JurPC Web-Dok. 224/2001 - DOI 10.7328/jurpcb/20011611212

Wolfram Viefhues *

10 Jahre EDV-Gerichtstag - ein Grund zum Feiern !

JurPC Web-Dok. 224/2001, Abs. 1 - 19


Der 10. EDV-Gerichtstag, der vom 19.09.2001 bis 21.09.2001 in Saarbrücken stattgefunden hat, bot mit dem 10-jähriges Bestehen des Vereins einen besonderen Grund zum Feiern. JurPC Web-Dok.
224/2001, Abs. 1
Die saarländische Ministerin der Justiz, Ingeborg Spoerhase-Eisel, betonte in Ihrem Grußwort die besondere Leistung, die mit dem Aufbau des EDV-Gerichtstages verbunden gewesen ist. Während man bei der Gründung des Deutschen EDV-Gerichtstags noch die Frage aufwerfen durfte, ob die Zeit nun reif sei für einen neuen Fachgerichtstag , könne man sich den EDV-Gerichtstag heute nicht mehr wegdenken. Er habe sich seinen Platz gesichert als das einzige überregionale und vor allen Dingen internationale Forum mit Gewicht zum Erfahrungs- und Meinungsaustausch für Fragen der EDV in der deutschen Justiz. Sie wies weiter auf das neue IT-Rahmenkonzept des Saarlandes für die Jahre 2002 bis 2005 hin, welches eine IT-Vollausstattung aller Büroarbeitsplätze im Bereich der Landesregierung mit moderner, einheitlicher Infrastruktur im Rahmen einer Modernisierungsoffensive vorsieht. Die Kabinettsentscheidung fiel dabei im Rahmen des Projektes K@binett-online, bei dem die herkömmlichen "papierbeladenen" Kabinettssitzungen durch elektronischen Informationsaustausch ersetzt werden. Zu den Sitzung könne die Landesvertretung in Berlin per Video-Konferenz live zugeschaltet werden. Einzigartig sei im Saarland auch die Möglichkeit der Referendarausbildung in der Rechtsinformatik. Auch auf das aktuelle Thema "Elektronischer Rechtsverkehr" ging die Ministerin ein. Man werde viel Arbeit - und natürlich auch viel Kapital - in diese große Herausforderung für die deutsche Justiz investieren müssen. Ein Zurück werde es nicht geben, wenngleich jetzt erst das Stadium der Grundsteinlegung überschritten sei. Der erhebliche Kostendruck und die hohe Geschwindigkeit der technischen Innovation würden aber die Landesjustizverwaltungen zwingen, mehr denn je auf dem Gebiet der Datenverarbeitung zu kooperieren. Abs. 2
Jochen Dieckmann, der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, referierte sodann zum Thema "Der Bürger, das Recht und das Internet". Das Internet biete die Möglichkeit, dem Bürger zusätzliche Informationen anzubieten. Neben den konsolidierten Gesetzestexten gehören auch Entscheidungen in das Informationsangebot der Justiz. So ist in Nordrhein-Westfalen die Errichtung einer landesweiten Rechtsprechungsdatenbank geplant, in der richtungsweisende Entscheidungen aller Gerichtsbarkeiten und aller Instanzen für die Öffentlichkeit unentgeltlich im Internet bereitgestellt werden, um der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Veröffentlichung nachzukommen. Ähnliches gelte für die elektronische Bekanntmachung von Eintragungen im Handelsregister oder für Informationen über anstehende Zwangsversteigerungsverfahren. Abs. 3
Nach den Worten Dieckmanns muss der elektronischer Rechtsverkehr als weiterer konsequenter Schritt folgen. Damit seien allerdings erhebliche Umsetzungsarbeiten innerhalb der Justiz erforderlich. "Wenn sich Schriftsätze in der Poststelle eines Gerichts stapeln, weil sie aufgrund inkompatibler innerer Strukturen nicht weiter verarbeitet werden können, ist es nur ein schwacher Trost, dass die reine Übersendung im Durchschnitt nur 3 Sekunden gedauert hat," sagte der Minister. Es gehe nicht um die Übermittlungsdauer, sondern um die gesamte Bearbeitungsdauer. Wir müssen daher die gesamte Binnenorganisation auf die neuen Möglichkeiten vorbereiten. Abs. 4
