit Anfang Februar 2002 für das österreichische Bundesheer frei geschaltet - es wird daher in dieser Sache keine "Fortsetzung der Geschichte" geben!).
(15) "Wird jemandem das Recht zur Führung seines Namens bestritten oder wird er durch unbefugten Gebrauch seines Namens (Decknamens) beeinträchtigt, so kann er auf Unterlassung und bei Verschulden auf Schadenersatz klagen."
(16) Beschluss vom 13.09.2000 - 4 Ob 198/00x = JurPC Web-Dok. 54/2001, MMR 2001, 305 mit Anm. Schanda (alle in dieser Sache ergangenen Entscheidungen können nachgelesen und als pdf-Datei runtergeladen werden unter "http://www.bmlv.gv.at/archiv/a2001/akt_20011121_domainstreit.shtml"). Vermutlich hat der OGH den Rechtsstreit damit erst "in die Länge" gezogen, denn ausweislich der Entscheidungsgründe hatte sich der Beklagte zu dem Sicherungsantrag innerhalb der gesetzten Frist nicht einmal mehr geäußert. In den Veröffentlichungen ist diese "Duplizität" der Entscheidungen verschiedentlich übersehen und nur die vorläufige Entscheidung des OGH beachtet worden (siehe auch in juris, wo jedenfalls bis zu einer Recherche am 24.06.2002 nur die vorläufige Entscheidung des OGH aus dem Jahr 2000 enthalten war).
(17) Urteil vom 16.01.2002 - 2 O 566/01 = JurPC Web-Dok. 85/2002
(18) Urteil vom 22.11.2001 - I ZR 138/99 = JurPC Web-Dok 139/2002
(19) Urteil vom 22.11.2001 - I ZR 138/99 = JurPC Web-Dok 139/2002
(20) Urteil vom 11.04.2002 - I ZR 317/99, NJW 2002, 2096 = JurPC Web-Dok. 155/2002.
(21) Eine Besprechung aller Facetten dieser wichtigen Domain-Entscheidung würde den Rahmen der vorliegenden kurzen Anmerkung sprengen; insbesondere soll auch keineswegs behauptet werden, dass es sich bei dem zu entscheidenden Sachverhalt um den Fall einer Namenspiraterie handelt. Der Schwerpunkt der Entscheidung zwischen den Parteien des Rechtstreits lag vielmehr bei dem Problem der Gleichnamigkeit, die typischerweise bei "Namenspiraten" eben nicht gegeben ist. Dies trifft allerdings nicht zu auf das Unternehmen, das ursprünglich den Namen "Shell" hatte registrieren lassen, um ihn dann quasi gegen "Lösegeld" dem Öl-Konzern anzubieten.
(22) Der OGH hat diese Frage ausdrücklich offen gelassen, nachdem es darauf im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht mehr ankam.
(23) Weshalb z. B. Schanda in seiner Anm. zu der OGH-Entscheidung, siehe Fn. 14, zumindest für den Fall der erst erfolgten Reservierung auf die Alternative der Namensbestreitung abstellen will.
(24) So im Ergebnis auch die Feststellung von Rauschhofer, "Domaingrabbing-Fälle in der praktischen Verfolgung", JurPC Web-Dok. 23/2002, der sich in seinem interessanten Aufsatz mit den Möglichkeiten der Vorgehensweise gegen die Namenspiraterie befasst.
(25) Vgl. auch bereits Spiegel-Online vom 05.01.2002 unter "http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/".
(26) Näheres siehe unter "http://www.icann.org"; vgl. auch zur Streitschlichtung insbesondere bei UK-Domains den Aufsatz von Stotter, MMR 2002, 11 ff.
(27) Näheres unter "http://www.wipo.org".
(28) Im Original nachzulesen unter "http://arbiter.wipo.int/domains/decisions/html/2001/d2001-1401.html".
(29) Äußerung des Beklagten im Verfahren des LG Hannover, zitiert nach "stern" vom 07.12.2000
* Holger Zetzsche ist als Jurist in einer obersten Bundesbehörde für Fragen des Zivilrechts zuständig; er gibt in dem vorliegenden Aufsatz ausschließlich seine persönliche Auffassung wieder.
[online seit: 02.09.2002]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Zetzsche, Holger, Das Ende der "Hier-nicht-Hinweise"? - JurPC-Web-Dok. 0210/2002