Deshalb müsse die gesamte Binnenstruktur der Justiz auf die neuen Möglichkeiten vorbereitet werden. Diese Umstellung sei allerdings nicht von heute auf morgen zu leisten, denn es bedeute neue Geschäftsprozesse für die Justiz, die Einführung neuer Software und von Systemen zur Verwaltung der elektronischen Dokumente, aber auch bundesweit einheitlicher Standards. Besonders geeignet für die elektronische Bearbeitung seien natürlich stark strukturierte Vorgänge z.B. im Register- und Grundbuchbereich zu erzielen sein, aber auch ein vollelektronisches Scheidungsverfahren sei nicht ausgeschlossen. Abs. 5
Die Justiz auf diese Aufgabe vorzubereiten, bedeute konkret
  • Anpassung der technischen Infrastruktur,
  • Veränderung der internen Geschäftsprozesse und
  • verstärkte Kooperation mit den "Geschäftspartnern" der Justiz, also den Anwälten, den Notaren, der Innen- und Finanzverwaltung und vielen mehr.
Abs. 6
Zugleich warnte der nordrhein-westfälische Justizminister vor übereilten Entscheidungen, damit nicht Medienbrüche, inkompatible Systeme und ein insgesamt zu hoher Aufwand verursacht würden. Die neuen Möglichkeiten müssten sowohl von den Justizangehörigen wie einer ausreichend großen Zahl von Bürgerinnen und Bürgern auch tatsächlich angenommen werden. Er verwies auch auf die noch zu lösenden Sicherheitsprobleme und machte deutlich, dass man sich insgesamt noch im Laborstadium befinde. Daher seien auch die Methoden anzuwenden, die auch in einem Labor üblich sind: Versuche mit kleinen Mengen unter größtmöglichen Schutzvorkehrungen. Dieckmann wörtlich: "Es ist mein Ziel, dem Bürger schließlich einen elektronischen Zugang zur Justiz anbieten zu können, den er wirklich nutzen kann: weil er einfach und sicher ist, und der ihn als Steuerzahler nicht mehr gekostet hat, als wirklich notwendig war." Abs. 7
Aufschlussreich hierzu war das Referat von Dr. Martin Schneider (Wien) zum elektronische Rechtsverkehr in Österreich. Während hierzulande der elektronische Rechtsverkehr noch in den Kinderschuhen steckt, ist er in Österreich bereits seit Jahren Realität. Bereits 1990 wurde diese strukturierte, papierlose elektronische Kommunikation zwischen Gericht und Parteien als gleichberechtigt neben dem Papier eingeführt und dann sehr pragmatisch schrittweise weiterentwickelt. Während dies zuerst für die "Eingangsseite" der Justiz verfügbar gemacht worden ist, sind seit 1999 auch Zustellungen auf elektronischem Wege möglich. Im Jahre 2000 wurde dann die Beschränkung auf Rechtsanwälte als Teilnehmer aufgehoben. Im Jahre 2001 werden voraussichtlich 75 % aller Klagen und 50 % aller Vollstreckungsanträge elektronisch eingereicht. Die Anzahl der elektronischen Eingaben wird bei etwa 1,7 Millionen, die der elektronischen Zustellungen bei 2,7 Millionen liegen. Kostenvorschüsse werden durch elektronische Abbuchung eingezogen. Die Ersparnis liegt bei dem Wegfall der Dateneingabe, der erleichterten Weiterverarbeitung der strukturierten Eingaben und in erheblich verringerten Portokosten. So werden allein im Jahre 2001 ca. 1 Mio. EURO Portokosten eingespart. Abs. 8
Hierfür waren eine Reihe von gesetzlichen Regelungen erforderlich, in denen auch Formblätter und Schnittstellen für die Datenübertragung fest vorgegeben wurden. Nachdem anfangs Gebührenanreize gegeben worden sind, haben sich inzwischen die österreichischen Rechtsanwälte in Ihrer Richtlinie für die Berufsausausübung verpflichtet, ihre Kanzleien für den elektronischen Rechtsverkehr auszustatten. Die österreichisch Justiz geht den Weg der Ausweitung des elektronischen Rechtsverkehrs aber noch weiter: So wird die Kommunikation mit den Sachverständigen im Grundstücksversteigerungsverfahren in Zukunft rein elektronisch abgewickelt, wobei der Sachverständige sein Gutachten in elektronischer Form erstellt. Abs. 9
Ministerialrat Carl Fritz Fitting (Hannover) gab als Vorsitzender der Bund-Länder-Kommission einen Überblick über die Arbeit dieses Gremiums zum elektronischen Rechtsverkehr, während RLG Dr. Klaus Bacher (Stuttgart) über die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs beim Bundesgerichtshof berichtete. Dort werden sich in einer ersten Stufe zehn der insgesamt 33 beim BGH zugelassenen Rechtsanwälte aus fünf Kanzleien an dem Projekt beteiligen. Auf Seiten des BGH nimmt der 3. Zivilsenat an dem Projekt teil, der im Wesentlichen für Amtshaftungsansprüche zuständig ist. Die rechtliche Grundlage für das Pilotprojekt wird eine entsprechende Verordnung der Bundesregierung gem. § 130a Abs. 2 ZPO schaffen. Zwar wird - jedenfalls zunächst - weiterhin eine Papierakte geführt. Das Herzstück des gesamten Projekts ist jedoch die elektronische Akte, die mit Hilfe eines Document - Management - Systems geführt wird. Damit die Dezernatsarbeit allein mittels der elektronischen Akte erfolgen kann, muss diese vollständig sein. Folglich sind alle weiterhin noch eingehenden Papierdokumente einzuscannen. Die Vorteile einer solchen elektronisch geführten Akte liegen auf der Hand: jedes Dokument, das elektronisch gespeichert und so "zur Akte" genommen worden ist, ist überall verfügbar. Akten, die irgendwo im Gericht außer Kontrolle geraten sind, wird es nicht mehr geben. Auch können mehrere Personen gleichzeitig an derselben Akte arbeiten. Mit diesem Projekt zeichnet sich ab, dass der Bundesgerichtshof bei der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs eine Vorreiterrolle übernehmen will. Abs. 10
Einen konkreten Einblick in die bisher gewonnenen Basiserfahrungen und Gelegenheit zur intensiven Diskussion bot der von Margarethe Bergmann moderierte Erfahrungsaustausch zum Thema "Internet und Justiz". Abs. 11
Im Festvortrag zum Thema "Historie des EDV-Gerichtstags" gab Wolfgang Golasowski einen Rückblick auf die "revolutionären" Anfangszeiten der Freak, die sich mit einem Akustikoppler bei 300 Baud Übertragungsleistung den Weg in die weite EDV-Welt gebahnt haben und die damals der Kampf um den dienstlichen PC vereint hat. Er schilderte die Reaktion auf seinen ersten PC-Beschaffungsantrag. "Der Verwaltungsleiter seines Amtsgerichts entgegnete sinngemäß, die Schnittstelle für den Richter zu den Geschäftsstellen und den Schreibdiensten sei der Aktenbock, im übrigen fände am nächsten Tag eine Vorführung der Fa. Siemens für die Rechtspfleger und Geschäftsstellenleiter statt, Plätze für Richter seien leider nicht mehr frei. Ende der 80er Jahre war danach das Feindbild klar: Die Amtsräte und Oberamtsräte hatten das Thema "EDV in der Justiz" besetzt. Das Gremium, in dem die wichtigen Entscheidungen getroffen wurden, war die "Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz", Zutritt für Richter und Staatsanwälte verboten, es sei den sie gehörten einer Mittelbehörde an und verhielten sich entsprechend." Diese Situation sei damals wesentlicher Auslöser für die Gründung des EDV-Gerichtstages gewesen. Abs. 12
Golasowski bezeichnete es als großen Gewinn, dass es der EDV-Gerichtstag geschafft habe, die "Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz" in die Veranstaltung einzubinden. Die Leistungen des EDV-Gerichtstages seien unbestreitbar. So habe z.B. der Arbeitskreis "Softwarebewertung" in der Fachöffentlichkeit Maßstäbe gesetzt. Als einen der Höhepunkte der Veranstaltungen bezeichnete er auch den Vortrag von Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin im Jahre 2000. Abs. 13
Ein 10jähriges Bestehen sollte auch Anlass sein, über die nächsten 10 Jahre nachzudenken. In der übrigen öffentlichen Verwaltung werde sehr intensiv über die Qualität der Dienstleistung für den Bürger nachgedacht und entsprechend gehandelt. Dieser Herausforderung müsse sich auch die Justiz stellen. Man solle sich nicht täuschen, das Bild der Justiz in der Öffentlichkeit sei nicht so toll. Wenn man künftig über EDV in der Justiz spreche, dürfe Effizienz kein Tabuthema sein. Denn eine wichtige Erkenntnis aus dem Total Quality Management laute: "Wer nicht besser wird, ist nicht gut, und wer nicht gut ist, hat keine Chance". Der vollständige Text dieses Beitrages ist im Internet unter http://edvgt.jura.uni-sb.de/Tagung01/ak01/vortrag_historie_des_edv.htm zu lesen. Abs. 14
Dem ehemaligen Justizminister des Saarlandes, Dr. Arno Walter, der den EDV-Gerichtstag insbesondere in den ersten Jahren nach der Gründung intensiv unterstützt hat, hat der Deutsche EDV-Gerichtstag als Dank und Anerkennung seiner Verdienste die lebenslange Ehrenmitgliedschaft verliehen. Abs. 15
Abgerundet wurde der EDV-Gerichtstag durch weitere Fachvorträge. Professor Dr. Michel Vivant (Montpellier) arbeitete in seinem Referat über "Das Urheberrecht an der Schwelle des 3.Jahrtausends" die unterschiedliche Rechtsprechung in Deutschland und Frankreich heraus und stellte die Forderung nach einem menschlicheren Urheberrecht als Gegensatz zu Globalisierung und Kommerzialisierung. Professor Dr. Zhou Lin (Peking) hob in seinem Vortrag zum Thema "The Amendment of the PRC Copyright Law" insbesondere die Änderungen der Grundsätze des Urheberrechts durch den Eintritt Chinas in die Welthandelsorganisation (WTO) hervor. Last not least referierte Dr. Jens Gaster über "Das geistige Eigentum als Schranke des Zugangs zu öffentlichen Dokumenten". Abs. 16
In besonderen Unternehmenspräsentationen wurde das neue juris-web sowie die Beck-Online-Datenbank demonstriert. Zudem konnten alle Teilnehmer des EDV-Gerichtstages kostenlos eine elektronische Signatur der Fa. Deutsche Post Signtrust erhalten. Abs. 17
Die Firmenbegleitausstellung brach in diesem Jahr alle Rekorde. Wer im Bereich der EDV im juristischen Umfeld Rang und Namen hat, war hier vertreten, präsentierte sein Angebot und bot den Besuchern des EDV-Gerichtstages die Möglichkeit, sich umfassend und aus erster Hand über die angebotenen Produkte zu informieren. Abs. 18
Der nächste EDV-Gerichtstag wird vom 25.9. bis 27.09.2002 in Saarbrücken stattfinden. Weitere Informationen zur Arbeit des EDV-Gerichtstages finden sich unter der Internet-Adresse http://edvgt.jura.uni-sb.de/.
JurPC Web-Dok.
224/2001, Abs. 19
* Dr. Wolfram Viefhues ist Richter am Amtsgericht Oberhausen/Oberlandesgericht Düsseldorf und Vorstandsmitglied des Deutschen EDV-Gerichtstages.
[online seit: 12.11.2001]
Zitiervorschlag: Autor, Titel, JurPC Web-Dok., Abs.
Zitiervorschlag: Viefhues, Wolfram, 10 Jahre EDV-Gerichtstag - ein Grund zum Feiern ! - JurPC-Web-Dok. 0224/2001